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13.08.2017 | D-ABGO | A320 | Stuttgart | Doppelter Triebwerksausfall (auf der Bahn)


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Geschrieben

Zum zweiten mal in der Geschichte der Jetfliegerei sind die Teile eines uncontained engine failures (in diesem Fall nach einem Birdstrike) beim Startlauf ins gegenüberliegende Triebwerk geraten. Das kann eigentlich nur passieren, wenn sie von der Bahn abprallen, also nur im Startlauf. In diesem Fall wohl früh genug, um ein größeres Unglück zu vermeiden.

Das letzte mal war es ein Dreistrahler nach dem Rotieren, seither wissen wir dass die auch allein mit Triebwerk #2 in der Luft bleiben können (ich suche noch einen Bericht davon im Internet, ich bin eigentlich ziemlich sicher es war eine DC-10, aber vielleicht auch L1011 oder MD-11)

 

Ein D-AB.. Kennzeichen ist derzeit wohl kein Glücksbringer...

 

Gruß

Ralf

Geschrieben

Vielen Dank. Theoretisch ist auch möglich, dass Teile von einem Triebwerk direkt in das andere fliegen, womöglich noch vorher den Rumpf durchbohrend.

 

Das wird sicher eine interessante Untersuchung geben.

 

Gut gemacht, Crew. Und viel Glück gehabt.

 

Dani

Geschrieben

"...den Rumpf durchbohrend..." scheint mit nicht sehr wahrscheinlich. Wohl sind Rumpfbeplankungen in den freien Feldern dank "chemical milled" zT relativ dünn, doch sind die Räume zwischen einer linken und rechten Rumpfwand iA nicht leer, sondern enthalten beispielsweise Ausrüstung, Gepäck, Fracht oder noch schlimmer: einen Treibstofftank, was insgesamt nicht ohne weiteres zu durchdringen ist...

 

Gruss

Stefan

Geschrieben

Das wird sicher eine interessante Untersuchung geben.

Laut AVHerald wird es keine Untersuchung geben, da es sich nicht um eine schwere Störung handelt. Das eine Treibwerk hat zwar Leistung verloren aber noch funktioniert und das andere hatte offenbar nur kleinere Schäden und keine Beeinträchtigung in der Leistung. Der Fall taugt also nicht, um eine "beinahe Katastrophe" herbei zu reden.

 

Florian

 

P.S.: @Ralf: Ich kenne mich in der Geschichte der Flugunfälle nicht so aus, aber zumindest dieser Fall war kein uncontained engine failure. Bei uncontained failures treten Teile seitlich durch die Verkleidung aus dem Triebwerk aus. Das - wie in diesem Fall - bei mechanischen Defekten vorne oder hinten aus dem Triebwerk Teile austreten ist dagegen normal (da sind Triebwerke ja offen ...).

Geschrieben

Hallo

 

Gestern im AV H auch gesehen und war verwundert - nun auch hier im ff was zu diskutieren.

 

Wann wurde denn der Start abgebrochen? Der Airbus war scheinbar schon recht schnell, oder?

 

@Dani 

 

Gut gemacht, ok - sollte zu erwarten sein, von Profis. Aber war das wirklich knapp bzw. was wäre passiert wenn die Entscheidung z.b.

5 Sekunden später getroffen worden wäre? Danke

Geschrieben (bearbeitet)

Prinzipiell gilt, dass vor V1 abgebrochen werden muss und nach V1 geflogen wird. Diese Theorie funktioniert aber nur, wenn ein Triebwerk die berechnete T/O-Leistung bringt.

Die T/O Leistung wird aus Kostengründen bei jedem Start reduziert bzw. optimiert (Stichwort balanced T/O --> es darf gegoogelt werden).

EDDS hat eine lange Bahn, dennoch können die Margen aus obigen Gründen knapp sein.

 

Die Entscheidung für den Startabbruch liegt beim Kapitän. Analysen nahe an V1 sind schwierig, da braucht es gute Auffassungsgabe und seitens des PM eine klare Kommunikation.

