SWISS 1988 heavy Geschrieben 16. August 2010 Geschrieben 16. August 2010 Hallo, ich habe mich durch ein ganzes Kapitel "high speed flight" gelesen, und ich hab einige Zeit gebraucht, um mir das alles einigermaßen bildhaft vorzustellen, den Übergang in den supersonic Bereich, ist ja sehr sehr vertheoretisiert in den Büchern :009: Was ich fragen wollte: wenn man mit einem ganz normalen Jet die critical mach number überschreitet, bilden sich ja diese shock waves. Sie entsteht zuerst über der stärksten Profilwölbung Oberseite Flügel. Die shock wave zieht eine Reihe von Eigenschaften mit sich: hinter ihr liegt wieder subsonic airflow an, density und pressure und temp nehmen zu, und durch die kinetische Energie die für die Lufterwärmung draufgeht ist für die airflow separation verantwortlich, das alles wird umso heftiger, je größer und intensiver die shock wave wird. Resultat ist ja das buffeting, mach tuck... So hab ich das verstanden. Also nicht gesund für den Jet über der critical mach number zu fliegen :D Und jetzt kommts: Was passiert in diesem Geschwindigkeitsbereich mit Überschallflugzeugen, nehmen wir die Concorde - kein buffeting oder airflow separation? Keine Kontrollprobleme? Wie verhält sich so ein Flugzeug im Gegensatz zu einem normalen Jet? Ich weiß dass das eine sophisticated Frage ist, aber dafür ist das CPT Corner ja da :D Danke euch David Zitieren
PeterH Geschrieben 17. August 2010 Geschrieben 17. August 2010 Eine beliebte Möglichkeit, Buffeting und Kontrollverlust zu vermeiden, ist die Pfeilung von Tragwerk und Kontrollflächen. Man macht die Pfeilung grösser als den Machkegel und liegt damit wieder in normaler Strömung. Frühe Mil-Jets zeigen das eindrucksvoll: Mig-15, Sabre usw. Von gepfeilten Flächen geht es dann zu Delta-Tragwerken (Saab Draken/Viggen usw) und auch Concorde. Die Stosswellen entstehen natürlich nicht nur am Tragwerk. Für jede gekrümmte Strömung gilt: Es entsteht ein Druckgradient mit Druckabnahme (gleich Geschwindigkeitszunahme) in Richtung zur konkaven Seite. Also entstehen Schockwellen an Bug und Heck und an allen mögliche anderen Stellen. Man versucht immer, Kontrollflächen usw hinter möglichst alle Machkegel zu legen. Erstmal soweit in aller Vereinfachung. Viele Grüsse Peter Zitieren
Brufi Geschrieben 17. August 2010 Geschrieben 17. August 2010 Eine beliebte Möglichkeit, Buffeting und Kontrollverlust zu vermeiden, ist die Pfeilung von Tragwerk und Kontrollflächen.richtig Man macht die Pfeilung grösser als den Machkegel und liegt damit wieder in normaler Strömung.Ganz falsch! z.B. eine 747 fliegt mit einer Machzahl von max. etwa Ma=0.9. Dabei entsteht noch gar kein Machkegel. Trotzdem sind ihre Flügel um etwa 40° gepfeilt. Das wäre aber nach obigem Denkansatz ja unnötig. Eine Saab 2000 fliegt maximal mit Ma 0.61 und hat einen geraden (ungepfeilten) Flügel. Bei Ma=0.61 entsteht noch viel weniger ein Machkegel als bei Ma=0.9. Somit sollte sie nach obiger Überlegung ohne weiteres auch mit einer etwas höheren Machzahl fliegen können, z.B. Ma=0.8 oder so, kann sie aber eben nicht, Ma=0.61 ist das Limit. Die modellhafte Vorstellung geht also gar nicht auf! Es ist vielmehr so, dass die spürbare (effektive) Machzahl für das Flügelprofil mit dem cosinus des Pfeilwinkels abnimmt, also: Ma_effektiv = Ma_Flugzeug x cos(Pfeilwinkel). Ein gepfeilter Flügel kann also gegenüber einem ungepfeilten Flügel mit einer höheren Flug-Machzahl betrieben werden bis er die kritische Machzahl erreicht. Gruss Philipp Zitieren
