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Vor 60 Jahren: Erstflug der Comet


Ernst Dietikon

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Ernst Dietikon

In einem Eisenbahnforum fand ich den Link zu folgender Seite: http://einestages.spiegel.de/static/topicalbumbackground/4562/ticket_in_den_tod.html. Vielleicht ist er von Interesse.

 

Ob allerdings durch die Probleme den ersten Comet die britische Luftfahrtindustrie tatsächlich für immer in die Knie gezwungen wurde, wie der Artikel behauptet?

 

Gruss

Ernst Dietikon

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Ich fand in diesem Forum einen interessanten Beitrag zur Comet Tragödie. So einfach, wie dies im Spiegel dargestellt wird ist es wieder einmal nicht. Offenbar machte man bei den Fenstern, welche ja schliesslich Ausgang der Unfälle waren noch einschneidende Aenderungen (genietet statt geklebt). Siehe: http://www.flugzeugforum.de/forum/showthread.php?t=55265&highlight=Comet&page=4 etwa in die Mitte der Seite scrolen.

 

Gruss

Ernst Dietikon

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Die offizielle Flugunfalluntersuchung listet all die Details auf, aber das war für den Spiegel wohl alles zu kompliziert. Ist es ehrlich gesagt auch. Was ist alles falsch gelaufen, und wovon können wir lernen ?

 

- Anstatt ein "Idiotensicheres" Design zu wählen, hat De Haviland sehr ambitioniert konstruiert, und die Sicherheit kompliziert nachgewiesen. Rechteckige Fenster sind dem Kunden lieber als die aus dem Schiffbau ja wohlbekannten Bullaugen.

 

- Um Geld zu sparen, hat man nur Rumpfsektionen getestet, kein ganzes Flugzeug. (Das hätte sogar funktioniert, hätte man nicht noch mehr Geld sparen wollen...)

 

- Um noch mehr Geld zu sparen, hat man die selbe Rumpfsektion für einen krassen Überlasttest (250% des normalen Kabinendrucks) und für die Ermüdungstests benutzt, und auch noch in dieser Reihenfolge. Heute weiss man, das das ein dämlicher Fehler war, damals konnte man das nicht wissen (bzw. nicht sicher wissen. Aus der Schiffahrt war schon bekannt, dass ein schwerer Sturm zu Anfang des Schiffslebens am Ende zu einem längeren Leben führt, aber verstanden hatte man das Phänomen noch nicht).

Wenn man eine Struktur so stark belastet, dass sie anfängt sich plastisch zu verformen, dann passiert das zuerst an den Stellen mit den höchsten Spannungen, in diesem Fall an den Fensterecken. Dort ist das Material nun also etwas "gestreckt", wird bei Entlastung aber in die alte Form zurückgedrückt, und ist damit immer ein bischen unter Druck. Im Langzeitversuch sehen deshalb die kritischen Stellen kaum mehr Zugbelastung, und reissen folglich nicht mehr. Heute hat man das verstanden, und jedes Flugzeug wird vor seiner Auslieferung einmal etwas über 100% des Drucks aufgeblasen, um eventuell eingebaute Spannungen und Stellen mit Spannungsspitzen vorzuverformen.

De Haviland hat an den Rumpfsektionen 16.000 Flüge mit 25% Lastüberhöhung demonstriert, in der Praxis haben die (ungereckten) Zellen nur 10% davon ohne Lastüberhöhung gehalten.

Dummer Fehler, aber alle (bei de Haviland, den Behörden und bei BOAC) waren überzeugt, das richtige getan zu haben.

 

- Man hat noch nach dem Test Änderungen an der Konstruktion vorgenommen, und diese aufgrund der guten Erfahrungen beim Originaltest nur rechnerisch nachgewiesen. (Man hatte ja reichlich Reserve nachgewiesen)

 

- Man hat (gemäß des damaligen Kentnisstandes der Technik) das Flugzeug besonders "fatigue"-Resistent konstruiert, und dabei viel "damage Tolerance" aufgegeben, weil man beide Phänomene damals zusammen als Materialermüdung als ein gemeinsames Problem gesehen hat. Noch heute ist die deutsche Sprache in diesem Bereich nicht eindeutig. "fatigue" ist die Ermüdungsphase bis zum Auftreten des ersten Risses, "damage Tolerance" ist die Ermüdungsphase des Risswachstums, und die Kunst besteht darin, den Riss zu kontrollieren, aufzuhalten, und zu entdecken, bevor er kritisch wird.

De Havilland hat für die Comet eine Aluminiumlegierung gewählt die fester war und eine höhere Ermüdungsfestigkeit besaß als die üblicherweise von Douglas/Lockheed/Boeing benutzte. Leider hatte diese Legierung aber sehr schlechte Rissfortschritteigenschaften, die man damals aber noch nicht kannte oder beachtete, da man die Flugzeuge eigentlich ohnehin ausmustern wollte, bevor sie überhaupt Ermüdungsrisse entwickeln.

De Haviland hat ausserdem zu recht erkannt, dass Nietverbindungen ein Ermüdungsproblem darstellen, und deshalb den Rumpf aus extrem großen Blechstücken zusammengesetzt. Leider sind Nietreihen aber auch gute Rissstopper, und auf die hat man damit unwissentlich auch verzichtet.

Ausserdem hat de Haviland völlig richtig erkannt, das die kritische Last in Umfangsrichtung wirkt, damit Nietreihen in Längsrichtung den Rumpf gefährlich "perforieren". (Eine Wurst platzt immer längs, nie quer, wenn man sie zu heiss macht...). Also hat man die Stringer geklebt. De Havilland war da revolutionär, noch heute fliegen Comets mit geklebten Stringern in Rumpf und Flügel herum, und es gibt keine Probleme mit den 60 Jahre alten Klebenähten. Leider platzen Klebungen aber im Falle eines lokalen Versagens großflächig ab, wo Nietreihen Niet für Niet versagen. Wenn also ein Comet Rumpf einmal irgendwo anfängt zu reissen, dann platzt er wie ein Luftballon, da nichts den Riss rechtzeitig aufhält.