 

Jetzt zu Deiner Frage, was gewesen wäre, wenn der CMD die Entscheidung zum RTO 5s später gefällt hätte:

- falls die Geschwindigkeit über V1 gelegen hätte, wäre das Flugzeug unter Umständen nach dem Pistenende im Gras gelandet

- mit Sicherheit wäre in diesem und in anderen Foren die Diskussionen losgegangen, was für ein Idiot der CMD doch sein

- Juristen und Fachleute hätten zu beweisen versucht, dass das Flugzeug trotz Motorenproblemen am zweiten Triebwerk geflogen wäre und die Entscheidung des CMD falsch gewesen sei.

 

In diesem Fall hat der CMD entschieden und die Sache ist gut ausgegangen. Ich unterstütze Danis Votum: Gut gemacht!

Bearbeitet von HB-JNB
Geschrieben

Gut erklärt. In etwa wusste ich es, aber eben nur in etwa - deshalb Danke!

Schön das es hier noch kompetente Piloten gibt bzw.  Berufspiloten  ;)

 

 

Und was die Juristen angehen - klar jedes Instrument braucht Theoretiker die  irgendwie was ausschlachten können, 

in jeglicher Richtung  :angry:

Geschrieben (bearbeitet)

Danke, Peter.

Ob es 5 Sekunden später noch gereicht hätte, wissen wir natürlich nicht. Wenn jeweils "rejected at high speed" (Start bei hoher Geschwindigkeit abgebrochen), dann bedeutet das nicht notwendigerweise, dass es nahe bei V1 geschah. Grundsätzlich unterscheidet man beim Start eines Airliners zwischen low speed bis 100 kts (bei kleineren bis 80), darüber ist es high speed. Ein grosser Teil der Luftfahrtwelt geht davon aus, dass sie über 100 kts nur noch für sehr schlimme Pannen abbremsen. Es wird dann auch ganz genau aufgelistet welche dies wären: Motorenpanne, Feuer, Rauch, Flugkontrollprobleme. Für "leichtere" Pannen wie Pneuschaden oder ein Ding ding ding von der Kabine oder ein einfacher Instrumentenausfall (nur ein Bildschirm) würde nicht mehr angehalten, sondern weiterbeschleunigt und gestartet.

 

Ob die Jungs von Eurowings tatsächlich realisiert hatten, was genau passiert ist, wage ich zu bezweifeln. Wie Peter treffend formuliert, gibt es keine Zeit für eine Analyse (kein Wunder, er hat den Swissair-Lehrfilm "Canned decisions" auch gesehen). Sie haben vielleicht nur realisiert, dass ein Motor spuckte, aber nicht zwei.

 

Möglicherweise haben auch ein oder sogar beide Motoren noch Leistung abgegeben. Hätten sie den Start nicht abgebrochen, wären sie womöglich nicht gestorben. Aber man sollte sein Glück nicht überbeanspruchen. Vielleicht haben sie beim Startabbruch noch Volle Schubumkehr gegeben, möglicherweise wurden die Triebwerke erst (vollständig) zerstört bei diesem Versuch, das Flugzeug zum Stillstand zu bringen.

 

Doch doch, das wird bestimmt eine Untersuchung geben. Und wenn nicht vom BFU dann bestimmt von den Triebwerksherstellern, Airbus und EWG.

 

Dani

Bearbeitet von Danix
Geschrieben

Auch hier gilt: Bericht genau lesen: Das Flugzeug hat die Bahn laut AvHerald nach 1900 m verlassen. Das ist in Stuttgart der erste Taxiway zum Exit knapp hinter der Halbbahnmarkierung. 

 

Natürlich hat die Crew alles richtig gemacht: Ein Treiber hat im Startlauf an einer Stelle gezickt, als noch sehr viel Sicherheitsmarge für das Abbremsen war. Also haben sie das getan. Ich denke nicht, dass da eine große Analyse erfolgt ist, was genau am Triebwerk ist, sondern schlicht: "Triebwerk spinnt - noch genug Platz/langsam genug - Startabbruch" 

 

Florian

Geschrieben

A propos V1, ein bisschen Denksport: Ist die Piste lang genug, ist V1=Vrot. Ist es nass, käme noch die wet V1 ins Spiel......

 

Stefan

Geschrieben

Richtig!

Es steht drin, dass nach 1900 metern schon abgebremst war bzw man die Bahn verlassen hat,

somit war doch einiges Länge noch vorhanden.  Wäre es knapp vor V1 gewesen und hätte nicht gleich reagiert, wäre

es wohl sehr knapp geworden, innerhalb der Runway zu stoppen. 

