Walter Fischer Geschrieben 21. Juli 2012 Teilen Geschrieben 21. Juli 2012 Soll sich jeder seine eigenen Gedanken dazu machen: Gruss Walti Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen Mehr Optionen zum Teilen...
Lubeja Geschrieben 24. Juli 2012 Teilen Geschrieben 24. Juli 2012 Ich habe mal probiert, mir meine Gedanken darüber zu machen. Allerdings musste ich erst mal eine Nacht darüber schlafen, was mehr schlecht als recht gelang, so dass ich nun das Bedürfnis habe, jene Gedanken mal hinzuschreiben. Dieser kleine Streifen von weniger als einer Viertelstunde Dauer hat mich ziemlich verstört. Ich habe schon viele schlechte, absolut gewaltverherrlichenden Filme gesehen, aber keiner hat mich jemals ernsthaft emotional derart auf einer Ebene getroffen, dass ich hinterher schlecht geschlafen hätte. Es ist eben nicht einer jener üblichen Schlitzerfilmchen, die irgendwelche abgedroschenen B-Movie-Klischees bedienen (Ihr wisst schon: Irrer Killer jagt Teeniebande durch den Wald, literweise Kunstblut, blahblahblah…). Jene Filme sind bei aller Gewaltdarstellung meist eher zur Belustigung geeignet, dank bescheuertem Plot, dank lächerlichen „Spezial“-Effekten und dank unterirdischer Regieführung. Dieser hier ist es nicht. Dieser Film hier ist die Sezierung eines Amoklaufs, der deswegen so tief geht, weil er eben so verdammt realitätsnah ist. Wer kennt in echt schon einen Freddy Krueger oder einen Michael Myers? Die Gruppe um den jungen Herrn im weissen „Ostblock-Sakko“ hingegen sind Figuren, die man ohne gross zu suchen an jedem Provinzbahnhof findet. Und die hier per Definition unausstehlich sind, denen man die Pest an den Hals wünscht. Geschenkt, gerade die Figur des Anführers ist bewusst als Stereotyp angelegt, dafür da, den gerechten Zorn des geneigten Zuschauers auf sich zu ziehen. Man sitzt da und wünscht sich nichts sehnlicher, als das die Bande endlich die gerechte Strafe für ihr grossmäuliges Verhalten abbekommt – und findet sich unmittelbar in einer Gewaltorgie wieder. In einer Sorte Wutausbruch, von der man im innersten überzeugt ist, dass sie genauso falsch ist, wie die primitive Arroganz der Provokateure. Und den man trotzdem irgendwo nachvollziehen kann. Und plötzlich wird einem bewusst, wie schmal der Grat zwischen Diplomatie und Krieg manchmal ist. Wie klein der berühmte Tropfen sein kann, der das Fass zum überlaufen bringt. Und wie nahe man, angesichts himmelschreiender Ungerechtigkeiten, manchmal selbst ist, jemandem an die Gurgel zu gehen. Das tragische an dieser Geschichte ist, dass sie eben nicht den unwahrscheinlichen Fall eines irren Serientäters nachzeichnet, sondern Dinge zeigt, die jederzeit bei dir zuhause ums Eck passieren kann. Oder dir selber beim Kauf von Flug-Revue und Schoggistängeli am Bahnhofskiosk. Die meisten von uns dürften irgendwann in ihrer Erziehung die Grenze zwischen Gerechtigkeit und Strafe auf der einen und sinnloser Gewalt auf der anderen Seite noch kennengelernt haben. Andere offensichtlich nicht. Der Film stellt nicht die Frage nach dem „warum“, dafür ist er zu kurz, das Thema zu komplex. Er stellt bloss die nicht unwichtige Frage, wie Du reagieren würdest, wenn jemand ohne Anlass diese, Deine Grenze von aussen einfach niederreisst, als nicht existent erklärt. Dich gegen deinen Willen auf das Niveau primitiver Revierkämpfe runterreisst. Würdest Du ruhig bleiben? Und wie lange? Und was, wenn doch nicht? Die Antworten darauf mögen auf den ersten Blick erschreckend sein. Aber das sind sie immer, wenn wir uns einen Blick in unsere eigenen Abgründe gönnen. Und um nicht versehentlich hineinzustolpern, ist es durchaus gut, mal hinzusehen um zu wissen, wo diese Abgründe sind. So viel zum Film. Fazit: Es geht mir nahe (um nicht zu sagen, es kotzt mich an – entschuldigt die Wortwahl) solche Dinge sehen zu müssen. Die gezeigten Verhaltensweisen widdersprechen meinem inneren Verständnis unserer soziokulturellen Entwicklung und trotzdem sind sie Realität. Man denke an die Schläger von München, oder google mal nach „happy slapping“. Eigentlich sollte sich unsere Gesellschaft auf eine Art entwickelt haben, dass wir es nicht mehr nötig haben, uns auf diese Art und Weise piesacken zu müssen. Wie bereits gesagt, der Film ist zu kurz, um das Drumherum ausreichend beleuchten zu können. Aber ich finde es bedenklich, dass eine derartige moralische Verwahrlosung in unserer Gesellschaft überhaupt möglich ist. Dass da wirklich nichts sein soll, dass solche Leute wenigstens ansatzweise zum Nachdenken über ihr Verhalten anregt. Oder dass gar Umstände existieren, die eine solche Entwicklung noch fördern. Es geht mir nicht um indoktrinierte Moral religiöser Prägung, sondern um den Verlust der Fähigkeit, über gut und schlecht reflektieren zu können. Eine Fähigkeit, die ich als elementarer Eckpfeiler menschlicher Intelligenz betrachte. Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen Mehr Optionen zum Teilen...
