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25.10.10 | Condor A320 | Qatar A340 | Nähe Trasadingen | Airprox


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Geschrieben

Mehr als 10 Jahre nach dem Flugunfall von Überlingen sind offensichtlich immer noch nicht alle Pilote in der Lage, ein ACAS/TCAS korrekt zu nutzen, wie ein soeben veröffentlichter SUST-Schlussbericht zeigt: http://www.sust.admin.ch/pdfs/AV-airprox/2166_d.pdf.

 

Kurzdarstellung gemäss Schlussbericht:

«Am Abend des 25. Oktober 2010 waren, nebst anderen Flugzeugen, drei Flugzeuge auf oder steigend auf Flugfläche (flight level – FL) 370 unter der Kontrolle des Sektor M5/M6 der Bezirksleitstelle Zürich (ACC Zurich). Zwei davon flogen in östlicher Richtung (QTR 020 und IJM 539); der Flugweg des dritten Flugzeuges (CFG 366) in westlicher Richtung war von der Flugverkehrsleitung des Kontrollsektors M5/M6 zwischen den Flugwegen der anderen beiden hindurch geplant. Der Plan der Flugverkehrsleitung, die beteiligten Flugzeuge mit zugeteilten Radar-Flugwegen (radar heading) auf Kurs zu halten und die CFG 366 auf FL 370 steigen zu lassen, und sie hinter der IJM539 passieren zu lassen, führte zu Abständen nahe der anwendbaren minimalen Separation. Dies löste in der CFG 366 einen Verkehrshinweis (traffic advisory - TA) aus. Weil die Separation der CFG 366 zur QTR 020, letztere auf einem Kurs direkt zum Wegpunkt MADEB, ebenfalls nahe der anwendbaren minimalen Separation lag, löste eine auf eigene Initiative und entgegen dem zugeteilten Kurs (radar heading) von der Besatzung der CFG 366 eingeleitete Rechtskurve in deren Cockpit eine weitere TA aus. Diese TA wurde 39 Sekunden nach dem Ende der ersten TA ausgelöst. Die beiden Flugzeuge CFG 366 und QTR 020 näherten sich bis auf eine Distanz von horizontal 3.1 NM an. Die vertikale Distanz betrug zu diesem Zeitpunkt 500 ft.»
Spezifisch zur CFG 366-Besatzung:
«Die Besatzung der CFG 366 führte aufgrund eines Verkehrshinweises ihres Verkehrswarn- und Kollisionsverhinderungssystems aus Eigeninitiative sowohl ein laterales als auch ein vertikales Ausweichmanöver durch, welches zur Annäherung an die QTR 020 führte. Trotz energischem Eingreifen der trainee konnte die Besatzung der CFG 366 nicht von ihrem Vorhaben abgehalten werden und hielt daran fest, die von ihr vermeintlich festgestellte Annäherung selber zu entschärfen.

 

Das Verhalten der Besatzung der CFG 366, welche durch eine traffic advisory (TA) alarmiert wurde und Sichtkontakt zu einem Flugzeug hatte, kann teilweise nachvollzogen werden unter dem Aspekt dass die Besatzung versuchte, eine mögliche resolution advisory (RA) zu vermeiden, welche möglicherweise einen relativ abrupten Übergang vom Steigflug in den Sinkflug verlangt hätte, dies nachdem in der Kabine bereits der Service begonnen hatte. Andererseits muss erwähnt werden, dass ein nicht mit der Flugsicherung koordiniertes selbständiges Einleiten eines Ausweichmanövers, ob seitlich oder vertikal, auf ein mangelhaftes Verständnis der Prinzipien hinweist, welche der Arbeit der Flugsicherung zu Grunde liegen. Eine Besatzung kann nie sicher sein, dass ein visuell erfasstes Flugzeug identisch ist mit jenem, welches sie auf der TCAS Anzeige sieht. Dies gilt auch umgekehrt. Ein Flugzeug visuell bei Nacht zu erfassen, seine Bewegungsrichtung gegenüber der eigenen Bewegungsrichtung abzuschätzen und ein Ausweichmanöver aufgrund des visuellen Eindruckes einzuleiten ist sogar für speziell hierfür trainierte Piloten sehr schwierig, wenn nicht gar unmöglich.

 

Das eigenmächtige Verhalten der Besatzung hat den schweren Vorfall entstehen lassen und zu einer erheblichen Gefährdung geführt.»

Ursachen gemäss Schlussbericht:
«Der schwere Vorfall ist darauf zurückzuführen, dass die Besatzung eines Flugzeuges bei Nacht aufgrund von Sichtkontakt zu einem anderen Flugzeug sowie eines Verkehrshinweises ihres Verkehrswarn- und Kollisionsverhinderungssystems eigenmächtig ein laterales und vertikales Ausweichmanöver flog. Dies hatte zur Folge, dass es zwischen ihrem und einem weiteren Flugzeug zu einer unbeabsichtigten Annäherung kam, die ein erhebliches Kollisionsrisiko aufwies. […]»
Auch unabhängig von ACAS/TCAS scheint es leider immer wieder Piloten zu geben, die glauben, eigenmächtig von der erhaltenen Clearance abweichen zu können – beispielsweise, weil sie glauben, eine Abweichung um 10 Grad würde von der Flugsicherung weder bemerkt noch könne dadurch die notwendige Separation unterschritten werden.

