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Triebwerksausfall im Reiseflug


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Geschrieben

Die Fragestellung entstand bei einem Online-Flug:

 

Triebwerksausfall in FL 200. Keine weiteren Komplikationen. Geringe Verkehrsdichte. Bis zur nächsten Landemöglichkeit sind es noch 100 NM über Wasser. ENG OUT SPEED ist eingenommen und CON N1 LIMIT wird beachtet.

Nun sehe ich zwei Optionen:

 

Im FL 200 weiterfliegen und den Sinkflug so spät wie möglich einleiten, oder aber

 

das Flugzeug mit geringer Triebwerksleistung nach unten driften lassen, so dass man beim IAF genau mit richtiger Höhe und Geschwindigkeit ankommt.

 

Ich tendiere für die erste Variante, denn Höhe erweitert bei Komplikationen mit dem verbleibenden Triebwerk alleine schon durch den Zeitgewinn den Entscheidungsspielraum erheblich.

 

Liege ich mit meiner Beurteilung richtig?

 

 

Gruß!

 

Hans

Geschrieben

Hallo Hans,

 

das kommt ganz auf die Rahmenbedingungen an. Habe ich zum Beispiel Vereisungsbedingungen (Wolken) unter mir, werde ich eher länger oben bleiben und erst spät einen steileren Sinkflug einleiten. Ist das Wetter aber gut, so sinke ich ganz normal ab. Ausser, dass ein Triebwerk ausgefallen ist, hat sich ja am Flugzeug nichts verändert und ich kann eigentlich ganz normal weiterfliegen und landen. Gerade durch diesen Gedankengang erhöhe ich die Sicherheit, weil ich mich weiterhin in altbekannten Abläufen befinde und keine ungewohnten "specials" einführe. Wenn ich alles nach Standard mache, dann fallen mir etwaige Abweichungen eher auf.

Geschrieben

Um welchen Flugzeugtyp handelt es sich denn?

 

Verkehrsmaschinen machen das genau so wie du sagst: Entweder gleich absinken oder so lange wie möglich oben bleiben. Man nennt das die Standard- oder die Hinderniss-Strategie.

 

Standard:

Mit der für Motorenausfall empfohlenen Geschwindigkeit absinken bis man die Höhe halten kann.

 

Hinderniss:

Höhe halten, Geschwindigkeit auf die für optimalen Gleitweg zurückfallen lassen, dann mit dieser absinken.

 

Das Absinken geht übrigens erstaunlich langsam (also mit geringer Sinkgeschwindigkeit), nur wenige 100 ft/min. Selbst wenn man schwer ist.

 

Dani

Geschrieben

PMDG 737-800, Dani.

 

Die maximale Flughöhe war nach FMC FL 240. Mit FL 200 war ich unterhalb. Von den Flugleistungen mit einem Triebwerk her betrachtet gab es also keinen Grund weiter zu sinken, auch weil in diesem FL das Triebwerk mit 226 Kts IAS (vom FMC) schonend betrieben werden konnte.

Das Argument vom Andreas, sich an eingeübte Verfahren zu halten (ein steilerer Sinkflug gehört m. E. dazu) leuchtet mir deshalb ein, weil das die höchste Wahrscheinlichkeit für eine sichere Abschlußlandung bietet.

 

Erklärt man eigentlich bei einem Triebwerksausfall ohne weitere Komplikationen grundsätzlich einen Luftnotfall?

 

Gruß!

 

Hans

Geschrieben
Erklärt man eigentlich bei einem Triebwerksausfall ohne weitere Komplikationen grundsätzlich einen Luftnotfall

 

Ja! Es ist zwar, wie oben schon geschrieben, abhängig von den Rahmenbedingungen, wie kritisch die Situation ist, aber absolut ein Mayday-Call!

Sicherlich, ein Radar Pattern bei CAVOK, Flachland unter einem, vernünftiger EO Performance und ggf. gelöschtem Triebwerk ist kein Problem. Aber allein schon die Tatsache, dass das der Lotse dir versucht jegliche Unterstützung, Bereitstellung von Lösch- und Rettungsmitteln am Boden, Priorität usw. zu geben, macht den MayDay Call absolut notwendig.

Geschrieben

ah, du meinst wenn du schon auf deiner One-Engine-Out-Gipfelhöhe bist.

 

Da empfiehlt es sich natürlich oben zu bleiben. Du verbrauchst eh schon mehr Fuel auf FL 200. Und je höher du bist, desto weiter kannst du auch gleiten (falls noch der 2. Motor ausfallen würde).