 

Dumm gelaufen für die Engländer, und die Amerikanischen Hersteller haben von den gewonnenen Erkenntnissen profitiert. Sie konnten gleich nach einem neuen Stand der Technik konstruieren.

 

Was können wir daraus lernen: Wir sollten nie annehmen, das unser Wissen und unsere Erfahrung tatsächlich alles neue mit abdeckt, das wir gerade erfinden/bauen/zulassen/ordern. Wir sollten nie zu selbstsicher sein, dass wir schon an alles gedacht, und sowieso viel mehr gemacht/gerechnet/getestet haben als unsere Mitbewerber. Wenn wir Neuland betreten, sollten wir immer obervorsichtig und selbstkritisch sein. Es mag ein bischen mehr kosten, etwas länger dauern, und das Produkt mag am Ende etwas weniger cool aussehen oder etwas schwerer sein, aber dafür überlebt man. De Havilland hat ihr Mut und Pioniergeist am Ende nichts genutzt, weil man zwar genial, aber leider nicht vollkommen war. Besser etwas konservativer konstruieren, aber dafür ein sicheres Produkt anbieten. Lieber nicht der Star auf der Luftfahrtschau sein, aber dafür das Flugzeug tausendfach und jahrzehntelang verkaufen. Gut gemeint und gut sind leider nicht das selbe.

 

Gruß

Ralf

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...Man hat (gemäß des damaligen Kentnisstandes der Technik) das Flugzeug besonders "fatigue"-Resistent konstruiert, und dabei viel "damage Tolerance" aufgegeben, weil man beide Phänomene damals zusammen als Materialermüdung als ein gemeinsames Problem gesehen hat. Noch heute ist die deutsche Sprache in diesem Bereich nicht eindeutig. "fatigue" ist die Ermüdungsphase bis zum Auftreten des ersten Risses, "damage Tolerance" ist die Ermüdungsphase des Risswachstums, und die Kunst besteht darin, den Riss zu kontrollieren, aufzuhalten, und zu entdecken, bevor er kritisch wird.

 

Hier sind ein paar Dinge etwas durcheinander geraten. Ich versuche einmal, etwas „werkstoffkundliches“ Know-How in die Diskussion einzubringen, zumal wir uns ja in einem Technik-Thread befinden.

Retroperspektiv gesehen haben die Ereignisse rund um die Comet dazu beigetragen, den neuen Werkstoff-Forschungsbereich der sogenannten „Bruchmechanik“ (engl. Fracture Mechanics) hervorzubringen. Bereits 1920 hat ein gewisser Herr Griffith aus England in seiner Publikation „The Phenomena of Rupture and Flow in Solids“ einen Energie-Ansatz zur Erklärung von Sprödbrüchen hergeleitet. Seine bahnbrechenden Arbeiten wurden aber von der gesamten Ingenieur-Gemeinde weitgehend ignoriert. Es dauerte dann noch bis Anfang der 50er Jahre, bis eine US-Gruppe um den Schiffbauingenieur Irwin am US Naval Research Laboratory die Theorien von Griffith erfolgreich für „zähere“ metallische Werkstoffe modifizierte. Zu Hilfe kamen Ihnen die Ereignisse und gesammelten Kenntnisse der Unfälle der Liberty-Transportschiffe im zweiten Weltkrieg und der Comet-Abstürze. Auswertungen durch Irwin und sein Team zeigten, dass ein sich schlussendlich schnell ausbreitender Riss in der Ecke eines Passagier-Fensters für die Abstürze verantwortlich war.

Die Bruchmechanik hat sich seitdem sehr stark weiterentwickelt und findet sich selbstverständlich auch in den heutigen modernen Flugzeugen mit Ihren komplexen Faser-verstärkten Kunststoffen wieder.

 

Und nun zum Begriff der Ermüdung (engl. Fatigue). Die Aussage...

 

... "fatigue" ist die Ermüdungsphase bis zum Auftreten des ersten Risses...

 

...ist schlichtweg falsch.

 

Aus dem Englischen...„Failure of structural materials under cyclic application of stress or strain is known as fatigue. This type of failure is different from creep failure (or static fatigue), which occurs some time after the application of a constant load that is lower than the monotonic load required to cause fracture”

 

Fatigue bzw. Ermüdung kann nur auftreten, wenn Artefakte bzw. Risse vorhanden sind und unter Last sich vergrössern.

 

Der eigentliche Ober-Begriff der Ermüdung/Fatigue umfasst dynamische und/oder statische Belastungsfälle. Im Falle der statischen Ermüdung wird dabei korrekterweise von „Kriechen“ (engl. Creep) gesprochen. In beiden Fällen führen Spannungen bzw. Dehnungen, die unter den eigentlichen Maximalwerten der jeweiligen Werkstoffe liegen, nach einem gewissen Zeitintervall (...das eine Funktion der angelegten Spannung bzw. Dehung ist) zum katastrophalen Versagen, d.h. zum Bruch. Dies gilt insbesondere für Aluminium und dessen Legierungen.