Geschrieben (bearbeitet)

A propos V1, ein bisschen Denksport: Ist die Piste lang genug, ist V1=Vrot. Ist es nass, käme noch die wet V1 ins Spiel......

 

Stefan

 

Nur bei Balanced Take Off, nur ohne Hindernisse, nur ohne Derated Take Off und nur bei Twins (2 Triebwerken).

 

 

Wäre es knapp vor V1 gewesen und hätte nicht gleich reagiert, wäre

es wohl sehr knapp geworden, innerhalb der Runway zu stoppen.

 

Nicht zwangsläufig. Da heutige Twins sehr leistungsfähige Triebwerke haben, ist meistens noch viel Reserve übrig. Üblicherweise reduziert man bei langer Piste bis zur maximalen Temperatur (minimalen reduzierten Leistung), das sind im Normalfall 75% der maximalen Leistung. Bei dieser Leistung ist man immer noch nicht an der Pisten-/Hindernislimite. Man könnte sich also theoretisch sogar einen Startabbruch nach V1 leisten. Das ist aber nicht zu empfehlen, da man sich ausserhalb der berechneten Parameter befindet (und weil es gegen die Vorschriften verstösst). Deshalb könnte man unter Umständen auch einen kompletten Triebwerksausfall nach dem Abheben ohne Overrun (Verlassen des Pistenendes) überstehen.

Bearbeitet von Danix
Geschrieben

ok , interessant. Dann ist ja alles halb so wild....

 

Vermutlich kommt es aber auch auf das jeweilige Flugmuster an, oder? 

Geschrieben

Hallo Dani

 

Danke für die Reaktion zum "Denksport". Darf ich wie folgt nachfragen / kommentieren:

 

1) Eine V1 führt doch zwangsläufig zu einer Art ausgeglichener Pistenlänge, indem man mit Startabbruch bei V1 vor dem Pistenende zum Stehen kommen oder bei Fortsetzung am Pistenende min. 50 Fuss hoch sein muss. In der Praxis dürfte jeweils eines der beiden ausschlaggebend sein.

 

2) V1 ist doch eine flugzeugspezifische Grösse (Teil der Zulassung) und unabhängig von lokalen Hindernissen. Letztere müssen doch im (gewerbsmässigen) Betrieb für jeden Flughafen erarbeitet und ggf mit Gewichtsreduktion (oder Wind- / Temperaturlimiten) berücksichtigt werden.

 

3) Muss die V1 bei "derated take off power" nicht angepasst werden oder gibt es übergeordnete Anpassungen/Bedingungen?

 

4) Bezieht sich V1 nicht auf "one/critical engine out" und wäre damit unabhängig von der Anzahl Motoren?

 

Noch ein weiteres Gedankenspiel: Steigt ein engine-out-Flugzeug besser als es bremst ist V1 geringer (min Vmcg); bremst ein Flugzeug besser als es steigt ist V1 grösser (max Vrot)!?

 

Danke zum Voraus für Hinweise aus dem aktuellen Profi-Alltag!

 

Stefan

Geschrieben

Nein. Bei einem Abbruch bei V1 käme man SPÄTESTENS am Pistenende zum Halten. Wenn man aber 3000 Meter Bahn vor sich hat, wird selbst mit maximaler Reduzierung der Triebwerksleistung eine Takeoffdistance von deutlich weniger als 3000 Metern erreicht (wir reden von den gängigen Kurzstreckentypen).

Geschrieben (bearbeitet)

Take Off Performance füllt ganze Bücher und kann nicht so schnell in einem Post zusammengefasst werden. Es braucht auch ein gutes Stück Physik. Und ich gebe ehrlich zu, ich war nicht immer der beste in diesem Fach - war mir zu mathematisch  ;)

 

Grundsätzlich reden wir bei der ganzen Geschichte immer von Balanced Take Off. Take Off Roll = Accellerat-Stop Distance. Aber es gibt derart viele Ausnahmen. Sobald es Hindernisse gibt, muss man beim Go-Fall (Ein Motor fällt aus und man hebt trotzdem ab) immer Reserve einbauen, denn man muss ja noch über ein Hindernis, obwohl man schon längst abgehoben hat. Je höher das Hindernis, desto früher muss man abheben, desto tiefer muss V1 ein, denn man kommt bei einem "normalen" V1 gar nicht mehr übers Hindernis, während man noch lange abstoppen könnte.

