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20.07.2011 | LX 5187 | RJ1H | Flughafen Zürich | Schwerer Vorfall beim Anflug


mds

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SWISS hätte im Sommer 2011 beinahe einen weiteren «Jumbolino» verloren …

Kurzdarstellung

 

Am 20. Juli 2011 um 08:53 UTC startete das Flugzeug AVRO 146-RJ100, eingetragen als HB-IXP unter der Flugnummer LX 5187 und dem Funkrufzeichen Swiss five one eight seven zu einem Positionierungsflug von Nürnberg nach Zürich.

 

Kurz nach dem Start, auf einer Höhe von ca. 400 ft über Grund, als das Flugzeug noch manuell gesteuert wurde, fielen gleichzeitig die automatische Schubregelung (autothrottle – AT) und der flight director1 (FD) aus. Diese konnten später, zusammen mit dem automatischen Steuerungssystem (autopilot – AP), wieder zugeschaltet werden.

 

Nach einem weiter ereignislosen Flug ging die Besatzung davon aus, dass alle Systeme ohne Einschränkungen zur Verfügung standen. In der Folge erhielt LX 5187 die Freigabe zu einem Landeanflug auf die Piste 14. Ausgerichtet auf der Ebene des Landekurssenders (localizer) und auf einer Höhe von 4000 ft AMSL fielen um 09:51:40 UTC der Autopilot, der autothrottle und der flight director aus. Wenige Sekunden später ertönte die akustische Warnung für eine grosse Querlage "bank angle".

 

Um 09:52:04 UTC erschienen auf den elektronischen Fluganzeigegeräten (electronic flight instrument system – EFIS displays) des Kommandanten die roten Warnanzeigen ATT (attitude) und HDG (heading) und die Navigationsdaten verschwanden. Auf den EFIS displays des Copiloten blieben die Anzeigen stabil und erlaubten ein manuelles Steuern des Flugzeuges.

 

Der Copilot vertraute seinen Anzeigen nicht mehr, der Kommandant übernahm anhand der Notinstrumente die Steuerung des Flugzeuges und wickelte weiterhin den Funkverkehr ab. Kurz darauf meldete er der Flugverkehrsleitung, dass Navigationsprobleme beständen und keine Steuerkursanzeige (heading) verfügbar sei. Während der folgenden Flugphase traten wesentliche Oszillationen des Lagewinkels auf und die Steig- und Sinkrate, sowie die Geschwindigkeit des Flugzeuges variierten beträchtlich. Der Flugverkehrsleiter (FVL) führte das Flugzeug mit links/rechts-Anweisungen in eine Position für einen erneuten Anflug. Zusätzlich wurde der den Flughafen Zürich an- und abfliegende Verkehr gestoppt, um Flug LX 5187 eine optimale Unterstützung geben zu können.

 

Die Besatzung schaltete gemäss der Prüfliste (abnormal checklist) den EFIS Wählschalter in die Position "BOTH 2" und meldete um 09:58:52 UTC, dass sie die Anzeigen in Kürze wieder zur Verfügung haben werde.

 

Wenig später erteilte der FVL die Freigabe für einen Anflug auf die Piste 14 und die Besatzung, welche den AT und den FD wieder zugeschaltet hatte, meldete um 10:03:21 UTC, dass sie "fully established" sei. Der Anflug wurde manuell durchgeführt.

 

Der anschliessende Endanflug und die Landung erfolgten ereignislos.

 

Ursachen

 

Der schwere Vorfall ist darauf zurückzuführen, dass die Besatzung nach dem Ausfall eines einzelnen Systems die verbliebenen Systeme nicht zweckmässig einsetzte und eine sichere Führung des Flugzeuges zeitweise nicht mehr gewährleistet war.

 

Dabei hat die Untersuchung die folgenden Faktoren ermittelt, welche zum schweren Vorfall geführt haben:

 

  • Die Besatzung hatte eine grundsätzlich unzutreffende Vorstellung des dem Systemausfall zugrunde liegenden technischen Problems.
  • Dem Copiloten gelang es nicht, nach dem Ausfall von autopilot, autothrottle und flight director das Flugzeug manuell weiterzuführen.
  • Der Kommandant konnte das Flugzeug nur eingeschränkt mit Hilfe der Notinstrumente fliegen.
  • Die Zusammenarbeit der Besatzung (crew resource management - CRM) war mangelhaft.
  • Die Besatzung führte keine ausreichende Situationsanalyse durch.
  • Ein im Simulator geübtes Fliegen nach standby instruments und nach raw data konnte im Ernstfall nur teilweise umgesetzt werden.

sust_lx5187_001.png

(SUST-Untersuchungsbericht vom 10. Oktober 2012, mit Hervorhebungen)

 

Martin

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Autsch! Wirklich wurde ich aus dem Artikel aber nicht schlau: Gibt es Trainingsdefizite (bzgl. des Konzepts und der Zeit) oder hat die Crew es trotz Trainings nicht hingekriegt?

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Autsch! Wirklich wurde ich aus dem Artikel aber nicht schlau: Gibt es Trainingsdefizite (bzgl. des Konzepts und der Zeit) oder hat die Crew es trotz Trainings nicht hingekriegt?

 

Mein Eindruck des Berichts war letzteres...

 

Gruss,

Dominik

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Die Besatzung hatte eine grundsätzlich unzutreffende Vorstellung des dem Systemausfall zugrunde liegenden technischen Problems.

Dem Copiloten gelang es nicht, nach dem Ausfall von autopilot, autothrottle und flight director das Flugzeug manuell weiterzuführen.

Der Kommandant konnte das Flugzeug nur eingeschränkt mit Hilfe der Notinstrumente fliegen.

Die Zusammenarbeit der Besatzung (crew resource management - CRM) war mangelhaft.

Die Besatzung führte keine ausreichende Situationsanalyse durch.

Ein im Simulator geübtes Fliegen nach standby instruments und nach raw data konnte im Ernstfall nur teilweise umgesetzt werden.

 

Das erinnert grausam an AF447!

Viele Kritiker der heutigen Zustände (darf ich mich da einschliessen?) haben schon früher, aber noch eindringlicher nach dem AF Vorfall, davor gewarnt, dass diese Phänomene in Zukunft wohl immer öfter festgestellt werden müssen.