 

Zum Begriff der Rissbildung bzw. des eigentlichen Risses:

 

Unter Rissbildung versteht man die Entstehung einer bleibenden, örtlichen Trennung an einer Stelle eines Werkstoffs bzw. Bauteils, wo vorher eine atomare Bindung bestanden hat. Generell muss man auch wissen, dass kleinste Mikrorisse bzw. Artefakte (Lunker, Einschlüsse etc.) bereits nach der Herstellung des Bauteils vorhanden sind. Solche Mikrorisse haben nun bei einer angelegten äusseren Last/Spannung eine sogenannte Kerbwirkung, die zu einer mehrfachen Spannungsüberhöhung an der Riss-Spitze führt und, je nach Widerstand des jeweiligen Werkstoffes gegen Rissausbreitung, zu einem Risswachstum führt. Die Bruchmechanik bedient sich nun des Begriffs der „Spannungsintensität“ (engl. Stress intensity), um Aussagen darüber zu machen, ob ein unterkritisches/stabiles Risswachstum stattfindet bzw. ein kritisches Risswachstum erreicht ist und es zum Bruch kommt. Der Wert der Spannungsintensität bei dem es zum Bruch kommt wird gemeinhin als „Bruchzähigkeit“ (engl. Fracture toughness)bezeichnet. Hohe Bruchzähigkeitswerte sind prinzipiell Indikatoren dafür, dass der Widerstand gegen Rissausbreitung hoch, und damit eine gewisse Versagens-Toleranz bzw. Damage-Tolerance gegeben ist. Entscheidend hierfür ist aber eine breiter Spannungsintensitätsbereich vom Auftreten des ersten messbaren Risswachstums (Inkubation) bis zum Bruch.

 

Und was bedeutet dies nun für die Comet-Unfälle ?

 

Die wichtigste Lektion aus den Unfällen war die, dass bei einem gegebenen Design Belastungsniveaus unterhalb den maximal zugelassenen Lastfällen die strukturelle Integrität auf die Dauer nicht gewährleisten können.

 

 

...De Havilland hat für die Comet eine Aluminiumlegierung gewählt die fester war und eine höhere Ermüdungsfestigkeit besaß als die üblicherweise von Douglas/Lockheed/Boeing benutzte.

 

Mit Verlaub, diese Aussage ist auch falsch. Also, die Briten verwendeten für den betroffenen Designbereich eine Legierung, die der hochfesten amerikanischen 7075 Aluminium-Legierung (Al-Zn-Mg-Cu) ähnlich war (...übrigens von Alcoa 1943 eingeführt...). Boeing hatte für ihre 707 die hinsichtlich ihrer Bruchzähigkeit und Ermüdungsfestigkeit wesentlich bessere 2024-Legierung (Al-Cu-Mg) ausgewählt (..von Alcoa 1931 eingeführt...). Die 7075-Legierung hat zwar höhere Streckgrenzen und Zugfestigkeiten, jedoch eine geringere Ermüdungsfestigkeit und Bruchzähigkeit.

 

fatigue1.th.png

 

fatigue2.th.png

 

 

 

 

...Was können wir daraus lernen: Wir sollten nie annehmen, das unser Wissen und unsere Erfahrung tatsächlich alles neue mit abdeckt, das wir gerade erfinden/bauen/zulassen/ordern. Wir sollten nie zu selbstsicher sein, dass wir schon an alles gedacht, und sowieso viel mehr gemacht/gerechnet/getestet haben als unsere Mitbewerber. Wenn wir Neuland betreten, sollten wir immer obervorsichtig und selbstkritisch sein. Es mag ein bischen mehr kosten, etwas länger dauern, und das Produkt mag am Ende etwas weniger cool aussehen oder etwas schwerer sein, aber dafür überlebt man. De Havilland hat ihr Mut und Pioniergeist am Ende nichts genutzt, weil man zwar genial, aber leider nicht vollkommen war. Besser etwas konservativer konstruieren, aber dafür ein sicheres Produkt anbieten. Lieber nicht der Star auf der Luftfahrtschau sein, aber dafür das Flugzeug tausendfach und jahrzehntelang verkaufen. Gut gemeint und gut sind leider nicht das selbe.

 

Frei nach dem Motto, „we are not the ones who jump first“.

 

Unfälle und Fehlentwicklungen sind Teil unserer Evolution und menschlichen Handelns. Insofern hat die Risikobereitschaft der Comet-Entwickler unsere heutigen Flugzeuge sowie sämtliche mechanisch belasteten Konstruktionen sicherer gemacht. Bei der heutigen kurzweiligen Konsummentalität geht dieser Umstand immer gerne verloren. Innovation entsteht durch betreten von „Neuland“ und nicht mit dem „aufpeppen“ von Bestehendem. Das dabei Risiken in Kauf genommen werden müssen, versteht sich von selbst.

 

Wie sagte doch Wilbur Wright:

 

„If you are looking for perfect safety, you will do well to sit on the fence and watch the birds“

 

 

...Besser etwas konservativer konstruieren...

 

Hätte den Jungs bei deHavilland wenig genutzt, da das Prinzip des unterkritischen Risswachstums erstens trotzdem nicht zum Tragen gekommen wäre (weil damals noch nicht hinreichend bekannt und vermittelt) und zweitens die Flugzeuge zu einem späteren Zeitpunkt sowieso aus dem Himmel gefallen wären...

 

 

Happy Contrails

 

 

Philip

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Philp, Danke für die Aufdröselung und Korrektur der Details. An den generellen Konsequenzen ändert das meiner Meinung nach aber wenig. Du schriebst:

 

"Unfälle und Fehlentwicklungen sind Teil unserer Evolution und menschlichen Handelns. Insofern hat die Risikobereitschaft der Comet-Entwickler unsere heutigen Flugzeuge sowie sämtliche mechanisch belasteten Konstruktionen sicherer gemacht. Bei der heutigen kurzweiligen Konsummentalität geht dieser Umstand immer gerne verloren. Innovation entsteht durch betreten von „Neuland“ und nicht mit dem „aufpeppen“ von Bestehendem. Das dabei Risiken in Kauf genommen werden müssen, versteht sich von selbst."

 

Volle Zustimmung, bleibt nur die Frage: WER trägt die Risiken? Im Falle der Comet waren das nicht wenige unbeteiligte Paxe sowie die ganze britische Luftfahrtindustrie, die sich von dem Desaster nie wieder erholt hat.

 

Nach den Vorfällen wurden ja Druckwechseltests im Wassertank durchgeführt, die das schlechte Verhalten der Legierung schliesslich klar gezeit haben. Warum gab's die nicht VOR der Einführung eines derart innovativen Designs? Bei der Concorde ging's ja augenscheinlich. Ok, die üblichen finanziellen Gründe...

