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01.06.2009 | Air France A330-200 | Atlantik | Absturz aus Reiseflug


Empfohlene Beiträge

Geschrieben
Aber hier ging es doch um die Analyse von Situationen, an die niemand beim Entwurf des Flugzeuges gedacht hat. Folglich hat sich auch kein Pilot für diese Situation Reflexe antrainieren können.

 

Dieser Satz umfasst so ziemlich alles was hier diskutiert wird. Sehr gelungen!

 

1. Er zeigt, dass Flugzeuge, und heute noch viel präziser die Automatik, auch von Menschen hergestellt/programmiert wird. Errate humanum est, gilt auch hier.

 

2. Die Feststellung, dass niemals an jede Situation gedacht werden kann beinhaltet, dass man nicht jede Situation mit Automatik abdecken kann.

 

3. Man kann demzufolge nicht trainieren was nicht vorhersehbar ist.

 

4. Den Verlust von elementaren aerodynamischen, nicht-automatischen Dingen wie Auftrieb, Vortrieb und deren Anzeigen gibt es seitdem wir fliegen gelernt haben. Dabei haben wir sofort auch gelernt uns aus solchen Situationen herauszufinden. Das ist vorhersehbar.

 

5. Aus oben zu schliessen wäre somit, dass die fortwährende Manie der Automatisierung uns kaum weiter bringt, als wenn wir Flugzeuge herstellten, die ein "Back to Basics" sehr einfach erlauben. Damit können wir den Trainingsyllabus wieder dorthin bringen wo er gehört und in schöner Symbiose mit der dominierteren Automatik die Sicherheit erhöhen.

 

 

Ich erwarte nun die abgegriffenen Erwiderungen von 'früher sind sie auch abgestürzt', 'die Statistik verbessert sich fortlaufend', sowie 'auch bei Boeing blah, blah blah' usw.

 

Ich hatte nie etwas gegen Automatik, solange sie richtig funktionierte, sie mir diente, situationsangepasst war und solange ich sie brauchen "durfte" und nicht "musste", solange ich sie jederzeit "ausschalten" konnte und ihr nicht "ausgeliefert" war.

 

Diese skeptische Haltung entspring grösstenteils der Tatsache dass die Automatik eben allzu oft nicht so funktioniert wie die gutmeinenden Ingenieure dies eigentlich wollten. CAD ist leider nicht Everyday.

 

Beispiel: Heute baut man uns das RAAS (runway awareness) und SMART System ein (smart runway and landing system, both EGPWS features). Es soll uns vor Einbiegen in aktiven Pisten, sowie vor unstabilisierten Anflügen/Landungen und zu kurzen Pisten warnen. Eine grelle Frauenstimme die uns von hinten anschreit.

Was wir bis jetzt erleben, ist dass sie bei gewissen Flughäfen beim Starten uns vor dem Kreuzen einer anderen Piste warnen. Dies ist nicht nur unnötig sondern gefährlich bei +100km/h. Dann bellt sie uns in Narita auf der 34L bei 300 Fuss an, die Piste sei zu kurz, obschon die Berechnung uns sogar mit halber Bremse landen lässt. Es gibt viel zuviele Falschwarnungen.

Die einzige Lösung bis heute ist aber nur eines der zig-tausend und geliebten Bulletins die uns sagen, dass es eben vorkommen kann, dass das System uns falsche Warnungen gibt und dass wir dies doch geflissentlich vorher Briefen sollten! Plötzlich ist der Pilot allwissender als die Automatik, äusserst bequem, vor allem vor dem Richter: "Wir haben es ihnen ja gesagt ....".

Genau dies ist aber fatal. Es gibt den Effekt des Negativtrainings, wir hören uns immer wieder sagen “disregard”. Wenn es dann einen Unfall gibt, so kratzen sich die Experten später am Kopf und fragen sich wieso die Crew nicht reagiert hat, bei dieser Warnung? Es wird leider viel zu oft das Problem am Schwanz aufgezäumt. Denn es ist eben wesentlich billiger den Piloten tausende von Fehlkonstruktionen per Bulletin zu melden und sie aufzufordern dies doch zu berücksichtigen wenn so eine Warnung vielleicht mal auftritt, als das Problem zu beseitigen. Airbus ist da der grössere Sünder, denn sogar einige elektronische Checklisten/Hilfen von groben Vorfällen sollen nicht gebraucht werden, und dies schon seit Beginn (Bsp. Double engine flame out on the 330: do not use ECAM).

