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Startbahnkapazität in Abhängigkeit unterschiedlicher Abdrehhöhen


KarlausB

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Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Schweizer Nachbarn, hallo Leute!

 

Bin ganz neu hier und habe aufgrund von „Berechnungs“(?)-Ergebnissen der DFS (Deutschland) das Bedürfnis, diese auf Plausibilität zu überprüfen, da ich als interessierter Laie diese Ergebnisse bezweifle. Ein Schweizer Forum (Neutralität) schien mir da besser geeignet zu sein als ein deutsches - mit speziellen Interessenvertretern - „durchsetztes“ Forum). Ich hoffe also auf objektivere Hinweise/Aussagen!

 

Fakten:

Die DFS behauptet (für den neuen Großflughafen in Berlin/Brandendurg (BER)), dass die Gesamtkapazität einer Startbahn (Zahl der Starts) um so mehr abnimmt (die Pausen zwischen den Starts größer werden müssen), je länger startende Flugzeuge gezwungen werden, auf einer geraden, vorgegebenen Route hinter einander zu fliegen.

Im speziellen Fall soll es den Flugzeugen erlaubt sein ab einer Höhe von 1500m nach Belieben abzudrehen.

Da aber die DFS allen Flugzeugen verbindlich vorschreibt mit einer Geschwindigkeit von 410 km/h zu starten (damit schnell Höhe gewonnen wird) und diese Geschwindigkeit bis zum Abdrehpunkt bei 1500m bei zu behalten ist, fliegen aus meiner Sicht alle Flugzeuge „wie an an einer Perlenschnur“ hintereinander.

 

Die DFS behauptet nun, wenn man die Geschwindigkeitsvorgabe unverändert bei 410 km/h belässt, ein Abdrehen von der geraden Flugroute aber erst zum Beispiel bei 3000 m erlauben würde, dass dann die Abstandszeiten zwischen den einzelnen Starts drastisch zunehmen würden (im Beispiel würden sie sich angeblich verdoppeln). Eine Begründung, warum das so sein soll, liefert die DFS nicht.

 

Ich könnte mir vorstellen, dass die Abstandzeiten zwischen den Starts bei geradliniger Route dann aus Sicherheitsgründen zunehmen müssten, wenn jedes Flugzeug seine Geschwindigkeit auf diesem Routenabschnitt frei wählen dürfte. Das ist hier aber nicht der Fall.

 

Fragen:

Wo mache ich einem Denkfehler?

 

Worin liegt bei obiger Vorgabe der Grund, dass es trotz einheitlicher Geschwindigkeitsvorgabe zur Zunahme der Abstandszeiten kommen muss (falls denn die DFS Recht hat)?

 

Hat jemand einen Hinweis oder eine Idee parat, wo man etwas Eingehenderes/Genaueres zu diesem Themenkomplex (Startbahnkapazitäten in Abhängigkeit unterschiedlicher Distanzen bis zur frühesten Abdrehhöhe) etc. nachlesen kann?

 

Vielen Dank für hoffentlich zahlreiche Hinweise und freundliche Grüße in die Schweiz

 

sendet

 

Karl aus Berlin

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Hallo,

 

Dein Denkfehler (oder Falschinformation) liegt bei der Geschwindigkeitsvorgabe. Einem startenden Flugzeug kann man keine exakte Geschwindigkeit vorschreiben, da im Anfangssteigflug die zu fliegende Geschwindigkeit durch die Aerodynamik und das Gewicht des Flugzeuges eingeschränkt wird.

Die einzige, international gültige Vorgabe ist eine MAXIMALGeschwinigkeit von 250 kts unter FL100 (ca. 3000 m). Dies entspricht 463 km/h.

 

Deine 410 km/h entsprechen 220 kts. Kann sein, dass die Abflugrouten diese Geschwindigkeit beinhalten. Aber auch hier wäre das eine Maximalgeschwindigkeit, da diese nicht von allen Flugzeugen geflogen werden kann. Und es ist auch möglich, dass gewisse Flugzeuge (besonders, wenn sie sehr schwer sind) auch schon früher schneller fliegen müssen.

 

Kurz: Geschwindigkeitsvorgaben sind generell nur verbindlich, wenn sie vom Flugzeug auch eingehalten werden können.

 

Da ATC zu jedem Zeitpunkt eine Staffelung zwischen abfliegenden Flugzeugen garantieren muss, kann der zweite (falls schneller als der erste) normalerweise erst starten, wenn der erste aus der Abflugroute abgedreht werden kann. Daher, je tiefer man abdrehen darf (im Idealfall wäre das, sobald die Hindernisfreiheit garantiert ist), desto früher kann der Nachfolgende, Schnellere starten.

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Hallo Urs!

 

Vielen Dank für Deine Antwort und die eingehenden Erläuterungen dazu.