 

Du machst es also wie wenn du alle Motoren hast: auf dem optimalen Gleitweg absinken. Vereisung sehe ich jetzt nicht als Problem, da ist das Problem gleich wie zweimotorig. Auf keinen Fall zu lange zu hoch bleiben, dann hast du zusätzlich zum technischen Problem noch Mühe runterzukommen, setzt dich selber in Stress. Also: Auf einem schönen 3-Grad-winkel runter bis zum IAF.

 

Mayday ist übrigens nur auf einer Twin. Wenn du 4 hast kannst du mit gutem Gewissen weiterfliegen (ok, kommt dann schon drauf an... - British hat sogar eine Atlantiküberquerung gemacht!). Aber kommt drauf an was es genau ist.

 

Dani

Geschrieben

@Sanlitun

Das sieht (leider) nicht jede Airline/jeder Pilot so.

 

Schön, dass es bei Dir so ist.

Geschrieben

Nachtrag für oben: bezog sich bei mir auf Twin...Danke für den Hinweis Dani:008: 4ENG ist natürlich was anderes.

 

@Benjamin: Nochmal drüber nachgedacht, ist das in der Tat ganz schön bitter. Ich muss gestehen, dass ich das irgendwie nicht nachvollziehen kann. Triebwerksausfall ist ein Mayday. Ende. Wie man das nicht so sehen kann, auch unter guten Rahmenbedingungen, versteh ich nicht.

Geschrieben

Wir haben bei Netjets sogar strikte Anweisung, in so einem Fall ein "Mayday" abzusetzen.

Geschrieben

Es gab schon den Fall, dass sich danach die Airline beschwert hat, dass sie mit vollem Feuerwehraufgebot empfangen wurden (so sind nunmal die Vorschriften auf ATC-Seite), "obwohl sie doch extra gesagt haben, dass es kein Emergency war".

 

Bei manchen ist Publicity heute scheinbar wichtiger.

Geschrieben

Reicht es, wenn der Pilot dem gerade zuständigen Radarlotsen das Problem mitteilt und ausdrücklich einen Luftnotfall erklärt, oder muss er tatsächlich

7700 rasten, auf der Notfrequenz dreimal Mayday rufen gefolgt von einigen Infos, so wie das für das Funksprechzeugnis so schön unterrichtet wird?

 

Eine unmittelbare Gefahr für Leib und Leben besteht ja in diesem Fall nicht, es müssen nur vom Pilot und der Flugsicherung einige Maßnahmen erfolgen.

 

Gruß!

 

Hans

Geschrieben
Es gab schon den Fall, dass sich danach die Airline beschwert hat, dass sie mit vollem Feuerwehraufgebot empfangen wurden (so sind nunmal die Vorschriften auf ATC-Seite), "obwohl sie doch extra gesagt haben, dass es kein Emergency war".

 

Bei manchen ist Publicity heute scheinbar wichtiger.

 

Furchtbar, so eine Attitude. Gibt das dann eurerseits einen Report? Erleichtert hat besagte Crew es damit ja definitiv niemandem... Außer der PR Abteilung.

War gerade heute erst im Sim beim Refresher und auch bei uns gilt die Devise: Eng Failure = Mayday Mayday Mayday.

Das hab ich heute oft genug gesagt, jetzt reichts mir erstmal wieder ;)

Geschrieben

Eigentlich reicht einmal Mayday, aber man sagt es 3 mal dass es sicher durchkommt. Du könntest auch "Declaring an Emergency" sagen oder 7700 einstellen, jedes alleine triggert den Notstand.

Geschrieben
Reicht es, wenn der Pilot dem gerade zuständigen Radarlotsen das Problem mitteilt und ausdrücklich einen Luftnotfall erklärt, oder muss er tatsächlich

7700 rasten, auf der Notfrequenz dreimal Mayday rufen gefolgt von einigen Infos, so wie das für das Funksprechzeugnis so schön unterrichtet wird?

Definitiv!

Du bist auf einer kontrollierten Frequenz, ein Lotse hat ein Auge auf dich weil du ja durch seinen Sektor fliegst und dafür wurdest du natürlich auch identifiziert.

Warum also von der Frequenz auf der du dich gerade befindest wegschalten?

Selbes gilt für den Code. Wenn du eine Notlage eh über Funk erklärst, wozu die Arbeit antuen und neuen Code rasten. Einziger Unterschied ist, dass man am Radarschirm anders dargestellt wird. Aber wenn du es dem Lotsen eh schon gesagt hast....wozu

Außer natürlich du kommst nicht in die Frequenz, kannst aus welchen Gründen auch immer gerade nicht funken, je nach Situation evtl auch bei einem emerg Descent. Wobei es da vermutlich über Funk auch schneller geht.

