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Eher Theoretische Frage zur maximalen Geschwindigkeit in Bodennähe


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Geschrieben

Kurze Frage: Welche Geschwindigkeit kann ein handelsübliches Passagier-Verkehrsflugzeug in, sagen wir, 2000 Fuß maximal fliegen ohne dass die Struktur des Flugzeuges in Gefahr gerät?

Geschrieben (bearbeitet)

wie du weisst, ist die Geschwindigkeit meistens gesetzlich auf 250kts limitiert.

 

Die maximale Geschwindigkeit ist Vmo, maximal operated, oder maximum operational. Die ist von der Zertifizierung hergeleitet durch die Vne, never exeed, welche je nach Typ anders ist. Das ist dort, wo alles rüttelt und vibriert und flattert, höher würde strukturel Probleme machen. Never exceed wird im Sturzflug erprobt, also nicht auf 2000ft oder so.

 

Im Normalfall ist Vmo so 320 bis 340, und wird dann gegen oben niedriger, bis sie von der Mmo (Mach) "abgeholt" wird.

 

Ralf weiss sicher noch mehr.

 

Dani

Bearbeitet von Danix
Geschrieben (bearbeitet)

Die Vne, also die Geschwindigkeit die strukturell nicht überschritten werden darf ist typischerweise noch mal so ungefähr (je nach Typ) 50kt höher, als die Vmo, da dazwischen nach Part 25 0.05-0.07M Sicherheitsmarge demonstriert werden müssen. (ähnlich für Mmo/Mne)

 

Zudem haben manche Flugzeuge noch niedrigere Vmo unter 10.000ft, weil der limitierende Faktor dort oft die Bird Strike Beständigkeit der Frontscheibe ist.

 

Florian

Bearbeitet von Chipart
Geschrieben

Die Geschwindigkeit selbst ist ja nicht das primäre Problem für die Struktur. In ruhiger (und vogelfreier...) Luft, kannst du so schnell geradeausfliegen bis die ersten Kompressibilitätseffekte eintreten, also wohl so bis Mach 0.88, also so um die 480kt, deutlich über VNE. Manöver darfst du dann natürlich keine heftigen mehr fliegen, und Böen solltest du auch keine treffen, von Vögeln (oder Drohnen) ganz zu schweigen.

 

Im Prinzip hast du zwei Grenzen, die deinen Geschwindigkeitsbereich einschränken: Staudruck (erzeugt die Luftlasten, die die Struktur aushalten muss) und Machzahl (erzeugt nichtlineare aerodynamische Effekte, die die Flugmechanik beeinflussen und zu zusätzlichen erheblichen lokalen Lasten führen).

Staudruck hängt mit der Luftdichte zusammen, Machzahl mit der Temperatur. Beides ändert sich mit der Höhe, und zwar einmal standardisiert in der ICAO Standardatmosphäre, und dann natürlich im wahren Leben abhängig von der Breite und den aktuellen Wetter.

In Bodennähe ist Staudruck das Problem, in großer Höhe Machzahl. Die für dein Flugzeug in den Handbüchern angegebenen Werte sind strikt für die Standardatmosphäre berechnet, müssen also in einer tatsächlichen Situation nicht unbedingt die tatsächlichen Limits sein, je nach dem, wie das aktuelle Wetter nun gerade ist, oder ob du am Äquator oder über den Polen fliegst. Konkret: Im Sommer kannst du 100m über der Sahara schneller fliegen, als im Winter in 100m über dem Nordpol, um dein Staudrucklimit zu erreichen. Dein Fahrmesser zeigt das allerdings "korrekt" an, sprich bei gleicher Anzeige fliegst du über der Wüste deutlich schneller, als über dem Nordpol. Birdstrike passiert natürlich mit der wahren Geschwindigkeit, du bist also bei 250kt IAS über der Wüste mehr gefährdet, als bei 250kt IAS über dem Nordpol.

 

Dieses Diagramm (sorry, schlechte Qualität...) zeigt die Geschwindigkeit gleichen Staudrucks und gleicher Machzahl über der Flughöhe. Die Knicke in den Machzahlkurven kommen von der Isothermie an der Tropopause, diese liegt am Äquator durchaus 2-4 km höher, als an den Polen (alles immer noch Sommer/Winter abhängig...), wird aber als fix in der ISA angenommen.

Wenn du nun genau weisst, welche Machzahl oder welcher Staudruck in welcher Flughöhe das tatsächliche physikalische Limit ist, kannst du die Kurven nach unten zu geringen Flughöhen hin interpolieren, und die Grenzgeschwindigkeit dort bestimmen. Ganz grob kann man sagen, alles was Machzahlbegrenzt ist, erlaubt in Bodennähe schneller zu fliegen. Alles was Staudruckabhängig ist, schränkt dich in Bodennähe mehr ein.