Jürg Bertschinger Geschrieben 24. Juli 2012 Teilen Geschrieben 24. Juli 2012 Also, ich hätte nicht den Baseballschläger genommen wenn mein Vater, oder sonst ein Angehöriger meiner Famillie angegriffen würde. Für diese Zwecke habe ich ein sehr gut geschliffenes Samuraischwert im Schrank. :eek: Nein im Ernst, mir zeigt dieser Film eigentlich sehr gut auf, wie schnell wir ach so "soziologisch hochentwickelten Wesen" namens Mensch im Sturzflug zurück auf Höllenbewohnerniveau katapultiert werden können. Ich denke dieser Film zeigt sehr gut auf, dass es jeden von uns treffen kann, dass jedem von uns in irgendeiner Form, egal welcher Bildungsstand, die Sicherungen durchbrennen können. Wir stammen ja schliesslich alle von den Höhlenbewohnern ab, wobei diese damals wahrscheinlich nur für Essen töteten im Gegensatz zu uns, den "soziologisch hochentwickelten" Menschen :001: Gruss Jürg Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen Mehr Optionen zum Teilen...
sirdir Geschrieben 24. Juli 2012 Teilen Geschrieben 24. Juli 2012 wobei diese damals wahrscheinlich nur für Essen töteten im Gegensatz zu uns, den "soziologisch hochentwickelten" Menschen :001: Hmm, dann muss es bis zu den in der Bibel beschriebenen Völkern aber schon extrem bergab gegangen sein von den Höhlenbewohnern. Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen Mehr Optionen zum Teilen...
JMLAB Geschrieben 26. Juli 2012 Teilen Geschrieben 26. Juli 2012 Ich habe mal probiert, mir meine Gedanken darüber zu machen. Allerdings musste ich erst mal eine Nacht darüber schlafen, was mehr schlecht als recht gelang, so dass ich nun das Bedürfnis habe, jene Gedanken mal hinzuschreiben. Dieser kleine Streifen von weniger als einer Viertelstunde Dauer hat mich ziemlich verstört. Ich habe schon viele schlechte, absolut gewaltverherrlichenden Filme gesehen, aber keiner hat mich jemals ernsthaft emotional derart auf einer Ebene getroffen, dass ich hinterher schlecht geschlafen hätte. Es ist eben nicht einer jener üblichen Schlitzerfilmchen, die irgendwelche abgedroschenen B-Movie-Klischees bedienen (Ihr wisst schon: Irrer Killer jagt Teeniebande durch den Wald, literweise Kunstblut, blahblahblah…). Jene Filme sind bei aller Gewaltdarstellung meist eher zur Belustigung geeignet, dank bescheuertem Plot, dank lächerlichen „Spezial“-Effekten und dank unterirdischer Regieführung. Dieser hier ist es nicht. Dieser Film hier ist die Sezierung eines Amoklaufs, der deswegen so tief geht, weil er eben so verdammt realitätsnah ist. Wer kennt in echt schon einen Freddy Krueger oder einen Michael Myers? Die Gruppe um den jungen Herrn im weissen „Ostblock-Sakko“ hingegen sind Figuren, die man ohne gross zu suchen an jedem Provinzbahnhof findet. Und die hier per Definition unausstehlich sind, denen man die Pest an den Hals wünscht. Geschenkt, gerade die Figur des Anführers ist bewusst als Stereotyp angelegt, dafür da, den gerechten Zorn des geneigten Zuschauers auf sich zu ziehen. Man sitzt da und wünscht sich nichts sehnlicher, als das die Bande endlich die gerechte Strafe für ihr grossmäuliges Verhalten abbekommt – und findet sich unmittelbar in einer Gewaltorgie wieder. In einer Sorte Wutausbruch, von der man im innersten überzeugt ist, dass sie genauso falsch ist, wie die primitive