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Osterstau


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Wer kennt sie nicht, die Bilder vom Osterstau. Stossstange an Stossstange stehen sie auf der Autobahn gegen den Gotthard hinauf und träumen von einem Espresso an der Piazza von Ascona. Das Schweizer Farbfernsehen ist mit Kameras zur Stelle und die fidelen Staugänger berichten freimütig, wie ihnen das doppelspurige Stehen an praller Sonne nichts ausmache – ja im Gegenteil – es gehöre einfach zum Frühlingsanfang wie der erste Sonnenbrand und die sich schälende Haut auf den ungeschützten Schultern.

 

Doch heuer findet der Spass nicht statt, er wurde abgesagt. Es werden vereinzelte Camper den Weg Richtung Süden unter die Räder nehmen, doch der grosse Stau wird ausbleiben. Warum die Wagenkolonnen dem Gotthard fernbleiben, wissen Insider schon seit Monaten. Foren berichteten es schon eine Ewigkeit, in Stau-Fan-Kreisen sind die Drehbücher für die Ostertage bereits umgeschrieben worden. Man trifft sich dieses Jahr am Flughafen Zürich, der Stau soll gigantische Ausmasse annehmen. Das Schweizer Farbfernsehen tut gut daran, diesen Beitrag genaustens zu lesen und ihre Übertragungswagen bereits am Gründonnerstag in Stellung zu bringen.

 

Doch warum der Flughafen und nicht der Gotthard? Warum Zürich Nord und nicht Altdorf Süd? Es gibt deren Gründe genug, auf die an dieser Stelle eingegangen wird.

Altdorf Süd, als auch Biasca Nord, zeigen sich während dieser katholischen Feiertage von ihrer unfreundlichen Seite. Das gastronomische Angebot wird auf ein Minimum heruntergefahren (Hostien und bleifreier Wein) und Shoppingangebote sind keine Vorhanden, da die Läden entweder geschlossen oder noch nicht auf die neusten Trends getrimmt sind.

 

Da hat es der Flughafen Zürich merklich besser. Die Gastronomie ist fast rund um die Uhr geöffnet, bietet E-Stoff-verseuchte Speisen aus aller Welt an und lässt grosse und kleine Einkaufsherzen höher schlagen. Während die Stauerinnen Kleider, Accessoires und Schuhe schnappen, genehmigen sich Stauer beim Comestibles heimlich einen Schluck Grappa und kaufen beim Discounter das neuste elektronische Spielzeug ein. Der Staunachwuchs schlürft derweil einen Caramel-Latte-Machiatto-Double-Cream-soundso-Coffee bei Starbucks, oder verlängert ohne das Wissen der Erzeuger den all-inclusive-Handy-Vertrag um ein weiteres Jahr, wofür es das neuste Android-Teil von Samsung gibt.

 

Wer nicht shoppen will, schaut den Flugzeugen nach oder vergnügt sich im Fitness-Center des Hotels an Cardio-Geräten in der Hoffnung, eine der vielgerühmten und vielbewunderten Hostessen zu Gesicht zu bekommen. Wer darf oder einen kennt der darf, tummelt sich im Operation Center herum und schnuppert Uniformluft und die neusten Parfüms, getragen eben von diesen vielgerühmten und vielbewunderten Hostessen.

 

Bei schönem Wetter lohnt sich eine Fahrt auf dünnen Rollen um den Flughafen, wo man gemütlich bei der Pistenschwelle 14 oder dem Heligrill den Flugzeugen nachschauen kann und eine Wurst aus dem benachbarten Hohentengen isst. Natürlich immer in der Hoffnung, eine der vielgerühmten und vielbewunderten Hostessen zu erblicken.

 

Der Flughafen ist ein Paradies, gerade über die Ostertage.

 

Wenn nur dieser Stau nicht wäre!

 

Wäre da nicht die ununterbrochene Fahrzeugschlange am Flughafen, gäbe es in der Tagesschau Hauptausgabe vom Ostersamstagabend wenig zu berichten. Auch Tele Züri hat Stellung bezogen und filmt die Autos von vorne, hinten und von unten. Während das Schweizer Farbfernsehen in der Hauptausgabe der Tagesschau nach den Gründen für diese Stauverlagerung vom Gotthard an den Flughafen sinniert, weiss das Lokalfernsehen die Antwort auf die schwierige Frage innert Sekundenbruchteilen.

 

Schuld sind die Fliegenden! Warum bloss müssen sie sich an diesen Freitagen in die Uniform zwängen und am Flughafen verzweifelt einen Parkplatz suchen? Warum können sie die Spotter, Shopper, Skater, Starbuckler und Stehwurstfresser nicht in Ruhe lassen und mit dem ÖV an ihren Arbeitsplatz kommen? Was wollen die eigentlich am Flughafen? Was arbeiten die eigentlich?

 

Das Fazit der Sendung ist klar: Das umsatzmässig zweitgrösste Shopping-Center der Schweiz wird durch den Flugbetrieb empfindlich gestört. Das fliegende Personal verstopft die wenigen Parkplätze und Zufahrtstrassen und Piloten – wieder die Piloten! – verärgern die Zuschauer auf der Freilichtterrasse, weil sie wegen Parkplatzmangel zu spät auf das Flugzeug kommen, Verspätungen generieren und dadurch Besucher auf der Zuschauerterrasse warten lassen. Mediensprecher lächeln in die Mikrofone und beteuern, dass der Flugbetrieb defizitär und das Einkaufsgeschäft lukrativ ist.

 

Auch der Spartensender ARTE befasst sich mit dem brisanten Stoff. Das ganze Sonntagabendprogramm hat die Parkplatzproblematik des fliegenden Personals zum Thema. Der Anfang macht der Spielfilm "Falling Down – ein ganz normaler Tag" mit Michael Douglas. Im Anschluss an den Spielfilm diskutieren Fachleute über unberechenbare Reaktionen (bis hin zu Nervenzusammenbrüchen) von Personen – insbesonderes vom fliegendem Personal – das durch den Stress des Parkplatzsuchens ausgelöst werden kann.

Die Wirtsschaftssendung "die Drachme" klärt in einem Beitrag ab, ob ein Unternehmen, das 2003 Parkhäuser nach Amerika verkauft hat, um diese subito wieder zurück zu leasen, Personen aktiv daran hindern darf, nach eben diesem Amerika zu reisen. Der Strafrechtsprofessor D. J. erläutert, ob es den Betreibern von Parkhäusern erlaubt ist, das Parkhaus vorsorglich für eine Personengruppe zu schliessen, damit eine andere Personengruppe weiterhin parken kann. Und als Höhepunkt streiten Frauenorganisationen und Gewerkschaften darum, ob die Frauenparkplätze für Shopperinnen höheren Schutz geniessen, als die für die vielgerühmten und vielbewunderten Hostessen.

 

Als Stargast wird André Dosé erwartet, der ja diese Ostern auch wieder etwas zu feiern hat.

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