 

Du hast natürlich Recht: Ohne Risiken gibt es keine Innovation. Wer die trägt, kann aber gewählt werden: Die Tu-144 flog keineswegs gleich Paxe, sondern ging in den Frachtdienst (und blieb da). Wär' sowas nicht auch eine Strategie bei der Einführung der Comet gewesen? Risiko: Ok. Zuviele Risiken auf einmal: Nein danke.

 

Und auch Wright verkündet ja nicht nur Wahrheiten: Es kann SEHR nützlich sein, am Zaun zu stehen uns ganz lange die Vögel zu beobachten, manchmal lernt man was von ihnen.

 

Nicht ganz offtopic: Ich habe gehört, die ETH habe bei Untersuchungen an Legierungen für Alu-Karabiner festgestellt, dass deren Bruchfestigkeit auch bei einzelnen sehr kurzen Lastspitzen (Schocklasten), verglichen mit den statischen Werten, radikal abnimmt, nicht nur bei zyklischer Belastung. Weisst Du was darüber? Ich möchte ja den Grenzangaben für die Belastung von +4G/-2G bei "meinem" UL vertrauen, aber manchmal gibt's je nach Turbulenz schon ziemlich heftige "Knaller" in die Struktur...

 

Viele Grüsse

Peter

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Mit Verlaub, diese Aussage ist auch falsch. Also, die Briten verwendeten für den betroffenen Designbereich eine Legierung, die der hochfesten amerikanischen 7075 Aluminium-Legierung (Al-Zn-Mg-Cu) ähnlich war (...übrigens von Alcoa 1943 eingeführt...). Boeing hatte für ihre 707 die hinsichtlich ihrer Bruchzähigkeit und Ermüdungsfestigkeit wesentlich bessere 2024-Legierung (Al-Cu-Mg) ausgewählt (..von Alcoa 1931 eingeführt...). Die 7075-Legierung hat zwar höhere Streckgrenzen und Zugfestigkeiten, jedoch eine geringere Ermüdungsfestigkeit und Bruchzähigkeit.

Klare Zustimmung, 7075 hat höhere Streckgrenze aber geringere Bruchzähigkeit als 2024, aber erstens sind die Britischen Legierungen nicht direkt vergleichbar, ausserdem waren auch die amerikanischen 24S-T und 75S-T nicht identisch mit den heutigen 2024 und 7075, und ausserdem wurden damals noch andere Wärmebehandlungszustände verwendet. (2024-T3 oder -T4, nicht -T351 und 7075-T6 nicht -T73XX). Wenn du mal im Mil-Hdbk-5H oder im ARMMPDS-1 nachguckst, dann ist z.B. die Ermüdungsspannung für plattierte Bleche mit Kerbfaktor 4 und rein schwellender Last (für eine Druckkabine wohl representativ) bei 10^5 Zyklen (ein realistisches Flugzeugleben) für 2024-T3 12KSI, für 7075-T6 aber 15KSI, also hat 7075 hier 25% höhere Ermüdungsspannungen. Heute wissen wir alle, das dies nicht bedeutet, dass 7075 25% bessere Materialermüdungseigenschaften hat als 2024. Im Gegenteil, überall wo Ermüdung ein Thema ist wird das 2024 noch heute gerne eingesetzt, 75 Jahre nach seiner Entwicklung. Für Fensterrahmen hingegen wird heute eher eine 7000er Legierung benutzt, als eine 2000er, da diese bei großen Wandstärken (Frästeile, Schmiedestücke) bessere Wärmebehandlung ermöglicht. Dickes 2024 ist ein wirklich schlechtes Material, insbesondere vom Korrosionsstandpunkt her. Bei dünnen Blechen ist es optimal.

 

Bezüglich "fatigue" bzw. der Ermüdungsphase war ich bisher immer von der Theorie der Schadensakkumulation nach Palmgreen/Miner ausgegangen, und die geht eigentlich nicht davon aus, das bereits ein Riss existiert. Die ganzen s-N Kurven gehen doch davon aus, dass kein Riss wächst, sondern das Werkstück spröde bricht.

Wenn ich auf Basis der s-N-Kurven (als parametrisierte Weibull-Kurven) eine Lebensdauerrechnung unter Benutzung eines Lastspektrums mache, dann kommt für das 7075 die höhere Lebensdauer raus.

Wenn es einmal einen Riss gibt, dann sind wir wissenschaftlich bei der "fracture Mechanic" und im heutigen Sprachgebrauch in der Luftfahrt in der "Damage Tolerance" Phase.

 

Inzwischen geht man allerdings davon aus, dass schon bei der Herstellung kleinste Fehler im Material zurückbleiben, und diese dann über das Flugzeugleben wachsen. Dieses "initial flaw concept" wurde zuerst vom Militär eingeführt, und ist inzwischen auch in der Zivilluftfahrt bei Neuentwicklungen üblich. Es wird heute also praktisch nur noch Bruchmechanik, aber keine reine Materialermüdung mehr berechnet.

Da bei der Comet die Risse von den gestanzten (nicht gebohrten!) Nietlöchern ausgegangen sind, kann man fast sicher von der Existenz von Microrissen in der Fertigung ausgehen. Daher wäre auch damals das "initial flaw concept" angebracht gewesen, gerade bei dem verwendeten Material mit den schlechten Rißfortschritteigenschaften.

 

Nach den Vorfällen wurden ja Druckwechseltests im Wassertank durchgeführt, die das schlechte Verhalten der Legierung schliesslich klar gezeit haben. Warum gab's die nicht VOR der Einführung eines derart innovativen Designs?
Wie gesagt, die Tests im Wassertank gab es ja schon vorher, allerdings nur an Rumpfsektionen, nicht am ganzen Flugzeug. Da das ganze Flugzeug im Tank in einem Bereich weit weg von den Flügeln zuerst versagt hat, war die Idee nur Sektionen zu testen sogar 100% richtig, der Vollflugzeugversuch hat keine weiteren Erkenntnisse gebracht. Nur war das ganze Flugzeug im Wassertank eben ein "echtes" Flugzeug aus dem Serienbau (das vorher auch schon geflogen ist), die getesteten Rumpfsegmente stammten noch aus einem etwas anderen Design, und vor allem hat man sie vor dem Lebensdauertest erstmal statisch überlastet, das war das Problem.