Wenn schon Automatik, dann solche die einwandfrei funktioniert und nicht solche die uns zuviel Ausnahmen auswendig lernen lassen, notabene aufzurufen unter grösstem Stress. Da einwandreie Funktion wahrscheinlich Wunschdenken bleibt, so bleibe man bei einer gesunden Skepsis ihr gegenüber und baue sie nur dementsprechend ein.

 

Bei alledem vergesse man nicht den Piloten richtig auszubilden und ihm genügend Zeit gibt Erfahrung aufzubauen.

Die Chancen einen Unfall zu verhindern werden dabei auch steigen.

 

 

Früher waren die Flugzeuge nicht besser.

 

Früher war die Fliegerei auch nicht sicherer.

 

Aber früher waren die Piloten definitiv besser ausgebildet.

 

Oder sagen wir es mal so: Sie waren gleich gut, aber man hatte sie nicht so kurz und billig ausgebildet.

Geschrieben
(Bsp. Double engine flame out on the 330: do not use ECAM).

 

echt? War das früher so? Bei uns sagen sie das nicht. Im FCTM (Flight Crew Training Manual) wird erwähnt, dass man primär die Papiercheckliste (QRH) benutzen soll, erst dann ECAM. Weil der Mensch besser entscheiden kann, ob der Flame Out mit oder ohne Fuel remaining passiert ist. Verboten ist es aber nicht. Im Gegenteil: Die ersten paar vitalen Items macht man elektronisch, dann führt einem das ECAM direkt zum richtigen Procedure: "ENG/FUEL PROC..... APPLY"

Geschrieben

Mal eine ganz simple und vielleicht dumme Frage:

Funktionieren bei Stresssituationen eigntlich die "Popometer" nicht mehr?

So merkt man doch sicher ob man in den Gurten hängt oder in den Sitz gedrückt wird?

Sorry wenn ich in dieser honorigen Runde solch eine laienhafte Frage stelle.

mfg Hubi

Geschrieben

Das ist das Geheimnis der IFR-Fliegerei: Traue nicht Deinen Gefühlen/Sinneseindrücken, sondern den Instrumenten. Ab einem gewissen Punkt hat dieses Flugzeug ausserdem nicht mehr stark genug beschleunigt, als dass man das als Mensch feststellen kann.

Geschrieben

Was täte das Flightforum ohne diesen AF-Unfall? Kein Aspekt, der im Rahmen von bald 2.500 Einträgen nicht schon x-fach durchgekaut wurde.

Lasst sie ruhen in Frieden!

:confused:

Geschrieben

Dani:

echt? War das früher so? Bei uns sagen sie das nicht.

 

Ich flog "nur" die 330. Da war dies so, wegen der Gemeinsamkeit mit der 340. (Du fliegst, glaube ich, "nur" die 340).

 

Soviel ich mich erinnern mag, war die Aktions-Reihenfolge:

OEB (Bulletin), ECAM, QRH, FCOM

Das OEB sagte man solle gleich zur QRH springen, da das ECAM einen verwirren könnte. Dann zurück zum ECAM machte keinen Sinn.

 

Nun ja, es ist einige Jahre her.

 

Heute fliege ich die T7 und da ist die Reihenfolge:

EICAS und basta!

 

Das ist meiner Meinung nach wie es sein sollte. Nicht dass ich behaupte Boeing sei gefeit von meiner allgemeinen Kritik der Automatik. Das obige Beispiel ist nur das flagranteste, da es eine richtig ernsthafte Emergency Checkliste betrifft, und soll zur Illustration herhalten, nicht A vs B.

Geschrieben

fliege seit kurzer Zeit auch die A330 und kann dir bestätigen, dass es nicht (mehr) so ist. Vielleicht war es auch nur bei Swissair so. Kann ich nicht sagen, da flog ich nur die A320.

Geschrieben

Ganz sicher wurde dem unglücklichen Piloten in Laufe seiner gesamten fliegerischen Ausbildung beigebracht, wie man einen Stall vermeidet und wie man ggf. damit umgeht. Und ich gehe fest davon aus, dass er das auch hätte erklären können, wenn man ihn danach gefragt hätte. Warum er nun diese Kenntnisse und Fertigkeiten im entscheidenden Moment nicht abrufen konnte, hat eine Ursache.