 

Hättest Du noch einen Hinweis über Literatur oder Internetquellen zum Nachlesen für weitergehende Details zu diesem Thema?

Zusatzfrage:

Bei einer Diskussion über Abflugrouten ist u. a. geäußert worden, dass "der Himmel über 1500 m Höhe" frei ist, jeder Pilot also richtungsmäßig fliegen kann "wohin er will" (gemeint war immer auf dem kürzesten Weg zum Ziel).

Bei einem Vergleich der von der DFS festgelegten Flugroute mit der tatsächlich geflogenen Flugroute (Flightrader usw.) fällt auf, dass diese tatsächlich nur bis etwa 1500m identisch sind und danach völlig "auseinanderlaufen".

Da man das als Laie nachvollziehen kann stelle ich mir die Frage, warum denn "irre lange Flugrouten" auf Karten eingezeichnet werden, die dann tatsächlich nur bis zu einer Hölhe von 1500m geflogen werden (überein stimmen)?

Der dort geäußerte Hinweis, der Pilot muss die lange festgelegte Route dann fliegen, falls Funkausfall eintreten sollte, scheint mir zwar realistisch, ändert aber nichts daran, dass im großen Stil Karten mit unrealistischen Flugrouten (die im Normalfall keiner fliegt) veröffentlicht werden.

Hier hätte ich gern zwei Bilder (einserseits eine von der DFS festgelegte und veröffentlichte Route und dazu das tatsächlich völlig andere Flugspurenbild von Flightrader) angehängt, weiß aber nicht wie es geht.

Wo mache ich hier einen Denkfehler?

 

Mit freundlichem Gruß

Karl aus (dem z.Z. verregneten und viel zu kalten) Berlin

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Ja, das haben wir den lustigen Fluglärm-Gägnern zu verdanken.

 

Es gibt standardisierte und publizierte An- und Abflugrouten, wie auch Airways im Luftraum. All diese können aber auch abgekürzt oder anderes geflogen werden. Mehr gibt es dazu eigentlich nicht zu sagen. Wenn du mehr davon wissen willst, kannst du ja mal nach SID/A, ILS, APP, VOR, RNAV usw. googlen.

 

Aber ohne diese ganzen Fluglärm-Gägnern wäre alles viel effizienter möglich, was der Kapazität, Umwelt und Zeit zu gute kommt.

 

und die speed limitation von 250 kts unter FL100 kommt vor allem davon, dass in dieser Höhe Lufträume mit unkontrolliertem IFR und VFR (Sichtflug) Traffic befinden. Man soll ja Zeit haben sich zu sehen. ;)

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Hallo Karl,

 

ich versuche dir ein paar Hinweise zu geben. Ich kenne die nun geplanten Routen nicht genau, aber meine Eltern (in Kleinmachnow) sind auch von den Routen "betroffen"

 

Hättest Du noch einen Hinweis über Literatur oder Internetquellen zum Nachlesen für weitergehende Details zu diesem Thema?

 

Wenn du wirklich in die Materie einsteigen willst, wäre da das ICAO DOC 4444 (Rules of the Air and Air Traffic Services) und ICAO DOC 8168 (PANS-OPS). Diese beiden sollten schon mal recht viele Informationen haben.

 

Zu den geplanten Routen und den tatsächlich geflogenen:

 

Die Fluglotsen die am Sektor sitzen und für die Sicherheit garantieren sollen, brauchen die entsprechende Flexibilität um den Verkehr sicher und effizient abwickeln zu können.

Wenn zwei Flugzeuge hintereinander starten haben diese ungefähr 5NM Abstand. Wenn diese an die nächste Leitstelle weitergereicht werden müssen sie je nach Leitstelle und Sektor 10NM, 15NM oder sogar 20NM haben. Wie erreichst du das bei zwei gleich schnellen Flugzeugen?

 

Das Problem ist doch folgendes:

 

Jeder - auch Fluglärmgegner :) - wollen günstig nach München, Zürich und in den Urlaub fliegen. Das geht halt nur wenn verschiedene Airlines die Strecke bedienen und genug Kapazität angeboten wird.

Natürlich können die Flugzeuge geradeaus fliegen bis diese mehrere Kilometer hoch sind, dann kann man aber nur noch die hälfte der Flüge abwickeln und dann kostet halt ein Türkeiurlaub nicht mehr 350 Euro sondern 700 Euro. Ist halt Marktwirtschaft => Angebot und Nachfrage!

 

Ich habe diesen Beitrag etwa 4 mal komplett neu geschrieben und wieder vieles gelöscht, weil es mir zu kompliziert vorkam um es so zu beschreiben...

 

Sollte der Wunsch bestehen, kann ich es auch noch etwas ausführlicher gestalten.

 

lg aus Zürich mit bes*******em Wetter

 

Johannes

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karl,

 

ich empfehle dir, dich mal bei der dfs oder der gdf zu melden, da du dich wirklich sachlich mit der thematik auseinander zu setzen scheinst. die können dir vielleicht einen tieferen einblick ermöglichen.