 

Ich kann nur sagen -> QED!

 

Die Gründe sind fast immer dieselben:

- Ungenügende Selektion (man nimmt wer bezahlt)

- Ungenügende Schulung (man schult nach gesetzlichem Minimum)

- Ungenügende Streckenausbildung (auch die neuen Instruktoren kommen inzwischen aus dem "Minimum Pool", Zeit ist kastriert worden)

- Ungenügende Routine (man darf heute fast nur noch mit AP/FD und ILS fliegen)

- Ungenügende Aufsicht (die Aufsicht wird heute überwiegend an "Intern" delegiert. Das an sich nicht schlechte System wurde durch das Geiz ist geil Management erodiert, die interne Aufsicht aus wirtschaftlichen "Zwängen" bis zur Untauglichkeit geknebelt)

 

Lösungen?

Die liegen auf der Hand!

Sie sind aber teuer und deshalb zu üblen Schimpfwörtern geworden. Piloten die dies verlangen wurden als Nestbeschmutzer gemobbt bis sie nur noch auf Foren (anonym) anprangern. Dort sind sie ungefährlich.

 

Willkommen in der Aviatischen Moderne. :001:

 

p.s. @ Dani et al: das ist KEIN Shot at CRX! Geschieht überall.

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p.s. @ Dani et al: das ist KEIN Shot at CRX! Geschieht überall.

 

kommt aber so rüber :005:

 

Habe jetzt die Details nicht von diesem Vorfall. Wenn ich mit solchen voreiligen Schlussfolgerungen kommen würde, würde man mir genau das vorwerfen.

 

Natürlich sind Unreliable Instruments sehr anspruchsvolle Vorfälle. Wahrscheinlich haben sie nicht optimal reagiert. Aber immerhin haben sie überlebt, sie haben also neben Glück auch was richtig gemacht. Da sie noch nicht entlassen wurden, nehme ich an, dass Swiss das ähnlich sieht.

 

Dani

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Wie gesagt Dani, es ist endemisch in der modernen Aviatik, also niemand besser als andere.

 

Aber zu deiner Analyse:

 

Das Zitat kommt aus dem Unfallbericht, also keine voreilige Schlussfolgerung.

 

Lass dir einfach nochmals Folgendes durch den Kopf gehen, und dann nochmals --> und versuche dann immer noch das System zu verteidigen oder der Crew erneut "etwas Richtiges" zu kreditieren:

 

Besatzung hatte eine grundsätzlich unzutreffende Vorstellung des dem Systemausfall zugrunde liegenden technischen Problems.

 

Dem Copiloten gelang es nicht, nach dem Ausfall von autopilot, autothrottle und flight director das Flugzeug manuell weiterzuführen

 

Der Kommandant konnte das Flugzeug nur eingeschränkt mit Hilfe der Notinstrumente fliegen.

 

Die Zusammenarbeit der Besatzung (crew resource management - CRM) war mangelhaft.

 

Die Besatzung führte keine ausreichende Situationsanalyse durch.

 

Ich finde ein solches Verdikt in unserer Branche schlicht und einfach vernichtend, verheerend.

Da müssten alle Alarmglocken schrillen, bei der Aufsicht, bei der Airline (ehem .....) aber vor allem bei den Kunden!!!!

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Natürlich ist der Fall pikant, sehr pikant.

 

Hat hier irgendjemand den ausführlichen Bericht über den Incident gelesen und nicht nur die Kurzversion?

 

Am 19. Juli 2011 um 12:54 UTC rollte das Flugzeug [..] in Nürnberg (EDDN) zum Start

für einen Linienflug nach Zürich (LSZH). Nach dem Setzen der Startleistung [..] erschienen die Anzeigen "master caution" "HYD" und "LO QTY"2. Die Besatzung brach den Start ab und rollte zum Standplatz zurück [..]

 

Mit dem Wechsel einer Dichtung konnte der Fehler behoben werden [..]

 

Aus betrieblichen Gründen entschied sich das Flugbetriebsunternehmen, das Flugzeug [..] zwecks Positionierung ohne Passagiere nach Zürich zu überfliegen.

 

In der Nacht vom 19. auf den 20. Juli 2011 regnete es in Nürnberg stark und bei

der Flugzeugübernahme durch die Besatzung stellte diese fest, dass der Kabinenboden

im Eingangsbereich nass war. Gemäss Angaben des Flugbetriebsunternehmens

kam es unter solchen Bedingungen schon öfters zu Ausfällen des flight guidance system (FGS). Dies war den Besatzungen bekannt.

 

Kurz nach dem Start, auf einer Höhe von ca. 400 ft über Grund, fielen gleichzeitig

der autothrottle (AT) und der flight director (FD) aus. Das Flugzeug wurde in dieser

Phase manuell gesteuert. Der Copilot setzte den Steigflug fort und nach dem

Einfahren der Auftriebshilfen (clean up) befasste sich der Kommandant mit dem

Ausfall des AT und FD. Der Kommandant sagte später aus, dass dies ein bekanntes

Problem sei, speziell nachdem das Flugzeug am Boden über längere

Zeit starkem Regen ausgesetzt war. Dies hätte jeweils zum Ausfall des aktiven

flight guidance computer (FGC) geführt.

 

Die Besatzung hatte den Verfahren des Flugbetriebsunternehmens entsprechend

für den Start den FGC 2 als aktiven FGC gewählt3. Der Kommandant schaltete in

der Folge auf den FGC 1 um und AT, FD und AP konnten zugeschaltet werden.

 

Nach einem ansonsten ereignislosen Flug flog die Besatzung um 09:33 UTC auf

Flugfläche 130 aus Verkehrsgründen in die Warteschlaufe RILAX ein. In der

Warteschlaufe wählte der Kommandant erneut den FGC 2, weil er sehen wollte,

ob das Problem nach dem Start in Nürnberg noch existiere. Alles funktionierte

normal und die Besatzung entschloss sich, den FGC 2 als aktiven FGC zu belassen.

