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Das Leben als Businessjet-Pilot


LuftTaxiPilot

Empfohlene Beiträge

Ich gehe gerne arbeiten. Kein Tag ist gleich wie der andere.

 

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Doch der Weg ins Cockpit war kein Kindergeburtstag. Einige Kollegen, mit denen ich die Linienpilotenausbildung gemacht habe, sitzen heute im Cockpit eines Swiss-Airbus, andere sind wieder in ihren angestammten Beruf zurückgekehrt und wieder andere sind arbeitslos. Die goldenen Zeiten für Piloten sind vorbei, und trotzdem ist Pilot für mich einer der schönsten Berufe überhaupt.

 

Als frischgebackener Pilot mit frozen ATPL aber wenig Erfahrung ist es oft sehr schwierig, den Einstieg in die kommerzielle Luftfahrt zu finden. Als ich mich vor einigen Jahren als fast 30-jähriger bei verschiedenen Airlines beworben habe, wurde ich praktisch überall aufgrund meines „hohen“ Alters abgelehnt.

 

Als ich dann die Chance bekam, auf einer Cessna Citation Bravo als Copilot zu fliegen, ging für mich endlich ein Türchen in die Fliegerei auf. Ein halbes Jahr später durfte ich eine Familiarisation auf Cessna Citation Ultra machen, und wieder ein halbes Jahr später durfte ich sogar ein zweites Typerating für Cessna Citation Excel in Angriff nehmen.

 

Citation Bravo

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Citation Ultra

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Es gibt viel zu trainieren: ESET, CRM, Medical Training, DG, usw.

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Die Flüge auf kleinen Businessjets sind relativ kurz. Im Durchschnitt ca. eine Stunde. Der kürzeste Flug dauerte sieben Minuten, der längste fünf Stunden und zwanzig Minuten. In einem guten Jahr kommen so etwa zwischen 300 und 400 Flugstunden zusammen. Wenn’s schlecht läuft kann es sein, dass man auch nur ca. 200 Flugstunden loggen kann. Ein frischgebackener Copi braucht also etwa vier Jahre, bis er sein ATPL „unfreezen“ kann. Bei einer Airline kann ein Pilot viel schneller Stunden anhäufen.

 

Citation Excel

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Nach vier Jahren Copilot auf Citations bekam ich die Gelegenheit meine Stelle zu wechseln und eine moderne Embraer Phenom 100 als PIC zu fliegen. Das Prodigy G1000 bietet sehr viele Möglichkeiten und bietet eine sehr gute Situational Awareness. Dieser Very Light Jet - Entschuldigung Entry Level Jet - lässt sich leicht SP fliegen. Vieles funktioniert automatisch.

 

Phenom 100

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Die Arbeit auf kleinen Businessjets ist sehr vielseitig. Der Dispatch sendet den Piloten ein Briefing und OFPs. Permissions, Handling Requests, Catering usw. werden ebenfalls vom Dispatch organisiert. Die Piloten müssen vor dem Flug meist selber „Wetter und NOTAMS“ besorgen, W&B und Performance berechnen, das Flugzeug betanken und vorbereiten, Zeitungen organisieren und Catering einladen, Getränke und Snacks auffüllen und die Kabine vorbereiten. In dieser Phase entsteht oft mehr Stress als während dem folgenden Flug.

 

Der Captain ist der Ansprechpartner für die Passagiere und holt sie in der Regel persönlich am Eingang oder in der VIP-Lounge ab.

 

Welcome abord!

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Manchmal ist Arbeiten wie Ferien. Es gibt Momente, wo man sich selber auch ein wenig als VIP fühlt. Hier wurden wir auf die Jacht eingeladen.

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Auch nach dem Flug begleitet der Captain die Passagiere zur Limousine oder zum Ausgang. Danach gibt es noch einige Dinge zu erledigen. Bei zwei Piloten macht meistens einer den Papierkram und der andere „covert“ und "pinnt" das Flugzeug und reinigt die Kabine.

 

Leider hat sich der Besitzer der Phenom entschlossen, das Flugzeug nach zwei Jahren wieder zu verkaufen. Es bot sich mir die Gelegenheit, als PIC wieder auf die Cessna Citation Excel zurückzukehren. So schliesst sich für mich der Kreis.

