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21.07.13 | Sukhoi | SSJ100-95 | 97005 | Keflavik BIKF | Landeunfall


Superjet

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Obwohl ich mir das eigentlich gar nicht vorstellen kann, irgendeiner von den 5 Crew hätte doch sicher bemerkt wenn der Gear noch oben gewesen wäre?

 

An dieses Video hatte ich auch schon gedacht:D

 

Also nach dem ersten Crash wo sie alle Warnungen weggedrückt haben bis sie in den Berg geknallt sind kann ich mir so ziemlich alles vorstellen:005:

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Die Rutsche ist verdreht und gefaltet, und zwar beides um 180°...

Die ist nur eingeknickt. Hier sieht man vorn in die Unterseite der Rutsche u. hinten die "Rutsch"-Seite.

Oder sind sie

auch schon falsch angebaut?:D
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Ich zitiere mal den Text:

25 júl. 2013

 

On Sunday morning July 21 st at 05:23 AM, Sukhoi Superjet 100 of Russian experimental registry 97005 was performing a certification test flight under cross wind condition at RWY 11 on Keflavik Airport (BIKF), Iceland. The purpose, prior to the event, was to perform a low pass/missed approach with one engine shut down, close to the airplane‘s maximum weight limit, in cross wind condition. During the approach and the low pass, the landing gears were in down position. During the go-around procedure, and after the landing gears were retracted, the airplane decented with the result of landing at the RWY with the landing gears up. The aircraft skidded down the runway and stopped outside the end of the runway. There were 5 persons on board the flight. One person was injured during the accident.

Da steht nirgends, dass sie trotzdem mit Absicht gelandet wären. Vielleicht ist beim single engine go around etwas schiefgegangen, eine starke Windböe?
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Frank_Willfeld

Aerodynamic ist längst nicht so gut durchschaut wie wir denken und es muss noch immer viel getestet werden, wenn wir immer genau vorrausagen könnten wie ein Flieger sich verhält, gäbe es keine Windtunnel und Holzmodelle.

 

Die haben halt getestet und sind dabei vermutlich sehr hart ans Limit gegangen und siehe da, es hat nicht geklappt, manchmal ist es ganz einfach etwas zu erklären.

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Was ich aber nicht verstehe ist warum sie es so eilig hatten die Fahrwerke wieder einzuziehen. Werden die nicht gerade bei Testflügen sehr lange down gehalten? Also bei den ersten A350 Flügen waren die ewig unten

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Frank_Willfeld
Was ich aber nicht verstehe ist warum sie es so eilig hatten die Fahrwerke wieder einzuziehen. Werden die nicht gerade bei Testflügen sehr lange down gehalten? Also bei den ersten A350 Flügen waren die ewig unten

 

 

 

Gute Frage,

 

ich will mal versuchen das zu erklären.

 

Wenn man das Fahrwerk draussen hat, dann hat man einen Punkt weniger um den man sich Sorgen machen muss.

Man will einfach sichergehen, dass es bei der ersten Landung zur Verfügung steht.

Die Testflüge sind zudem vollgepackt mit Test-Items.

Beim Erstflug geht es vor allem darum wie er abhebt und sich steuern lässt, etc. also die basic flight Charakteristik bzw. und das sog. "hands on experience".

Einen Unfall zu riskieren nur weil das Gear (z.B. beim Fahrtwind) nicht richtig funktioniert während man ev. noch mit einem aerodynamischen Problemen zu kämpfen hat wäre doof.

Es wird dann Step by Step weitergetestet, sobald man weiss der Flieger ist safe zu fliegen und hat keine bösen Ueberraschungen parat.

Und wenn mann weiss das Ding fliegt und somit Ressourcen frei hat für den Gear Test, wird dieser integriert bzw. selbiges eingefahren.

Dann kommen auch Flüge mit höherer Speed und grösserer Höhe dazu, die natürlich mit ausgefahrenem Gear nicht möglich sind.