 

Fortschritt vollzieht sich viel einfacher als Folge von kleinen Schritten, nicht als der große Sprung. Die Wrights haben auch erst Modellflugzeuge, dann manntragende Gleitflugzeuge und schließlich ein Motorflugzeug gebaut. Die Amerikaner haben nach Kenedy´s Startschuß nicht gleich Astronauten in einer Saturn 5 zum Mond geschickt, sondern erstmal mit dem Mercury und Gemini Programm sich langsam vorgetastet. Erstmal reine Umlaufbahnflüge, dann Rendevousmanöver, Aussenbordeinsätze, Mondumrundung und erst nach vielen Schritten die eigentliche Landung (vermutlich, siehe den anderen Thread :005:). Boeing hat sich auch vorsichtiger an die 707 rangetastet (über den Umweg des Bombers B47), als de Havilland an die Comet. (Interessanterweise ist der Eckradius der 707-Fenster übrigens gar nicht viel größer als der der Comet).

 

Gruß

Ralf

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Nun, wenn ich als Laie dies richtig sehe, wurden eigentlich zwei wesentliche Fehler gemacht:

 

Das gleiche Rumpfsegment welches mit einem Ueberdruck erprobt wurde, verwendete man anschliessend für die Ermüdungsversuche. Dass dies nicht statthaft war, konnte man damals nicht wissen und es ist nach meinen Kenntnissen auch nicht klar, ob man ohne den vorherigen Versuch mit Ueberdruck zu einem anderen Ergebnis gekommen wäre. Hätte das Rumpfsegment ohne die fatale nachträgliche Konstruktionänderung den Tests nicht auch so standgehalten?

 

Wesentlich scheint doch der andere Fehler gewesen zu sein. Man änderte die Konstruktion der Fenster von verklebten auf genietet Rahmen und stanzte dann erst noch die Löcher. Da stellt sich die Frage, ob ohne diese Konstruktionsänderung die Unfälle auch passiert wären. Es erstaunt ein wenig, dass man die Versuche nach der Konstruktionsänderung nicht nochmals wiederholte.

 

Zweifel habe ich an den Aeusserungen Boeing habe sich eben langsam an die 707 herangetastet. Ein Bomber bringt doch gerade in Bezug auf die grosse Druckkabine, welche doch das Porblem darstellte, nichts an Erfahrung. Alle anderen Hersteller konnten jedoch von den Erfahrungen der Comet profitieren. Die Erkenntnisse standen allen zur Verfügung.

 

Gar nicht herangetastet hat man sich beim Mondflug. Da wurde ein riesiger Sprung zur Saturn 5 vollzogen. Als der Russe Leonov sein Raumschiff verliess änderte man flugs den Flugplan der nächsten Geminimission und liess den Astronauten White auch aussteigen, obwohl ursprünglich nur ein Oeffnen der Luke und ein Aufstehen des Astronauten vorgesehen war. Die erste bemannte Mondumrundung wurde auch sehr früh schon beim dritten Testflug der Rakete durchgeführt, nur weil die Sowjetunion sich offensichtlich auf eine Mondumrundung vorbereitete. Kosmonaut Leonov: "Wir waren bereit, nur die Politik wollte nicht." Astronaut Bormann: "Es war eine Schlacht im kalten Krieg." Bei der Entwicklung der Apollokapsel gab es auch einen grauenhaften Fehler wie die Kapsel bei Atmosphärendruck mit reinem Sauerstoff zu füllen, was drei Astronauten das Leben kostete.

 

Ein Erfolg der Comet hätte bestimmt die britische Luftfahrtindustrie stark gefördert. Nur war der Niedergang wohl auch auf viele andere Fehlentscheidungen zurückzuführen. So wurde nach dem 2. Weltkrieg die Ueberschallforschung drastisch reduziert. Dem fiel z.B. das Forschungsflugzeug Miles M.52 (siehe: http://de.wikipedia.org/wiki/Miles_M.52) zum Opfer. Daneben wurde mit der Saro Princess noch ein riesiges Flugboot entwickelt. Die Britannia erschien, als sich das Jet-Zeitalter schon abzeichnete. Einzig die Viscount war zu ihrer Zeit sehr erfolgreich. Die Trident und VC10 wurden wohl zu sehr nur auf die Bedürfnisse der BEA resp. BOAC zugeschnitten (bei der VC10 Landungen auf hochgelegenen Flugplätzen ind warmen Regionen) um erfolgreich zu sein. Auch bei Airbus spielen die Briten keine entscheidende Rolle. Wohl eine Folge der britischen Politik.

 

Gruss

Ernst

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Bei der Entwicklung der Apollokapsel gab es auch einen grauenhaften Fehler wie die Kapsel bei Atmosphärendruck mit reinem Sauerstoff zu füllen, was drei Astronauten das Leben kostete.
Nicht ganz. Auch hier hat man ein ähnlichen Fehler gemacht wie bei der Comet, man hat um Geld (und Zeit) zu sparen zwei Tests auf einmal mit der selben Kapsel gefahren. Den Überdrucktest (eben wegen der reinen Sauerstoffatmosphäre konnte man mit geringerem Kabinendruck arbeiten, daher war es ungefährlich den Überdrucktest mit Astronauten an Bord zu machen) und eine Startsimulation. Die Kombination aus 100% Sauerstoff, Überdruck und Astronauten an Bord war unverantwortlicher Blödsinn, aber schon im Mercury und Gemini Programm gutgegangen. Die Russen haben übrigens eine "künstliche Atmosphäre" mit Stickstoff und Sauerstoff in ihren Raumschiffen, daher fliegen sie mit mehr Kapseldruck und einem sehr komplizierten Lebenserhaltungssystem. Relevant für die Astronauten ist nur der Sauerstoffpartialdruck, daher kann man bei 100% Sauerstoff und 0.2 bar Kabinendruck genausogut leben, wie bei 20% Sauerstoff und 1 bar.

