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Was genau passiert nach einem ETOPS Flug mit dem benutzten Triebwerk?


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Geschrieben

Wie läuft das eigentlich bei bzw. nach einem ETOPS-Einsatz?

 

Mal angenommen, eine 777 würde tatsächlich ETOPS-330 ausschöpfen müssen - was passiert danach mit dem Triebwerk, welches dafür benutzt wurde? Wie weit wurde das dabei belastet und was macht man damit? Wird es überholt oder gleich weggeschmissen?

Ich gehe jetzt mit meinen naiven Grundkenntnissen der Mechanik davon aus, dass wenige Prozent erhöhte Dauerlast automatisch einen sehr viel über dem Normbereich liegenden Verschleiss nach sich zieht. Man wird also dieses Triebwerk in irgendeiner Form nach dem ETOPS-Einsatz speziell betrachten/behandeln müssen?

Geschrieben

Wie meinst du das? Etops fliegen diese Flugzeuge jeden Tag.

 

Du meinst wenn mal ein Triebwerk ausfällt an der dümmsten Stelle (mitten über unbewohntem Gebiet) und er muss 330 Minuten mit nur einem Motor fliegen?

 

Das kommt immer drauf an was es gewesen ist. Wenn z.B. ein Fuel Leck beim Motor war passiert mit dem Motor gar nichts. Dann wird das Leck repariert, es gibt einen Testrun, evtl einen Testflug und die Sache ist gegessen.

 

War der Motor kaputt dann passiert genau das gleiche wie wenn der Motorschaden über bewohntem Gebiet gewesen wäre: Er wird inspiziert, repariert, getestet und wieder in Dienst gestellt. Je nach Schwierigkeit des Schadens wird das Triebwerk heruntergeholt oder total überholt. Aber auch hier: Es kommt nicht auf Etops drauf an, sondern auf die Schwere des Schadens.

 

Diese Motoren sind übrigens konstant online und meistens wissen die Ingenieure zuhause schon früher vom Problem als die Piloten. Es werden 100e von Parametern ausgelesen. Man kennt die Geschichte des Triebwerkes und was alles dran gemacht wurde.

 

Der gesunde Motor dürfte übrigens auch keine Probleme bereiten, er läuft ja nicht irgendwie "heisser" wenn er allein arbeiten muss, oder nicht über gewisse Limiten. Auch dieser wird falls nötig inspiziert, repariert und getestet.

 

Dani

Geschrieben

Danke :005:

 

Ja, geht um den letzteren, also den Motor, der benutzt wurde (während der andere idle oder aus war).

Das heisst also, dass das verbliebene Triebwerk nicht höher belastet wird, wenn es "alleine" läuft? :eek:

Geschrieben

doch, es kann höher laufen, auf der sogennanten Max Continous Thrust, also der Limite, die das Triebwerk "unendlich" lange laufen darf. Das ist so zertifiziert und getestet. Es muss aber nicht. Nur die Limite ist höher, aber im Reiseflug ist die Belastung der Triebwerke eher tiefer.

 

Wie es gaaanz genau läuft kann ich dir natürlich nicht sagen, dafür bräuchten wir einen Hersteller, aber Triebwerke werden anhand von Cycles (einmal ein und aus) und Leistung revidiert. Wenn also ein Triebwerk länger auf höherer Leistung läuft, dann muss es früher revidiert werden. Ich glaube jedoch nicht, dass in diesem Fall das Triebwerk wesentlich weniger länger am Flugzeug verbleiben kann.

 

Nur so als Vergleich: Die Triebwerksleistung beim Start ist (je nach gesetzter Leistung) wesentlich höher als beim Ein-Motor-Aus-Fall im Reiseflug

 

Dani

Geschrieben

Die meisten modernen Triebwerke haben eine "Black Box" in der Steuerelektronik. Nach so einem Ereignis wird der Triebwerkshersteller alle Daten bewerten (wie lange wurde welche Power genutzt, wie lange waren welche Drücke und Temperaturen grenzwertig...) und dann eine Empfehlug aussprechen. Da dieses Monitoring ein Triebwerksleben lang passiert, wird ein derartiges Triebwerk vielleicht Jahre später ein bisschen früher in die Wartung/Überholung beordert, abhängig davon welche Werte sich wie verändern.