 

Martin

Geschrieben

Vielleicht wäre ein Hinweis an die Piloten, was gerade "geplant" wird, die einfachste Lösung gewesen. Kommunikation ist alles. Jedoch fliegen immer noch Piloten das Flugzeug, nicht der Lotse.

Geschrieben

Die SUST hat den Schlussbericht zu einem «schweren Vorfall» publiziert, bei dem sich ein A320 der Condor und ein A340 der Qatar auf horizontal 3.1 NM und vertikal 500 ft annäherten.

 

Schuld war laut SUST ein «auf eigene Initiative und entgegen dem zugeteilten Kurs» eingeleitetes Manöver der Condor-Crew, die einem dritten Flugzeug ausweichen wollte.

 

Laut Tages-Anzeiger soll der Lotse zudem wegen eines defekten Headsets verspätet eingegriffen haben.

 

SUST Schlussbericht: http://www.sust.admin.ch/pdfs/AV-airprox/2166_d.pdf

 

Tages-Anzeiger: http://www.tagesanzeiger.ch/panorama/vermischtes/Beinahezusammenstoss-mit-einem-Airbus-A340/story/31437301

Geschrieben
Laut Tages-Anzeiger soll der Lotse zudem wegen eines defekten Headsets verspätet eingegriffen haben.
Die Berichterstattung im Tages-Anzeiger ist äusserst mangelhaft:
«Laut dem Sust-Bericht, der heute veröffentlicht wurde, war ein Airbus A330-232 der portugiesischen White Airways in westlicher Richtung unterwegs. Richtung Osten flogen ein Airbus A340-642 der Qatar Airways sowie ein weiteres Flugzeug. […] Der portugiesische Pilot leitete allerdings eigenmächtig ein Manöver ein, das sein Flugzeug auf eine vertikale Distanz von nur 150 Meter zum Flugzeug der Qatar Airways brachte.»
White Airways? Portugiesischer Airbus? Da sich die Piloten als «Condor 366» am Funk meldeten, müsste man wohl von einem Condor-Flug und einem deutschen Airbus schreiben.
«Der Flugverkehrsleiter konnte nur mit Verspätung eingreifen, weil sein Kopfmikrofon kaputt war. Erst als er das Handmikrofon benutzte, konnte er mit seinen Anweisungen die Kollision verhindern, wie es im Bericht heisst.»
Die Flugverkehrsleiterin in Ausbildung – kein Flugverkehrsleiter – reagierte gemäss SUST-Schlussbericht unverzüglich, konnte aber keinen Einfluss mehr nehmen – die Funkprobleme mit dem Coach-Headset folgten erst danach (mit Hervorhebungen durch mich):
«Auf die Meldung der CFG 366, ihren eingeschlagenen Kurs aufgrund eines Verkehrshinweises des bordeigenen Warnsystems TCAS ändern zu wollen und 10 Grad nach rechts zu drehen, reagierte die trainee unverzüglich. Sie realisierte sofort, dass daraus ein Konflikt mit der entgegenfliegenden QTR 020 entstehen würde und wies die CFG 366 deshalb an, nicht nach rechts zu drehen, sondern eine Linkskurve von 25 Grad einzuleiten. Diese Anweisungen waren situationsgerecht und hätten die Situation entschärft. Zu diesem Zeitpunkt war die CFG 366 aber bereits in der von ihr selbständig initiierten Rechtskurve. Weil es auf grossen Flughöhen relativ lange dauert, bis das Flugzeug aus einer Kurve auf die eine Seite in eine Kurve auf die andere Seite übergeht, konnte diese Anweisung die Situation nicht mehr entschärfen.»
«Zu einem ähnlichen Vorfall kam es am 16. Dezember 2011 südwestlich von Lugano TI über italienischem […]. In diesem Fall hatte der Flugverkehrsleiter mit seinen Anweisungen gemäss Untersuchungsbericht die gefährliche Situation verursacht. Der Mann arbeitete allein, und gewisse Höhenangaben auf seinem Radarschirm waren fehlerhaft, erklärte die Sust.»
Ein ähnlicher Vorfall? Beim ersten Vorfall verursachten Piloten eine gefährliche Situation und die Flugverkehrsleiterin reagierte vorbildlich, beim zweiten Vorfall (SUST-Schlussbericht als PDF) unterlief dem Flugverkehrsleiter ein gravierender Fehler.

 

Martin

Geschrieben
Die Berichterstattung im Tages-Anzeiger ist äusserst mangelhaft:White Airways? Portugiesischer Airbus? Da sich die Piloten als «Condor 366» am Funk meldeten, müsste man wohl von einem Condor-Flug und einem deutschen Airbus schreiben.