 

ich kann dir nur versichern, dass die dfs hier garantiert niemandem einen bär aufzubinden versucht. die startkapazität ist direkt von der routenführung bzw. des zeitpunkts des frühsten abdrehens abhängig.

problem primär sind die unterschiedlichen steig- und beschleunigungsprofile zwischen den flugzeugtypen und auch unterschiede zwischen gleichen flugzeugtypen aber verschiedenen operators. je länger ich aus politischen gründen am abflugradar verdammt bin zuzuschauen und nicht eingreifen darf, desto konservativer nur darf der tower starten... denn es müssen sämtliche typen-konstellation dann ohne kontrolleingriff durch uns lotsen bis zum punkt x sicher "sauber" bleiben... d.h. zu jeder zeit ausserhalb des sichtbereichs des towers einen minimalabstand von 3nm/1000ft oder 5nm/1000ft haben (je nach unit/distanz vom radar). je länger diese nicht-antast-spanne dauert, desto schwieriger ist es die entwicklung genau vorherzusagen, desto mehr sicherheitsmarge muss bei der ursprungshandlung (startfreigabe auf piste) eingerechnet werden. der effizienzverlust ist also sogar noch eher exponentiell als linear, je länger dieser punkt zeitlich von der startfreigabe weg liegt. dasselbe können routen, welche wieder opposite zurückdrehen bewirken, oder wenn zwei verschiedene routen konflikte generieren.

 

zum unterschied zwischen den gezeichneten linien auf den karten und was effektiv geflogen wird: die sind massiv!

es gibt dafür diverse gründe.

grundsätzlich müssen die routen mit der schlechtest möglichen performance (steigleistung) sowie einem maximalen gesamthaften verkehrsaufkommen noch funktionieren. ausserdem bestimmen die gezeichneten linien auf den karten die flugplanung, d.h. fuelplanung und sollte daher sicher nicht optimistischer sein als was dann effektiv geflogen werden kann.

die steigleistung ist mit den üblichen flugzeugtypen meistens um ein vieles besser als das minimal geforderte und es herrscht auch nicht zu jeder stunde volles verkehrsaufkommen, d.h. es gibt platz für shortcuts. die standardrouten sollten möglichst viel "strategische" safety beinhalten, d.h. wenn man die flugzeuge einfach mal fliegen lässt ohne sie wegzudrehen/abzukürzen (viel verkehr, komplexe situationen) dann sollen möglichst wenig und stets bekannte mögliche konfliktpunkte entstehen. damit sinkt der arbeitsaufwand pro flugzeug, gleichzeitig geht aber auch die efficiency den bach runter. bei weniger verkehr verhält es sich genau umgekehrt. es entstehen bei shortcuts neue, z.t. sehr seltene konfliktpunkte und der arbeitsaufwand pro flugzeug steigt an, dafür steigt aber auch die effizienz massiv an.

und ein historischer/problematischer punkt ist auch noch das geld. die überflugsgebühren werden aufgrund der papier-routen einkassiert/verrechnet und nicht entsprechend dem wirklich geflogenen track bzw dort wo der kontrollaufwand anfällt. das führt dazu, dass in der momentanen pseudo-wettbewerbs-situation unter den flugischerungsanbietern sicher niemand eine route "abgeben/verlegen" oder "verkürzen" wird, auch wenn dies operationell absolut machbar wäre. thema falsche anreize.

zuguter letzt die lärmpolitik, welche zwar keine ahnung von nichts hat aber durchaus über irgendwelche mitbestimmungsrechte über die "linien auf den karten" bestimmen darf. also auch durchaus sinnvolle änderungen welche höhen betreffen, wo schon lange nicht mehr von lärm gesprochen werden darf, blockieren kann. dass dann sowieso nicht danach geflogen wird bzw das heutige verkehrsaufkommen gar nicht handlebar wäre wenn strikt nach strich geflogen würde interessiert kein schwein. sieht aber sehr schön aus auf papier :-( total irrational und eine parallelwelt zur realität. und die selben theoretiker schreien dann auch gleich noch CO2 reduktion, europäische synergien, effizienzgewinne, continous descent approach und was sont noch grad so en mode ist...

 

rein operationell sollten die lärm-routen-planer ab erreichen der minimum vectoring altitude nichts mehr zu melden haben. bis dahin sind die möglichkeiten von der route abzuweichen sowieso minimalst und gleichzeitig der schall, welcher überhaupt den boden erreicht noch am lautesten.

realität ist leider was wir "misthaufennavigation" nennen... bei jedem bauer noch eine kleine kurve um seinen misthaufen rum... und das sicher noch mit 10 ausnahmeregeln und nur zu bestimmten zeiten. absolut schizophren.

 

mfg bernie

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