 

Hätte das Rumpfsegment ohne die fatale nachträgliche Konstruktionänderung den Tests nicht auch so standgehalten?
Sehr sicher hätte auch ein Rumpfsegment mit genieteten Fensterrahmen im Versuch sehr viel mehr gehalten als die 1200-1300 Cycles der Unfälle, wenn man sie denn zuerst mit 250% vorgereckt und dann auf Lebensdauer getestet hätte. Man hat den Versuch mit den geklebten Fensterrahmen ja nach 16.000 Cycles ohne Versagen abgebrochen, daher kennt man dessen Lebensdauer nichteinmal. Kann gut sein, dass auch der mit genietetn Rahmen 16.000 gehalten hätte, vieleicht auch nur 10.000, aber definitiv viel mehr als der ungereckte Rumpf im Linienbetrieb. Man hätte Vermutlich lediglich eine geringere Lebensdauer definiert, und die Unfälle wären genauso passiert. Vielleicht hätte man es bereits nach dem ersten besser verstanden, und gezielt nach Materialermüdung geforscht.

 

Einzig die Viscount war zu ihrer Zeit sehr erfolgreich
Nicht zu vergessen die BAC 1-11, die ist bisher das meistgebaute britische Verkehrsflugzeug, und vor allem wegen ihrer lauten Triebwerke verschwunden. Verglichen mit dem Konkurrenzmodell Lockheed Electra war auch die Bristol Britannia nicht so erfolglos, es war eben einfach das "Jet Zeitalter" angesagt, das war Zeitgeist und nicht rationell begründbar. Wäre die Ölkrise 10 Jahre früher gekommen, wären die Turboprops weggegangen wie warme Semmeln. Die Briten waren schon immer gut darin, etwas ausserhalb des konventionellen zu denken, und extrem gut darin ein anfänglich schwaches Produkt zu einem sehr guten hinzumodifizieren, leider sind sie bezüglich Timing und Marketing nicht so genial gewesen.

Ich finde immer noch die Bristol Flugmotoren beeinduckend. Der Bristol Hercules Doppelsternmotor hat dank seiner fehlenden Ventile mit seiner Hülsenschiebersteuerung im Vergleich zum Wright Whirlwind knapp 2000 (!!!) Teile weniger, die höhere TBO, die deutlich höhere Zuverlässigkeit, war thermisch viel stabiler (keine Probleme im Steigflug, kein Aufwand mit den Cowlflaps nötig) konnte höher aufgeladen werden (größere Gipfelhöhe) oder braucht nicht so hochoktanigen Sprit. Was für einen kommerziellen Erfolg fehlte, war eine populäre britische Zelle, an die man das Triebwerk hätte schrauben können. Und eine amerikanische Firma hätte nie britische Triebwerke verbaut. So bleib ausser auf der Noratlas diesem Motor kein Erfolg ausserhalb des Comonwealth beschieden.

 

Gruß

Ralf

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Nicht ganz. Auch hier hat man ein ähnlichen Fehler gemacht wie bei der Comet, man hat um Geld (und Zeit) zu sparen zwei Tests auf einmal mit der selben Kapsel gefahren. Den Überdrucktest (eben wegen der reinen Sauerstoffatmosphäre konnte man mit geringerem Kabinendruck arbeiten, daher war es ungefährlich den Überdrucktest mit Astronauten an Bord zu machen) und eine Startsimulation. Die Kombination aus 100% Sauerstoff, Überdruck und Astronauten an Bord war unverantwortlicher Blödsinn, aber schon im Mercury und Gemini Programm gutgegangen. Die Russen haben übrigens eine "künstliche Atmosphäre" mit Stickstoff und Sauerstoff in ihren Raumschiffen, daher fliegen sie mit mehr Kapseldruck und einem sehr komplizierten Lebenserhaltungssystem. Relevant für die Astronauten ist nur der Sauerstoffpartialdruck, daher kann man bei 100% Sauerstoff und 0.2 bar Kabinendruck genausogut leben, wie bei 20% Sauerstoff und 1 bar.

 

Da muss ich widersprechen. Ich hörte nie etwas von einem Ueberdrucktest (habe allerdings auch jetzt nicht mehr nachgeforscht). Es geht hier um den normalen Druck in der Startphase. Die Amerikaner verwendeten hier bis zum Unfall mit Apollo eine reine Sauerstoffatmosphäre d.h. der Partialdruck des Sauerstoffes beträgt dann eben diesen Druck der Erdatmosphäre in etwa Meereshöhe oder rund 1 bar. Dies ist kein Ueberdruck sondern der Druck welcher eben auf der Erde herrscht. Sonst müsste man in der Kapsel für den Start ein Teilvakuum erzeugen, um den kleineren Sauerstoffpartialdruck zu erhalten. Befindet sich das Raumschiff einmal in Erdumlaufbahn, dann kann der Kabinendruck abgesenkt werden und die reine Sauerstoffatmosphäre ist dann kein Problem mehr. Genau dies tat man dann auch. Beim Start verwendete man dann keine reine Suerstoffatmosphäre mehr und ersetzte diese dann sukzessive um dann in Umlaufbahn eine reine Sauerstoffatmosphäre zu erhalten. Bei unserem normalen Druck auf der Erde ist eine reine Sauerstoffatmosphäre sehr gefährlich. Man staunt, dass dies nicht schon viel früher zu einem Unfall führte.