 

Nein, das stimmt schon so. Wie man dem Bericht (Seite 5) entnehmen kann, waren das tatsächlich Portugiesen im Auftrag der Condor. :005:

Geschrieben
Beim ersten Vorfall verursachten Piloten eine gefährliche Situation und die Flugverkehrsleiterin reagierte vorbildlich

 

Es wäre wohl noch ein wenig besser gegangen, dann hätte diese Airprox wohl nicht stattgefunden:

Die folgenden Faktoren haben den schweren Vorfall zwar nicht direkt verursacht, wurden

aber im Rahmen der Untersuchung als risikoerhöhend erkannt (factors to risk):

 Die Flugverkehrsleitung erteilte den Besatzungen der betroffenen Flugzeuge keine

Verkehrsinformation, obwohl sie ein Separationskonzept wählte, welches zu Abständen

im Bereich der Mindeststaffelung führte und das die Auslösung eines Verkehrshinweises

des Verkehrswarn- und Kollisionsverhinderungssystems zur Folge hatte.

 

 

Tom

Geschrieben

Ein Schelm wer denkt, dass Airlines, welche für alles und jeden fliegen um Geld zu machen nicht die höchsten Trainings-, Selektions- und Ausbildungsstandards haben.

 

Ist auch schwer durchzusetzen - gleiches gilt in manchen Betrieben in der Business Aviation. Sehr viele Leute mit verschiedenen fliegerischen Backgrounds, Vorgeschichten und natürlich kulturellen Unterschieden.

 

Jänu, ist ja nochmals gut gegangen.

Geschrieben

Überraschend für mich dass man offensichtlich eigenmächtig horizontal ausweicht, wenn eine Kollision droht. Bekanntlich darf man nur auf TCAS-Meldungen eigenmächtig ausweichen, diese sind aber vertikal. Es gibt keine Anzeigen im Cockpit die es den Piloten ermöglichen abzuschätzen, ob horizontal eine Kollisionsgefahr besteht.

 

Dani

Geschrieben
Überraschend für mich dass man offensichtlich eigenmächtig horizontal ausweicht, wenn eine Kollision droht. Bekanntlich darf man nur auf TCAS-Meldungen eigenmächtig ausweichen, diese sind aber vertikal. Es gibt keine Anzeigen im Cockpit die es den Piloten ermöglichen abzuschätzen, ob horizontal eine Kollisionsgefahr besteht.

 

Dani

 

Zudem ist durch die Anzeige der relativen Position die richtige laterale Reaktion sehr schwer zu beurteilen - im Gegensatz zur absoluten Anzeige auf den Radarbildschirm.

In fast allen Fällen, in denen Piloten aufgrund des TCAS lateral ausgewichen sind wurde in die falsche Richtung gedreht und der horizontale Abstand durch das Manöver noch verringert.

 

 

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Geschrieben
Vielleicht wäre ein Hinweis an die Piloten, was gerade "geplant" wird, die einfachste Lösung gewesen. Kommunikation ist alles. Jedoch fliegen immer noch Piloten das Flugzeug, nicht der Lotse.
Piloten müssen ihr Flugzeug unter IFR bezüglich Höhe, Kurs und Geschwindigkeit so fliegen, wie es Ihnen durch die Flugsicherung vorgegeben wird – Ausnahmen vorbehalten. In diesem Fall lag keine solche Ausnahme vor und bei einem TCAS TA haben Piloten keine Eigeninitiative zu entwickeln, sondern schlicht ihre Aufmerksamkeit zu erhöhen. Und in keinem Fall ist im Zusammenhang mit TCAS ein laterales Ausweichen vorgesehen.

 

Traffic Information hätte diesen gravierenden Pilotenfehler allenfalls verhindert. Flugverkehrsleiter müssen aber Prioritäten setzen, gerade in den häufig sehr dicht beflogenen Lufträumen, die Skyguide kontrolliert. In jedem Fall haben sich Piloten mit ihren Flugzeugen unter IFR unabhängig von Traffic Information und sonstigen Erklärungen an die Vorgaben der Flugsicherung zu halten – Ausnahmen wie oben schon erwähnt vorbehalten.

 

Martin

Geschrieben

Man sollte es nicht schwarz und weiß sehen.

Ich habe in den CRM Kursen schon Geschichten gehört die ebenfalls mit TA angefangen haben und mit RA und verletzter Cabincrew ihr Ende gefunden haben. Selbstverständlich besser als ein Crash, aber den Selbsterhaltungs- und Schutzgedanken der Kabienencrew im Hinterkopf, kann ich dass ganze verstehen(! Nicht befürworten). Deshalb ja meine Aussage, lieber mehr Kommunikation als zu wenig. Aber die Umsetzung unterliegt ja leider ganz anderen Faktoren als "nur" an der Lotsin.

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