cosy Geschrieben 21. Juni 2016 Geschrieben 21. Juni 2016 Wie weiß man denn sicher, daß man nur hypothetischen, aber keinen realen Eisansatz hat? Jets kommen ja so gut wie immer tiefgekühlt von der Reiseflughöhe herunter und können beim Durchflug von Wolken mit reduzierter Geschwindigkeit Eis aufpacken. Als PPL- und UL-Pilot solltes du zumindest theoretisch das Risiko von Vergaservereisung bei Saugmotoren kennen, und wissen, daß diese selbst bei 25° C und wärmer vorkommen kann... *) als frischgebackener PPLer bekam ich mal eine britische Fliegerzeitschrift mit einem Artikel in die Finger, der sich mit der theoretischen Möglichkeit einer Vergaservereisung befasste. Darin enthalten war eine Graphik, die dieses Risiko in Abhängigkeit von Lufttemperatur, Luftdruck und Luftfeuchtigkeit darstellte. Unvergesslich eingeprägt hat sich mir, daß es nur eine ziemlich kleine Ecke am oberen Ende des Temperaturbereiches auf dem Schaubild gab, die ein Risiko von annähernd Null auswies. Seitdem benutze ich die Vergaservorwärmung grundsätzlich bei Anflug und Landung, egal ob ich in Europa, Florida, Kalifornien, Karibik oder Afrika. Und was soll ich sagen: ich kann mich nicht erinnern, jemals Vergaservereisung erlebt zu haben.... :o Natürlich kenne ich die Zusammenhänge, habe Leistungsverlust durch beginnende Vergaservereisung schon einmal erlebt (Lycoming O-360). Die Vereisungsgefahr ist abhängig von zwei Faktoren:Absolute Feuchtigkeit und Temperatur. ODER Dichtehöhe und Abstand von Taupunkt und Temperatur. Deine Erwähnung der Temperatur der Flugzeughaut ist völlig nebensächlich. Diese erwärmt sich extremm schnell wenn man in tiefere Schichten kommt. Die Luftdruck/Temp/Feuchteverhältnisse im Unterdruckbereich sind entscheidend. Zitieren
DaMane Geschrieben 21. Juni 2016 Geschrieben 21. Juni 2016 (bearbeitet) Natürlich kenne ich die Zusammenhänge, habe Leistungsverlust durch beginnende Vergaservereisung schon einmal erlebt (Lycoming O-360). Die Vereisungsgefahr ist abhängig von zwei Faktoren:Absolute Feuchtigkeit und Temperatur. ODER Dichtehöhe und Abstand von Taupunkt und Temperatur. Tja, dann kann dich ja nichts mehr überraschen. Deine Erwähnung der Temperatur der Flugzeughaut ist völlig nebensächlich. Diese erwärmt sich extremm schnell wenn man in tiefere Schichten kommt. Die Luftdruck/Temp/Feuchteverhältnisse im Unterdruckbereich sind entscheidend.... ......und der Unterdruck ist m.W. immer da am größten, wo Auf- (Hauptflügel) oder Abtrieb (Höhenleitwerk) generiert wird, und Eisansatz am gefährlichsten ist. Dummerweise haben die meisten Flugzeuge auch noch ihre Tanks in den Flügeln, deren Inhalt sich leider nicht ganz so schnell erwärmt wie die Aussenhaut. Aber wir geraten off-topic, deshalb zurück zum Thema. Was ist eigentlich deine Vermutung, was der verunglückte Pilot falsch gemacht haben könnte? Gruß Manfred Bearbeitet 21. Juni 2016 von DaMane Zitieren
DaMane Geschrieben 21. Juni 2016 Geschrieben 21. Juni 2016 Wenn man 2 Stunden vor der Landung Eis aufgepackt hatte, dies abgesprengt wurde und nun bei einer OAT von +25 Grad C gelandet wird. Da KANN kein Eis mehr drauf sein. Trotzdem nutzt das SPS bei den Embraers weiterhin die "Ice Speeds". Dann sind das ja bescheuerte Vorschriften. Ich dachte immer, Eisansatz ist auch für Jets nur ein Thema beim Durchsteigen oder -sinken von Wolkenschichten oder Niederschlägen, also maximal die ersten 10 und die letzten 20 Minuten eines Fluges (Holdings mal ausgenommen). Gruß Manfred Zitieren
