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Interview Hohmeister in der Limmattaler-Zeitung


Ernst Dietikon

Empfohlene Beiträge

In der Limmattler-Zeitung (Kopfblatt der Mittellandzeitung) erschien heute ein Interview mit Swiss Chef Hohmeister. Vielleicht interessiert es jemand. Hier der Text:

 

"MZ Montag, 2. August 2010

 

MONTAGSINTERVIEW

 

 

«Fliegen ist

gut zum

Abschalten»

 

Swiss-Chef Harry Hohmeister überdie Vorzüge der Swiss und der Schweiz

 

Seit Juli 2009 führt

Harry Hohmeister die Swiss.

Ein Gespräch über Fliegen,

Flugangst und Raketen.

 

 

IRINA KISSELOFF, MARCEL SPEISER

 

Links ein Hallo, rechts ein Hallo.

Und immer ein breites Lachen auf

dem Gesicht. Als wir mit Swiss-Chef

Harry Hohmeister durch die labyrinthartigen

Gänge des Swiss-

Hauptsitzes in Zürich Kloten gehen,

wird klar: Der Chef ist nah bei den

Mitarbeitern. Und offenbar auch

nah bei den Kunden: Die Swiss entwickelt

sich zu einer Airline, auf die

die Schweizer wieder stolz sind.

 

Herr Hohmeister, als Chef der Swiss

sind Sie selbst auch Hobbypilot.

 

Harry Hohmeister: Bestenfalls.

 

Wo fliegen Sie denn hin?

 

Hohmeister: Immer um den Flugplatz

Konstanz herum. Um weitere

Strecken zu fliegen, braucht es zu

viel Zeit.

 

Was fasziniert Sie, wenn Sie selbst

am Steuerknüppel sitzen?

 

Hohmeister: Die Sache an sich. Man

konzentriert sich voll aufs Fliegen

und denkt an nichts anderes mehr.

Das ist gut zum Abschalten. Dann

finde ich es toll, die Welt von oben

zu sehen. Das Draufschauen vermittelt

Neues, man lernt mit Zusammenhängen

anders umzugehen und

lernt seine eigenen Grenzen kennen.

Zudem macht es Spass, weil auch

viele meiner Freunde fliegen.

 

Fliegt Ihre Frau mit Ihnen?

 

Hohmeister: Nein, keinen Meter.

Sie hat latente Flugangst.

 

Was raten Sie Menschen mit Flugangst?

 

 

Hohmeister: Ein Flugangst-Training

bei der Swiss zu absolvieren.

Wenn einem ein Experte einmal

die technischen Zusammenhänge

 

«Meine Frau fliegtnicht mit mir. Sie hat

latente Flugangst.»

 

erklärt, hilft das. Viele Ängste entstehen

ja im Kopf.

 

Was hat das Halbjahresergebnis der

Swiss bei Ihnen ausgelöst?

 

Hohmeister: Nach dem roten Start

ins Jahr und vor allem nach der Vulkanasche-

Krise sind wir zufrieden

mit einem positiven Ergebnis, das

in etwa auf Vorjahresniveau liegt.

Aber auf Dauer sind wir auf diesem

Niveau nicht investitionsfähig. Wir

planen auf mittlere Frist Investitionen

von 400 bis 500 Millionen Franken

jährlich. Mit einer Umsatzrendite

von rund 3 Prozent sind wir

vom nötigen Wert von 5 bis 8 Prozent

weit entfernt. Gleichzeitig ist

das Umfeld schwieriger geworden.

Der schwache Euro zum Beispiel ist

ein Problem.

 

Welche Massnahmen ergreifen Sie,

um mit der Euroschwäche umgehen

zu können?

 

Hohmeister: Wir schliessen vermehrt

Verträge in Euro ab, um

Währungsverlusten vorzubeugen.

Dafür sind dann später jedoch auch

keine Währungsgewinne möglich.

 

Zusätzlich zur Euroschwäche sind

die Treibstoffpreise stark gestiegen.

 

Hohmeister: Ja, unser Ergebnis

 

würde sonst viel höher liegen. Das

zeigt, dass wir als Firma 2009 die Effizienz

gesteigert haben.

 

Gegen die Treibstoffpreise können

Sie aber nicht viel machen.

 

Hohmeister: Wir können nur versuchen,

an jeder Ecke Treibstoff zu

sparen und eine sinnvolle Flottenpolitik

zu betreiben. Damit haben

wir den Verbrauch in den letzten

sechs Jahren klar gesenkt.