 

Und dann ist alles in der Realität nochmal komplexer...

Da man mit Verkehrsflugzeugen normalerweise keinen Kunstflug macht, sind nicht die Manöver- sondern die Böenlasten entscheidend. Und diese hängen sowohl vom Staudruck, als auch von der tatsächlichen Geschwindigkeit ab, also quasi von zwei Geschwindigkeiten. Die typischen Geraden für Böenlasten im v-n-Diagramm haben daher in jeder Flughöhe (und Temperatur...) eine andere Steigung. Dazu findet man auch noch in verschiedenen Flughöhen verschieden starke Böen. Genau zu sagen, wo die Grenze für dein Flugzeug an einem bestimmten Tag nun ist, ist daher extrem schwierig.

Und dann gibt es noch Flattern, auch da sind "mehrere Geschwindigkeiten" im Spiel, TAS und EAS, und natürlich noch der Zustand deines Flugzeugs (Spiel in den Ruderaufhängungen etc.). Auch da ist es praktisch unmöglich, eine definitive Grenze an einem bestimmten Tag anzugeben.

 

Solange du deinen Handbüchern folgst, solltest du immer auf der sicheren Seite sein. Die tatsächliche physikalische Grenze solltest du nicht versuchen zu finden...

 

Gruß

Ralf

Geschrieben

Die Geschwindigkeit selbst ist ja nicht das primäre Problem für die Struktur. In ruhiger (und vogelfreier...) Luft, kannst du so schnell geradeausfliegen bis die ersten Kompressibilitätseffekte eintreten, also wohl so bis Mach 0.88, also so um die 480kt, deutlich über VNE. Manöver darfst du dann natürlich keine heftigen mehr fliegen, und Böen solltest du auch keine treffen, von Vögeln (oder Drohnen) ganz zu schweigen.

...

Und dann gibt es noch Flattern, auch da sind "mehrere Geschwindigkeiten" im Spiel, TAS und EAS, und natürlich noch der Zustand deines Flugzeugs (Spiel in den Ruderaufhängungen etc.). Auch da ist es praktisch unmöglich, eine definitive Grenze an einem bestimmten Tag anzugeben.

 

?!? 

 

Reale Großflugzeugdesigns sind strukturell nicht mehr durch Staudruck beschränkt. Gerade in tiefen Höhen sind es die dynamischen Effekte wie Flattern, welche realistische Schranken setzen. 

 

Das könnte man durchaus im Rahmen der Flugversuche austesten, wird aber heute kaum noch gemacht. Wenn wegen Vogelschlag-Gefahr das Flugzeug unter 10.000ft ohnehin bei 250kt beschränkt ist, was macht es für einen Sinn, Geld zu investieren, um rauszufinden ob es sich theoretisch bei 430 oder 480 kt zerlegen würde. 

 

Daher wird praktisch so vorgegangen, dass man eine realistische Vmo vorgibt (in Abhängigkeit von Triebwerksleistungen und daraus resultierenden operativen Geschwindigkeiten) und für diese dann demonstriert, dass sich der Flieger auch bei 0.05-0.07M darüber nicht zerlegt. ob er dies dann bei 1 kt oder erst bei 100kt mehr tun würde, weiss keiner. 

 

Florian

Geschrieben (bearbeitet)

...................... Wenn wegen Vogelschlag-Gefahr das Flugzeug unter 10.000ft ohnehin bei 250kt beschränkt ist, was macht es für einen Sinn, Geld zu investieren, um rauszufinden ob es sich theoretisch bei 430 oder 480 kt zerlegen würde. 

......................

 

Florian

Undenkbare Non-Standard-Situation? ;)  Feuer, (tickende Zeit-)Bombe, Doomsday-Escape.... :o

 

 

Manfred

Bearbeitet von DaMane
Geschrieben

Gerade in tiefen Höhen sind es die dynamischen Effekte wie Flattern, welche realistische Schranken setzen. 

 

Das könnte man durchaus im Rahmen der Flugversuche austesten, wird aber heute kaum noch gemacht.

Da in niedrigen Höhen eher Ruderflattern das Problem ist, und das sehr vom genauen Zustand aller Komponenten (Lager, Aktuatoren...) abhängt, in der Regel also bei alten, "ausgelutschten" Flugzeugen ein Problem wird, kann man es im Rahmen der Flugerprobung mit brandneuen Flugzeugen kaum realistisch austetsten, also lässt man es schlicht sein. Für den täglichen Flugbetrieb ist es ohnehin völlig uninteressant, da man ja rein vom Luftraum her schon langsamer fliegen muss, als man vom Flugzeug her dürfte.