FalconJockey Geschrieben 22. Juni 2016 Autor Geschrieben 22. Juni 2016 So ist das Design bei Embraer: Wurde einmal Eis detektiert, gelten die modifizierten ICE SPEEDS bis zur Landung, erst dann kann das SPS zurückgesetzt werden. Gibt es vielleicht noch bei anderen Herstellern, allerdings sind mir gerade keine bekannt. 1 Zitieren
Gulfstream Geschrieben 22. Juni 2016 Geschrieben 22. Juni 2016 Schaltet er die Anti-Ice Protection an, erhöht sich seine Anfluggeschwindigkeit so sehr..... Warum? Danke. Markus Gesendet von meinem SM-G925F mit Tapatalk Zitieren
Phoenix 2.0 Geschrieben 23. Juni 2016 Geschrieben 23. Juni 2016 Warum? Wahrscheinlich hatten die brasilianischen Ingenieure und Systemdesigner mehr Respekt vor Eis und/oder winterlichen Verhältnissen, als sinnvoll erscheint, weil sie in einem klimatisierten Gebäude sitzen und Palmen sehen, wenn sie aus dem Fenster schauen. ;) Stellt sich die Frage, ob es dergleichen Logik bei Bombardier-Maschinen auch gibt. Gruß Johannes Zitieren
Chipart Geschrieben 23. Juni 2016 Geschrieben 23. Juni 2016 Dann sind das ja bescheuerte Vorschriften. Das hat nix mit Vorschriften zu tun, sondern wahrscheinlich mit Sensorik. Wie immer ist es einfacher, etwas zu messen, was da ist, als etwas, was nicht da ist. Deswegen kann die Sensorik wahrscheinlich positiv bestimmen, dass Eis da ist, aber nicht mehr mit der gleichen Sicherheit, dass es vollständig weg ist. Daher ist es sicherer, ab dem Moment in dem einmal Eis festgestellt wurde davon auszugehen, dass es weiterhin da ist. Wenn die Crew nicht an "Get-There-itis" leidet und deswegen mit Tricks versucht, auf einem Platz zu landen, der für die Ice-Speeds zu klein ist, hat es ja auch keinen Nachteil, diese zu verwenden - im schlimmsten Fall wird dadurch die Sicherheitsmarge bei den Geschwindigkeiten eben unnötig groß. Florian Zitieren
Maxrpm Geschrieben 23. Juni 2016 Geschrieben 23. Juni 2016 Stellt sich die Frage, ob es dergleichen Logik bei Bombardier-Maschinen auch gibt. Bei der Bombardier Q400 gibt es auch einen deutlichen (20kts) Zuschlag in allen Minimalgeschwindikeiten. Wenn die Enteisung ausgeschalten wird, kann man diesen Zuschalg wieder zurücksetzen. Es ist also nicht notwendig ohne Eisansatz mit höherer Geschwindigkeit zu landen. - im schlimmsten Fall wird dadurch die Sicherheitsmarge bei den Geschwindigkeiten eben unnötig groß. Florian Versuch mal mit einem 30Tonner mit 150kts va etwa in Innsbruck zu landen. Das ist die "Eisgeschwindigkeit" ohne Eis beträgt sie 130kts. Das geht sich laut Tabellen und auch in der Praxis aus. So bremsen willst Du aber nur wenn deine Tragflächen wirklich Eis haben. Die "Sicherheitsmarge" im speed hat immer ein trade off in weniger Sicherheitsmarge in der RWY Länge. Durch Eis fliegen wir praktisch bei jedem Flug mit höherer Bewölkung. Da bin ich schon froh das die Q400 die "Sicherheit" wieder wegschalten kann. Wolfgang 3 Zitieren
DaMane Geschrieben 23. Juni 2016 Geschrieben 23. Juni 2016 ..................... Durch Eis fliegen wir praktisch bei jedem Flug mit höherer Bewölkung. Da bin ich schon froh das die Q400 die "Sicherheit" wieder wegschalten kann. Wolfgang Genau das war der Hintergrund meiner Frage. Danke für die Info. Gruß Manfred Zitieren