Brufi Geschrieben 17. August 2010 Geschrieben 17. August 2010 Die shock wave zieht eine Reihe von Eigenschaften mit sich: hinter ihr liegt wieder subsonic airflow an, density und pressure und temp nehmen zu, und durch die kinetische Energie die für die Lufterwärmung draufgeht ist für die airflow separation verantwortlich, das alles wird umso heftiger, je größer und intensiver die shock wave wird. Resultat ist ja das buffeting, mach tuck... Die Ablösung kommt nicht durch den Energieverlust wegen der Erwärmung zustande! Etwas kann man sich für alle Zeiten merken: Strömungsablösungen sind immer und in jedem Fall ein Grenzschichtproblem und nur ein Grenzschichtproblem: Die Grenzschicht hat zuwenig (kinetische) Energie um gegen den in Strömungsrichtung ansteigenden Druck anzukommen (adverse pressure gradient). Beim low speed stall nimmt der adverse pressure gradient mit dem Anstellwinkel zu und erreicht bei einem bestimmten Wert den Punkt wo die Grenzschicht zum Stillstand kommt und dann rückwärts fliesst. Dabei schiebt sie sich unter die ankommende Grenzschichtströmung und bringt diese zur Ablösung von der Oberfläche. Eine Schockwelle stellt einfach einen sprungartigen Druckanstieg dar. Wenn dieser für die Grenzschicht zu gross wird, dann passiert an der Schockwelle genau das gleiche: Die Grenzschicht kommt zum Stillstand, kehrt um und das führt zur Ablösung. Die Ablösung führt zu buffeting. Mach-tuck entsteht nicht wegen Ablösung und buffeting sondern durch die veränderte Druckverteilung am Profil. Dies führt dazu, dass der Druckpunkt (= Auftriebsmittelpunkt) nach hinten wandert wodurch das Flugzeug kopflastig wird. Der Effekt ist destabilisierend, weil dadurch das Flugzeug ohne Gegenmassnahmen selbständig nach unten abtaucht, wodurch die Geschwindigkeit und somit die Machzahl weiter ansteigt, was wiederum die Kopflastigkeit weiter erhöht usw. usf. Also nicht gesund für den Jet über der critical mach number zu fliegen :DAufpassen mit den Definitionen: Die critical Machnumber heisst nicht critical weil es dort für die Flugsicherheit kritisch wird. Die critical Machnumber ist jene Machzahl, bei der die Umströmung transsonisch wird, also örtlich die Strömungsgeschwindigkeit Überschall erreicht. Das ist noch nicht das Ende der Fahnenstange.Die maximal erlaubte Machzahl (MMO) richtet sich nach Zulassungskriterien welche z.B. vorschreiben, dass noch ein gewisses minimales Lastvielfaches erreichbar sein muss etc. Und jetzt kommts: Was passiert in diesem Geschwindigkeitsbereich mit Überschallflugzeugen, nehmen wir die Concorde - kein buffeting oder airflow separation? Keine Kontrollprobleme? Wie verhält sich so ein Flugzeug im Gegensatz zu einem normalen Jet?Es ist durchaus möglich ein Flugzeug so zu konstruieren, dass es auch bei Machzahlen im hohen transsonischen und/oder supersonischen Bereich stabil fliegt, aber die Eigenschaften bei tiefen Geschwindigkeiten sind dann meistens nicht mehr berauschend und müssen mit Hilfsmitteln (z.B. aufwändige Klappensysteme) aufgepäppelt und grossem Luftwiderstand bezahlt werden.Normalerweise ist es so, dass das Flugzeug für eine bestimmte Geschwindigkeit bzw. Machzahl ausgelegt (optimiert) wird. Alle sonstigen Erfordernisse z.B. für Start und Landung müssen ebenfalls erfüllt werden und die Lösungen dafür liegen in irgendwelchen Massnahmen (z.B. Klappen) und/oder akzeptablen Kompromissen bei der Auslegung. Gruss Philipp Zitieren