 

Nach dem Verlassen der Warteschlaufe RILAX erhielt die Besatzung der LX

5187 vom Flugverkehrsleiter (FVL) Zurich final um 09:49:25 UTC folgende Freigabe:

"Swiss five one eight seven, left heading one six zero, intercept localizer

one four." Eine halbe Minute später erhielt die Besatzung die Freigabe, auf 4000

ft QNH abzusinken und dem Richtstrahl des Instrumentenlandesystems (ILS) auf

die Piste 14 zu folgen.

Um 09:49:52 UTC erfasste das System die Ebene des Landekurssenders (localizer)

und folgte diesem. Um 09:51:17 UTC forderte der FVL die Besatzung auf,

die Geschwindigkeit auf 160 Knoten zu reduzieren, was die Besatzung umgehend

quittierte. Sie fuhr in der Folge die Landeklappen in die Stellung 18 Grad

aus. Wenige Sekunden später, um 09:51:40 UTC, begann die inertial reference

unit 1 (IRU 1) ein erratisches Querlagesignal auszugeben und gleichzeitig fielen

AP, FD und AT aus. Da der Kommandant überzeugt war, dass sich das Szenario

vom Start in Nürnberg wiederhole, schaltete er sofort auf den FGC 1 zurück und

befahl dem Copiloten, ohne autopilot weiter zu fliegen. Das Flugzeug flog zu diesem

Zeitpunkt in Instrumentenwetterbedingungen (instrument meteorological

conditions – IMC) im Horizontalflug auf 4000 ft QNH. Die Leistungshebel waren

zwecks Geschwindigkeitsabbau im Leerlauf und das Erfassen des Gleitwegsignals

stand kurz bevor. Wenige Sekunden später ertönte im Cockpit die akustische

Warnung bezüglich Querlage "bank angle". Der Copilot sagte aus, dass er,

irritiert durch diese akustische Warnung, auf die Instrumente des Kommandanten

geschaut habe, um sich zu vergewissern, dass seine eigenen Instrumente in

Ordnung wären. Auf der Seite des Kommandanten erschien zu diesem Zeitpunkt

auf dem primary flight display (PFD) eine unstabile Querlage. Der PFD des Copiloten

zeigte in diesem Moment eine Querlage, die dem Horizontalflug entsprach.

Um 09:52:04 UTC erschienen auf den EFIS displays des Kommandanten in rot

die Warnmeldungen ATT und HDG. Nur wenige Sekunden später, um 09:52:16

UTC fragte der FVL die Besatzung: "Swiss five one eight seven, established?"

was diese umgehend mit "affirm" bestätigte.

Der Kommandant sagte aus, dass sie beide nun auf den standby horizon geschaut

hätten und dabei glaubten, dieser zeige eine eher "unwirkliche" Fluglage

an.

Der FVL beobachtete, dass sich das Radarsymbol des Flugzeuges von der Anflug-

grundline nach Osten weg bewegte und eine Fortsetzung des Sinkfluges anzeigte.

Unmittelbar nach der "affirm"-Meldung der Besatzung gab der FVL deshalb

die Anweisung: "I see you left of the centerline, turn immediately right and

climb immediately to four thousand feet." Das Flugzeug befand sich zu diesem

Zeitpunkt 0.45 NM östlich der Anfluggrundlinie in einem Abstand von ungefähr 6

NM von der Pistenschwelle 14 und auf einer Höhe von 3300 ft AMSL. Bezüglich

des Gleitweges flog es damit ungefähr auf dem nominellen Gleitwinkel. Der FVL

beabsichtigte mit dieser Anweisung nach eigenen Angaben, das Flugzeug zurück

auf die Anfluggrundlinie zu bringen. Die Besatzung gab nun zur Antwort, dass sie

einen Navigationsfehler habe, worauf der FVL die Besatzung zwecks eines erneuten

Anfluges (repositioning) aufforderte, unverzüglich auf eine Höhe von 5000

ft QNH zu steigen und einen Steuerkurs von 100 Grad zu fliegen (vgl. Anlage 1).

 

Da der Copilot dem Kommandanten sagte, dass er seinen Lageinstrumenten

nicht mehr traue, übernahm dieser im Steigflug die Kontrolle über das Flugzeug.

Er benutzte in der Folge gemäss seiner Aussage die Notinstrumente (standby instruments).

Damit sich der Copilot einen Überblick beschaffen konnte und um die

entsprechende Prüfliste abarbeiten zu können, wickelte der Kommandant in der

Folge auch den Sprechfunkverkehr weiter ab. Er informierte den FVL um

09:53:05 UTC wie folgt: "Ok, we have a problem with our heading indications so

please give us a left and a right ah indication." Der FVL kam dieser Bitte umgehend

nach. Er überwachte auch die Einhaltung der geflogenen Höhe und gab bei

Abweichungen sofort entsprechende Korrekturanweisungen.

Um 09:53:35 UTC begann das Einfahren der Landeklappen aus der Stellung 18

Grad auf null Grad. Zwischen 09:53:40 UTC und 09:54:08 UTC sank die Maschine

mit einer durchschnittlichen Sinkrate von annähernd 2500 ft/min ab, um anschliessend

bis um 09:54:32 UTC in einen erneuten Steigflug mit einer durchschnittlichen

Steigrate von rund 2600 ft/min überzugehen. Gleichzeitig wurden

die Leistungshebel der Triebwerke zwischen 45 und 70 Grad power lever angle

(PLA) bewegt und die Geschwindigkeit variierte in einem Bereich von 160 bis

240 Knoten (vgl. Anlage 2).

Der FVL liess in der Zwischenzeit in Absprache mit den anderen FVL keine weiteren

Anflüge auf den Flughafen Zürich zu und machte die Frequenz frei, um der

Besatzung von LX 5187 optimale Unterstützung bieten zu können. Um 09:55:24

UTC meldete die Besatzung: "At ah five thousand two hundred feet at the moment

and PAN, PAN, PAN, PAN, PAN, PAN, Swiss five one eight seven. Lost our

primary navigation displays." Da sich nicht abschätzen liess, wie sich die Situation

entwickeln würde, wurden durch die Flugverkehrsleitung auch keine Abflugfreigaben

mehr erteilt.

