Alexander_31 Geschrieben 13. März 2010 Geschrieben 13. März 2010 13. März 2010 Nacktscanner - Mit Technik gegen Terror? Die Diskussion schien schon längst vom Tisch zu sein: Keine "Nacktscanner" an deutschen Flughäfen, hieß es. Noch 2008 war die Einführung von Körperscannern vom EU-Parlament abgelehnt worden - aus Gründen des Datenschutzes, der Menschenrechte und aufgrund gesundheitlicher Bedenken. Doch seit dem 25. Dezember 2009 ist alles wieder anders. Einem Nigerianer war es gelungen, 100 Gramm Sprengstoff an Bord eines US-amerikanischen Passagierflugzeugs zu schmuggeln. Der Anschlag schlug fehl, doch seitdem ist die Diskussion um die flächendeckende Einführung von Körperscannern an Flughäfen neu entbrannt. Wie funktioniert das Gerät wirklich? Werden die Passagiere zukünftig alle "nackt" am Flughafen zu sehen sein? Nackte Tatsachen - Röntgenscanner Eine Person wird abgescannt. Dreidimensionale Aufnahmen von Flugreisenden inklusive intimster Details: Die "Nackt"-Bilder, die in der Öffentlichkeit für Aufregung sorgen, stammen zu einem Großteil von Körperscannern der ersten Generation. Dabei handelt es sich um Röntgenscanner, auch Backscatter (Rückstreu) -Scanner genannt. Sie verwenden energiereiche Röntgenstrahlen in niedriger Dosis. Anders als medizinische Röntgengeräte messen sie nicht die Strahlung, die durch den Menschen hindurch geht, sondern konstruieren ein Bild aus der Streustrahlung, die von der Körperoberfläche reflektiert wird. Da Röntgenstrahlen aber ionisierende Strahlen sind, die die Zellen des menschlichen Körpers also schädigen können, stehen Röntgenscanner in Deutschland gar nicht zur Diskussion. Welche Körperscanner können in Deutschland eingesetzt werden? Hierzulande sind zwei Technologien mit aktiven oder passiven Millimeterwellen im Gespräch. Beide Scannertypen arbeiten im elektromagnetischen Spektrum - weit entfernt von den Röntgenstrahlen. Millimeter-, beziehungsweise Submillimeterwellen liegen im Bereich zwischen Infrarot und Mikrowellen. Da die Submillimeterwellen im Tausendstelbereich der Millimeterwellen liegen, werden sie auch oft Terahertzwellen genannt. Am Flughafen Amsterdam werden Millimeterwellen schon getestet, auch in Moskau oder Zürich kommen sie zum Einsatz. Neueste Innovation Millimeterwellen-Technologie Es gibt bereits marktreife Körperscanner, die mit der aktiven Millimeterwellen-Technologie arbeiten. Jedoch dauert der Scanvorgang noch zu lange: Jeder Flugpassagier muss dafür in eine Art Duschkabine. Nackt ist bei den Geräten der neueren Generation niemand mehr. Die Personen werden auf unterschiedliche Weise durch Software unkenntlich gemacht. Dennoch ist die Technik noch nicht ausgereift, viele Fragen sind noch ungeklärt. Wieviel Sicherheit bringen die Geräte wirklich? Ist der Datenschutz gewährleistet und sind die aktiven Millimeterwellen wirklich so unschädlich, wie viele Experten annehmen? Im Fraunhofer Institut für Hochfrequenzphysik und Radartechnik in Wachtberg forscht ein Team von Dr. Helmut Essen unter anderem mit aktiven Millimeterwellen. Der Millimeterwellen-Scanner ist ein etwa 50 Zentimeter hoher Metallteller mit zwei kleinen metallenen Auslegern. Er arbeitet bei 94 Gigahertz. Dabei wird eine Testperson mit Millimeterwellen beleuchtet und ein Computer berechnet aus den Reflexionen ein Bild. "Unsere Haut oder der ganze Mensch besteht zum großen Teil aus Wasser. Das ist absolut undurchdringlich für Millimeterwellen. Textilien sind dagegen relativ trocken und da schaue ich also durch“, erklärt Dr. Essen. Mit einem leisen Geräusch setzen sich zwei winzige Radare mit den beiden Auslegern in Bewegung und kreisen einmal um die Testperson herum, die davon nichts spürt. Die Testperson wird nicht nackt dargestellt, sondern als blaue Säule mit helleren oder andersfarbigen Stellen. Vier von fünf versteckten Gegenständen gefunden. Sprengstoffattrappe, Handy, Spielzeugrevolver und Keramikmesser, die die Testperson am Körper versteckt hat, werden durch den Scanner sichtbar gemacht. Beim Bauchnabel-Piercing muss der Wissenschaftler aber passen. Zwar könnte er durch eine Frequenzänderung beim Scanner auch solch Details sichtbar machen, dadurch würden aber auch