 

Und und und

 

Bei den Mehr-als-Zweimot kommt noch hinzu, dass man einen Motor verlieren kann, aber immer noch genügend beschleunigen kann um abzuheben. Man verliert nur einen Viertel, während man bei einer Zweimot die Hälfte verliert. Deshalb sind da die Abstände zwischen V1 und Vrotate manchmal sehr hoch und es dauert wirklich seine Zeit, bis man das erreicht, weil bei der geringen Beschleunigung nimmt die Geschwindigkeit sehr langsam zu.

 

Derated war wohl eher eine Ausnahme von der Ausnahme, denn es kommt nur bei 4mot vor (Derated ist nicht das gleiche wie Flex, und auch nicht das gleiche wie Derated Climb, also ein sehr sehr seltener Fall).

 

Aber wenn Bedarf vorhanden ist, könnten wir das Thema schon eingehender behandeln, allerdings bräuchte es dann wahrscheinlich einen separaten Thread. Womöglich gibt es den schon längst irgendwo im Forum.

 

Und vielleicht mit einem Performance Engineer, nicht mit einem blöden Pilot wie mich...  :wacko:

 

Dani

Bearbeitet von Danix
Geschrieben

ok , interessant. Dann ist ja alles halb so wild....

 

Vermutlich kommt es aber auch auf das jeweilige Flugmuster an, oder? 

 

was kommt aufs Flugmuster drauf an?

Grundsätzlich glaube ich schon, dass die sehr scharf an einem Totalschaden vorbeigeschrammt sind. Aber wir wissen noch zu wenig. Schön zu wissen, dass sie dem Schicksal entkommen sind.

 

Dani

Geschrieben (bearbeitet)

Mensch Dani, ansonsten bist doch immer recht selbstbewusst, also mach dich nett blöder....  :P

Verstehst ja, ironisch gemeint  :lol:  ;)

 

Wäre es ein voll besetzter   A330 - 200  gewesen, statt A319 (Kurzstrecke) und wäre auf Langstrecke gegangen

wären die Voraussetzungen anders gewesen?  Wahrscheinlich nicht, da andere Berechnungen.

 

Ich weiß, wenn man nett viel weiß und davon versteht, fragt man immer dumm  ;)  :lol:

 

 

PS:Posting danach nimm gesehen

Bearbeitet von Manfred J.
Geschrieben

Das war ein A319 mit ziemlich gut gefüllten Tanks, es sollte nach Antalya gehen. Leicht waren sie somit nicht! Ob sie jetzt an einem Totalschaden entlang geschrammt sind, weiss ich nicht, das ist Spekulation. Auf einer so langen Bahn kann man auch nach V1 abbrechen, wenn man nicht daran glaubt, dass sich das Flugzeug sicher in die Luft erheben wird. Da sie nach weniger als 1900m wieder abgerollt sind, war es sowieso kein Problem.

Geschrieben

Wären dann ja noch 1100 meter bis zum Bahnende gewesen, glaub Str hat 3,0 KM Länge, somit kann doch folglich nur der Start deutlich vor V1 abgebrochen worden sein. 

 

Danke für Erklärung

Geschrieben (bearbeitet)

Es gibt nicht eine V1, es gibt diejenige die man aufgrund der Preferänzen seiner Flugoperationen errechnet und zugelassen hat. Jeder Start sieht zwar gleich aus, aber die Details dahinter sind nicht dieselben. Wie Dani sagt, da kann man ganze Bücher damit füllen.

 

Hier haben wir einen Startabbruch weit vor V1. Mehr nicht.

Bearbeitet von Hunter58
Geschrieben

Hallo,

ich habe das mal gerechnet für einen A319-112 mit 70 Tonnen (Was eigentlich ein bisschen viel ist fuer STR-AYT) , Runway 07, bei dem Wetter Mittags in Stuttgart.
V1 148
Vr 151
V2 156
Flex 56
und eine ASD von 3239 Meter. Da Stuttgart ASDA 3345 Meter hat, bleibt eine Margin von 106 Meter.  Wenn sie also nach 1900 Meter von der Bahn sind, dann waren sie vermutlich noch nicht sehr schnell.