Um 09:55:53 UTC informierte der FVL die Besatzung wie folgt: "Swiss five one

eight seven, you are now the only traffic on this frequency. Are you able to fly

heading?" Die Besatzung verneinte diese Frage, worauf der FVL folgende Anweisung

gab: "Roger, left turn until I say stop." Das Flugzeug befand sich zu diesem

Zeitpunkt auf einem nördlichen Steuerkurs auf einer Höhe von 5000 ft QNH.

Auf die Frage des FVL um 09:56:06 UTC: "Swiss five one eight seven, will you

be able to fly the ILS one four?" antwortete die Besatzung: "Stand by, Swiss five

one eight seven." Die Frage um 09:57:41 UTC, ob sich LX 5187 immer noch in

einer Linkskurve befinde, musste der FVL zweimal wiederholen, bis die Frage um

09:58:04 UTC durch die Besatzung bejaht wurde.

Der Copilot hatte in der Zwischenzeit die Prüfliste für das Verfahren "Loss of IRS"

(abnormal checklist) abzuarbeiten begonnen und forderte den Kommandanten

entsprechend auf, den EFIS Wählschalter auf "BOTH 2" zu stellen (vgl. Anlage 3

und 5). Als Folge davon erschienen die Anzeigen auf den EFIS displays des

Kommandanten wieder, der flight director (FD) und der autothtrottle (AT) konnten

wieder zugeschaltet werden und die Besatzung meldete um 09:58:52 UTC: "Ah

we have the system back any moment." Der FVL teilte der Besatzung umgehend

mit, dass sie sich im base leg für einen ILS Anflug auf die Piste 14 befinde und

bis zum touch down noch 22 Meilen vor sich hätte und fragte, ob sie das akzeptieren

könne. Die Besatzung antwortete mit: "That's perfect".

Auf die Frage des FVL um 10:00:14 UTC, ob die Besatzung des Fluges LX 5187

noch eine Verzögerung wünsche, antwortet diese "negativ". Das Flugzeug befand

sich zu diesem Zeitpunkt fünf Meilen vor dem localizer. Der FVL wies daraufhin

die Besatzung an: "Roger. So continue present heading. Maintain five

thousand feet, vectoring ILS one four."

 

Um 10:00:37 UTC informierte der FVL die Besatzung wie folgt: "I see you again

in a left turn, Swiss five one eight seven, make a right turn, start right turn until I

say stop." Die Besatzung quittierte diese Information und zehn Sekunden später

forderte der FVL die Besatzung auf, die Rechtskurve zu beenden. Um 10:01:24

UTC, nach einer vorgängigen Sinkflugfreigabe auf 4000 ft QNH gab der FVL folgende

Anweisung: "Swiss five one eight seven, now left heading one seven zero,

cleared ILS one four, report established."

Die Besatzung meldete um 10:02:36 UTC: "Established on the localizer. Glide

path two dots below" und um 10:03:21 UTC bestätigte sie: "Swiss five eight one

seven is now fully established."

 

Der anschliessende Endanflug und die Landung erfolgten ereignislos.

 

 

Und!

Am 30. Juli 2011 trat auf dem Flug LX0771, durchgeführt mit dem gleichen Flugzeug

HB-IXP, nach dem Start in Brüssel eine Mehrfachstörung am Navigationssystem

auf. Der Flug wurde abgebrochen.

Gemäss Rapport der Besatzung erschienen bei ca. 600 ft über Grund die roten

Warnanzeigen ATT und HDG auf den EFIS displays des Copiloten. Die Kompassrose

auf dem DBI des Kommandanten begann kontinuierlich zu drehen.

Beide Störungen wurden dem inertial reference system (IRS) 2 zugeschrieben.

Die Besatzung schaltete gemäss abnomal checklist (ACL, 14.04) den ATT/HDG

transfer switch in die Stellung "BOTH 1", worauf sich die Daten auf den EFIS displays

des Copiloten normalisierten. AP, AT und FD konnten nicht mehr zugeschaltet

werden. Dies entspricht dem normalen Betriebsverhalten des Systems.

Auf ca. 2300 ft über Grund begann die vertical speed auf dem primary flight display

(PFD) 1 fehlerhaft und unstabil anzuzeigen.

Die Besatzung brach den Flug ab, steuerte das Flugzeug von Hand nach raw data

und verlangte bei der Flugverkehrsleitung eine Radarführung für einen Anflug

in Brüssel. Eine Minute nach der Landung fiel während dem Rollen das IRS 1

aus.

Am Standplatz liessen sich beide IRS wieder normal aufrichten. Trotzdem wurden

beide inertial reference units (IRU) und das IRS control panel sicherheitshalber

ausgewechselt.

Eine Analyse des maintenance memory im FGC bestätigte den Ausfall der IRU 2

bei 600 ft, ebenso das fehlerhafte vertical speed signal bei der IRU 1.

Die Auswertung der Daten des Flugschreibers ergab folgendes:

Alle Daten der IRU 2 wurden anfänglich unstabil und schliesslich fiel die IRU 2

ganz aus.

Der vertical speed output der IRU 1 begann bei ca. 500 ft über Grund unstabil zu

werden und blieb für den Rest des Fluges unstabil.

 

Der Werkstattbefund ergab folgendes:

Bei der IRU 1 konnte der während des Fluges aufgetretene Fehler (unstabile vertical

speed) nicht eindeutig dupliziert werden. Dennoch wurde der Y-laser gyro

ersetzt.

Die IRU 2 wurde in der Werkstatt zerlegt. Alle printed circuit cards waren stark

verschmutzt (Staub und Wasser). Mehrere davon mussten ersetzt werden.

Am IRS control panel wurde kein Defekt gefunden.

 

 

Schliesslich:

 

Der Grund, warum die Besatzung die Situation nur unzureichend analysierte liegt

mit grosser Wahrscheinlichkeit darin, dass sie beim Ausfall von autopilot, autothrust

und des flight director davon überzeugt war, mit dem gleichen Problem

konfrontiert zu sein, wie nach dem Start in Nürnberg. Die Besatzung führte deshalb

den erneuten Ausfall der FGC-Funktionen wiederum auf einen Fehler des

flight guidance computer (FGC) zurück. Diese Schlussfolgerung war schon beim

Start in Nürnberg nicht zutreffend und führte zu einer vorgefassten Meinung, die

zur Folge hatte, dass die Besatzung nach dem Ausfall der Anzeigen auf der

Kommandantenseite nun fälschlicherweise von einem Ausfall zweier unabhängiger

Systeme (double failure) ausging.