Arroganz der Provokateure. Und den man trotzdem irgendwo nachvollziehen kann. Und plötzlich wird einem bewusst, wie schmal der Grat zwischen Diplomatie und Krieg manchmal ist. Wie klein der berühmte Tropfen sein kann, der das Fass zum überlaufen bringt. Und wie nahe man, angesichts himmelschreiender Ungerechtigkeiten, manchmal selbst ist, jemandem an die Gurgel zu gehen. Das tragische an dieser Geschichte ist, dass sie eben nicht den unwahrscheinlichen Fall eines irren Serientäters nachzeichnet, sondern Dinge zeigt, die jederzeit bei dir zuhause ums Eck passieren kann. Oder dir selber beim Kauf von Flug-Revue und Schoggistängeli am Bahnhofskiosk. Die meisten von uns dürften irgendwann in ihrer Erziehung die Grenze zwischen Gerechtigkeit und Strafe auf der einen und sinnloser Gewalt auf der anderen Seite noch kennengelernt haben. Andere offensichtlich nicht. Der Film stellt nicht die Frage nach dem „warum“, dafür ist er zu kurz, das Thema zu komplex. Er stellt bloss die nicht unwichtige Frage, wie Du reagieren würdest, wenn jemand ohne Anlass diese, Deine Grenze von aussen einfach niederreisst, als nicht existent erklärt. Dich gegen deinen Willen auf das Niveau primitiver Revierkämpfe runterreisst. Würdest Du ruhig bleiben? Und wie lange? Und was, wenn doch nicht? Die Antworten darauf mögen auf den ersten Blick erschreckend sein. Aber das sind sie immer, wenn wir uns einen Blick in unsere eigenen Abgründe gönnen. Und um nicht versehentlich hineinzustolpern, ist es durchaus gut, mal hinzusehen um zu wissen, wo diese Abgründe sind. So viel zum Film. Fazit: Es geht mir nahe (um nicht zu sagen, es kotzt mich an – entschuldigt die Wortwahl) solche Dinge sehen zu müssen. Die gezeigten Verhaltensweisen widdersprechen meinem inneren Verständnis unserer soziokulturellen Entwicklung und trotzdem sind sie Realität. Man denke an die Schläger von München, oder google mal nach „happy slapping“. Eigentlich sollte sich unsere Gesellschaft auf eine Art entwickelt haben, dass wir es nicht mehr nötig haben, uns auf diese Art und Weise piesacken zu müssen. Wie bereits gesagt, der Film ist zu kurz, um das Drumherum ausreichend beleuchten zu können. Aber ich finde es bedenklich, dass eine derartige moralische Verwahrlosung in unserer Gesellschaft überhaupt möglich ist. Dass da wirklich nichts sein soll, dass solche Leute wenigstens ansatzweise zum Nachdenken über ihr Verhalten anregt. Oder dass gar Umstände existieren, die eine solche Entwicklung noch fördern. Es geht mir nicht um indoktrinierte Moral religiöser Prägung, sondern um den Verlust der Fähigkeit, über gut und schlecht reflektieren zu können. Eine Fähigkeit, die ich als elementarer Eckpfeiler menschlicher Intelligenz betrachte. . Inhaltlich und auch in der Formulierung kann ich mich vor Deinem Beitrag nur verneigen, eine intellektuelle Meisterleistung, nochmals vielen Dank Lukas ! Ich darf mich Deiner Analyse und Deinen Gedanken uneingeschränkt anschliessen, auch mir ist dieser kurze Film sehr nahegegangen. Danke,dass Du meine Gefühle - die dieser Film in mir hervorgerufen hat - in so klaren Worten fassen konntest, ich wollte auch etwas dazu schreiben, mir ist es aber nicht gelungen. Bester Gruss Robert . Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen Mehr Optionen zum Teilen...