 

Konkret: um wie viel?

 

Hohmeister: 2003 waren es noch

4,6 Liter pro 100 Passagierkilometer,

nun sind es 3,8 Liter. Das liegt

auch an der steigenden Auslastung.

 

Und was bedeutet in diesem

Zusammenhang sinnvolle Flottenpolitik?

 

 

Hohmeister: Grössere Flugzeuge

und die zurzeit laufende Modernisierung

der Langstreckenflotte.

Zudem werden wir ab 2014 die

Regionalflotte ersetzen. Die neuen

Flugzeuge werden bis zu 30 Prozent

Treibstoff einsparen. Damit

nähern wir uns in 5 bis 10 Jahren

der Marke von 3,5 Litern pro 100

Passagierkilometer an. Damit

kommt nicht mal ein Smart aus

und der fährt dann 60 Stundenkilometer,

während die Flugzeuge

diesen Verbrauch bei rund 900

Stundenkilometern haben. So gesehen

ist Fliegen ökologisch.

 

Sie haben kürzlich gesagt, 2050 soll

Fliegen CO2-neutral sein.

 

Hohmeister: Das sind Vorgaben der

IATA, des internationalen Airline-Verbands.

In den nächsten fünf Jahren

sollen zur Senkung des Treibstoffverbrauchs

deshalb über 1000 Flugzeuge

weltweit erneuert werden.

 

Wie muss man sich CO2-neutrales

Fliegen vorstellen?

 

Hohmeister: Einerseits muss dafür

der Treibstoffverbrauch gesenkt werden.

Dabei geht es nicht nur um die

Motorenleistung, sondern auch um

die Aerodynamik. Die Flügelform

kann optimiert werden, die Oberfläche

lässt sich beispielsweise mit aufgeklebter

Haifischhaut verbessern.

Darüber mögen wir heute noch lachen,

aber in 10 Jahren kann man

sich vielleicht nicht mehr vorstellen,

wie man ohne so etwas fliegen konnte.

Man muss den Fortschritt auch

wollen. Zudem gilt es, alternative

Energieträger zu suchen. Die Basis

dafür darf natürlich nicht in Konkurrenz

mit Land-, Wasser- und Nahrungsmittelressourcen

stehen. Aber

es gibt so viel ungenutzte Biomasse,

dabei denke ich beispielsweise auch

an Grünabfälle.

 

Fliegen mit dem Kompostkübel?

 

Hohmeister: (lacht) Ja, genau. Das

müsste aber zunächst einmal wissenschaftlich

begleitet werden. In

der IATA gibt es aber bereits Projektgruppen,

die sich intensiv mit dem

Thema Biofuel befassen. Die Swiss

ist da engagiert dabei. Es bestehen

aber auch noch andere Wege, um

Treibstoff einzusparen.

 

Welche?

 

Hohmeister: Ein einheitlicher europäischer

Luftraum würde 10 bis

15 Prozent an Kraftstoff einsparen.

Aber die EU ist seit 15 Jahren nicht

in der Lage, diesen Single European

Sky auf die Beine zu stellen. Ich

habe Mühe damit, wenn man Ökosteuern

einführen will, obwohl die

Grundaufgaben punkto Infrastruk-

 

Harry Hohmeister

(46) hat Kerosin

im Blut. Sein Vater

war Techniker

bei der Lufthansa,

er ist gelernter

Luftverkehrskaufmann

und hat

stets in der Reisebranche

gearbeitet.

2005 kam er

als Netzwerkchef

zur Swiss, seit Juli

2009 ist er der

Chef der Airline.

Aufgewachsen ist

er in Delmenhorst

bei Bremen. Heute

lebt er mit seiner

Frau Anita und

seinem Sohn in einer

Zürcher Flughafengemeinde.

ZUR PERSON

tur nicht gelöst sind. Da müssen

wir mehr Druck machen.

 

Apropos Fortschritt: Wann fliegen

wir in vier Stunden nach New York?

 

Hohmeister: Nie. Die physikalischen

Gesetze führen dazu, dass

mit zunehmender Geschwindigkeit

der Energieverbrauch exponentiell

steigt. Alles, was über Schallgeschwindigkeit

liegt, braucht so viel

Energie, dass es wirtschaftlich nicht

sinnvoll ist.

 

Sie wollen vor allem im Europaverkehr

die Ertragskraft steigern

und die Kosten senken. Wie?