Die Besatzung flog daraufhin während rund sieben Minuten in der Annahme, keine

Steuerkursinformationen zu haben. Die Aussagen der Besatzung und die

Auswertung der Funkgespräche lassen den Schluss zu, dass der Kommandant

in dieser Phase kaum Unterstützung vom Copiloten erhielt.

 

 

Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang auch, dass der Kommandant etwas

mehr als zwei Monate vor dem schweren Vorfall im Simulator anlässlich eines

refresher einen Anflug nur nach den standby instruments durchzuführen hatte

und zudem beide Piloten im Jahre 2010 speziell das Fliegen nach raw data

geübt hatten. Wie der schwere Vorfall zeigt, traten bei der Besatzung in dieser

Art der Flugzeugführung aber deutliche Schwächen auf.

 

Der Unterschied in der geleisteten Arbeit der Besatzung anlässlich von Simulatorübungen

und derjenigen, wie sie im schweren Vorfall geleistet wurde, ist beträchtlich.

Der Grund für diese Diskrepanz liegt darin, dass Besatzungen bei Simulatorübungen

detailliert auf die auftretenden Fehler vorbereitet sind und diese

erwartet werden. Der Überraschungseffekt, wie er im schweren Vorfall vorhanden

war, fehlt weitgehend. Dies trifft grundsätzlich auf alle Besatzungen zu. Die Frage

stellt sich deshalb, wie ein recurrent training besser gestaltet werden kann, damit

das im Simulator geübte in einer realen Situation zielführend umgesetzt werden

kann.

Ich will hier keinen in Schutz nehmen oder in die Pfanne hauen. Gerade in diesem Fall sollten wir vorsichtig sein, "Avionic problems are a bitch", wie man so schön sagt. Dass das basic flying hier nicht so gut geklappt hat, ist die eine Sache. Die Verwirrung und die falsche Diagnose bzgl. des Fehler der Avionics, die andere.

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aber vor allem bei den Kunden!!!!

 

so ist es. Mich erschreckt das. Wenn ich fliege, immer mit einem Flugzeug mit Schweizerkreuz am Heck. Aber wenn ich diesen Bericht lese, bin ich verunsichert:confused:

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Vorerst merci Andreas für den kompletten Bericht.

 

Es gibt immer mildernde Umstände und ich will auch niemanden in die Pfanne hauen. Ich weiss aus eigener Erfahrung wie schwierig es ist mit Vorfällen im Flug konfrontiert zu sein. Es läuft nicht immer wie man es sich so gerne vorstellt!

 

Es geht mir hier um die "conclusions", also gewisse Schlüsse der Unfallberichte. Man darf diesem hier mal zumindest attestieren, dass er nichts beschönigt und das scheint eher selten!! Die Schlüsse sind erschreckend und schreien nach Korrekturen. Da meine ich eher am System, denn es ist zu einfach hier die Piloten anzuprangern (obschon das Höhenprofil dieses Vorfalles ihnen kaum gross zu Ruhme gereicht!)

 

Vor allem folgendes Zitat schreckt auf:

 

Der Unterschied in der geleisteten Arbeit der Besatzung anlässlich von Simulatorübungen und derjenigen, wie sie im schweren Vorfall geleistet wurde, ist beträchtlich.Der Grund für diese Diskrepanz liegt darin, dass Besatzungen bei Simulatorübungen detailliert auf die auftretenden Fehler vorbereitet sind und diese erwartet werden. Der Überraschungseffekt, wie er im schweren Vorfall vorhanden war, fehlt weitgehend. Dies trifft grundsätzlich auf alle Besatzungen zu.

 

Das ist eine Bankrotterklärung des Systems der Schulung und Recency mittels Simulatoren, wie es heute grösstenteils geschieht. Es zeigt auch die Schwäche der immer wieder als "Konsequenz und Lehre" aus Unfällen aufgeführten neuen Sim-Übungen und Syllabi. All dies ist müssig, wenn die Übungen dermassen stereotyp und bis ins Detail programmiert und vorbereitet sind.

 

Die Frage stellt sich deshalb, wie ein recurrent training besser gestaltet werden kann, damit das im Simulator geübte in einer realen Situation zielführend umgesetzt werden kann.

 

Das ist eine der brennendsten Fragen überhaupt, da Training im Flugzeug zu teuer ist. Der Konflikt mit dem Stundenplan bei den ausgelasteten Simulatoren, dem Mangel an guten Instruktoren, dem Widerstand der Techniker bei extremen Flugsituationen (Stress am Simi) und dem Druck mit immer weniger, dafür überfrachteten Übungen auszukommen ist schwer auszuweichen. Die Zeiten als bei uns im Upgrading der Instruktor uns über 4 End-Qualiübungen begleitete und dabei bei zweien fast freie Hand der Programmierung des Verlaufs und der Ausfälle hatte sind vorbei. Zudem sieht man immer mehr, dass die Airlines linientreue, junge (noch unerfahrene) Kapitäne als Instruktoren vorziehen und dabei die älteren etwas skeptischeren Semester lieber in den Ruhestand senden hilft auch nicht gegen die Erosion der "Erfahrung".

 

Ich habe auch kein Patentrezept, das banale "früher war's besser, deshalb sollten wir zurückbuchstabieren" geht aus etlichen Gründen nicht.

Aber mir sträuben sich immer mehr die Nackenhaare wenn ich zusehen muss wie man das Nahreliegende mit viel Blah Blah zu verwedeln versucht, gerade weil es unangenehm, sprich teuer zu korrigieren, ist.

Was mich dabei am meisten stört, ist dass die Leute die den Verantwortlichen die Schnauze in ihren Dreck drücken so niedergeschrien werden. Mir kommt einfach der Verdacht hoch, dass bei Vielen die Selbsterkenntnis oft so entlarvend und brutal ist, dass man sie einfach damit verdrängt.

Quasi eine kollektive aviatische Verdrängungs-Neurose.