Volume Geschrieben 24. Juni 2016 Geschrieben 24. Juni 2016 Das ist die selbe Diskussion wie die Airbus Protections. In der Vergangenheit (und auch hier wieder...) haben Piloten haarsträubenden Unsinn angestellt, der zu Unfällen geführt hat. Also entwickeln die Flugzeughersteller Systeme, die die Piloten entmündigen und sie vor sich selbst schützen. Und die Hersteller vor Regressforderungen. Kein Richter wird je urteilen, dass Embraer nicht alles getan habe, um das Flugzeug vor Vereisunsunfällen zu schützen. Die Jungs sind fein raus. Wie Praxistauglich so ein Overkill ist, ist die selbe Diskussion wie bei all den Helferlein im Auto. ABS verlängert den Bremsweg, so können einige Unfälle mehr passieren. In der Praxis sind früher aber die tödlichen Unfälle nicht passiert, weil der Bremsweg nicht ausgereicht hätte, sondern weil schlechte Fahrer ins Schleudern gekommen sind. Also macht man die Overkilllösung, riskiert ein paar Blechschäden mehr und verhindert ein paar tödliche Unfälle. Statistisch ist es eine Verbesserung, im Einzelfall kann es erhebliche negative Folgen haben. Wenn der Fahrer anfängt daraufhin mit dem Bremspedal gegen das ABS zu kämpfen, wird es völlig sinnlos und gefährlich. Dieses Design ist das selbe, solange die Piloten es nach Handbuch benutzen, ist es absolut sicher, und super simpel. Es ist auch im Versuch absolut reproduzierbar, damit ist die sichere Funktion einfach nachzuweisen. Leider tendieren Menschen dazu, auf Entmündigung sehr stur, und nicht rational zu reagieren... Besser (aber deutlich teurer) ist es, das Flugzeug gleich mit einem vernünftigen Flügel zu bauen... Und da die Businessjetzs zumeist von Managern, nicht von Piloten gekauft werden, ist Preis nun mal ein schwer zu ignorierendes Argument. Zumal ein erheblicher Teil der Weltflotte mit Eis nur seltenst zurechtkommen muss. Gruß Ralf 3 Zitieren
FalconJockey Geschrieben 24. Juni 2016 Autor Geschrieben 24. Juni 2016 Hallo Ralf, ich stimme zu, aber der letzte Absatz ist Quatsch. Embraer baut sehr gute Flügel, nur haben sie (mindestens) seit der ERJ145-Serie diese automatische Anpassung der AOA-Kurve nach Eisansatz eingeführt und hält daran fest. Wie Du schriebst, ist das eher der "Anwaltsaufschlag", statistisch wird es so sicherer. Dieser zielt eher in Richtung Crews anstatt Flugzeug/Flügel. In der GA gibt es noch zu viele schlampige/abhängige/unverantwortliche Piloten bzw. Flugbetriebsleiter, die von ihren "Untergebenen" illegale Dinge fordern ("Du fliegst oder Du fliegst!"), was natürlich alles vertuscht wird und von den Behörden in der Regel mit einem blinden Auge honoriert wird: "Hat doch bisher auch immer geklappt". Zitieren
Gulfstream Geschrieben 25. Juni 2016 Geschrieben 25. Juni 2016 Warum nochmal muss mit Eis schneller angeflogen werden? Weil der Auftrieb reduziert wird? Danke, Markus Gesendet von meinem SM-G925F mit Tapatalk Zitieren
Heiri_M Geschrieben 25. Juni 2016 Geschrieben 25. Juni 2016 Ja, ich denke schon. Eis kann das Profil verändern und das Gewicht vergrössern und vielleicht auch noch den Schwerpunkt verschieben. Bin mir aber nicht sicher. 1 Zitieren
FalconJockey Geschrieben 25. Juni 2016 Autor Geschrieben 25. Juni 2016 Profiländerung und Gewichtszunahme sind die Hauptfaktoren. 1 Zitieren
Heiri_M Geschrieben 25. Juni 2016 Geschrieben 25. Juni 2016 Wegen der Vereisung habe ich mir folgende Gedanken gemacht: Wenn durch Eis der Auftrieb reduziert wird, muss doch der Anstellwinkel vergrössert werden, damit ich oben bleibe. Angenommen, auf einem 3-Grad ILS werde ohne Vereisung in der Regel mit 0 - 2 Grad Pitch angeflogen. Wenn ich nun bei einem Anflug mit möglicher Vereisung nur auf die Pitch (0 -2°) achte, nicht aber auf die Speed, sollte doch automatisch die richtige Geschwindigkeit resultieren, die umso höher ist, je grösser die Vereisung ist. Ist meine Vermutung richtig? Zitieren