Wenn ich bei ETOPS lange mit einem Motor fliege, dann muss ich auch vorher schon lange "vom Land weg" geflogen sein, also habe ich schon viel Sprit verbraten und bin schon relativ leicht. Deshalb ist die Leistung des Triebwerks beim Einmotorenflug nicht unbedingt höher, als während des Steigflugs auf Reiseflughöhe mit noch vollen Tanks. Zumeist wird die benötigte Leistung völlig innerhalb des für die Dauerbenutzung zgelassenen Bereichs liegen, und bei den Temperaturen auf Reiseflughöhe dürften auch alle Temperaturen im Triebwerk in den Limits bleiben.

 

Gruß

Ralf

Geschrieben

Also zumindest ganz am Anfang vom einmotorigen Flug wird die Leistung wohl sehr nahe an der Dauergrenzbelastung (Max Continous Thrust) sein, denn das Flugzeug muss in jedem Fall absteigen, eine tiefere Flughöhe einnehmen, man versucht also möglichst hoch zu fliegen, weil je tiefer man fliegt, desto mehr Fuel verbraucht man, und man dürfte da ziemlich am Limit sein vom Fuel her.

 

Je nach Typ fliegt man mit 2 Motoren zwischen 35 und 42 000 Fuss, mit 1 Motor reicht es dann noch zwischen 25 und 30 000 Fuss, je nach Gewicht und Temperatur.

 

Dani

Geschrieben

Aber die Tanks kann man doch jederzeit x-feeden, oder? Dann dürfte doch gerade reichlich Sprit vorhanden sein, wenn nur noch ein Triebwerk läuft und das erst noch mit unwesentlich höherer Last (sofern ich den Punkt jetzt richtig verstanden habe)?

Geschrieben

ja, das kann man. Das ist ja nicht das Problem, dass ein Tank leer wäre und der andere voll. Das Problem bei diesem Fall ist, dass man mit einem Motor mehr Sprit verbraucht auf dieser Höhe als mit zweien auf höheren Höhen.

 

Das ganze wird natürlich durchgerechnet und man nimmt immer mindestens so viel mit, damit dieser Fall abgedeckt ist. Meistens ist der fuelkritischte Punkt derjenige Punkt näher zum Ziel, wo man an der Etops Limite (in unserem Beispiel 330 Minuten) entfernt liegt. Meistens ist der fuelkritischste Vorfall nicht ein Motorausstieg, sondern der Notabstieg (wegen z.B. Kabinendruckversagen). Dann muss man auf 10 000 Fuss runter und verbraucht dementsprechend noch mehr Fuel.

 

Das ganze wird auf dem Flugplan per Computer durchgerechnet, anhand verschiedener Szenarien, man erhält dann mehrere kritische Punkte, wo der Fuelverbrauch am höchsten ist. Die höchste Menge ist dann die Minimalmenge, die man mitführen muss. Muss man wegen Etops mehr mitnehmen, spricht man von einer Etops-Reserve.

 

Dani

Geschrieben
Wenn ich bei ETOPS lange mit einem Motor fliege, dann muss ich auch vorher schon lange "vom Land weg" geflogen sein, also habe ich schon viel Sprit verbraten und bin schon relativ leicht.

 

Kann sein, muss nicht. Es kann durchaus sein, dass man relativ zügig nach dem Start ETOPS wird und auf Grund von Wetter / Minimas nicht zum Ausgangspunkt zurück kann. Dann kann es durchaus passieren, dass der EEP (Etops entry point) nahe beim Abflug liegt und man allenfalls länger braucht bis zum nächsten Etops Alternate. Ist vor allem auf den Pazifikstrecken ein Thema, hab's aber früher auch schon gesehen outbound Karibik oder auch mal gelegentlich auf dem NATL oder Afrika, wenn keine normalen Alternates zur Verfügung stehen.

 

Was dann aktuell geflogen wird ist wieder was anderes. Wenn ein Incident eintrifft, man ETOPS wird, dann wird klarerweise initial auf den nächsten ETOPS Alternate geplant, dann aber schaut man durchaus auch, ob noch was besseres näher liegt. Das kann durchaus sein, denn wenn z.b. ein sonst ETOPS Airport nicht geplant werden konnte weil kein Wetter vorhanden, dann im aktuellen Fall aber das Wetter da ist und über dem Minimum, oder schlicht weil man für die Planung eine Abfolge verwendet aber auch Alternativen bestehen. Wenn z.b. für den NATL Goose/Shannon geplant ist und Gander zum Incident Zeitpunkt besser und näher ist, im Forecast aber dicht war, kann man auch da hin.