Lubeja Geschrieben 29. Juli 2012 Teilen Geschrieben 29. Juli 2012 Inhaltlich und auch in der Formulierung kann ich mich vor Deinem Beitrag nur verneigen, eine intellektuelle Meisterleistung, nochmals vielen Dank Lukas ! Ich darf mich Deiner Analyse und Deinen Gedanken uneingeschränkt anschliessen, auch mir ist dieser kurze Film sehr nahegegangen (verstärkter Herzschlag, vor allem Empfindung von ausgeprägter Wut, vielleicht sogar ein wenig Angst, irgendwie auch Ohnmacht). Ich bin sehr dankbar, dass Du meine Gefühle - die dieser Film in mir hervorgerufen hat - in so klaren Worten fassen konntest, ich wollte auch etwas dazu schreiben, mir ist es aber nicht gelungen. Bester Gruss Robert . Oh, zuviel der Ehre:o Ich musste schlicht das, was sich da in mein Hirn gebohrt hatte, irgendwie wieder loswerden, es hat mich ernsthaft belastet. Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen Mehr Optionen zum Teilen...
roman lüthi Geschrieben 30. Juli 2012 Teilen Geschrieben 30. Juli 2012 Hallo zusammen Ich möchte mich ebenfalls zu diesem Film äussern: Zunächst mal, ja, der Film ist brutal und regt zum denken an. Eindeutig. Aber, nicht so fest wie ich erwartet hatte. Ich habe den Film erst angeschaut, nachdem ich hier die Beträge gelesen hatte. Und aufgrund der Reaktion hier, hatte ich schlimmeres erwartet. Dennoch, wie gesagt, zum Nachdenken regt er auf jeden Fall an. Ich selbst war zum Glück noch nie in einer solchen Situation, kann daher nicht sagen wie ich reagieren würde. Auf Grund meiner Erfahrungen kann ich aber von mir selbst sagen viel Geduld zu haben, und lange einen kühlen Kopf bewahren zu können. Mit diesem Gedanken im Kopf kam mir den Thread-Titel "Globale Erderkaltung" in den Sinn. Ich weiss, wie der Titel gemeint ist, dass die Welt ein kalter Ort wird/geworden ist, wo Umgangsformen nicht mehr die gleiche Gültigkeit haben wie früher (ja ich weiss, bin erst 25, zu jung um von früher zu reden, trotzdem...) Kalt im Sinne von "ohne Gefühlsregung" halt eben wie man sagt kalt... Für mich persönlich steht aber ein anderer Aspekt im Vordergrund des Filmes, welchen ich auch in der Realität oft beobachten kann: Und zwar die "leichte" Reizbarkeit. Für mich wäre (so denke ich) eine Grenze erreicht, wenn sich die Bande auf mein Auto setzt, aber allerspätestens dann wenn mir ein Körperteil durch den Briefschlitz entgegengehalten wird. Und dann gibt es für mich nur eine gerechtfertigte Reaktion: Die Polizei rufen! Vorallem die Reaktion des Sohnes im Film zeigt für mich die oft beobachtete Überreaktion auf solche Vorfälle, und hat meiner Meinung nach nichts mit Kaltherzigkeit zu tun. Viel eher mit einer (um beim Thema heiss <> kalt zu bleiben) Überhitzung des Gemüts. Und genau dadurch eskalieren solche und andere Situationen. Zum Abschluss: Es ist offensichtlich, das sich die Gesellschaft verändert hat, vielleicht etwas schneller als früher (dass kann ich wirklich nicht beurteilen), aber halt eben grundsätzlich "nur" eine Veränderung. Und da muss man sich auch etwas mit verändern. Ich meine damit nicht, dass man die Veränderung gutheissen oder unterstützen muss, im Gegenteil, man soll der Veränderung entgegentreten, aber mit der richtigen (veränderten) Antwort. Also anstatt rausgehen und mit den Jungs diskutieren (wie man "früher" einen solchen Konflikt vielleicht behoben hat) sollte man meiner Meinung nach eher die Polizei bitten mal vorbeizufahren. Es ist sehr schwierig so viele Gedanken, die vermutlich jedem bei diesem Thema in den Kopf steigen, in einen Post zu fassen. Ich möchte nochmals betonen dass dieser Post meine eigene Meinung ist. Da mich das Thema aber sehr interessiert, würde ich mich gern auch an einer Diskussion beteiligen, falls dann hier eine entstehen sollte. Liebe Grüsse mit dem Wunsch, dass sich niemand in einer solchen Situation wiederfindet, und falls doch, dass derjenige eine gute Antwort findet. Roman P.S. Was mich bei solchen Filmen immer wieder durch den Kopf geistert: Was würde den im Film gezeigten realen Gegenstücken durch den Kopf gehen, wenn Sie diesen Film schauen? Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen Mehr Optionen zum Teilen...
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