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03.10.2014 | Loganair | SF340B | En route from Aberdeen to Sumburgh | Non-standard recovery after stall in icing conditions


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Geschrieben

Ich steh jetzt gerade auf dem Schlauch: Nach dem Stall übernimmt der Pilot und drückt die Nase runter. Was genau ist an dieser Retablierprozedur nicht standardgemäss?

Geschrieben

Ich steh jetzt gerade auf dem Schlauch: Nach dem Stall übernimmt der Pilot und drückt die Nase runter. Was genau ist an dieser Retablierprozedur nicht standardgemäss?

Das habe ich mich eigentlich auch gefragt. Vielleicht kann uns das ein sop-geproofter Airlinepilot näher erläutern.

 

Manfred

Geschrieben

Ja, scheint ein bisschen "lost in translation". Ich weiss auch nicht genau was sie mit non-standard meinen. Nach der Lektüre des vollständigen Untersuchungsbericht, wo der Ausdruck non-standard auch verwendet wird, kann ich nur schliessen, dass sie meinten:

 

- Ein Stall-Recovery ist immer ein Non-standard-Maneuver.

 

- Das Stall-Recovery-Procedure lautet: Max RPM und pitch -5°. Das haben sie nicht gemacht.

 

- Eisansammlung ist nicht Standard.

 

- Untersuchungsbeamte sind auch nur Menschen.

 

Sonst aber ein sehr lehrreicher Vorfall.

 

Dani

Geschrieben

Vielleicht geht man seit AF447 und Colgan Air Flug 3407 auch davon aus, dass heutige Verkehrspiloten gar nicht mehr in der Lage sind, einen Stall zu recovern. Daher "non standard".  :ph34r:

Geschrieben

- Untersuchungsbeamte sind auch nur Menschen.

Das ist Standard. ;)

Geschrieben (bearbeitet)

Was ist denn bei Turboprop-Verkehrsflugzeugen eigentlich Standard bei Vereisung? Nach oben ins Trockene oder nach unten ins Warme?

Keine Ahnung, bei mir ist die Standardprocedure beim UL: Am Boden bleiben... ;)

 

Gruß

Peter

Bearbeitet von PeterH
Geschrieben

Standard ist, die vereisten Flugzeuge vom Eis zu befreien. Das tut man entweder indem man das Eis absprengt (mit Wärme durch elektrische Heizelemente oder mit Zapfluft, durch Luft in Gummiwülsten, mit Enteisungsflüssigkeit), oder man verlässt das Vereisungsgebiet. Das muss die Besatzung entscheiden, aber das Problem bei Turboprops ist, dass sie meistens nur bis FL 250 steigen können, und so nicht aus den Wolken heraus kommen.

 

Wenn die Performance nicht ausreicht, muss man sinken.

 

Deshalb sind Turboprop in dieser Hinsicht auch schwieriger zu beherrschen als Jets.

Geschrieben

 

Vielleicht geht man seit AF447 und Colgan Air Flug 3407 auch davon aus, dass heutige Verkehrspiloten gar nicht mehr in der Lage sind, einen Stall zu recovern.

Vielleicht geht man auch davon aus dass heutige Verkehrspiloten gar nicht mehr in der Lage sind, einen Stall zu recovern weil es heute gar nicht mehr gefordert wird, das zu lernen? Es ist nicht sehr verwunderlich, das eine standardisierte Ausbildung die nicht mehr verlangt weiter zu gehen als ein Ansprechen der Stallwarnung (also ein noch nicht überzogener Flugzustand) Piloten produziert, die noch nie einen wirklichen Stall recovert haben.

 

 

Deshalb sind Turboprop in dieser Hinsicht auch schwieriger zu beherrschen als Jets.

Es sind weniger die Turboprops wegen ihrer Leistung/Gipfelhöhe oder der Tatsache, das der Fan nur 2-6 Blätter hat und frei läuft, es liegt mehr daran, das praktisch kein Turboprop Nasenklappen (Slats, Krüger Flaps...) hat, und deswegen viel sensibler auf Vereisung reagiert. Auch die Jets ohne Vorflügel (Fokker 70/100, CRJ-200...) hatten bereits Vereisungs-Stall-Unfälle. Ausserdem sind Turboprops oft auch "low cost" und haben daher nur de-ice, aber nicht anti-ice Systeme (sprich: Boots statt Heizung), und die verhindern nicht jeglichen Eisansatz, sondern erlauben nur übermäßigen Eisansatz wieder loszuwerden.