Beim Airbus A350/320family/340 sind es meines Wissens nach etwa 280 KIAS und dadurch (bzw den Drag) bedingt - je nach Beladung - etwa max 20.000 ft. Höhe.

Das ist aber eben nur in der ganz frühen(!) Testphase.

Die Tests des Superjets waren aber über diese Phase schon längst hinaus.

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Was ich aber nicht verstehe ist warum sie es so eilig hatten die Fahrwerke wieder einzuziehen. Werden die nicht gerade bei Testflügen sehr lange down gehalten? Also bei den ersten A350 Flügen waren die ewig unten

 

Du sagst es, bei den ersten A350 Flügen.

 

Der Sukhoi Superjet ging am 19. Mai 2008 (vor über fünf Jahren) zum ersten Mal in die Luft und am 21. April 2011 zum ersten Mal auf Linie in den Einsatz (Armavia), seither sind 15 Maschinen ausgeliefert worden.

 

Ich glaube nicht, man kann das Testprogramm von einem völlig neuen Flugzeug wie dem A350 mit diesen Spezialtests des SSJ vergleichen...

 

Gruss Ernst

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Ich denke da sie die Minima austesten wollten, haben sie das Fahrwerk so früh wie möglich eingezogen um einmotorig wieder zu steigen. Sie werden sicher zunächst go-arounds mit Fahrwerk gemacht haben, und dann geguckt haben, wieviel sie noch gewinnen wenn sie es zügig einfahren. Wenn ihnen die paar Meter weniger Entscheidungshöhe bzw. die benötigte Hindernisfreiheit im Abflug Zugang zu ein paar wichtigen Flughäfen verschafft, dann werden solche Minima ausgetestet.

Inwieweit es ein Misverständnis, ein unbeabsichtigtes Aufsetzen, ein zu frühes (oder zu weites) Klappen einfahren etc. war, wird uns wohl der CVR berichten.

 

Gruß

Ralf

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Frank_Willfeld
Was ich aber nicht verstehe ist warum sie es so eilig hatten die Fahrwerke wieder einzuziehen.

 

dazu wäre noch anzumerken, dass der Flieger sicher sehr hart am Limit war, das heisst, viel härter als es jemals im Normalbetrieb geflogen würde.

Hohes Gewicht und viel Seitenwind, und ein abgestelltes Triebwerk. Das bringt jeden Flieger "ins Schwitzen". Ziel der Tests ist es natürlich auch weit über das operationell gängige Limit hinaus zu testen um dann nachher in der tatsächlichen Ops Sicherheitsmargen zu haben. Deshalb haben die so schnell wie möglich das Fahrwerk eingefahren um den Luftwiderstand zu minimieren. Das Fahrwerk ist ein riesen Faktor beim Gesamtwiderstand. Ev. hat man dadurch (bewusst oder unbewusst) sogar schlimmeres wie ein Durchstallen mit Crash verhindert und ist wenigstens relativ kontrolliert + sanft aufgesetzt, weil es für einen Climbout hinten und vorne nicht mehr gereicht hat.

Und über eines muss man sich auch ganz klar sein, auch wenn es nicht hübsch ist, aber beim Testen kann und darf so etwas passieren. Wie gesagt kein grosses Geheimniss oder verborgener Mangel oder Pilotenfehler, sondern ganz einfach die Grenzen ausgelotet und dann eben erfahren wo die Grenze ist... das kann man nicht 100% vorraussagen, ob etwas geht oder nicht.

Es gibt sogar Tests bei denen wird ganz bewusst bis zum Bruch getestet...

Dann weiss man wenigstens definitv wo die Grenze ist, ansonsten hat man ev. immer das Gefühl man verschenkt hier etwas und der Flieger könnte viel mehr. Ob Bruchtests gemacht werden hängt von den Zertfifizeirungsvorschriften ab.