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Die Zeiten als bei uns im Upgrading der Instruktor uns über 4 End-Qualiübungen begleitete und dabei bei zweien fast freie Hand der Programmierung des Verlaufs und der Ausfälle hatte sind vorbei.

 

... Nein, sind sie nicht.

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Ich will auch niemanden in Schutz nehmen oder in die Pfanne hauen, aber Aussagen wie

 

"Copilot gelang es nicht..." hätte man auch umschreiben können mit "Copilot übergab dem Captain die Steuer", denn genau das tat er. Ob es ihm gelang ist schwer zu sagen, denn er hat es nicht probiert.

 

Ausserdem ist es vom Lehnstuhl aus einfach zu sagen, man müsste halt einfach so ein bisschen Pitch und Power fliegen. Wenn einem sowohl die Instrumente (auf der eigenen Seite) als auch das Heading fehlt, kann man schon ein bisschen ins Schwitzen kommen. Ich auf jeden Fall möchte da nicht drin sitzen, und die Avro ist wie jedes konventionelle Flugzeug recht anspruchsvoll zu fliegen, nicht wie Airbus wo alles einfach geradeaus geht, wenn man das Steuer loslässt.

 

Auch bin ich nicht mit der Interpretation einverstanden, dass sie das Problem nicht erkannten, denn das taten sie (die Instrumenten zeigten falsch an), und CRM ist natürlich schwierig, wenn man so in der Sch... steckt. Offensichtlich führte die Arbeitsaufteilung zu einem korrekten Troubleshooting (BOTH 2) und der Flug war erfolgreich.

 

Auch die Conclusion des SUST-Bericht finde ich erstaunlich, denn sie raten, ISIS (elektronische Standby-Instrumente) einzubauen, weil konventionelle eine Paralaxe haben. Wenn wir jetzt schon von unsicheren mechanischen Notinstrumenten reden, ist wirklich etwas nicht mehr gut. Die meisten Airbusse haben auch noch konventionelle.

 

Dani

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Ich auf jeden Fall möchte da nicht drin sitzen, und die Avro ist wie jedes konventionelle Flugzeug recht anspruchsvoll zu fliegen, nicht wie Airbus wo alles einfach geradeaus geht, wenn man das Steuer loslässt.

 

 

Der ist gut Dani.... :008:

 

Der FBW Airbus fliegt immer, fast immer, es sei denn der Pilot

fliegt ihn ins verderben in dem er was macht (lol) :005:

 

SIM Pilot Frank_Willfeld bewerb dich bei einer Airline mit

komplette Airbusflotte :007:

 

Manfred

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... Nein, sind sie nicht.

 

Sehr gut. Die Schulung bei Swiss ist halt super! Aber keinesfalls Industriestandard.

 

Ich auf jeden Fall möchte da nicht drin sitzen, und die Avro ist wie jedes konventionelle Flugzeug recht anspruchsvoll zu fliegen, nicht wie Airbus wo alles einfach geradeaus geht, wenn man das Steuer loslässt.

 

.... ausser die Pitotrohre sind etwas verschnupft, oder zwei Hydrauliksysteme melden sich ab ...... dann beginnt der Albtraum.

Jedes Fluggerät kann schwierig werden bei Ausfällen, aber genau deshalb macht man ein Type-Rating und trainiert die speziellen Eigenschaften.

 

Zu Dani's weiteren Bemerkungen:

Man kann jeden Unfallbericht und die Schlussfolgerungen anzweifeln. Das mache ich beim AF447 ja genauso. Es schleckt aber keine Geiss weg, dass heute ein latentes Problem bei dem Können verschiedenster Besatzungen herrscht. Das kommt leider meist erst bei solchen Berichten ans Tageslicht. Ich bin einfach dafür das Kind beim Namen zu nennen und nicht alles zu verwedeln indem man einzelne Piloten als nicht representative Nieten anprangert.

Man sollte die Probleme proaktiv erkennen und angehen. Es gibt Probleme bei Ausbildung, bei Weiterbildung/Erfahrung und bei Flugzeugsystemen.

 

Wie sagte Esso früher so schön: Packen wir's an!

Es scheint fast dass in der Aviatik dagegen das Moto herrscht: Wischen wir's unter den Teppich.

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Guete Morge

 

Gemäss den Unfallberichten müsste man doch auch noch die techn. Seite des IRS beleuchten. Der AVRO scheint ja ab und zu mal durchnässt zu werden.

 

Zitat in der Untersuchung:

 

Der Werkstattbefund ergab folgendes:

Bei der IRU 1 konnte der während des Fluges aufgetretene Fehler (unstabile vertical

speed) nicht eindeutig dupliziert werden. Dennoch wurde der Y-laser gyro

ersetzt.

Die IRU 2 wurde in der Werkstatt zerlegt. Alle printed circuit cards waren stark

verschmutzt (Staub und Wasser). Mehrere davon mussten ersetzt werden.

Am IRS control panel wurde kein Defekt gefunden.

 

Mehrere Leiterplatten im System mussten ersetzt werden !!! Ersetzen ist aber nicht die alleinige Problemlösung. (Oh weh wenn diese wieder nass werden!)

Die Frage muss dahin gehen, warum diese durchnässt waren. Der Staub is grundsätzlich bei LP's kein Problem. Der PC wird auch einfach mal ausgeblasen und läuft auch mit viel Staub.

Das Wasser hingegen auf einer LP ist ein Elektrolyt unter atmospärischen Bedingungen und kann zu Kurzschlüssen oder Unterbrechungen an Leiterbahnen und Bauelementen führen.

Leiterplatten für ein IRS sind keine Consumer-Elektronik sondern es gelten erhöhte Anforderungen für die Luftfahrt wie z.B. PUR Schutzlacke nachdem diese bestückt, gelötet und geprüft wurden.

 

Da würde es mich als Leiterplattenmann interessieren was die Airline - Technik bei einer nassen IRS Elektonik dazusagt. Wo, waren dann die Fehler ( Korrosion oder was anderes ? ) an den Leiterplatten nachdem diese ausgetauscht werden mussten.

 

Ist doch noch wichtig zu wissen. Vielleicht meldet sich da ein Elektroniker der Maintenance.