 

Size matters!?

Ich habe schon oft schmunzeln müssen, als ich zusah, wie der Captain eines grossen Bizzies mit seinem Machogehabe den Captain eines kleinen Jets vom Handlingdesk verdrängt hat. Wie überall im Leben ist auch in der Businessjet-Fliegerei anscheinend je grösser desto besser. Häufig ist die Regel zutreffend, dass Piloten auf grossen Jets auch länger am Stück von zuhause weg sind. Das ist mit Frau und Kind und Hund schlecht zu vereinbaren.

 

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Ich bin in der Businessjet-Fliegerei hängen geblieben. In eine Airline zu wechseln könnte ich mir nicht mehr vorstellen, und ich würde es auch nicht wollen. Obwohl man in diesem Beruf nicht reich wird, hoffe ich, dass ich noch möglichst lange als Pilot arbeiten darf.

 

L.G. Benno

 

(Alle Fotos wurden mit einem Mobiltelefon geknipst und sind unbearbeitet.)

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Alexander Pichler

Cool! Schöne Einblicke.

 

Ist das die 100er die in Zürich am Apron steht? Ist ja factory paint und die in ZRH hat das auch.

 

Grüße,

 

Alex

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@Alex: Ja, sie steht in Zürich meistens im Sector 3.

 

@Lukas: Hund habe ich noch keinen. Das war halt so eine allgemeine Floskel in Anlehnung an unseren lieben Kollegen R.

 

L.G. Benno

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Hey Benno, danke für den Bericht über Deine bisherige Karriere in der Luftfahrt. Bin ja auch ein Bizzer auf mittelgrossem Gerät, habe aber noch nie Bizzerkollegen weggescheucht, nur die kleinen Privatpiloten mit einem Quirl, die stehen immer im Weg herum :D Nein, natürlich nicht, mache immer brav Platz.

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...habe aber noch nie Bizzerkollegen weggescheucht, nur die kleinen Privatpiloten mit einem Quirl, die stehen immer im Weg herum :D

Doch Du warst es mit Perücke zur Tarnung. :005:

Gruss

Thomas

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Bizzerkollegen weggescheucht

... für mich hört der Spass auf, wenn sie die Nespressomaschine anektieren. :p

 

L.G. Benno

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... für mich hört der Spass auf, wenn sie die Nespressomaschine anektieren. :p

 

L.G. Benno

 

Ich dachte, Ihr habt alle eine an Bord...

 

Danke für den tollen Einblick:):)

 

 

Gruss

Thomas

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Sehr toller Einblick,

 

man merkt immer wieder, dass man sich seinen Traum verwirklichen kann, wenn man nur dran bleibt! :)

 

Bitte mehr davon!

 

Gruß und schönen Restabend :)

 

Thomas

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Merci für en schönen Einblick - Hörte eure -VOU letztens am Rückweg von London City auf der Frequenz... das nächste mal sag ich hallo - das FF.ch ist ja weit verbreitet.

 

Gerne mehr Bilder - muss mal wieder die Kamera ins Crewbag packen - bei 16 Mal LCY diesen Monat gibt's aber nicht mehr zu viel Neues zu sehen. :009:

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Hi Thomas,

 

nein, man kann leider nicht immer den Traum verwirklichen. Ich, Lukas, Benno, Wisi und wie sie alle heissen haben zwar hart dafür gearbeitet, teilweise gelitten und etwas riskiert, aber wir sind die Glücklichen, die hier darüber berichten können. Viele andere haben, wie von Benno im Bericht geschrieben, aufgegeben bzw. aufgeben müssen: Es gab einfach keine Jobs, die Bank will das Geld zurück haben, der alte Job ist doch lukrativer (die Familie muss ernährt werden!) etc..

 

In Deutschland haben wir eine Menge ausgebildeter Berufspiloten aus den Schulen, die noch keine Erfahrung sammeln konnten, daher noch keinen Job gefunden haben und so schnell keinen finden werden und wohl wieder aufgeben. Privatinsolvenzen sind nicht selten.