Und wenn man darüber hinaus noch testen will, dann auch davon wie teuer ein Teil ist.

Ich nehme an der Flieger hier wird wieder zusammengeflickt und vermessen etc. und kommt wieder zur Testflotte. Also alles halb so wild. Was halt immer doof ist, das ist dass heutzutage immer jemand eine Kamera dabei hat und fliegender Reporter spielt:005:

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Danke zunächst für die vielen hilfreichen Antworten;)

 

Und über eines muss man sich auch ganz klar sein, auch wenn es nicht hübsch ist, aber beim Testen kann und darf so etwas passieren. Wie gesagt kein grosses Geheimniss oder verborgener Mangel oder Pilotenfehler, sondern ganz einfach die Grenzen ausgelotet und dann eben erfahren wo die Grenze ist... das kann man nicht 100% vorraussagen, ob etwas geht oder nicht.

Es gibt sogar Tests bei denen wird ganz bewusst bis zum Bruch getestet...

 

Aber eine Frage noch: Ok das mit den Bruchtests ist mir bekannt, Triebwerke zur Explosion bringen Tragflächen bist zum Bruch verbiegen und so. Aber gibt es, bzw gab es auch vergleichbare Test Crashs wie in diesem Falle auch bei Testflügen von Airbus oder Boeing?

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Frank_Willfeld

soweit mir bekannt ist, nein, jedenfalls nicht mit Absicht :009:

 

Es wurde überhaupt erst einige wenige Passagier Jets absichtlich zu Testzwecken ferngesteuert in den Wüstensand gecrasht:

 

z.B. B727 (History Channel)

 

http://www.youtube.com/watch?v=MYKVzwnvC6U

 

DC-8 (NASA)

 

 

DC-7 (FAA)

 

 

was allerdings standartmässig gemacht wird sind Tailstrike Tests:

 

http://www.youtube.com/watch?v=9VqG2WRe0CA

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hmm, stimmt alles was du sagst, eine kleine Präzisierung:

 

Flugzeuge werden in der Testphase niemals absichtlich gecrashed. Das wolltest du sicher nicht sagen aber so kam das ein bisschen rüber. Die einzigen Bruchtests sind die der Flügel in einer Halle mit Hydraulikstössel, wobei auch da primär das Ziel ist die Lebensdauer und die Stärke der Flügel zu messen und mit den Berechnungen zu vergleichen, brechen tut der Flügel nur wenn es nicht anders geht.

 

Ebenso werden kein Tailstrike getestet. Bei diesen Tests, wo das Heck an er Piste entlanggeschleift wird, macht man um die Safe-Unstick-Speed zu messen, also die tiefste Geschwindigkeit, mit der das Flugzeug immer noch vom Boden abheben kann.

 

Dani

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Frank_Willfeld
Ebenso werden kein Tailstrike getestet. Bei diesen Tests, wo das Heck an er Piste entlanggeschleift wird, macht man um die Safe-Unstick-Speed zu messen, also die tiefste Geschwindigkeit, mit der das Flugzeug immer noch vom Boden abheben kann.

i

 

natürlich, es geht natürlich nicht um den Tailstrike sondern um die VMU, das steht ja auch im Video dabei, glaube ich, es ist ja auch ein Schutz montiert, das hätte ich noch präziser schreiben können, danke Dani, nicht, dass hier noch wilde Phantasien aufbühen :008:

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Frank_Willfeld
Du sagst es, bei den ersten A350 Flügen. Ich glaube nicht, man kann das Testprogramm von einem völlig neuen Flugzeug wie dem A350 mit diesen Spezialtests des SSJ vergleichen...

 

Nein, das glaube ich auch nicht Ernst, darum schrieb ich auch...

 

Die Tests des Superjets waren aber über diese Phase schon längst hinaus.

