Lukas_TUM Geschrieben 28. Mai 2016 Geschrieben 28. Mai 2016 Hallo Flugforum-Gemeinde,im Rahmen einer studentischen Arbeit am Lehrstuhl für Flugsystemdynamik der TU München beschäftigeich mich gerade mit der automatisierten Flugdatenauswertung eines Quick Access Recorders (QAR)mit Hilfe von MapReduce Algorithmen.Bei der Erkennung der Landebahn mittels der ILS Frequenz fällt mir auf, dass mein Code wohl die richtigeBahn erkennt, jedoch teilweise die falsche Anflugrichtung.Konkretes Beispiel:Der Flughafen Antalya (AYT) nutzt auf RW 36C die ILS Frequenz 110.3 MHz. Diese findet sich auch während des Landeanflugs in meinen Aufzeichnungen. Dementsprechend erkenne ich RW 36C als Landebahn. Meine GPS Daten sagen jedoch ganz klar, dass die Landebahn von Norden angeflogen wurde (RW18C), welche aber eigentlich ihre eigene Frequenz hat (108.7 MHz). Diese ist aber nicht aufgezeichnet worden. Meine Frage an Euch ist jetzt: Macht es Sinn bei Anflug auf eine Landebahn die ILS Frequenz desAnflugs von der "anderen Seite" (hier Anflug von Süd statt von Nord) zu benutzen?Der LOC sollte ja trotzdem funktionieren, aber den GS kann ich doch dann vergessen bzw. die Anzeige ist doch dann nicht genau. Oder ist das fast egal, wenn ich z.B. auf Sicht anfliege? Ich hoffe, dass der ein oder andere Pilot mir dazu Auskunft geben kann. Ich betrachte übrigens Linienflüge mit B737s - also ich denke, dass da schon alles nach Vorschrift eingestellt wurde.Viele Grüße aus München,Lukas Zitieren
Alexh Geschrieben 28. Mai 2016 Geschrieben 28. Mai 2016 (bearbeitet) Hi Lukas Meine Frage an Euch ist jetzt: Macht es Sinn bei Anflug auf eine Landebahn die ILS Frequenz des Anflugs von der "anderen Seite" (hier Anflug von Süd statt von Nord) zu benutzen? Der LOC sollte ja trotzdem funktionieren, aber den GS kann ich doch dann vergessen bzw. die Anzeige ist doch dann nicht genau. Oder ist das fast egal, wenn ich z.B. auf Sicht anfliege? Es gibt sogenannte Localizer backcourse approaches (heute eher selten). Dabei wird der Localizer der ILS der entgegengesetzten Pistenrichtung benutzt, wie du schreibst allerdings ohne GS. Dabei fliegst du dann den Gleitweg mit konventionellen Mitteln wie bei jedem Non precision approach. Alternativ kannst du natürlich visuell fliegen wenn du entsprechende visuelle Referenzen hast. Ob das in Antalya der Fall ist kann ich nich sagen. Gruß Alex Bearbeitet 28. Mai 2016 von Alexh Zitieren
JulianEDFM Geschrieben 28. Mai 2016 Geschrieben 28. Mai 2016 (bearbeitet) Hallo Lukas, ja macht Sinn und du hast Dir die Antwort bereits selbst gegeben: Wenn das ILS auf eine Bahn nicht funktioniert, kann man immerhin den Loc der Gegenbahn nutzen (backcourse ILS). Zu beachten ist, dass hier aber die Seiten vertauscht sind, heißt bei Abweichung nach rechts muss man nach links korrigieren und umgekehrt. Den Glideslope sollte man dann aber nicht nutzen. Liebe Grüße Julian Edit: Alex war schneller. Bearbeitet 28. Mai 2016 von JulianEDFM Zitieren
Lukas_TUM Geschrieben 28. Mai 2016 Autor Geschrieben 28. Mai 2016 Danke Alex und Julian, gut zu wissen, dass ein solcher Anflug in der kommerziellen Luftfahrt schon möglich ist. Werde ich also das Heading mit einfließen lassen müssen in die weitere Betrachtung... Könnt Ihr ungefähr abschätzen, was "eher selten" heißt? Wie oft kann denn das ILS auf einer Bahn ausfallen/gewartet werden/... Einmal in der Woche, einmal im Monat/einmal im Jahr/ einmal in zehn Jahren ? Noch dazu frage ich mich, weshalb der Flug, den ich oben beschrieben habe, keinen Anflug von Süden machen darf, wenn da das ILS ja funktioniert? Ich habe genug andere Antalya Flüge, bei denen einfach von Süden übers Meer angeflogen wurde... Vom Starten weiß ich nur, dass aus Auftriebsgründen lieber gegen den Wind gestartet wird. Beim Landen würde ich selbiges vermuten, um zu bremsen. Oder spielt z.B soetwas wie die spätere Parkposition mit rein? Ich kann mir nicht vorstellen, dass auf einem Linienflug der Pilot gerne auf GS verzichtet oder beim Localizer gerne seitenverkehrt denkt. Sind ja auch alles potenzielle (wenn auch einfache) Fehlermöglichkeiten. Ihr seht, dass ich im Bereich Flugführung noch recht neu bin, das Verständnis der Praxis ist jedoch wichtig für mich ist, um einen robusten und gleichzeitig effizienten Code schreiben zu können. Deshalb wäre ich Euch sehr dankbar, wenn Ihr auf diese Fragen nochmals eine kurze Antwort geben könntet. Viele Grüße, Lukas Zitieren