 

Hohmeister: Wir haben das Thema

im Juli in einer Strategiesitzung im

Verwaltungsrat diskutiert. Sofortmassnahmen

sind nicht notwendig.

Ansatzpunkte gibt es natürlich

bei den grössten Kostenpositionen.

 

Gibt es auf den Flügen bald nichts

mehr zu essen?

 

Hohmeister: Nein, am Kunden zu

sparen, ist der falsche Weg. Die

Grundbedürfnisse der Passagiere

müssen befriedigt werden. Wie

Fluggesellschaften ohne das auskommen,

ist mir nicht verständlich.

Wir wollen in unseren Leistungsprozessen

und in jenen der

Zulieferer kostengünstiger werden.

Das wird ein harter Weg bleiben.

Zudem braucht es auch neue Ideen

auf der Erlösseite. Wir werden

die Businessclass auf Kurzstrecken

nicht abschaffen, aber wir müssen

sie neu gestalten. Wie genau, dar

 

 

über zerbrechen sich derzeit Projektgruppen

den Kopf.

 

Die Billigairlines haben ihre Aura

verloren. Momentan wird Easyjet

durch den Kakao gezogen. Traditionelle

Gesellschaften scheinen ein

Comeback zu feiern.

 

Hohmeister: Das sehe ich auch so.

In den letzten Jahren sind die grossen

Fluglinien wegen der Billigkonkurrenz

erwacht und wettbewerbsfähiger

geworden. Gleichzeitig machen

sich die Low-Cost-Carrier den

Markt durch immer tiefere Preise

selbst kaputt.

 

Wie positioniert sich die Swiss

im Konkurrenzvergleich?

 

«Bevor ich wieder

einen Gugus erlebe,

buch’ ich lieber Swiss.»

 

Hohmeister: Wir sehen uns als

Premium Carrier, wobei Preis und

Leistung stimmen müssen. Das ist

fast dasselbe, wie wenn Sie einen

Besen kaufen. Okay, etwas komplizierter

vielleicht. Wir berechnen

schliesslich jeden Tag 2,5 Millionen

verschiedene Ticketpreise.

Entscheidend bleibt aber das

Preis-Leistungs-Verhältnis und

dass wir unser Versprechen halten.

Es schafft eine Vertrauensbasis.

Der Kunde sagt sich, bevor ich

da wieder irgendeinen Gugus erlebe,

buche ich mal lieber bei Swiss.

 

CHRIS ISELI

 

Gestern war der 1. August.

Was würden Sie den Schweizern

als 1.-August-Redner sagen?

 

 

Hohmeister: Seien Sie stolz auf

Ihr Land, denn Sie sind seit 1291

in Europa der Beweis dafür, dass

multinationale Zusammenarbeit

funktionieren kann. Und das oh-

ne steile Hierarchien und ohne

Könige oder Kaiser. Die EU könnte

viel lernen. Der Föderalismus

ist zwar langsam, aber immerhin

kommt am Ende etwas Konkretes

dabei heraus. Demokratisches Verständnis

und Eigenverantwortung

macht Systeme viel erfolgreicher

als eine zentrale Schaltstelle.

 

Wo haben Sie denn den 1. August

gefeiert?

 

Hohmeister: Wir wollten ursprünglich

ins Ausland, sind jetzt

aber doch hier geblieben und haben

mit unseren Nachbarn gefeiert.

 

 

Haben Sie auch Feuerwerke und

Raketen gezündet?

 

Hohmeister: Nein, dafür sorgt jeweils

mein Nachbar.

 

Sie sind selten gestresst. Woher

nehmen Sie Ihre innere Ruhe?

 

Hohmeister: Das ist wohl typenabhängig.

Doch auch die Lebenserfahrung

hilft. Wenn man schwierige

Situationen mehrmals erlebt hat,

kann man besser damit umgehen.

Das ermöglicht, Souveränität nicht

nur zu zeigen, sondern auch wirklich

zu haben."

 

Gruss

Ernst Dietikon

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Danke Ernst.

 

Ich mich nun einfach frage: Ist nun der Hauptsitz in Kloten,Basel oder an beiden Orten ein bisschen?:rolleyes:;)

 

Ich meine, was nun eigentlich?

 

Danke für Antworten/Fakten!

 

Chris

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Auszug aus dem Interview zur Schweiz, als Land:

Demokratisches Verständnis

und Eigenverantwortung

macht Systeme viel erfolgreicher

als eine zentrale Schaltstelle. :008::008::008:

 

Gruss Walti

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