 

Der Pilot hat genau das richtige gemacht, AoA reduziert (gedrückt, Pitch reduziert) und nicht versucht durch vermehrete Triebwerksleistung den Stall zu recovern (das macht sie nämlich nicht, sie erlaubt lediglich den Stall zu recovern ohne dafür gleich übermäßig potentielle Energie, sprich Höhe aufzugeben). Ganz offensichtlich war dem Piloten Höhe wohl ohnehin relativ egal, da er schon davor damit gespielt und siche eine betreffende Freigabe besorgt hat.

 

Der Vorfall zeigt mal wieder schön, wie ein Autopilot Unsinn macht, wenn man versucht ihn etwas machen zu lassen, was physikalisch nicht möglich ist. Der Autopilot ist kein Wunschkonzert, man kann ihn zwar bitten die Höhe zu halten, aber wenn das in dem Moment schlicht nicht möglich ist, zieht er das Flugzeug in den Stall. Da die Leistungsparameter eines Flugzeugs mit Eis und in starken Abwinden schlicht unbekannt und nicht vorhersagbar ist, kann man einen Autopiloten auch schwerlich dafür kostruieren, das besser zu machen, er könnte allenfalls früher den Piloten davon unterrichten, das er sich gerade etwas unmögliches gewünscht hat.

 

 

Was ist denn bei Turboprop-Verkehrsflugzeugen eigentlich Standard bei Vereisung? Nach oben ins Trockene oder nach unten ins Warme?

Die Handbücher die ich kenne sagen nur, Vereisungshöhenband verlassen. Nicht in welche Richtung.

 

Gruß

Ralf

Geschrieben

 

 

Vielleicht geht man auch davon aus dass heutige Verkehrspiloten gar nicht mehr in der Lage sind, einen Stall zu recovern weil es heute gar nicht mehr gefordert wird, das zu lernen?

Piloten trainieren regelmässig Stall und wie man da raus kommt. Schon vor AF447.

 

 

 

Es sind weniger die Turboprops wegen ihrer Leistung/Gipfelhöhe oder der Tatsache...

 

Deine Gründe sprechen natürlich auch gegen die Turboprops. Aber ich verspreche dir, es ist wesentlich einfacher einen Jet "durchs Eis" zu führen als einen Turboprop: Man hat jederzeit genug Power, schaltet einfach mal die Heizungen ein und schon ist das Thema abgehakt. Ich empfehle dir mal mit einer Turboprop-Crew eine Rotation zu fliegen auf dem Jump Seat, da wirst du sehen, wie die sich Sorgen machen müssen: Alle paar Minuten müssen sie ihre "Boots" (Gummischläuche) an den Flügelvorderkanten betätigen, und ihre sorgenvollen Gesichter zeigen, dass zwar was abfliegt, aber nicht wirklich alles. Ausserdem haben sie nicht genügend Power, für nichts, weder für die Enteisung noch fürs Steigen. Das sind die harten Tage einer Turboprop-Besatzung.

Geschrieben

Deine Gründe sprechen natürlich auch gegen die Turboprops. Aber ich verspreche dir, es ist wesentlich einfacher einen Jet "durchs Eis" zu führen als einen Turboprop: Man hat jederzeit genug Power, schaltet einfach mal die Heizungen ein und schon ist das Thema abgehakt. Ich empfehle dir mal mit einer Turboprop-Crew eine Rotation zu fliegen auf dem Jump Seat, da wirst du sehen, wie die sich Sorgen machen müssen: Alle paar Minuten müssen sie ihre "Boots" (Gummischläuche) an den Flügelvorderkanten betätigen, und ihre sorgenvollen Gesichter zeigen, dass zwar was abfliegt, aber nicht wirklich alles. Ausserdem haben sie nicht genügend Power, für nichts, weder für die Enteisung noch fürs Steigen. Das sind die harten Tage einer Turboprop-Besatzung.

Warum bekommen die Turboprops keine Turbinenabgasleitungen in der Flügelvorderkannte montiert?

 

Meine nächste Frage an die Profis, wenn Vereisungswetter vorhanden ist, dann muss der Pilot eigenmächtig eine sichere Strecke wählen. Bei seiner Wetterberatung vor Flugbeginn bekommt er alle notwendigen Informationen. Und wenn es nicht geht, dann kann man halt nicht fliegen.

Geschrieben (bearbeitet)

Das sind die harten Tage einer Turboprop-Besatzung.

Dann muss ein Pilot eben noch härter sein und auch mal NEIN sagen können, bei diesen Wetter fliege ich nicht. Das ist doch ganz einfach.