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Ich habe immer gedacht, dass wer gut ist, in der Fliegerei auch einen Job findet. Leider gibt es heutzutage immer mehr gute Leute, die keinen Job mehr finden.

 

L.G. Benno

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Hier noch einige Impressionen (Bildchen) der letzten zwei Jahre auf der Phenom:

 

London Stansted. The Queen of the Skies. Ja welche denn jetzt???

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Rijeka

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Der "Lohn" nach getaner Arbeit

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Biggin Hill Airport

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Athen

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Korfu

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Oberpfaffenhofen

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Herrliche Berge ...

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... weite Felder ...

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... und "gefürchige" Wolken

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Kotor

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Mollis Intl.

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Paris

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Bern

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Aarhus

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Guernsey

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Das Pferdchen ist wieder daheim im Stall.

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L.G. Benno

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Hi Thomas,

 

nein, man kann leider nicht immer den Traum verwirklichen. Ich, Lukas, Benno, Wisi und wie sie alle heissen haben zwar hart dafür gearbeitet, teilweise gelitten und etwas riskiert, aber wir sind die Glücklichen, die hier darüber berichten können. Viele andere haben, wie von Benno im Bericht geschrieben, aufgegeben bzw. aufgeben müssen: Es gab einfach keine Jobs, die Bank will das Geld zurück haben, der alte Job ist doch lukrativer (die Familie muss ernährt werden!) etc..

 

In Deutschland haben wir eine Menge ausgebildeter Berufspiloten aus den Schulen, die noch keine Erfahrung sammeln konnten, daher noch keinen Job gefunden haben und so schnell keinen finden werden und wohl wieder aufgeben. Privatinsolvenzen sind nicht selten.

 

 

Hi Andreas,

 

da stimme ich dir zu 100% zu, die Situation in Europa respektive in Deutschland sind zur Zeit unter aller Kanone. Das hört man ja von allen Seiten.

 

Was ich allerdings mit meinen Post zum Ausdruck bringen wollte ist, dass man sehr viel erreichen kann, wenn man sich hinsetzt und etwas dafür tut. Egal ob man schon etwas älter ist oder ein Handicap etc. hat. :)

 

@Benno: Danke für die tollen Bilder!

 

Gruß

 

Thomas

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man merkt immer wieder, dass man sich seinen Traum verwirklichen kann, wenn man nur dran bleibt! :)

 

Dranbleiben ist eine notwendige, aber keine hinreichende Bedingung für Erfolg!

 

Dieses Schicksal teilen sich alle "Traumberufe", nicht nur Piloten, sondern auch Musiker, Schauspieler, Fussballer, ...

 

Umso schöner, dass es manchmal klappt!

 

Florian

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Danke Tobi

 

Ich freue mich schon auf ein paar Fotos oder ein Filmchen von dir. :)

Du hättest ja von deiner Rackete sicher ein paar spannende Stories zu berichten. Bis bald wieder einmal im Sector 1.

 

L.G. Benno

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Danke Tobi

 

Ich freue mich schon auf ein paar Fotos oder ein Filmchen von dir. :)

Du hättest ja von deiner Rackete sicher ein paar spannende Stories zu berichten. Bis bald wieder einmal im Sector 1.

 

L.G. Benno

 

Dann werde ich gleich mal meine Festplatte nach geignetem Bildmaterial durchsuchen:cool:

 

Aber einen Flim aus London City wirds wohl nicht geben, dort ist der Anflug

etwas zu steil und die Bahn etwas zu kurz für den Learjet....:005:

 

Bis bald mal im Sector 1.

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  • 2 Jahre später...