viele andere Dinge wie Nieten an der Jeans oder Falten im Stoff sichtbar. Aus einem riesigen Wust an Signalen wären dann letztlich die wichtigen Dinge kaum noch zu identifizieren. Vier von fünf versteckten Gegenständen wurden gefunden. Dennoch warnt Dr. Essen davor, die Körperscanner als Lösung aller Probleme zu sehen: "Die Körperscanner bieten keine absolute Sicherheit. Sie können nur Indizien bereitstellen. Sprengstoff kann ein Körperscanner eigentlich nur durch Zufall finden. Da müssen andere Sensoren hinzukommen, Schnüffelsensoren, chemische Nasen oder Terahertz-Spektroskopie. Wir brauchen ein ganzes Konzert." Für die Zukunft gibt es im Fraunhofer Institut schon konkrete Pläne. Anstelle der blauen Säule könnte ein dreidimensionales Bild oder Real-Videobild der Passagiere auf den Bildschirmen des Sicherheitspersonals erscheinen: völlig bekleidet, aber trotzdem enttarnt. Ein Messer würde dann an der entsprechenden Stelle als solches auf der Kleidung auftauchen. Sicher, aber verstrahlt? Dr. Helmut Essen ist wie viele seiner Kollegen überzeugt, dass das Scannen mit aktiven Millimeterwellen keine Risiken für die Gesundheit birgt, da Strahlen in diesem Frequenzbereich (Wellenlänge ein bis zehn Millimeter) nicht in den Körper eindringen. Endgültige Gewissheit wird es aber erst Ende 2010 geben. Dann soll eine Studie abgeschlossen sein, die das Bundesamt für Strahlenschutz in Auftrag gegeben hat. Scannen ohne Nebenwirkungen - Passive Submillimeterwellen Auch in Jena wird an der Entwicklung von Körperscanner-Technologien geforscht. Das Team um den Physiker Torsten May am Institut für Photonische Technologien (IPHT) hat die Terahertz-Kamera entwickelt. Diese gibt keine Strahlung ab, sondern misst ausschließlich das, was der Körper abstrahlt. "Dieses Gerät ist eigentlich vom Prinzip her eine Wärmebildkamera. Wobei sie nicht im Infrarotbereich arbeitet, sondern im Submillimeterwellenlängenbereich (auch Terahertzwellen genannt). Aber nichtsdestotrotz messen wir die Körpertemperatur als Kontrast zum Hintergrund, der typischerweise 15 Grad kälter ist“, erklärt May. Diese Submillimeterwellen sind im Spektrum zwischen Infrarot- und Mikrowellenstrahlung einzuordnen. Die Wellenlänge liegt bei etwa 0,9 Millimeter und die Frequenz bei 0,35 Terahertz. Aktive Millimeterwellen-Scanner dagegen arbeiten mit längeren Wellen - im Millimeterwellenbereich. Die Aufregung um einen möglichen Einsatz von Körperscannern nimmt May gelassen: "Unsere Kamera offenbart keine anatomischen Details, lediglich Körperumrisse." Und die Frage nach einem Gesundheitsrisiko stellt sich nicht, da die Kamera nur die vom Körper abgestrahlten Terahertzwellen erfasst und daraus ein kontrastreiches Bild berechnet. Gegenstände - beispielsweise aus Metall oder Keramik - werden als Schatten sichtbar. Praxistest Der etwa mannshohe Apparat steht in etwa acht Meter Entfernung zur Testperson, die sich langsam im Kreis dreht. 20 Sensoren registrieren die ankommenden Terahertzwellen. Auf Mays Laptop-Monitor erscheint der Körperumriss der Testperson wie eine Art Wärmebild. Nach nur wenigen Minuten hat May erste Auffälligkeiten erfasst. Am Ende hat er Piercing und Keramikmesser nicht gefunden. Aber dies sei kein grundsätzliches Problem dieser Technik, sondern ließe sich durch ein anderes Objektiv lösen, so May. Mit dem Objektiv des Prototyps kann May lediglich Gegenstände ab einem Zentimeter Breite erfassen. Noch ist die Technik vom IPHT nicht marktreif. Bundespolizeiakademie Lübeck testet Protypen Um Körperscanner flächendeckend an deutschen Flughäfen einführen zu können, sollten sie vor allem sicher, schnell, gesundheitlich und datenschutzrechtlich unbedenklich sein. Derzeit testet deshalb die Bundespolizeiakademie in Lübeck verschiedene Prototypen von Körperscannern - alles unter strengem Ausschluss der Öffentlichkeit. Die Ergebnisse sind noch in 2010 zu erwarten. Je ausgereifter die Technik, desto besser wird zukünftig auch die Intimsphäre gewahrt werden. Nackt wird an deutschen Flughäfen wohl nie wirklich "nackt" bedeuten. Autorin/Autor: Andrea Wiehager/ Britta Thein Zurück zum Seitenanfang Zitieren
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