Gruss Michael

Geschrieben

 

A propos V1, ein bisschen Denksport: Ist die Piste lang genug, ist V1=Vrot.

Das ist aber eine reine Definitionssache. V1 kann bei langen Pisten auch > Vrot sein, das macht aber keinen Sinn (wenn man erstmal die Abhebegeschwindikeit erreicht hat, kann man die Geschwindigkeit nicht mehr als aleiniges Abbruchkriterium benutzen), deshalb definiert man das V1 nie > Vrot sein kann, und setzt dann V1 = Vrot.

Tatsächlich (soweit der Denksport) kann man auf ewig langen Pisten auch aus 50m Höhe noch abbrechen und wieder geradeaus landen. Was bei einem Airliner allerdings deutlich anspruchsvoller ist, als in der GA und daher nicht standardmäßig gemacht wird.

 

Man muss immer unterscheiden, zwischen dem was physikalisch definiert werden kann, und dem was man dem Piloten als Handbuchwert und Verfahren geben möchte.

 

Im Prinzip gibt es immer zwei V1 Werte:

"V1 start" ist die Geschwindigkeit die man mindestens erreicht haben muss, damit man wenn dann das kritische Triebwerk ausfällt (bei zweimotorigen Jets sind meist alle gleich kritisch), noch gerade das Pistenende in 50ft überfliegen wird.

"V1 abbruch" ist die Geschwindigkeit die man höchstens erreicht haben darf, damit man wenn dann das kritische Triebwerk ausfällt (sofern es als Bremse benutzt werden kann, manche Muster haben das gar nicht) noch bis zum Pistenende zum stehen kommt.

Beiden Werten liegt eine angenommene benutzte Pistenlänge zu diesem Zeitpunkt zugrunde, sprich für die Berechnung wird eine Beschleunigung, und damit ein Powersetting angenommen.

Beiden Werten liegt eine angenommene nutzbare Pistenlänge zugrunde.

Nur bei einer einzigen Schub/Pistenlängen-Kombination fallen beide Geschwindigkeiten zusammen, für Vollgas kann man so die minimal zulässige Pistenlänge berechnen (unter Berücksichtigung der Luftdichte und Flugzeugmasse).

Ist "V1 abbruch" < "V1 start" ist die Piste zu kurz, es darf nicht geflogen werden. Das wird über eine Startstreckenberechnung abgedeckt, dieser Fall kommt daher in der Praxis nicht vor.

Ist "V1 abbruch" >= "V1 start" wird die offizielle V1 durch die "V1 start" definiert. In diesem Fall ist ein Abbruch nach V1 möglich. Bzw. es besteht Spielraum mit verminderter Leistung zu starten, genau das wird dann gemacht, es erhöht die Lebensdauer der Triebwerke und reduziert die Wartungskosten.

 

Im Prinzip ist es nicht sinnvoll, dem Piloten in einem absolut zeitkritischen Moment komplexe Entscheidungen zuzumuten, die Gefahr einer Fehlentscheidung ist viel zu hoch. Also hat man sich einfach mal darauf geeinigt, bei "V1 abbruch" >= "V1 start" den Spielraum für Entscheidungen nicht zu nutzen, und wenn es zwei praktisch machbare Möglichkeiten gibt, einfach standardmäßig das Starten, nicht das Abbrechen als vordefinierte Standardentscheidung festzulegen. Den Spielraum nutzt man lieber zur Leistungsreduktion.

Ist sogar "V1 abbruch" >= Vr, dann wird Vr zur V1.

Die Wahrscheinlichkeit, dass noch nach V1 oder gar Vr etwas passiert, was das Flugzug unfliegbar macht ist einfach geringer als die Gefahr, dass ein Pilot eine falsche Entscheidung trifft. Man kann unmöglich erwarten, dass er etwas in Sekunden durchrechnet.

Es gibt aber ganz klar so Fälle, z.B. eine blockierte Höhenrudersteuerung. Lässt sich das Flugzeug bei Vr nicht rotieren, ist ein Startabbruch die einzige Option. Die Wahrscheinlichkeit socher Fälle ist so gering, dass man das Risiko einfach eingeht, sie nicht abzudecken.

Ich persönlich behalte sie aber im Hinterkopf, besser hinterher einen Anschiss wegen Abbruch nach V1, als posthum einen Orden wegen vorbildlichem befolgen der SOPs.