Hier die bitte nicht ernst zu nehmende Zusammenfassung eines Ehemaligen:

 

Taxipilotblues         

 

Andauernd und nachhaltig verunsichert durch Manuals, Vorschriften, Jepp, Notam, SOP, MEL, Weisungen, Infos, CIS, Gerüchte, Wetter, Chefs, Dispatch und Handygepiepse, sucht der endlos gehetzte taxipilot seinen Weg, indem er sich sehr bemüht den Überblick zu behalten („situational awareness“), keine nachweisbaren Sünden zu begehen, die Formulare richtig auszufüllen („proficiency“), und wenn soweit alles gut gegangen ist, eine anständige Landung hinzukriegen („skill“). Ist ihm all das gelungen, sind die undankbaren Passagiere in der Limo verschwunden, das Log und die Flugrapporte leserlich und korrekt ausgefüllt , die Homebase über Defekte, Flugstunden & Landungen orientiert, das Flugzeug gesichert, die Triebwerke und Pitots abgedeckt, das Wasser (auch das aus der galley) abgelassen und die Kabine aufgeräumt und gesaugt, der entladene Staubsauger und das Ladegerät nicht vergessen, das Hotel gefunden, das halsbrecherisch gefahrene Taxi bezahlt, an der Hotelreception die zweite Kreditkarte endlich vom Leser decodiert, die breakfast incl.-Diskussion abgeschlossen, auf dem Hotelkorridor der Zimmernummerntest bestanden (links oder rechts?)  dann kann er auf einen erfolgreichen Tag zurückblicken und der Lohn ist ein Bier, denn zum Abendessen ist es zu spät.

 

Die eventuell, dummerweise, vorhandenen sozialen Bedürfnisse wie Familien-, Vereins oder Sexualleben können in konventionellem Rahmen nur unzureichend befriedigt werden und schliesslich gibt es da Psychologen, Psychiater, Eheberatung und Scheidungsanwälte oder halt Entzugsanstalten.

Die Frauen die sich mit einem taxipilot einlassen sind auch nicht zu beneiden denn er überträgt gerne, berufliche Gewohnheiten die ihm dort Erfolg bringen auf den Umgang mit dem holden Geschlecht z.B. direkter Anflug und den tuchdown point im Visier! Der meistens nötige Durchstart ist dann hier wie dort immer ein etwas schwieriges Manöver. Am liebsten sind Ihm, ganz ehrlich, der tuch and go. Wenn die Sie dann endlich eingesehen hat, dass bei einem Piloten das Fliegen IMMER an erster Stelle kommt dann kann er auf einen erfolgreichen Tag zurückblicken und der Lohn ist ein Bier, denn zum Abendessen ist es imfall wieder zu spät.

 

Ein Schub kalter Demotivationsluft ist vorausgesagt, heisst ein Einsatz mit seinem Chef ist geplant.
Die Laune des taxipilots geht von CAVOK zu overcast. Jetzt wird seine psychische Robustheit getestet.
Die Machtverhältnisse sind eh klar, der Zweikampf ist ein ungleicher, um nicht zu sagen ein unfairer und es kann hier nur um Schadensbegrenzung gehen. Ja und wenn dann die letzte Landung gemacht ist, der Chef ihm sogar mit einem Lächeln die Hand zum Abschied gereicht hat und bemerkt man solle alles nicht so ernst nehmen (ha ha) dann kann er auf einen erfolgreichen Tag zurückblicken und der Lohn ist: s. oben

 

Wenn das Schicksal zuschlägt und sein Flieger eine Macke hat, der Flug oh Schande, gar annuliert werden muss, eine Rampinspection ansteht oder ein ATC-controller wieder einmal dem Piloten ans Velo pinkeln möchte oder ihm ganz einfach (shit happens) ein Fehler unterlaufen ist dann ist höchste Vorsicht geboten, hier kann er eigentlich nur verlieren denn seine Rolle ist: der Sündenbock! Die Führungsphilosophie verlangt die Bezeichnung eines Sündenbocks damit das Vorkommnis gesühnt werden kann….Also er muss nun darlegen, dass nicht aufgrund seines hirnlosen und pfeiffensackmässigen Handelns die Probleme entstanden sind, sondern, dass nur dank seiner kenntnisreichen Umsicht und Fürsorge grösseres Unheil abgewendet wurde. Gelingt ihm die Überzeugungsarbeit, oder kann er den schwarzen Peter weiterreichen, sind alle Rapporte und Formulare, korrekt und leserlich ausgefüllt und signiert, das x-te Telefongespräch geführt dann kann er auf einen erfolgreichen Tag zurückblicken und der Lohn ist bekannt.