Geschrieben

Bei nem Emergency Descent ist es wünschenswert, dass der Code schnell kommt. Der betroffende Sektor bekommt es zwar schnell mit (am besten sofort über die Freq), aber wenns schnell runter geht, sind so schnell andere Sektoren direkt davon betroffen (5 übereinander zwischen FL100-FL380 sind keine Seltenheit), dass der Code schneller allen auffällt, als der Coordinator telefonieren kann.

 

Bei anderen Sachen ist der Code nicht so wichtig, wenn man auf der Freq reinkommt.

 

Ob explizit "Mayday" gesagt wird oder nicht, macht auf ATC-Seite nicht zwangsweise einen Unterschied.

Ein Engine-Failure bei nem Twin z.B. wird bei uns immer als Emergency behandelt.

 

Wir haben unsere Vorschriften/Checklisten wie mit welchen Besonderheiten umzugehen ist und daran wird sich gehalten.

Man stuft die Sache im Zweifelsfall auch eher schlechter ein, mit den entsprechenden Folgen...safety first.

Geschrieben

Es soll sogar Airlines geben, die fliegen trotz E/O direkt nach dem T/O von der Westküste der USA noch bis Europa (kein Witz). Alles eine Frage des Musters. Drückt bei der 744 doch mal auf der V/NAV-Page die E/O Taste und beachtet die ETA/FOB. Der Unterschied ist tatsächlich marginal!

Geschrieben

Jo lebt noch! Schön, Dich mal wieder zu lesen. Was macht der 380? ;)

 

Mit dem speziellen 747-Flug meintest Du bestimmt die BAW, die von LAX nach LHR flog, dann aber doch in MAN landete. Ein paar Wochen später flog dieselbe Maschinen mit 1 E/O von HKG nach LHR, dieses Mal kamen sie an :D

Geschrieben

Servus Andreas,

ganz recht, auf dieses sehr prominente Beispiel spiele ich an. Gleichwohl handelt es sich dabei mitnichten um eine Ausnahme. Vielmehr ist es im 747-Geschäft eher die Regel. Aufgrund der ursprünglichen Konstruktion der 747 als Militär-Transporter ist diese nämlich nicht nur einfach redundant ausgestattet sondern alle wichtigen Systeme sind fast ausnahmslos sogar vierfach realisiert worden. Insofern kann man ohne schwerwiegende Probleme auf einen einfachen Ausfall mit Weiterfliegen reagieren - schlicht um Kosten zu sparen (Stichwort Maintenance Hub).

 

Insofern kann man die von Hans gestellte Ausgangsfrage eigentlich nur so beantworten, wie es ein guter Jurist machen würde: Es kommt darauf an...

Geschrieben

Klar, aber Hans hatte eigentlich direkt nach der 737 gefragt, also einem zweimotorigen Muster. Ich denke, dass die Frage gut beantwortet wurde, nun auch für Flugzeuge >2 Motoren.

Geschrieben
Bei nem Emergency Descent ist es wünschenswert, dass der Code schnell kommt. Der betroffende Sektor bekommt es zwar schnell mit (am besten sofort über die Freq), aber wenns schnell runter geht, sind so schnell andere Sektoren direkt davon betroffen (5 übereinander zwischen FL100-FL380 sind keine Seltenheit), dass der Code schneller allen auffällt, als der Coordinator telefonieren kann.

 

Für diesen Fall haben wir in Genf (ob's den in Zürich auch gibt weiss ich nicht) einen 'EMG'-button, den wir in Sekundenschnelle für einen Flug drücken können.

Die Konsequenz ist, dass der Flug in roter Farbe auf allen Genfer Sektoren (inkl. Approach) angezeigt wird.

Effekt derselbe, wie wenn 7700 gerastet wird (jedenfalls intern, die Nachbarzentren sehen das natürlich nicht) - praktisch, falls es die Piloten vergessen.

Geschrieben
Definitiv!

Selbes gilt für den Code. Wenn du eine Notlage eh über Funk erklärst, wozu die Arbeit antuen und neuen Code rasten. Einziger Unterschied ist, dass man am Radarschirm anders dargestellt wird. Aber wenn du es dem Lotsen eh schon gesagt hast....wozu

 

7700 wird offenbar auch aktiv zugewiesen:

 

Gruss,

Georg

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