 

:005:

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Es gibt sogar Tests bei denen wird ganz bewusst bis zum Bruch getestet...
Aber nicht im Flugbetrieb. Diese Tests finden nur im Labor mit speziellen dafür gebauten Flugzeugzellen statt.
Die einzigen Bruchtests sind die der Flügel in einer Halle mit Hydraulikstössel, wobei auch da primär das Ziel ist die Lebensdauer und die Stärke der Flügel zu messen und mit den Berechnungen zu vergleichen, brechen tut der Flügel nur wenn es nicht anders geht.
Meist sind das verschiedene Tests, der Lebensdauerversuch läuft normalerweise weit über das Erstauslieferungsdatum hinaus, er muss nur immer wenigstens 1 Jahr weiter sein, als der Fleetleader. Die Resultate des Versuchs werden ja nur für ältere Flugzeuge benötigt, also hat man da etwas Zeit.

Ob Bruchversuche (ultimate load tests) durchgeführt werden hängt davon ab, wie konventionell die Konstruktion ist. Je exotischer die Materialien oder die Bauweise, desto eher wird routinemäßig ein Bauteil (Flügel, Leitwerk) oder gar eine ganze Zelle zerstört. Nur so können bis heute die Rechenverfahren verifiziert (und justiert) werden. Kleinere Änderungen können dann gänzlich gerechnet werden.

Interessanterweise ist übrigens das Comet Disaster darauf zurückzuführen, dass man die Lebensdauerversuche mit einer Zelle durchgeführt hatte, die bereits zuvor in statischen Tests überlastet, und damit lebensdauerverlängernd "vorgereckt" wurde. Als man später Tests mit einem "jungfräulichen" Flugzeug gemacht hat, war das Ergebnis überraschend schlechter. Von daher ist heutzutage ein Lebensdauerversuch mit Zellen tabu, die mehr als limit load gesehen haben.

Ev. hat man dadurch (bewusst oder unbewusst) sogar schlimmeres wie ein Durchstallen mit Crash verhindert und ist wenigstens relativ kontrolliert + sanft aufgesetzt
Das kann sehr gut sein, evtl. haben sie gemerkt dass sie in der gewählten Konfiguration soweit hinter der Leistungskurve waren, dass sie nicht mehr steigen und beschleunigen konnten, vergleichbar mit dem Zustand der Concorde in Paris. In dem Fall ist die Entscheidung zur Bauchlandung natürlich schlauer, als zu versuchen das Flugzeug nochmal irgendwie in die Luft zu würgen, nur um am Ende doch völlig überzogen am Boden zu enden... Allerdings wird (denke ich auch bei den Russen) der Einmotorenflug nicht mit einem abgeschalteten, sondern mit einem Triebwerk im Leerlauf durchgeführt. Von daher hätte für den Fall dass es eng wird noch ein zweites Triebwerk zur Verfügung gestanden. Vielleicht wollte man aber auch nicht auf dessen Hochlaufen warten, das evtl. länger gedauert hätte als noch Piste vor ihnen lag.

Aber in diesem Fall ist es müßig zu spekulieren, alle Daten sind vorhanden und die Isländer werden wohl zeitnah einen aufschlußreichen Bericht liefern.

(etwas anderes ist es natürlich, wenn auch die Unfalluntersucher nur auf Hypothesen angewiesen sind und nur ein "wahrscheinliches Szenario" liefern können)

 

Gruß

Ralf

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Aber nicht im Flugbetrieb. Diese Tests finden nur im Labor mit speziellen dafür gebauten Flugzeugzellen statt.

 

Ich merke schon man muss immer alles genau hinschreiben auch die Sachen die man NICHT sagen möchte...;)

 

Du hast natürlich Recht, wenn man Fluggerät in die Luft schickt und vor allem wenn man Menschen da reinsetzt, dann erwartet man natürlich happy landings.:008: Ich gehe jetzt auch Testfliegen für ein Sim Project und bin dann mal weg für heute.