Kein Flugzeugführer im Passagierliniendienst oder Gelegenheitsverkehr mit Passagiere sollte am Limit fliegen. So wie ich das vom erfahrenen ATPL - Flugzeugführer hier lese, fliegen einige Kollegen mit Turboprops am Limit, sowas tut man nicht.

Bearbeitet von horst1
Geschrieben

 

Piloten trainieren regelmässig Stall und wie man da raus kommt.

Negativ.

Piloten trainieren nur bis zum Ansprechen der Stallwarnung, das passiert vorschriftsgemäß mindestens 5 Knoten oder 5% Vs (der größere Wert zählt) vor dem Stall. Zu diesem Zeitpunkt ist das Flugzeug noch nicht überzogen und fliegt noch stabil. 

 

Im Part FCL heisst das übrigens ausdrücklich "approach to stall" und, noch viel sinnloser "recover with power" als Trainingsziel, "Spin and Stall" gibt es nur im Theorieteil. Eigentlich braucht ein Pilot nur zu lernen "wenn es trötet, Hebel auf der Konsole nach vorne". Damit erfüllt er den Standard und darf auf die Menschheit losgelassen werden.

Was nicht heisst, das es nicht Flugschulen/Fluglehrer gibt, die eine darüberhinausgehende Vorstellung von Training haben, und folglich Piloten die das ausführlich gelernt und regelmäßig aufgefrischt haben.

 

Es tut sich aber was in der Hinsicht.

Hoffen wir, das hat in der Unfallstatistik nicht den gegenteiligen Effekt....(Beim Trudeltraining mit Fallschirm ausgestiegen...)

 

 

Das sind die harten Tage einer Turboprop-Besatzung.

Das ist aber nicht der Turboprop schuld, sondern die Gesamtauslegung des Flugzeugs. Turboporops werden halt im "Billigsegment" eingesetzt, wenn das Geld nicht für einen Jet ausreicht. Da wird (neben dem Motor) an weiteren Dingen gespart.

 

 

Warum bekommen die Turboprops keine Turbinenabgasleitungen in der Flügelvorderkannte montiert?

Weil es teurer ist. Es gibt auch Turboprops mit richtigem Heissluft anti-ice (z.B. die Tupolev 114). Die meisten Turboprops sind bewusst simpel gehalten.

Das Heissluftsystem ist nicht sehr beliebt, deswegen ist es beim Dreamliner ja auch weitgehend verschwunden. Bleed air braucht ziemlich viel Wartung und sorgt für ziemlich viele Verspätungen. Ausserdem frisst es Sprit.

 

Gruß

Ralf

Geschrieben

Vielleicht geht man auch davon aus dass heutige Verkehrspiloten gar nicht mehr in der Lage sind, einen Stall zu recovern weil es heute gar nicht mehr gefordert wird, das zu lernen? Es ist nicht sehr verwunderlich, das eine standardisierte Ausbildung die nicht mehr verlangt weiter zu gehen als ein Ansprechen der Stallwarnung (also ein noch nicht überzogener Flugzustand) Piloten produziert, die noch nie einen wirklichen Stall recovert haben.

Wir haben sowohl auf der DA40 als auch der PA28 Stalls geübt, hatten vier Stunden Upset Recovery Training in den USA (ist heute eigentlich auch schon Standard) mit Extra300 und übten Stalls im Simulator im Typerating. Und das alles ging nicht nur bis zur Stallwarnung, gerade das URT und im Sim. Also mehr kann man ja wirklich kaum machen und ich denke es ist nicht nur bei Swiss so.

 

Gruß Alex

Geschrieben

Ich sag ja, es gibt auch vorbildliche Trainingsorganisationen/Airlines.

Ich mache in der Segelflugzeugschulung auch sehr viel mehr als das Minimum.

 

Gefordert wird es nicht, und der Preisdruck sorgt für gewöhnlich dafür, das nach einiger Zeit jeder nur noch das absolut geforderte Minimum macht. Und da zählt das upset recovery eben bisher genausowenig dazu, wie full stalls, Sackflug oder Trudeln. Zum Teil sicher aus gutem Grund, Trainingsunfälle kommen vor, und am Ende darf man das ganze Bild nicht aus den Augen verlieren. Wenn der Preis für die Vermeidung eines Verkehrsflugzeugunfalls 50 Trainingsunfälle sind, dann wird es leider knifflig. Wobei auch dass wieder eine Frage des Lehrertrainings ist, was natürlich auch wieder zu Unfällen führen kann.