 

Gruess Roger

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Zunächst erstmal ein großes Lob an die Unfalluntersucher. Oft sind Berichte so Oberflächlich, dass danach mehr Fragen offen bleiben als beantwortet werden. Die Crux bei so langen Berichten ist natürlich, dass viele ihn nur grob überfliegen, und trotzdem zu einer Meinung kommen...

Diese Schlussfolgerung war schon beim Start in Nürnberg nicht zutreffend und führte zu einer vorgefassten Meinung, die zur Folge hatte, dass die Besatzung nach dem Ausfall der Anzeigen auf der Kommandantenseite nun fälschlicherweise von einem Ausfall zweier unabhängiger Systeme (double failure) ausging.
Hier liegt meine ich ein wichtiger Ansatzpunkt beim Pilotentraining. Derzeit werden Piloten gezielt auf Standardprozeduren in Standardsituationen gedrillt. Das hat nachweislich viele Unfälle verhindert, deshalb will ich es auf keinem Fall völlig in Frage stellen. Es führt aber (zusammen mit dem typisch menschlichen Verhalten) dazu, das keine ausführliche Analyse, sondern eine Reflexhandlung erfolgt. Wenn das dann nicht das gewünschte Ergebnis bringt, verfällt man in eine irrationale Fixierung auf das falsche Problem, das sich trotz widerholtem (als richtig angenommenem) Verhalten nicht lösen lässt.

Meiner Meinung nach muß das Training mehr in Richtung: Erste Erfassung der Situation und sofortiges Verhalten nach Prozedur, dann aber Arbeitsteilung im Team und Abarbeitung der Prozedur durch einen, aber ausführliche Analyse durch den anderen zur Bestätigung der ersten Annahme, und ggfs. Korrektur der erfassten Situation. Wenn beide Piloten gemeinsam Schema-F abarbeiten, bleibt keine Zeit zur Verifizierung und zur ausführlichen Analyse. Die Piloten kontrollieren sich dann nicht mehr gegenseitig, da sie gemeinsam die selbe Prozedur abarbeiten, und niemand mehr überwacht was denn nun gerade passiert. Während dem gemeinsamen Abarbeiten von Standardprozeduren findet kein vier-Augen-Prinzip (oder wenigstens kein zwei-Gehirne-Prinzip) mehr Anwendung.

Vorkonditionierung ist leider Chance und Fluch in einem, und muss daher mit einer Monitoringkomponente ergänzt werden.

 

Mehrere Leiterplatten im System mussten ersetzt werden !!! Ersetzen ist aber nicht die alleinige Problemlösung. (Oh weh wenn diese wieder nass werden!) Die Frage muss dahin gehen, warum diese durchnässt waren.
Andere Baustelle (Mechaniker statt Piloten), gleiches Problem. Fehler im Bauteil A, also nehme ich das Handbuch A und troubleshoote/repariere nach Prozedur A. Wenn Bauteil A nun wegen Fehler B ausfällt (Feuchtigkeit in IRU wegen Undichtigkeiten in der Fußbodenstruktur), dann kann man das natürlich nicht nach Handbuch A dauerhaft lösen.

Das Denken über den Tellerrand hinaus muß wieder zum Normalfall werden.

 

Gruß

Ralf

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Die Frage muss dahin gehen, warum diese durchnässt waren.

 

Der Avro ist halt leider nicht mehr das jüngste Design. Konnte die Situation vor einiger Zeit selbst erleben. Knapp 2 h Turnaround an einem Aussenstandplatz ohne Jetty oder überdachter Gangway und ununterbrochener Schüttregen mit noch ein wenig Wind dazu.

 

Wenn die vordere Türe offen ist (Boarding / De-Boarding, ...) regnet es eben auch in den Flieger - in den Eingangsbereich und die Galley. Unter dem Cockpit / dem vorderen Teil der Galley befindet sich der Avionics Bay - da wird es also schon ein, zwei Spälte im Boden haben, wo Feuchtigkeit durchkommen kann.

 

Wenn möglich wird das Problem gelöst, in dem vorne zugemacht wird und über den hinteren Eingang geboarded wird.

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Wenn möglich wird das Problem gelöst, in dem vorne zugemacht wird und über den hinteren Eingang geboarded wird.
Das wäre dann ein Beispiel dafür, wie Fehler A ausgelöst durch Problem B mit Maßnahme C vermieden wird...

 

Gruß

Ralf

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...Meiner Meinung nach muß das Training mehr in Richtung: Erste Erfassung der Situation und sofortiges Verhalten nach Prozedur, dann aber Arbeitsteilung im Team und Abarbeitung der Prozedur durch einen, aber ausführliche Analyse durch den anderen zur Bestätigung der ersten Annahme, und ggfs. Korrektur der erfassten Situation. Wenn beide Piloten gemeinsam Schema-F abarbeiten, bleibt keine Zeit zur Verifizierung und zur ausführlichen Analyse. Die Piloten kontrollieren sich dann nicht mehr gegenseitig, da sie gemeinsam die selbe Prozedur abarbeiten, und niemand mehr überwacht was denn nun gerade passiert. Während dem gemeinsamen Abarbeiten von Standardprozeduren findet kein vier-Augen-Prinzip (oder wenigstens kein zwei-Gehirne-Prinzip) mehr Anwendung.

Vorkonditionierung ist leider Chance und Fluch in einem, und muss daher mit einer Monitoringkomponente ergänzt werden...

 

 

Für einige Probleme ist das sicher ein gutes Verfahren, wenn beide Piloten dafür auch genügend Zeit haben.

 

Aber wenn bei einem erforderlichen Raw-Data-Fliegen durch fehlende Übung die Ressourcen eines Mannes schon dauerhaft weitgehend ausgeschöpft sind, dann glaube ich arbeiten die Piloten nicht systematisch ein analytischen Verfahren ab , sondern sie beschäftigen sich damit, wie sie das Flugzeuge mit dem was sie gerade noch haben sofort und sicher zur Landung bringen.

 

Gruß!

 

Hans

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Das wäre dann ein Beispiel dafür, wie Fehler A ausgelöst durch Problem B mit Maßnahme C vermieden wird...