 

Planerisch is es auch durchaus möglich, über Land ETOPS zu sein, wenn man z.B. über Afrika nicht genügend Alternates hat um die 1-Stunden Regel einhalten zu können (meist wegen fehlenden TAF's). Wenn dann irgendwo über der Sahara der ETOPS Fall eintritt, aber einer der zuvor nicht planbaren Plätze verfügbar wird, geht man halt dort hin, bzw wenn ein besserer Platz näher wird als der ETOPS Alternate, auch das geht dann.

Geschrieben
Kann sein, muss nicht. Es kann durchaus sein, dass man relativ zügig nach dem Start ETOPS wird und auf Grund von Wetter / Minimas nicht zum Ausgangspunkt zurück kann. Dann kann es durchaus passieren, dass der EEP (Etops entry point) nahe beim Abflug liegt und man allenfalls länger braucht bis zum nächsten Etops Alternate. Ist vor allem auf den Pazifikstrecken ein Thema, hab's aber früher auch schon gesehen outbound Karibik oder auch mal gelegentlich auf dem NATL oder Afrika, wenn keine normalen Alternates zur Verfügung stehen.

 

Was dann aktuell geflogen wird ist wieder was anderes. Wenn ein Incident eintrifft, man ETOPS wird, dann wird klarerweise initial auf den nächsten ETOPS Alternate geplant, dann aber schaut man durchaus auch, ob noch was besseres näher liegt. Das kann durchaus sein, denn wenn z.b. ein sonst ETOPS Airport nicht geplant werden konnte weil kein Wetter vorhanden, dann im aktuellen Fall aber das Wetter da ist und über dem Minimum, oder schlicht weil man für die Planung eine Abfolge verwendet aber auch Alternativen bestehen. Wenn z.b. für den NATL Goose/Shannon geplant ist und Gander zum Incident Zeitpunkt besser und näher ist, im Forecast aber dicht war, kann man auch da hin.

 

Planerisch is es auch durchaus möglich, über Land ETOPS zu sein, wenn man z.B. über Afrika nicht genügend Alternates hat um die 1-Stunden Regel einhalten zu können (meist wegen fehlenden TAF's). Wenn dann irgendwo über der Sahara der ETOPS Fall eintritt, aber einer der zuvor nicht planbaren Plätze verfügbar wird, geht man halt dort hin, bzw wenn ein besserer Platz näher wird als der ETOPS Alternate, auch das geht dann.

 

Und aus denau diesen Gründen zahlt man den Herren mit der Aussicht nach vorne auch das x-fache eines Busfahrers. Sobald das Ding 'off blocks' ist liegt die Entscheidung über alles beim PIC.

Geschrieben
Kann sein, muss nicht. Es kann durchaus sein, dass man relativ zügig nach dem Start ETOPS wird und auf Grund von Wetter / Minimas nicht zum Ausgangspunkt zurück kann. Dann kann es durchaus passieren, dass der EEP (Etops entry point) nahe beim Abflug liegt und man allenfalls länger braucht bis zum nächsten Etops Alternate.

 

Stimmt natürlich, aber wir hatten es mit Etops 330 und das bedeutet, dass beim kritischen Punkt bereits das Flugzeug mindestens 5h 30m geflogen sein muss. Also ist schon ein bisschen Fuel verbraten worden. Und bekanntlich braucht man bei diesen schweren Brummern am anfang am meisten (pro Minute).

 

Es ist immer wieder beeindruckend, wenn man Startleistung gibt und man sieht Zahlen über 10 000 kg/h Fuelverbrauch. Zum Glück hält das nicht lange an...

 

Planerisch is es auch durchaus möglich, über Land ETOPS zu sein, wenn man z.B. über Afrika nicht genügend Alternates hat um die 1-Stunden Regel einhalten zu können (meist wegen fehlenden TAF's).

 

Ganz genau. Aus diesem Grund habe ich nie "über Wasser" geschrieben, sondern "über unbewohntem Gebiet".

Geschrieben

Als Fachausdruck möchte ich mal "Remote Area" einstreuen - es gibt ja auch noch EROPS. Nur weil man 3 oder 4 Triebwerke hat, heisst das nicht, dass man vogelfrei ist.

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