DaMane Geschrieben 26. Juni 2016 Geschrieben 26. Juni 2016 (bearbeitet) Wegen der Vereisung habe ich mir folgende Gedanken gemacht: Wenn durch Eis der Auftrieb reduziert wird, muss doch der Anstellwinkel vergrössert werden, damit ich oben bleibe. Angenommen, auf einem 3-Grad ILS werde ohne Vereisung in der Regel mit 0 - 2 Grad Pitch angeflogen. Wenn ich nun bei einem Anflug mit möglicher Vereisung nur auf die Pitch (0 -2°) achte, nicht aber auf die Speed, sollte doch automatisch die richtige Geschwindigkeit resultieren, die umso höher ist, je grösser die Vereisung ist. Ist meine Vermutung richtig? Nicht ganz. Die Profiländerung durch Eisansatz verläuft ja nicht linear über den ganzen Flügel, sondern "verunstaltet" dieses ungleichmäßig. Es baut sich ein "Wulst" auf. Das führt a) zu einem größeren Widerstand, und b ) zu einer veränderten Druckpunkverschiebung bei AOA-Anderung. Das bedeutet, der nutzbare AOA-Bereich wird kleiner (=flacher), die stall-speed steigt an, und das Stall-Verhalten wird "giftiger". Deshalb das Sicherheitspolster durch Speed-Zuschlag. Just my 2ct..... Manfred PS:...und natürlich Gewichtszuwachs, den ja Andreas@falconjockey schon erwähnt hat. Wasser hat uch in Form von Eis enormes Gewicht. Wenn sich ein Flugzeug von starker Vereisung nicht befreien kann - durch Bordmittel oder wärmere Luftschichten - geht es selbst mit Vollgas nur mehr abwärts. Bearbeitet 26. Juni 2016 von DaMane 3 Zitieren
Volume Geschrieben 27. Juni 2016 Geschrieben 27. Juni 2016 (bearbeitet) Wenn durch Eis der Auftrieb reduziert wird, muss doch der Anstellwinkel vergrössert werden, damit ich oben bleibe. Eher nicht, bei geringen Anstellwinkeln ändert sich nur wenig. Erst bei höheren Anstellwinkeln, wenn der Staupunkt auf die Unterseite der Nase wandert und die physikalische Nasenleiste von unten nach oben umströmt wird macht sich das Eis richtig bemerkbar, und reduziert vor allem den Maximalauftrieb, und zwar ziemlich radikal (die Ablösung tritt nahe der Nasenleiste auf, und reduziert damit den Auftrieb sehr stark und sehr spontan). Je größer der Anstellwinkel, desto größer der Effekt von Eis, erhöhen hilft also nicht wirklich. Auf Seite 22 dieses Reports sind Ca(alpha) Kurven mit Eis veröffentlicht. Beim NACA 23012 (typisches GA Profil) halbiert sich Camax mindestens von 1.8 auf höchstens 0.9, bis ungefähr Ca = 0.4 gibt es praktisch keinen Effekt. Der Anstellwinkelbereich von 8° bis 17° ist mit Eis nicht mehr sinnvoll nutzbar. Dagegen ist die Verdreifachung des Profilwiderstands relativ egal, denn der macht ja nur ein Teil des Gesamtwiderstands aus, und liesse sich im Landeanflug problemlos durch etwas mehr Gas kompensieren. Mit ausgefahrenen Klappen sollte der Widerstandanstieg auch deutlich geringer ausfallen. Hier gibt es das ganze nochmal in qualitativ und verallgemeinert. Praktisch alle Flugzeuge ohne Nasenklappen (Slats, Droopnose...) sind sehr empfindlich gegen Eisansatz. Eine Beschränkung von Ca und Anstellwinkel durch Hochsetzen der Fahrt macht durchaus Sinn, bedeutet aber natürlich erhebliche operationalle Einschränkungen. Gruß Ralf Bearbeitet 27. Juni 2016 von Volume 5 Zitieren
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