 

In diesem Sinne Euch allen

 

Happy landings

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Ralf, vielen Dank wieder einmal für deine interessanten Informationen.

 

Das mit der Comet habe ich jetzt nicht verstanden: Wieso war die bereits vorbelastete Zelle stärker? Und wieso die neue schwächer? Und wieso führte das dann zu falschen Testresultaten?

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Bin zwar nicht Ralf, glaube aber zu wissen was er gemeint hat:

 

Einfach ausgedrückt kann man sagen, dass die vorbelastete Zelle durch die Überbeanspruchung geänderte Werkstoffeigenschaften aufweist, zum Beispiel durch plastifizieren in die andere Richtung. Wenn man eine Zugfeder zusammendrückt, hat man auch mehr Federweg in Zugrichtung als bei einer unbelasteten.

 

Hoffe ich hab einerseits verstanden was Ralf meinte und andererseits dir erklären wie das gemeint ist.

 

Wenn nicht bitte ich um Ausbesserung :cool:

 

mfg Harald

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Ralf, vielen Dank wieder einmal für deine interessanten Informationen.

 

Das mit der Comet habe ich jetzt nicht verstanden: Wieso war die bereits vorbelastete Zelle stärker? Und wieso die neue schwächer? Und wieso führte das dann zu falschen Testresultaten?

Ist für nicht vorbelastete Leute (d.h. andere als Maschinenbau Ingeniöre) etwas kompliziert zum erklären, aber ich versuchs mal:

Die Comet Rümpfe sind durch LCF (low cycle fatigue) zerstört worden. Das ist eine Ermüdungsbeanspruchung bei welcher der Schaden nach einer geringen Anzahl von Zyklen auftritt (deshalb "low" cycle). Das besondere daran ist, dass dabei bei einem Belastungszyklus örtlich das Material jedesmal plastifiziert, also bleibend deformiert, wird. Dies sowohl bei der Belastung als auch nachher bei der Entlastung erneut. Diese dauernde Umformung zerstört das Metallgefüge innert weniger Zyklen und führt zum Anriss. Mit "wenigen" Zyklen ist dabei etwas in der Grössenordnung von unter Zehn bis etwa 10'000 gemeint.

 

Typisches Beispiel: Konservendosendeckel. Wenn man den ein paar mal hin- und herbiegt, dann bricht er ab mit einem LCF Schaden.

 

Die Überdehnung (plastische Verformung) kann bei ungeschickter Formgebung eines Bauteils (--> Kerbwirkung) sehr lokal erfolgen während der Löwenanteil des Bauteils elastisch bleibt. In der Kerbe kann dann nach einigen Dutzend bis einigen Hundert Zyklen ein LCF Anriss entstehen. Das ist häufig dann das Ende des Problems, der Riss entlastet das betroffene Gebiet des Bauteils und der Riss kommt zum Stillstand. Das ist der gute Fall.

Es kann aber auch anders weitergehen, wenn Mechanismen vorhanden sind, welche den Riss weiterwachsen lassen, dann kommt es irgendwann zum Versagen des Bauteils durch einen Gewaltbruch.

 

So, jetzt, weshalb kann ein vorher bereits be- oder überbelastetes Bauteil stärker sein und möglicherweise länger halten als ein unbelastetes, jungfäuliches Teil?

Das ist nicht ganz trivial: Eine Überbelastung (z.B. das 1.5 fache des normalen Kabinendifferenzdrucks) wird im LCF betroffenen Gebiet (z.B. die Fensterecke im Cometrumpf) lokal zu einer noch grösseren Überdehnung des Materials führen als dies der normale Differenzdruck schon tut. Aber nicht der ganze Rumpf wird plastifiziert, nur die Gegend um die Ecke des Fensters. Bei der Entlastung gerät die überstreckte Gegend nun von einem Zugspannungszustand in einen Druckspannungszustand und wird dabei unter Druckspannung erneut plastifiziert (das ist der normale LCF Zyklus) bloss diesmal ist das plastifizierte Gebiet grösser als normal. Es gibt aber auch angrenzende Bereiche, welche nun im Ruhezustand unter Druckspannung liegen, und diese Bereiche sind wegen der vorangegangenen Überbelastung grösser als bei einem normalen Zyklus.