Am Ende ist es eben auch eine ethische Frage, gehört es sich Schüler einem erhöhten Risiko auszusetzen, um das der Passagiere minimal zu reduzieren?

 

Aber wenigstens in Theorie und Simulator sollte es ausführtlich behandelt werden. Der Bericht spricht ja auch den Unterschied zwischen Pitch und AoA explizit an, etwas bei dem man bei vielen Piloten sehr abstruse Vorstellungen vorfinden kann...

 

Gruß

Ralf

Geschrieben

Können Simulatoren denn mittlerweile Stalls realistisch simulieren?

Geschrieben

Sagen wirs mal so: Einem A380 Piloten hilft ein mäßig simulierter Stall im Simulator vermutlich mehr, als ein realistisches Training auf einer echten Extra 300.

Da die Option "mit dem echten Flugzeug üben" ausfällt, kann das die bessere Option sein. Man macht damit auf alle Fälle schonmal nichts völlig falsch, und schafft kein neues Risiko.

Es gibt halt leider kaum Flugzeuge, die ähnlich wie Airliner fliegen und ein vollständiges Stall-/Spintraining erlauben.

 

Mittelfristig müsste man halt mal versuchen, inwieweit man auch Simulatoren auf Basis von gerechnetem Flugzeugverhalten programmieren kann. Die Fortschritte bei CFD sind schon erstaunlich.

 

In der Grundausbildung sollte Stall und Spin auf alle Fälle auch praktisch enthalten sein, das ein oder andere Muster erlaubt das. Der Refresher und die Umschulung auf Verkehrsflugzeuge geht vielleicht auch bald im Simulator. Wobei die gefühlten Beschleunigungen zwangsweise nicht stimmen, da müssten sich mal Human Factors Experten mit beschäftigen. Vielleicht ist es eben doch kontraproduktiv, welche (falschen) Reflexe man sich u.U. antrainiert.

 

Gruß

Ralf

Geschrieben (bearbeitet)

Das stimmt natürlich, man übt nur bis zur Stallwarnung. Allerdings war hier ja auch nicht mehr zu sehen.

 

Bleed-Enteisungsanlagen sind eben nicht nur ein Kostenproblem, sondern Turboprops haben auch zu wenig Leistung. Das ist ein ganz anderes Luftfahrtsegment. Turboprops haben immer noch mehr Leistung als General Aviation, aber nicht so viel wie Jets. Natürlich könnte man sie übermotorisieren, aber das löst das Problem auch nicht. Ich flog zufälligerweise den meist übermotorisierte Turboprop der Welt, und ich sage dir, die Probleme werden nicht kleiner. Einfach an einem anderen Ort (ich sage nur: Engine Out-Charakteristika).

 

Horst, natürlich hast du recht, dass man nicht in Starkes Eis reinfliegen soll. Aber bekanntlich ist Wetter immer noch ein Naturphänomen und nicht ganz einfach zu durchschauen. Kein Pilot wird je freiwillig in Heavy Icing reinfliegen.

Bearbeitet von Danix
Geschrieben

 

Allerdings war hier ja auch nicht mehr zu sehen.

Hier war von starken Vibrationen ("wie wenn man mit einem Auto über ein Viehgitter fährt") die Rede, der Flieger war (wegen dem Eis) wirklich im Stall, aber nicht bei dem Anstellwinkel, bei dem die Stallwarnung vorher angesprochen hätte.

 

Gutmütiges Flugzeug so eine SAAB !

 

Gruß

Ralf

Geschrieben

Das stimmt natürlich, man übt nur bis zur Stallwarnung. Allerdings war hier ja auch nicht mehr zu sehen.

Also wenn ich mir den Flugschreiber-Schrieb ansehe (Link im ersten Beitrag), so hatten die schon seit rund 10 Sekunden einen voll ausgebauten Strömungsabriss, bevor die Stall-Warnung anschlug. Ein Schulbuchbeispiel dafür, was Einsansatz am Profil bewirkt. Das Ausleiten ging dann allerdings zackig, was jede Diskussion über die Ausbildung dieser Piloten überflüssig macht.

Geschrieben

 

Das Ausleiten ging dann allerdings zackig, was jede Diskussion über die Ausbildung dieser Piloten überflüssig macht.          

Zackig und korrekt. Erstmal deutlich Pitch reduziert, und nicht zackig Vollgas gegeben.

 

OK, nach dem Lob fürs Flugzeug noch eins für die Crew. :wub:

 

Gruß

Ralf

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