Alexh Geschrieben 29. Mai 2016 Geschrieben 29. Mai 2016 (bearbeitet) Zu beachten ist, dass hier aber die Seiten vertauscht sind, heißt bei Abweichung nach rechts muss man nach links korrigieren und umgekehrt.Das ist nur bedngt richtig und hängt vom benutzten Instrument ab. Wenn man z.B. einen HSI benutzt und den tatsächlichen Inbound Course einstellt so zeigt er korrekt an. Könnt Ihr ungefähr abschätzen, was "eher selten" heißt? Ich lehne mich weit aus dem Fenster und sage mal praktisch nie, zumindest in unseren Breiten und zunehmender Anzahl RNAV Anflügen. Bitte korrigieren wenn jemand Gegenden kennt wo das noch öfter geflogen wird. Ich habe in den USA zu Trainingszwecken einen geflogen, sonst nur im Simulator. Noch dazu frage ich mich, weshalb der Flug, den ich oben beschrieben habe, keinen Anflug von Süden machen darf, wenn da das ILS ja funktioniert? Ich habe genug andere Antalya Flüge, bei denen einfach von Süden übers Meer angeflogen wurde... Vom Starten weiß ich nur, dass aus Auftriebsgründen lieber gegen den Wind gestartet wird. Beim Landen würde ich selbiges vermuten, um zu bremsen. Gestartet und gelandet wird meist gegen den Wind, es sei denn es sprechen z.B. Lärmgründe dagegen oder es ist nichts los und man will Flug- und Rollzeit sparen. Die maximale Rückenwindkomponente für Start und Landung beträgt meist um die 10kt, vorausgesetzt die Piste reicht dann von der Länge her. Ich kann mir nicht vorstellen, dass auf einem Linienflug der Pilot gerne auf GS verzichtet oder beim Localizer gerne seitenverkehrt denkt. Sind ja auch alles potenzielle (wenn auch einfache) Fehlermöglichkeiten. En Anflug ohne vertikale Führung wird regelmäßig geübt und je nach Flugplatz auch öfter geflogen. Das ist nicht viel schwerer als ein ILS, zumindest mit modernen Flugzeugen. Ich mache das ziemlich gerne. Gruß Alex Bearbeitet 29. Mai 2016 von Alexh Zitieren
Chipart Geschrieben 29. Mai 2016 Geschrieben 29. Mai 2016 Hallo Lukas, ich versuche mich mal an ein paar Antworten: Könnt Ihr ungefähr abschätzen, was "eher selten" heißt? Das hängt ein bisschen vom Flugplatz ab: Bei einigen Flughäfen ist das ein ganz normales, veröffentlichtes procedure (mir fällt aber gerade in Europa kein gutes Beispiel ein). Bei anderen, eher seltener frequentierten Plätzen dauern ILS-ausfälle auf einer Bahn schon mal länger. In Frankfurt wirst Du es kaum erleben, dass das ILS für mehr als ein paar Stunden und auch das nur sehr selten ausfällt. Wenn es irgendwie möglich ist, dann wird auf dieser Bahn dann auch nicht geflogen bis das ILS wieder geht - Flugplätze mit nur einer Bahn haben aber keine Wahl...) Noch dazu frage ich mich, weshalb der Flug, den ich oben beschrieben habe, keinen Anflug von Süden machen darf, wenn da das ILS ja funktioniert?Ich habe genug andere Antalya Flüge, bei denen einfach von Süden übers Meer angeflogen wurde...Vom Starten weiß ich nur, dass aus Auftriebsgründen lieber gegen den Wind gestartet wird. Beim Landen würde ich selbiges vermuten, um zu bremsen. Das hat beim starten und Landen den selben Grund - und nur indirekt "Auftriebsgründe": Ob ein Flugzeug fliegt oder nicht hängt (u.a.) mit der Geschwindigkeit zusammen, mit der er sich im Vergleich zur umgebenden Luft bewegt. Stell Dir vor, ein Flugzeug muss 100kts schnell sein, um fliegen zu können. Bei unbewegter Luft muss das Flugzeug beim Start also um 100 Akts beschleunigen (von 0 auf 100) und bei der Landung um 100kts abbremsen um aus dem Flug stehen zu bleiben. Was passiert jetzt bei Rücken- bzw. Gegenwind. Nehmen wir um das Prinzip zu verdeutlichen einen echt starken Wind von 50kts. Wenn das Flugzeug nun unbewegt auf der Bahn steht beim Start, dann hat es bei Gegenwind im Vergleich zur umgebenden Luft schon eine Geschwindigkeit von 50kt - muss also nur noch um