 

Die Russen verwenden die normale Atmosphäre, welche ja wesentlich ein Gemisch aus Stick- und Sauerstoff ist. Dies bedingt dann auch wie du richtig sagst einen höheren Druck in der Kapsel. Meines Wissens hatten die Russen auch einen tödlichen Unfall bei Experimenten mit einer reinen Sauerstoffatmosphäre. Ob sie daher letztlich darauf verzichteten?

 

Meines Wissen wurden von der Viscount mit rund 450 Exemplaren gegenüber der BAC 1-11 mit rund 250 Exemplaren weit mehr Exemplare verkauft. Dies dann erst noch in einer Zeit in der generell weniger Flugzeuge gebaut wurden. Zugegebenermassen war die BAC 1-11 das erfolgreichste britische Strahlflugzeug. Siehe : http://en.wikipedia.org/wiki/BAC_1-11 und

http://en.wikipedia.org/wiki/Vickers_Viscount. Die BAC 1-11 kann auf jeden Fall nicht an die DC 9 oder Boeing Modell heran. Ob dies am Lärm der Spey Treibwerke lag, möchte ich nicht beurteilen, höre ich hier aber zum ersten Mal. Allerdings wurden auch von der Caravelle auch nicht mehr Exemplare verkauft. Generell war es für einen europäischen Hersteller offensichtlich sehr schwierig Flugzeuge in den USA zu verkaufen.

 

Auf militärischem Sektor dürfte die Hunter die grösste Exporterfolge erzielt haben (neben Vampire und Venom). Auf jeden Fall waren die Briten auf diesem Gebiet einmal sehr erfolgreich.

 

Gruss

Ernst Dietikon

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Ralf

 

Referenz-Tabellen aus MIL-HDBKs etc. sind leider kein Ersatz für ein unterentwickeltes Verständnis zwischen Legierungsdesign, Erstarrungsvorgängen, Gefügestruktur, Risswachstumsmechanismen und den daraus resultierenden makroskopisch mechanischen Eigenschaften. Und da ist es nun einmal so, dass Aluminum-Zink-Magnesium-Kupfer-Legierungen, egal welcher Nomenklatur und Seite des Atlantiks sie entsprungen sind, als hochfeste Legierungen mit entsprechend reduzierter Bruchdehnung und Bruchzähigkeit entwickelt wurden. Als Konstrukteur sollte Dir sicher auch bekannt sein, dass bei aushärtbaren Legierungen zwischen der Zugfestigkeit und der Wechselfestigkeit (...nur um einmal eine werkstofftechnisch korrekte Nomenklatur zu verwenden...) bis etwa 300 MPa ein linearer Zusammenhang besteht. Bei weiterer Steigerung der Zugfestigkeit steigt die Wechselfestigkeit aber nicht mehr an, d.h. bei auf Ermüdung beanspruchten Konstruktionen genügen mittelfeste Legierungen vollauf.

 

Grundsätzlich ist es aber auch so, dass von der konstruktiven Seite her (Lage von Schweissnähten, Nieten, Kerben usw.) das Ermüdungsverhalten einer Konstruktion wesentlich mehr beeinflusst werden kann als durch legierungstechnische Massnahmen alleine.

 

Es liegt mir eigentlich fern, werkstoffkundlichen Nachhilfeunterricht im Zusammenhang mit Ermüdung und Bruchmechanik zu geben, aber die wiederholt unqualifizierten Aussagen Deinerseits verlangen eine Korrektur.

 

Aufgrund Deiner Aussagen gehe ich einmal davon aus, dass Du selbst weder eine Wöhlerkurve bzw. S-N-Kurve noch bruchmechanische Messungen zur Ermittlung der Risswachstumsverhaltens in der Praxis durchgeführt hast.

Es ist nun einmal Tatsache, dass das Phänomen der Ermüdung bzw. das mechanische Versagen durch Ermüdungsbeanspruchung durch drei verschiedene, aufeinanderfolgende Riss-Phasen gekennzeichnet ist. In einer ersten Phase erfolgt die Initiierung eines „messbaren“ Risses aus einer Vielzahl von existierenden Fehlstellen im Mikrogefüge wie z.B. sog. Versetzungen, die zur Bildung von sog. Gleitbändern und nachfolgenden Mikrorissen führen etc.. (engl. „crack nucleation“), gefolgt von einer mehr oder weniger , je nach Werkstofftyp, unterkritischen, stabilen Risswachstumsphase ( engl. „subcritical stage I and stage II crack growth“) und schlussendlich beim Erreichen der kritischen Risslänge zum überkritischen Risswachstum bzw. zum Bruch (engl. „critical crack growth and ultimate ductile failure“).

 

 

Bezüglich "fatigue" bzw. der Ermüdungsphase war ich bisher immer von der Theorie der Schadensakkumulation nach Palmgreen/Miner ausgegangen, und die geht eigentlich nicht davon aus, das bereits ein Riss existiert.

 

Soso, dann erklär uns doch einmal, was in der Phase der „Schadensakkumulation“ so im Mikrogefüge eines Werkstoffs abgeht ? Abgesehen davon vernachlässigt die lineare Schadenshypothese von Palmgreen-Miner das generell probabilistische Verhalten von Ermüdungskennwerten. Übrigens immer noch ein Problem beim grosstechnischen Einsatz von keramischen Werkstoffen in grösseren Bauteilen...

 

Die ganzen s-N Kurven gehen doch davon aus, dass kein Riss wächst, sondern das Werkstück spröde bricht.

 

Wöhlerkurven sind Extrakte von „Coupon“ bzw. z.T. auch Bauteil-Messungen des entsprechenden Werkstoffs. Gemäss Deiner Aussage müssten also alle Werkstoffe im Wöhlerversuch ohne messbare Veränderungen im Gefüge bei allen geprüften Spannungsniveaus urplötzlich einen Riss der kritischen Länge haben und Brechen. Wie Bitte soll so etwas denn ablaufen ?

 

 

Wenn es einmal einen Riss gibt, dann sind wir wissenschaftlich bei der "fracture Mechanic" und im heutigen Sprachgebrauch in der Luftfahrt in der "Damage Tolerance" Phase.