 

Seine Durchlaucht der Passagier geruht den Abflug etwas zu verschieben, was selbstverständlich seine weise unergründliche und möglichst geheim gehaltene Entscheidung ist. Beschliesst er dann endlich am Flugplatz zu erscheinen, natürlich mit unerwartet vielen Mitreisenden, sechs Hartschalenkoffern, Kinderwagen und im Schlepptau die stark lahmende Schwiegermutter, gibt der Taxipilot sogleich Vollgas und entschuldigt sich auch angemessen für den ach so späten slot. Für den riskant überladenen Flieger, die Dutytimeüberschreitung und das gefälschte Log, ist der Lohn ein Bier, denn zum Abendessen ist es, verdammi, zu spät.

 

Die Einsatzbedingungen des Taxipiloten lassen Tiefkühlhäusler oder Minenarbeiter schwach aussehen und er beneidet insgeheim die Sklaven von damals auf den Baumwollplantagen, die sangen den Blues und hatten kein Handy, wohingegen sein beschränktes Flugenglisch überhaupt keine differenzierten Ausdrucksmöglichkeiten für sein Leiden erlaubt, höchstens mayday oder pan (oder vorliegendes Geschreibsel…). Beim Bier heult er dann dem verständnisvollen Kollegen das Klagelied ins Ohr, denn zum Abendessen ist ihm der Appetit längst vergangen.

 

Die Sklaventreiber(innen) heissen Dispatcher, ihre Peitsche ist das Handy und sie sind meistens weiblichen Geschlechts, wahrscheinlich weil eine weibliche Stimme am Telefon mitfühlender/mütterlich tönt.Dieser und wenn nötig, etwas weinerliche Tonfall, ist effizienter als ein Befehlston um die gewünschte Kooperation der Sklaven (Piloten) zu erreichen. Die Befehlszentrale wurde weg von den Piloten und dem Flugplatz d.h. von Lärm, Gestank und Gejammer, in ein vollklimatisiertes Führerhauptquartier verlegt mit dem Effekt, dass die Dispatchers nur noch stimmlich am Telefon identifiziert werden können. Um den Namen und die Stimme der leiblichen Person zuordnen zu können dient ihr jeweiliger Abschiedsapéro. Dort gibt es auch Bier, Chips und Nüssli denn zum Abendessen hat’s schon wieder nicht gereicht.

 

Das Jahr ist schon wieder um, das bedeutet, den Ausflug zur der Check-Refresher-Simulator-Chilbi um die halbe Welt nach den US of A oder zu den Limeys ins vereinigte Königreich: hier muss unser Taxipilot die Gefühle Langeweile und Frust in den Griff kriegen. Kampf gegen den Schlafanfall im abgedunkelten Theorieraum beim Anhören der ach so spannend vorgetragenen RVSM/RNP/ESKIMO – Vorschriften für Flüge über den Nordpol und Frust wenn er im SIM schon wieder einen blockierten Motor zu starten versucht nur weil er den verd… N1-indicator wieder nicht kontrolliert hat. Die leider falsche aber doch hoffnungsfrohe Annahme, dass er doch ganz sicher als ein besserer Pilot nach Hause gehen wird, begleiten ihn beim schwer verdienten Bier.

 

Der Taxiplot hat eine Mission: Passagiere so sicher und schnell wie möglich ans gewünschte Ziel zu fliegen (fly or die !) Zum Gelingen dieser Mission ist er, leider, angewiesen auf viele Leute wie ATController, Dispatcher, AIS-Beamte, Handlingagenten, Mechaniker, Fueller usw. usf. Deren Mission ist aber eine ganz andere, nämlich dem Piloten das Leben so schwer wie möglich zu machen, denn sie werden nie einsehen oder gar zugeben, dass sie es halt nicht geschafft haben und nun diesem arroganten Arschloch von Piloten zudienen sollen. Wenn der Taxipilot einsieht, dass eine Lektion in angewandter Psychologie (CRM?) oder auch nur Selbstverleugnung nützlicher wäre als im Hallenbad ein Rettungsboot für hundert Passagiere aufzublasen, dann hat er wieder etwas gelernt und der Lohn ist ein Bier denn das Abendessen würde ihm sowieso nur sauer aufstossen.