weitere 50kt beschleunigen, um fliegen zu können. Und bei Rückenwind? da hat das auf der Bahn stehende Flugzeug nun eine Geschwindigkeit im Vergleich zur Luft von -50kt, muss also um 150kt beschleunigen, um fliegen zu können. Im Anflug passiert genau das gleiche: Ein im Vergleich zur Luft 100kt schnelles Flugzeug bewegt sich im vergleich zum Boden bei einem Rückenwind von 50kt gleich 150kt schnell - und bei der Landung müssen diese 150kt abgebremst werden. Bei Gegenwind wäre das gleiche Flugzeug im Vergleich zum Boden nur 50kt schnell, hätte also einen viel kürzeren Bremsweg. Darum Landen Flugzeuge auch immer gegen den Wind. Oder spielt z.B soetwas wie die spätere Parkposition mit rein?Bei Windstille haben viele Flughäfen eine bevorzugte Laderichtung, die von der Hindernissituation, dem Lärmschutz und ein bisschen auch den Verhältnissen am Boden abhängt. Aber das greift nur bei praktisch Windstille, weil Rückenwindlandungen normalerweise vermieden werden (s.o.) Ich kann mir nicht vorstellen, dass auf einem Linienflug der Pilot gerne auf GS verzichtet oder beim Localizer gerne seitenverkehrt denkt. Sind ja auch alles potenzielle (wenn auch einfache) Fehlermöglichkeiten.Das sind alles Standardprozeduren, die man während der Ausbildung lernt und immer wieder übt. In den Anfangsjahren der Fliegerei waren BackCourses tatsächlich schwieriger zu fliegen, aber mit HSIs (und erst recht mit elektronischen Anzeigen) macht das keinen echten Unterschied mehr, ob man Front- oder Backbourse fliegt. Ohne GS anzufliegen macht in der Tat einen Unterschied, da die Anflugminima dann höher sind - aber gefährlicher ist das auch nicht. Gruss, Florian Zitieren
FalconJockey Geschrieben 29. Mai 2016 Geschrieben 29. Mai 2016 Einen echten Backcourse Approach bin ich noch nie geflogen, gibt es hier gar nicht mehr. Was hier passiert sein könnte: ILS war geplant, aber dann wurde ein Visual Approach geflogen, in Gegenrichtung. Da stellt man nicht unbedongt das passende ILS ein, Hauptsache man hat ein DME, um die Distanz besser abschätzen zu können. Je nach Länge der Bahn und der Richtung, aus der man ankommt, macht es schon Sinn mit ein paar Knoten Rückenwind zu landen. Spart Zeit und somit Geld. 1 Zitieren
Chipart Geschrieben 29. Mai 2016 Geschrieben 29. Mai 2016 Goose Bay hat auf der 26 noch einen publizierten Loc BC approach - in Zeiten von RNAV-Approaches fällt mir aber kein ein Grund ein, warum man noch BC fliegen sollte.... Florian Zitieren
FalconJockey Geschrieben 29. Mai 2016 Geschrieben 29. Mai 2016 Goose Bay liegt nicht gerade in Europa... Zitieren
cosy Geschrieben 30. Mai 2016 Geschrieben 30. Mai 2016 (bearbeitet) Die Planungsabteilung filtert für die Piloten sämtliche Fälle vorher aus, wo Wartungsarbeiten und Störungen einen ILS Aproach verunmöglichen oder aufgr. des internen Riskmgmt als undurchführbar gilt. Die Piloten sehen daher nur jene Fälle, in denen unvorhergesehene Ausfälle /Zwischenfälle mit Instrumenten und Landehilfen auftreten. Es gibt unzählige Beispiele von NOTAMS mit nicht-oder nur tw. funktionierenden installierten Landehilfen. Du kannst dazu entweder historische NOTAMS statistisch durchforschen oder aber Jahresberichte nationaler Regulatoren studieren. Zwei Müsterchen: * erst im Zus. mit einem Unfall musste Malpensa zugeben, dass eine vorgesehene Investition in eine Boden-Radaranlage zwar verbraucht wurde und in der Infrastruktur aufgeführt wurde;physisch aber gar nie vorhanden war. Der gap wurde per Dauernotam einfach als 'Anlage in Wartung'abgehakt. * Beim Landeunfall der B777 im Sommer 2013 in S.Francisco wurde festgestellt, dass die ILS-Anlage (oder das erdgebundene Teilsystem der DME) sowie das PAPI nicht funktioniert hatte oder als nicht zuverlässig (per NOTAM) deklariert war. Bearbeitet 30. Mai 2016 von cosy Zitieren
Chipart Geschrieben 30. Mai 2016 Geschrieben 30. Mai 2016 Goose Bay liegt nicht gerade in Europa... Echt? Florian Zitieren
Empfohlene Beiträge
Dein Kommentar
Du kannst jetzt schreiben und Dich später registrieren. Wenn Du ein Konto hast, melde Dich jetzt an, um unter Deinem Benutzernamen zu schreiben.