 

No comment...

 

Ich lese Deine Kommentare immer gerne aufmerksam durch und schätze Deine offensichtliche Kompetenz im Bereich der Luft- und Raumfahrt. Eine fundierte werkstoffkundliche Wissensbasis scheint aber nicht vorhanden zu sein. Insbesondere in Detail- und Verständnisfragen behauptest Du Dinge, die einfach nicht der Wahrheit entsprechen.

 

 

Happy Contrails

 

 

Philip

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Hallo Phillip,

 

Hochachtung vor so viel detailliertem Werkstoffwissen. Da werde ich zugegeben ganz neidisch. Es gibt aber große Unterschiede zwischen einem Werkstofflabor und einem Flugzeug, und somit zwischen "theoretischen" und "praktischen" Werstoffeigenschaften. Ich wäre überglücklich wenn ich am Flugzeug (oder im Lebensdauerversuch) die Möglichkeit hätte "Fehlstellen im Mikrogefüge wie z.B. sog. Versetzungen, die zur Bildung von sog. Gleitbändern und nachfolgenden Mikrorissen führen" finden zu können. Aber mit den mir am realen Bauteil zur Verfügung stehenden zerstörungsfreien Prüfmethoden (Wirbelstrom, Ultraschall, ggfs. auch Röntgen oder Farbeindringverfahren) kann ich nur Risse einer bestimmten Mindestgröße finden, und daher ist für mich die Phase im Bereich der Rissentstehung ein nur rechnerisch erfassbares Phänomen.

 

Ich kann gut nachvollziehen, das du so manche "Weisheiten" eines Flugzeugbauers als werstofftechnischen Unsinn verstehst. Es geht mir als Flugzeugbauingenieur genauso, wenn ich mir angucke was Piloten so alles beigebracht (und in der theoretischen Prüfung im Fach "Technik" abgefragt wird), bei dem ich mich auch sehr zusammenreissen muß, um es noch als "vereinfachte Wahrheit" und nicht als haarsträubenden Unsinn akzeptieren zu können. Ich sauge daher jede Richtigstellung deinerseits mit vollem Interesse auf.

 

Hinzu kommt, dass (wie du richtig sagts) die Streuung der Kennwerte und die ungenaue Kenntniss über die tatsächlich höchste Spannung im Bauteil (auch hier wieder: im Labor kann ich eine hinreichend genaue FE-Rechnung machen, in der Praxis ist dies für ein ganzes Flugzeug schlichtweg unmöglich) auch durch die Toleranzen bei der Fertigung, nur eine sehr unzuverlässige Berechnung der Phase bis zur Entstehung eines detektierbaren Risses erlaubt. Wir arbeiten hier mit Streufaktoren ("Scatter Factors") von mindestens 3.5 und z.T. von über 10. (Ein echter Werkstofspezialist wird das wohl zu Recht mehr als "raten", denn als "berechnen" bezeichnen...) Daher liegt heutzutage (zu Recht) der Schwerpunkt der Ermüdungsberechnung und des Ermüdungsnachweises auf der Bruchmechanik, bei uns der "Damage Tolerance" Phase. Die Vorhersage des Rißfortschritts gelingt deutlich genauer, als die Vorhersage der Rissinitiierung. Ausserdem kann man konstruktiv wesentlich besser den Rissfortschritt beeinflussen, als die Rissentstehung. Bei der Comet wusste man das noch nicht, und hat dann den Preis dafür bezahlt.

Und ganz ohne jede Frage sind die Aluminium-Kupfer-Legierungen beim Rissfortschritt den Aluminium-Zink-Magnesium-Kupfer-Legierungen weit überlegen (ich wünschte ich würde nicht nur wissen das, sondern auch verstehen warum das so ist).

 

Da muss ich widersprechen. Ich hörte nie etwas von einem Ueberdrucktest (habe allerdings auch jetzt nicht mehr nachgeforscht). Es geht hier um den normalen Druck in der Startphase. Die Amerikaner verwendeten hier bis zum Unfall mit Apollo eine reine Sauerstoffatmosphäre d.h. der Partialdruck des Sauerstoffes beträgt dann eben diesen Druck der Erdatmosphäre in etwa Meereshöhe oder rund 1 bar.
Also soweit ich weiss, sind die Apollo-Kapseln mit 0.3 bar Kabinendruck bei 100% Sauerstoff ausgelegt. Während der Startphase wird solange Kapseldruck abgeblasen, bis diese 0.3 bar (in wohl so um die 10.000 Meter Höhe) erreicht sind. Früher wurde dafür vom Start weg 100% Sauerstoff benutzt, heute wird mit einer "Umgebungsluftatmosphäre" gestartet und während des Aufstiegs auf 100% Sauerstoff umgesteuert. Für den Überdrucktest wurde die Kapsel auf ungefähr 0.5 bar (0.3 + Sicherheit, in PSI ein gerader Wert...) aufgeblasen, also herrschte ein Sauerstoffpartialdruck von 1.5 bar absolut. In einer deratigen Atmosphäre ist so ziemlich jeder sonst als flammehemmend eingestufte Werkstoff (z.B. der Kunststoff der Schaltergehäuse) brennbar. Da reicht ein kleiner Funke beim Umlegen eines Schalters und es brennt. Der Test an sich war strukturseitig "harmloser" als das, was man damals bei Flugzeugen mit Druckkabine routinemäßig auch gemacht hat (bei jedem Flugzeug als Teil der Auslieferungsinspektion, im Zulassungsversuch wurde das doppelte getestet), daher hatte keiner der Strukturingenieure größere Kopfschmerzen damit. Über die 100% Sauerstoff haben die sich keine Gedanken gemacht.

Dank des "Freedom of Information Act" dürfte der damalige Unfallbericht ja irgendwo verfügbar sein, ich begebe mich mal auf die Suche...

 

Gruß

Ralf

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