Folgen anschliessend nun nur noch normale Zyklen, dann bewirken diese zurückgebliebenen Druckspannungen eine gewisse Entlastung für die am schlimmsten beanspruchten Bereiche. D.h. es braucht dann deutlich mehr Zyklen bis zum Versagen als dies ohne den einen Überlastungszyklus der Fall gewesen wäre.

Dieser Effekt wird auch absichtlich als Verfahren bei der Herstellung gewisser Bauteile angewandt, z.B. sogenanntes "Schleudern" von beschaufelten Rotoren von Dampf- und Gasturbinen in einem evakuierten Schleudertunnel. Dabei wird der Rotor auf eine Überdrehzahl gebracht, die er später nie mehr erreichen wird. Dadurch werden absichtlich kleine, lokale plastische Deformationen in den Rotorscheiben und z.B. in den Schaufelbefestigungen erzeugt und zwar genau an den Stellen, welche im Betrieb am höchsten belastet sind. Nach der Entlastung bleiben dort örtlich Druckspannungen im Material zurück welche die Stelle später im Betrieb entlasten.

 

Gruss

Philipp

 

Ach ja, und wenn ihr nicht drauskommt, dann ist auch egal. "Es" hält trotzdem.

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Ja so ähnlich habe ich das gemeint...

Ganz speziell bei auf Zug belasteten Kerben und Nietlöchern ist es so, dass dort sehr lokale Spannungsspitzen herrschen, die zu frühen Anrissen führen, von denen dann kritische Risse ausgehen können.

Belastet man nun das Bauteil soweit, dass an den Spannungsspitzen die Streckgrenze erreicht wird, kurz gesagt das Material wird lokal plastisch langezogen. Entlastet man das Bauteil wieder, verbleiben lokale Druckspannungen (da dieser kleine Bereich ja länger geworden ist, nun aber in seine ursprügliche Form zurückgedrückt wird). Belastet man das Bauteil nun immer wieder bis zu seiner Nennbelastung, so steigt die Spannung in den kritischen Bereichen längst nicht mehr auf so hohe Werte, da die Spannungskurve "um den vorgerreckten Betrag parallelverschoben" ist. Folglich steigt die Lebensdauer enorm, da die Wöhlerkurve sehr flach ist (Beispiel aus Wikipedia: senkt man die Zugspannung um 20% von 250 auf 200 N/mm², so steigt die Lebensdauer um 220%, also mehr als zehnmal so stark).

Bei auf Druck belasteten Bauteilen würde das Gegenteil passieren, deshalb reckt man praktisch nur auf Zug beanspruchte Bauteile vor. Da wir heutzutage die Flugzeuge extrem optimieren, wird in den auf Zug belasteten Bereichen ohnehin eine andere Legierung (oder eine andere Wärmebehandlung) eingesetzt, bei der 777 zum Beispiel 2324-T39 Aluminium in der auf Zug belasteten Flügelunterschale, 7055-T7751 Aluminium in der auf Druck belasteten Flügeloberschale. Die im Druckbereich eingesetzten Legierungen haben eine höhere Streckgrenze, und werden daher beim vorrecken noch nicht plastisch verformt. Die im Zugbereich eingesetzten Legierungen haben die geringere Streckgrenze (sind auf langsames Risswachstum, nicht auf extreme Festigkeit optimiert) und werden lokal verformt. Somit werden bei Belastung praktisch automatisch nur die für Zug ausgelegten Bauteile vorgerreckt.