 

Ein guter Pilot ist geistig seinem Flugzeug immer voraus und er plant mit einem Alternate. Das wird bei ihm zur Gewohnheit und darum bewirbt er sich unentwegt bei anderen Fuhrhaltereien oder auch mal bei einem potenten Passagier, um den auf Dauer unausweichlichen Abgang vorzuspuren. Wenn es dann soweit ist, weil der Beweis seiner Überlegenheit oder Unschuld nicht ganz gelingt der Chef einen schlechten Tag oder die Firma zu viele Fuhrleute angestellt hat, oder weil er jetzt wirklich genug hat, dann geht unser Taxipilot auf Wanderschaft. Demütig begibt er sich zum nächsten Zirkus, dessen Zampano sich zufällig an ihn erinnert. Er hat Glück seine Sterne stehen wieder gut denn ein anderer (ehemaliger Kollege ?), wurde gefeuert, hier ist sein Typerating gerade gefragt, der neue Boss hasst den alten Chef, die Konjunktur ist im Steigflug dann kann er auf einen erfolgreichen Tag zurückblicken und der Lohn ist ein Bier, denn zum Abendessen ist es klar zu spät.

 

Tritt unser Taxiplot dannzumal zum Letztflug an, Destination Fliegerhimmel, was heisst: tolle Flugzeuge, immer CAVOK, keine Passagiere, Checks und Chefpiloten, braucht er keine Karten, hat alle Zeit der Ewigkeit und wenn er abhebt spürt er, endlich wieder, wie damals bei seinem ersten Alleinflug, dass Fliegen eben doch Freiheit bedeutet und er kann auf einen erfolgreichen Tag zurückblicken denn er fliegt ins Fliegerparadies und braucht fortan weder Bier noch Abendessen.

 

 

Der taxipilot, armes Schwein,

möcht so gern ein Fliegergöttlein sein

das kann er gleich vergessen

obwohl aufs Fliegen ganz versessen,

sein Los heisst Hast und Pein

und da schickt er sich besser drein!

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Zum Gelingen dieser Mission ist er, leider, angewiesen auf viele Leute wie ATController, Dispatcher, AIS-Beamte, Handlingagenten, Mechaniker, Fueller usw. usf. Deren Mission ist aber eine ganz andere, nämlich dem Piloten das Leben so schwer wie möglich zu machen, denn sie werden nie einsehen oder gar zugeben, dass sie es halt nicht geschafft haben und nun diesem arroganten Arschloch von Piloten zudienen sollen. 

 

Hallo Petre,

 

ich freue mich aufrichtig, dass Du es geschafft hast, aus diesem Job raus zu kommen und Deinem Leben eine andere Richtung zu geben.

 

Wer so über seine Arbeit nachdenkt, der muss etwas fundamental in seinem Leben ändern - ganz egal, ob er Pilot, Strassenkehrer, Manager, Rockstar oder Lehrer ist!

 

Insbesondere das obige Zitat ist ganz klares Zeichen einer klinischen Depression (oder wie man das auf neudeutsch wohl sozialverträglicher nennt "Burnout"), aus der man im gegenwärtigen Umfeld praktisch nicht mehr alleine rauskommt - und zwar sowohl die Komponente, dass man meint, alle anderen würden nur gegen einen arbeiten als auch die, dass sie das aus dem Gefühl der eigenen Minderwertigkeit heraus tun, die der Betroffene in seine Umgebung hinein projeziert.

 

Florian

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...........................

Insbesondere das obige Zitat ist ganz klares Zeichen einer klinischen Depression (oder wie man das auf neudeutsch wohl sozialverträglicher nennt "Burnout"), ..........

Florian

Da bin ich viel zu wenig Fachmann, um mir eine solche Ferndiagnose anzumaßen. Die durchaus erkennbare Ironie zwischen den Zeilen ließe auch vermuten, hier könnte jemand mit der Fähigkeit zur Selbtstreflexion, aus einer distanzierten Perspektive einen netten Essay verfaßt haben, der einen zum Schmunzeln bringen sollte.

 

Gruß

 

Manfred

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