 

Bei kleinen Flugzeuge ist Flattern eher in größeren Flughöhen ein Problem, da je nach Eigenform der Schwingung von TAS abhängig.

(siehe z.B. ASG29 Flughandbuch, Seite 4.34)

4.5.7 Flug in großer Hohe

Die ASW 27-18 ist für eine EAS von maximal 270 km/h zugelassen.

Gleichzeitig begrenzt die Forderung nach Flatterfreiheit die wahre Fluggeschwindigkeit TAS auf maximal 321 km/h.

Beide Forderungen ergeben den folgenden Verlauf der Hochstgeschwindigkeit VNE:

 

Gruß

Ralf

Geschrieben

Also die DC-8 hatte ein effektives Stukturlimit über Mach 1, senn man hat im Sturzflug in den Flugtests mehrfach darüber gelegen. Das war zum Teil auch Marketing, denn man musste Boeing mit der 707 ja paroli bieten.

 

Ich denke auch bei den modernen Fliegern liegt das effektive Limit über Mach 1, nur kommt man dort nicht hin...

Geschrieben

das effektive Limit

Was soll das sein? Geschwindigkeit allein zerstört kein Flugzeug, aber die Schallmauer macht es u.U. unfliegbar.

Bei den modernen Superkritischen Profilen kommt kurz vor Mach 1 auch eine sehr plötzliche Eigenschaftsänderung, die bei antiken Profilen viel gradueller, und damit besser aussteuerbar war. Auch die sehr großen Triebwerke sollten kurz vor Mach 1 Schluss machen.

 

Auch andere Flugzeuge (z.B. die VC-10) wurden in der Flugerprobung kurzzeitig bis über Mach 1 geflogen, die Struktur ist dabei noch das geringste Problem, die Vibrationen durch lokale, wandernde oder instabile Schockwellen zerlegen dir irgendwann die Steuerflächen und ihre Systeme.

 

Unterschallflugzeuge sind nun mal nicht für Überschall gemacht, die Grenze ist ziemlich hart und jede, auch üppige, Reserve kurz davor ist nicht viel wert, wenn du die kritische Machzahl erreichst. Dann ist ziemlich schlagartig Schluss.

 

Und bei Flugzeugen mit Envelope Protection kommst du ohnehin nirgendwo hin, wo dich der Hersteller nicht haben will.

 

Gruß

Ralf

Geschrieben

Leicht offtopic:

Wobei ich mich bei der Bell X1 (erster offizieller Überschallflug) schon lange frage, warum das der Apparat ohne schwerwiegende Probleme geschafft hat: Keine Flächenregel, völlig ungepfeilte Trapezflügel... :o

 

Einfach massiver Lokomotivbau? :huh:

 

Gruß

Peter

Geschrieben

Ralf, kurz off topic: Ist eine ASG29 das gleiche wie eine ASW27-18?

Geschrieben (bearbeitet)

Ich bin zwar nicht Ralf, habe aber das AFM grad zur Hand:

 

Dieses Flugzeug stammt eindeutig von der ASW27 ab. Bewährte Merkmale wurden übernommen und Einzelheiten mit Verbesserungspo- tential wurden überarbeitet.

Dennoch entschied AS, das Muster als ASG 29(E) anzukündigen und in der Öffentlichkeit so zu bezeichnen. Dies hatte zwei Gründe: Die Anzahl der Änderungen war groß genug, um eine neue Nummer zu rechtferti- gen. Und es vermeidet Konfusion: eine 29 mit 15m Außenflügeln und eine 27 können von der Bezeichnung her eindeutig unterschieden wer- den.

Andererseits beschloss AS, dieses Modell auf dem Kennblatt der ASW 27 herauszubringen, um die Anzahl der Kennblätter die von AS gehalten werden, nicht weiter zu vergrößern. Die Benennung muss ei- nen Bezug zum Kennblatt haben, deswegen lautet die Bezeichnung 'ASW 27-18' in amtlichen Dokumenten

 

Also: Jain. Auf dem Papier schon, de facto steht eine ASW27 mit anderen Flügeln vor Dir.

 

Beste Grüsse,

Pascal

Bearbeitet von Spägi
Geschrieben

"meine" ASG 29 (im Condor-Simulator) hat aber auch 18m 

Geschrieben

Hallo Danix

 

Der "andere" Flügel war nicht auf die Spannweite bezogen. Es gibt beide Flugzeuge mit 15m und 18m.

Der Flügel der ASG29 wurde neu entwickelt. Der Rest ist quasi identisch (beim Höhenleitwerk bin ich jetzt nicht sicher, ob dieses auch Anpassungen erfahren hat).

 

Viele Grüsse,

Pascal

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