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F&W10.9.2011: Investorensicht - Airlines und die rosa Brille (Auszug)


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Die Airlinebranche, die während der Wirtschafts- und Finanzkrise 2008 vor dem Abgrund stand, hat sich seither besser geschlagen, als es ihr viele zugetraut hatten. Die erwartete Pleitewelle ist ausgeblieben, und ein Blick auf die jüngsten Passagierzahlen zeigt, dass trotz schwelender Staatsschuldenkrise munter weitergeflogen wird. Air France-KLM beispielsweise hat im August 6,8 Mio. Fluggäste befördert, was zum Vorjahresmonat einer Verbesserung um 4,7% entspricht. Die Auslastung ist von 84,7 auf 85,5% gestiegen. Auf der anderen Seite des Atlantik sieht das Bild ähnlich aus. Southwest Airlines verdient pro geflogenen Kilometer 6% mehr als im Vorjahr. Gleichzeitig hat die Billigairline 8,1% mehr Passagiere befördert. Am beachtlichsten ist jedoch, dass in der gesamten Branche nach dem (vor allem in den USA) ausgeprägten Kapazitätsabbau 2009 mittlerweile wieder kräftig ausgebaut wird. Von den 25 grössten Fluggesellschaften boten Anfang September einzig United und US Airways weniger Flüge an als vor einem Jahr. Gemessen an den angebotenen Sitzplatzkilometern (Available Seat Kilometer, ASK) expandierten Turkish Airlines (+30,8%) Korean Airlines (+14,4%), Ryanair (+13%), Cathay Pacific (+12,4%) und Lufthansa (+11,1%) am meisten. Insgesamt wurde die Kapazität um 6,7% erhöht. Besonders der Aufstieg von Lufthansa beeindruckt. Ein weiteres Mal ist es den Deutschen gelungen, schneller als die Konkurrenten aus den Golfstaaten zu wachsen.

 

Angesichts des Optimismus in der Branche stellt sich die Frage, ob die Airlines die Welt durch eine rosarote Brille betrachten oder ob sich das Geschäft tatsächlich so gut entwickelt. Seit dem zweiten Quartal 2009 steigt der Umsatz wieder. Die Analysten von Morgan Stanley rechnen für das laufende Jahr mit einem branchenweiten Umsatzwachstum von 14%. Sie halten so gut wie alle Airlineaktien für unterbewertet. Ermutigend ist, dass Preiserhöhungen von den Kunden gut aufgenommen werden. Diese Woche haben US Airways, United Continental und Delta angekündigt, die Tarife für Inlandflüge pro Weg um 10 $ anzuheben. Auch die Lufthansa hat ihre Passagiere auf eine weitere Preisanhebung eingestellt.

 

Trotz der positiven Signale darf nicht in Vergessenheit geraten, dass viele Airlines noch immer ungenügend finanziert sind und die Entwicklung des Ölpreises den Geschäftsverlauf auch in Zukunft prägen wird. Nicht zuletzt deshalb sind viele Aktionäre weiterhin misstrauisch. Sie haben die Valoren in den letzten Wochen abgestraft.

 

Interessant ist auch ein Blick auf den Cargo-Umsatz. Nachdem die Entwicklung bis vor kurzem nach oben zeigte, hinterlässt die Weltwirtschaft mittlerweile Bremsspuren. In dieser lukrativen Sparte zieht ein Unwetter auf. Für 2012 rechnet Morgan Stanley für die gesamte Airlinebranche denn auch mit einem Umsatzplus von nur noch 4%.

 

Ein Warnsignal sind die deutlich gestiegenen Aufschläge für Kreditversicherungen (Credit Default Swaps, CDS). Der einjährige CDS Spread für AMR, die Holding von American Airlines, ist seit Mitte Juli von unter 1000 auf annähernd 2500 Basispunkte (Bp) nach oben geschossen.

 

Für viele der grossen Airlines ist eines klar: Nur mit weiteren Fusionen kann das Geschäft rund laufen. Besonders transatlantische Hochzeiten wären gefragt. AMR-Präsident Thomas Horton hatte Anfang August erklärt, mit der aus dem Zusammenschluss von British Airways und Iberia entstandenen International Consolidated Airlines Group (IAG) fusionieren zu wollen (vgl. FuW Nr 61 vom 3. August). Noch ist das allerdings nicht möglich. Trotz der Bestrebungen des Open-Skies-Abkommens fehlt die gesetzliche Grundlage dafür. Kein ausländische Unternehmen darf mehr als 49% des Aktienkapitals und 25% der Stimmrechte eines US-Konkurrenten besitzen.

So wird es in näherer Zukunft bei kleineren Zusammenschlüssen bleiben. In Europa wird über eine Übernahme der portugiesischen TAP, die gut in Südamerika positioniert ist, durch Lufthansa spekuliert. Zudem will der irische Staat seine Beteiligung von 25% an Aer Lingus loswerden. Ryanair hat klargestellt, dass sie kein Interesse habe. Doch IAG soll die Fühler bereits ausgestreckt haben.

 

Auch wenn die meisten Airlineaktien im historischen Vergleich günstig bewertet sind, sollten die Anleger vorsichtig sein. Die Branche steht unter Dauerdruck. Am besten positioniert sind Lufthansa, die sich besonders im Langstreckensegment gut schlägt, die profitable Cathay Pacific und auch Southwest Airlines, deren Papiere nach einem enttäuschenden Abschluss zu stark bestraft wurden.

 

+ + + +

 

Interessanter Tour d'Horizon aus Investorensicht. Ohne den Einsatz von Risikokapital ist Wachstum nicht möglich. Vermutlich treiben nicht zuletzt die hohen CDS-Spreads die AMR in die "rettenden" Arme von IAG. Ob die nicht besonders kapitalkräftige IAG zusätzlich die Integration von AMR verkraften könnte ist eine ganz andere nicht beantwortbare Frage. Wäre sicher etwas viel aufs Mal - der begonnene Prozess - Zusammenschweissen der IB & BA Kulturen ist ja auch noch nicht abgeschlossen. Last but not least ob das Capitol mit einer Lex AMR diesen Zusammenschluss IAG-AMR absegnen würde?

 

Scheinbar sind die Carrier diesmal besser abgesichert/gehedgt um der seit einigen Monaten andauernden Kerosinhausse ohne grössere Ertragsschrammen begegnen zu können (zumindest wurde bezüglich Kerosinpreisentwicklung bisher in der Presse wenig gejammert - die Dollarschwäche glättet wohl die Hausse auch etwas ab...). Bleibt zu hoffen, dass das für die klassischen Carrier wichtige Cargogeschäft von der befürchteten Wirtschaftsdepression nicht allzufest betroffen sein wird. I.d.R. werden durch die Luft leicht verderbliche respektive Investitionsgüter mit hoher Wertschöpfung transportiert. Diese sollten von Konjunkturschwankungen etwas weniger stark betroffen sein.

 

Roland

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Richi,

 

wenn man als Belly Carrier nur die marginalen Kosten berücksichtigt (wenn überhaupt), dann ist Luftfracht doch eine Gelddruckmaschine... ;)

 

Gruss,

Thomas

 

Ach darum sind die Scheichs immer reicher.:D

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