Umgekehrt gibt es aber natürlich auch Fälle, wie einen Reifenplatzer nach V1, die die Option Starten nicht beeinflussen, den Bremsweg beim Abbruch aber schon. In dem Fall ist es nicht nur eine der zwei Optionen, in dem Fall ist es klar die bessere den Start fortzuführen. Gerade so ein Schlag prägt sich ein und verleitet zum Abbruch, daher ist das Mindset auf "Start" nach V1 ganz sicher keine schlechte Idee. Aber eben keine 100.000% Lösung.

 

Im Prinzip ist die ganze V1 Diskussion ein Relikt der frühen Tage der Fliegerei.

Heute könnten moderne Flugzeuge auf dem PFD neben der Geschwindigkeitsanzeige zwei Balken haben, für noch verfügbare Pistenlänge zum Beschleunigen und noch verfügbare Pistenlänge zum Abbrechen, beide jeweils mit der aktuellen Beschleunigung und Position auf der Piste aktualisiert. Sobald beide Balken weg sind, muss gestartet werden. Solange noch wenigstens ein Balken da ist, kann noch abgebrochen werden. Wäre ähnlich klar zu benutzen, wie die V1- und Vr-Marke auf dem Geschwindigkeitsband.

Nebenbei könnte man bevor es losgeht schnell noch mal die Länge des Start-Balkens mit der Bahnlänge vergleichen, so würden Fehlkalkulationen bzw. Fehleingaben (Gewicht, Temperatur...) sofort auffallen. Wenn ich nach dem Powersetting sehe, dass ich noch 2800m auf einer 2400m Bahn zum abheben brauche, ist ein guter Zeitpunkt den Start abzubrechen, oder die Leistung zu erhöhen...

 

 

Bei uncontained failures treten Teile seitlich durch die Verkleidung aus dem Triebwerk aus. Das - wie in diesem Fall - bei mechanischen Defekten vorne oder hinten aus dem Triebwerk Teile austreten ist dagegen normal (da sind Triebwerke ja offen ...).

Offiziell hast du natürlich recht.

 

An “uncontained” engine failure is a failure where rotating elements of the engine penetrate the case of the engine.

"Case" bedeutet dabei das Triebwerk selbst, wird nur die Nacelle durchschlagen (z.B. der Einlaufbereich von einem Fanblatt), ist das offiziell schon kein uncontained failure.

In der Praxis ist es aber ziemlich egal, in welche Richtung das Triebwerke Teile von sich wirft, sobald es eine Richtung ist, in der Schäden angerichtet werden.

Wenn das Triebwek Teile nach vorne verliert, kann das eigentlich nur am Boden oder bei mehrmotorigen Flugzeugen mit Pfeilflügel dazu führen, dass andere Triebwerke getroffen werden. Ein Komplettausfall aller Triebwerke durch so einen Fall kann also überhaupt nur in einem sehr kurzen Zeitfenster auftreten, und ist nur in einem extrem kurzen Zeitfenster kritisch.

 

Hier scheint es wohl weniger ernst gewesen zu sein, als es zunächst klang. Schade, dass es keine volle Untersuchung gibt, es wäre bestimmt einiges lehrreiche dabei rausgekommen. Andererseits bleiben die genauen Flugbahnen der Trümmer weitestgehend im Dunklen, so dass die Erkenntnisse vielleicht doch sehr beschränkt sind.

 

Gut, dass das System Luftfahrt für solche Fälle gerüstet ist.

 

Gruß

Ralf

Geschrieben

Hallo,

 

ich habe das mal gerechnet für einen A319-112 mit 70 Tonnen (Was eigentlich ein bisschen viel ist fuer STR-AYT) , Runway 07, bei dem Wetter Mittags in Stuttgart.

V1 148

Vr 151

V2 156

Flex 56

und eine ASD von 3239 Meter. Da Stuttgart ASDA 3345 Meter hat, bleibt eine Margin von 106 Meter. Wenn sie also nach 1900 Meter von der Bahn sind, dann waren sie vermutlich noch nicht sehr schnell.

 

Gruss Michael

Engine Rating? Weil sonst sagt das gar nichts aus...

Geschrieben

Engine Rating? Weil sonst sagt das gar nichts aus...

Hallo,

 

CFM56-5B6

 

Gruss Michael

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