 

Also, der war jetzt gut. :007:

 

Es ist interessant zu sehen, dass dieses "bekannte Problem", naemlich dass bei langen Bodenintervallen mit viel Regen bei diesem Typen bestimmte Systeme ausfallen koennen, die die Flugsteuerung (!) betreffen und nicht etwa die Kaffeemaschine, dennoch nur mit obiger "Massnahme C" darauf reagiert wird. Eine moegliche "Massnahme D" waere vielleicht, die eventuell vorhandenen Undichtigkeiten im Boden vernuenftig zu versiegeln. OK, wird bestimt auch gemacht, aber so las sich das bisher nicht.

 

Und ebenso interessant finde ich, dass die Crew angesichts des nassen Bodens im Eingangsbereich des Jets damit automatisch annahm, das wie allgemein bekannt Fehler A auftreten koenne, und als er es tat, entsprechend davon ausging, dass es eben auch wirklich - nur - Fehler A sei - und nicht etwa eine Kombination von mehreren Problemen.

 

Bisschen off topic, aber dennoch:

The art of british engineering - da sind unsere Nachbarn bekanntermassen ja sehr patriotisch. Geniestreiche gabs sicher viele, aber im Detail liegt dann auch oft der Hase im Pfeffer... Es heisst ja auch, bei englischen Autos haperts immer gern mal an der Elektrik... Klar: Darum faehrt die Royal Family bei offiziellen Anlaessen auch im Bentley um ihren Palast herum - aber bei langen Reisen nehmen sie dann doch lieber die Ingolstaedter. :cool: (http://www.spiegel.de/auto/fahrkultur/von-wegen-bentley-die-britischen-royals-und-ihre-deutschen-autos-a-756617.html)

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Hier liegt meine ich ein wichtiger Ansatzpunkt beim Pilotentraining. Derzeit werden Piloten gezielt auf Standardprozeduren in Standardsituationen gedrillt...

 

Also man mag schon über das heutige Training nörgeln. Tatsache ist, dass es noch nie so wenige Unfälle gegeben hat in der Luftfahrt (und noch viel weniger wenn man die Unfälle pro Flug/Flugkilometer berücksichtigt), deshalb kann nicht alles falsch sein, was man jetzt macht.

 

Double Failures sind immer eine schwierige Sache. Diese nicht zu erkennen ist kein Privileg heutiger Piloten, sondern sind eine Eigenart des Menschen: Wenn etwas passiert und zur fast genau zur gleichen Zeit etwas anderes, dann ist es sehr wahrscheinlich, dass beide Vorfälle einen Zusammenhang haben. Besonders in der Luftfahrt, wo ja so selten was passiert.

 

Übrigens werden heutzutage Double Failures gar nicht mehr geübt. Das ist nicht eine Folge von Sparübungen, sondern ein Fortschrit in der Schulung. Erstens ist es unwahrscheinlich dass es passiert, zweitens ist es nicht zweckdienlich. Frühere Katastrophenszenarien (ja, ich habe diese Swissair-Upgrading-Sessions auch erlebt) waren zwar interessant wenn man die Kapazitätslimiten der Kandidaten ermitteln wollte, aber sonst eher negativ-Training und führten auch nicht zu einem Fortschritt, weil jede Kombination von Fehlern immer wieder anders ist. Ganz zu schweigen von der Tatsache, dass der Simulator Multiple Failures gar nicht realistisch darstellen kann.

 

Also ich sehe den Untergang der Christlichen Luftfahrt noch einmal aufgeschoben...

 

Dani

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Es ist interessant zu sehen, dass dieses "bekannte Problem", naemlich dass bei langen Bodenintervallen mit viel Regen bei diesem Typen bestimmte Systeme ausfallen koennen, die die Flugsteuerung (!) betreffen und nicht etwa die Kaffeemaschine, dennoch nur mit obiger "Massnahme C" darauf reagiert wird. Eine moegliche "Massnahme D" waere vielleicht, die eventuell vorhandenen Undichtigkeiten im Boden vernuenftig zu versiegeln. OK, wird bestimt auch gemacht, aber so las sich das bisher nicht.

 

Noch kurz zur Ergänzung:

Wie Florian schon angedeutet hat, befindet sich die Avionikbay unterhalb dem Cockpit/vorderen Galleybereich. Die Gefahr, dass Feuchtigkeit in die Avionikbay eindringt, rührt vor allem daher, dass sich beim Avro zwischen Galley-/Cockpitboden und Avionikbay eine Luke befindet.

 

Gruss,

Dominik

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Schön gesagt :)

 

2 Anmerkungen:

 

1) Was es bei Adam Air nicht aus so, dass der eine Pilot vorschnell das gute IRS auf "ATT" gesetellt hat? http://en.wikipedia.org/wiki/Adam_Air_Flight_574

 

2) Ist "BBQ" eine wirklich glückliche Registrierung? Ein BBQ im Flug ist ja nicht wirklich das, was wir Crews erleben wollen :D

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Als Passagier muss ich also beim Einsteigen darauf hoffen, dass wenigstens diesmal die Technik und insbesondere die Elektronik durchhält, damit die Piloten nicht überfordert werden?

 

Als online fliegender FS-Pilot jedoch kenne ich das Problem. Seit bei den Addons die realen Flugzeugsysteme immer realistischer abgebildet sind, hat meine Fähigkeit manuell ohne A/Thr und FD zu fliegen arg gelitten. Nur, im Unterschied zu den realen Piloten kann ich das wieder einüben, wann immer ich will.

 

Beim manuellen Fliegen ist man nicht nur kommandogebend und überwachend tätig ist, sondern zusätzlich auch noch in einen Regelkreis eingebunden. Das macht die Tätigkeit ressourcenfressend und sehr anspruchsvoll, besonders dann, wenn auch kein attitude hold zur Verfügung steht.

Das gelegentlich mal im Simulator zu üben, ist doch noch nicht einmal ein Tropfen auf dem heißen Stein. Man sollte es möglichst täglich machen.

 

Als Passagier würde ich mich keineswegs unsicher fühlen, wenn ich wüsste, dass der FO echt nach Rohdaten fliegt und der Kapitän das überwacht. Es würde eher mein Vertrauen in das Können der Piloten stärken.

 

Das Problem ist, das den verantwortlichen Managern einsichtig zu machen.

 

Gruß!

 

Hans

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