Die kritische Druckkabine wird heutzutage einmal nach der Herstellung auf mehr als den Nenndruck (auf den Ansprechdruck des Überdruckventils) "aufgeblasen", so dass all die kritischen Bereiche (Nietlöcher, Türecken...) vorgerreckt werden. Dies gleicht auch gewisse Fertigungstoleranzen aus (die schwächsten Bauteile mit den höchsten Spannungen werden am stärksten vorgerreckt).

 

Umgekehrt können bei lokalen Überlastungen (z.B. harte Landung) Bauteile vorgestaucht worden sein, und danach eine extrem verkürzte Lebensdauer aufweisen.

 

Gruß

Ralf

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Danke, Harald, Philip und Ralf. Das habe ich alles nicht gewusst. Wir Piloten sind halt keine Ingeniöre :005:

 

Jetzt andere Frage: Dann waren die Comet-Tests einfach nicht praxisbezogen. Es wurde was ganz anderes getestet. Ist das heute anders? Werden LCF auch getestet?

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Doch, die waren schon praxisbezogen. Über LCF wusste man damals noch wenig. Die haben exakt den richtigen Test gemacht im Wassertank, es hat bloss unerwartet lange gedauert bis der Schaden reproduziert werden konnte, weil wohl ein bestehender Testrumpf verwendet wurde, welcher aber eine Vorgeschichte (Überlastungstest?) hatte, welche die abgestürzten Flugzeuge nicht aufwiesen. Erst später hat man dann gemerkt, dass es mit einem neuen, unbenutzten Rumpf viel schneller (nach viel weniger Zyklen) passierte.

Gruss

Philipp

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Vor allem hat man erst die Testdruckkabine völlig überlastet (mit bis zu dem dreifachen Nenndruck aufgeblasen), und dann mit der selben Zelle den Lebensdauerversuch gefahren, und zwar bis zu 10.000 Zyklen. Später zeigte sich, dass die Lebensdauer einer "jungfräulichen" Comet nur etwa 1200 Zyklen beträgt. Dummer Fehler, aber das konnte man damals noch nicht wissen.

Dazu kommt, dass man (aus gutem Grund) sehr große Rumpfpanele genommen hat (Reduzierung der als Lebensdauerkritisch bekannten Nietreihen) und die Stringer geklebt hat (Reduzierung der als Lebensdauerkritisch bekannten Nietreihen...), was zwar die möglichen Quellen für Risse reduziert hat, aber dazu führt dass einmal eine kritische Länge erreichende Risse sich uneingeschränkt explosionsartig ausbreiten können. Entgegen der landläufigen Meinung war das Hauptproblem der Comet nicht Fatigue (Materialermüdung), sondern fehlende Damage Toleranz. Heute erlaubt man Risse (man kann sie ja ohnehin nicht verhindern...), sorgt aber durch Materialauswahl und Detailgestaltung dafür das sie langsam wachsen (oder gar ganz von allein stoppen, Stichwort Bruchmechanik, und man baut gezielte Rißstopper ein, die die Risse auf eine Größe beschränken, die gut gefunden werden kann, aber noch nicht kritisch ist.

Früher glaube man (im wesentlichen aus der Erfahrung mit Eisenbahnachsen) Risse durch geeignete Dimensionierung ganz verhindern zu können. Heute weiss man, das das weder wirtschaftlich, noch zuverlässig geht. Nur noch ganz wenige Bauteile am Flugzeug sind für ein rissfreies Leben ausgelegt (im wesentlichen am Fahrwerk und der Triebwerksaufhängung). Ansonsten geht man heute (Militär seit etwa 20 Jahren, Zivilluftfahrt seit etwa 10 Jahren)sogar davon aus, dass es an jeder kritischen Stelle bereits einen Microriss aus der Fertigung gibt ("Inital Flaw Concept") und kontrolliert dessen Wachstum.

 

Gruß

Ralf

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