SWISS 1988 heavy Geschrieben 17. August 2010 Autor Geschrieben 17. August 2010 Vielen Dank euch beiden für die sehr ausführlichen Antworten. Das hat mich eben verwundert, weil die Passagiere einer Concorde den Übergang anscheinend lediglich an einer ganz geringen Beschleunigung gespührt haben. Also kein Buffeting. Warum kam es bei dieser Maschine nicht zur airflow separation? David Zitieren
PeterH Geschrieben 17. August 2010 Geschrieben 17. August 2010 Philipp, ich gebe Dir ja vollständig Recht. Natürlich fliegt eine 747 langsamer als Mach 1. Nicht jedoch die Strömung auf der Flügeloberseite, die kann eben schneller werden. Dann enstehen Schockwellen - und deren Form ist natürlich auch immer eine Überlagerung lokaler Machkegel - sowas ist natürlich auch zeitlich nicht stabil. Die grundsätzliche Idee, Die Flügelpfeilung grösser als den Machkegel (auch lokale Machkegel) zu machen, ist hier sicher stark vereinfacht, aber ich wehre mich gegen Dein "ganz falsch". :) Die kritische Machzahl hängt von der Grösse der Krümmung der Strömung auf der Flügeloberseite, also wesentlich vom Profil ab. Natürlich kann man auch mit (fast) ungepfeilten Flügeln ohne Buffeting nahe an Mach 1 fliegen, Stichwort "superkritisches Profil" - wenig gekrümmte Oberseite, kleinerer Druckgradient, somit kleinerer Geschwindigkeitsgradient.. Wir könnten jetzt auch noch die Querschnittsregel (die "Wespentaille" mancher Überschall-Jets) anführen, auch ein Weg zur Verbesserung des Überschallflugs. Aber so weit ging die ursprüngliche Frage ja garnicht. Viele Grüsse Peter P.S. Ich geb' ja zu, dass der Begriff des Mach"kegels" zu ziemlichen Missverständnissen führen kann... :rolleyes: Zitieren
Brufi Geschrieben 17. August 2010 Geschrieben 17. August 2010 F-104 Starfighter, Geschwindigkeit bis Ma=2.2 Der Winkel des Mach'schen Kegels beträgt dabei 63° (Halbwinkel). Wie Figura zeigt geht es auch ohne Pfeilung. Gruss Philipp Zitieren
Tigerstift Geschrieben 17. August 2010 Geschrieben 17. August 2010 F-104 Starfighter, ...Wie Figura zeigt geht es auch ohne Pfeilung. Dafür aber eines der "schärfsten" (im wahrsten Sinne des Wortes) Profile der Welt. Zitieren
PeterH Geschrieben 17. August 2010 Geschrieben 17. August 2010 Noch ein viel, viel früheres Beispiel für "ungepfeilten Überschall": Es geht zumindest das Gerücht, dass damals die Amerikaner auf die Idee der Pfeilung, die schon vor 1945 in Deutschland entwickelt und kurz danach von den Russen ebenfalls angewandt wurde (intensiveres Studium der erbeuteten Blaupausen? :D ) noch nicht gekommen waren. Trotzdem flog die X1 nach Modifikationen über Mach 2 (mehr oder weniger instabil). Es geht auch ohne Pfeilung, klar... extremes Beispiel: Die X15. Rezept: Kleine, dünne Flügel mit scharfen Vorderkanten und möglichst Null Profil-Wölbung. Sogar scharfe Kanten im Profil-Querschnitt sind erlaubt (z.B. X15). Viele Grüsse Peter Zitieren
Empfohlene Beiträge
Dein Kommentar
Du kannst jetzt schreiben und Dich später registrieren. Wenn Du ein Konto hast, melde Dich jetzt an, um unter Deinem Benutzernamen zu schreiben.