 

Den Piloten einfach als jämmerlicher Versager oder ähnlichem zu bezeichnen, und die Sache als einen bedauerlichen Einzelfall abzutun, entlastet eigentlich nur bequem von der Verpflichtung, zu hinterfragen und eventuell auch kostenintensive Maßnahmen zu ergreifen.

 

Es ist passiert und kann jederzeit, natürlich auch in einem anderen Zusammenhang, wieder passieren.

In diesem Fall haben nun die Anzeigen und Warnungen nicht dazu geführt, dass der Pilot gedanklich richtig „einrastet“ und ich denke, dass man hier noch etwas verbessern kann:

Wenn die Bordrechner an den vom Piloten gewählten flight modes von sich aus etwas ändert, dann sollte das den Piloten audiovisuell im Klartext übermittelt werden, vielleicht sogar mit einer Handlungsempfehlung. Um bei dem aktuellen Beispiel zu bleiben etwa so:

 

„unreliable airspeed, autopilot off, autothrust off, check pitch and power“

 

Natürlich kann die Flugzeugelektronik noch nicht so mit den Piloten kommunizieren, wie es ein Flugingenieur könnte. Aber ich denke, diesbezüglich gibt es noch Entwicklungsmöglichkeiten.

 

Gruß!

 

Hans

Geschrieben

Hans, super Beitrag! Bin mit dir einverstanden.

 

Ich glaube nicht, dass der unglückliche FO als Sündenbock dargestellt wird, der einfach gar nichts konnte. So agiert man nicht in der Luftfahrt. Jeder zieht aus diesem Fall seine Lehren. Jeder, der in einer stürmischen Nacht in den Crew bunk (Besatzungsbett) geht, überlegt sich, ob die anderen im Cockpit alles im Griff haben werden. Auch können wir davon ausgehen, dass das sinnlose Ziehen keine individuelle Eigenart von Air France Piloten war, sondern weit verbreitet, weil es noch andere Vorfälle gab.

 

Das andere Problem sprichst du auch an: Zu komplizierte Checklisten. Tatsächlich wird der Workload ganz schnell sehr gross bei solchen komplizierten Pannen. Die ECAM-/EICAS-Checklisten werden ellenlang, und man muss sehr diszpliniert arbeiten. Nicht immer einfach in der Panik.

 

Andererseits machst du es dir auch zu einfach, wenn du von einer Maschine erhoffst, dass sie dir die Lösung einfach so anbieten kann wie "Achtung, wir haben hier ein Problem mit der Geschwindigkeitsanzeige". Das ist nämlich keine Fehlermeldung, sondern bereits das Resultat deiner Analyse. Und für die Analyse ist der Mensch zuständig. Zahlreich sind die UAI-Unfälle, wo die Maschine eben falsch anzeigte, und die Crew blind dieser Anzeige vertraute. Es benötigt zwingend die geistige Mitarbeit der Piloten, um herauszufinden, was genau das Problem ist. Die Fehlermeldung ist "ADR disagree". Was der Grund dafür ist, das müssen die Piloten eben herausfinden. Und jeder gut trainierte Pilot sollte wissen, dass "ADR disagree" bedeutet, Pitch und Power zu fliegen. Erst danach sollte man sich auf die Analyse stürzen, und auch da nur ein Pilot aufs Mal. Einfach so fliegen wie früher. Sich nicht verrückt machen wegen vielen verschiedenen Warnungen. Panik ist nicht gefragt. Es braucht eine gewisse Unverfrorenheit. Aber nur so geht es.

 

Dani

Geschrieben
Was täte das Flightforum ohne diesen AF-Unfall? Kein Aspekt, der im Rahmen von bald 2.500 Einträgen nicht schon x-fach durchgekaut wurde.

Lasst sie ruhen in Frieden!

:confused:

 

Anscheinend besteht ja noch Diskussionsbedarf - ich selbst lese hier auch immernoch interessiert mit. Wenn du nicht mehr magst, lass den Thread doch einfach zu !?

 

 

Lg,

 

Pascal

Geschrieben
Ich glaube nicht, dass der unglückliche FO als Sündenbock dargestellt wird, der einfach gar nichts konnte. So agiert man nicht in der Luftfahrt. Jeder zieht aus diesem Fall seine Lehren. Jeder, der in einer stürmischen Nacht in den Crew bunk (Besatzungsbett) geht, überlegt sich, ob die anderen im Cockpit alles im Griff haben werden. Auch können wir davon ausgehen, dass das sinnlose Ziehen keine individuelle Eigenart von Air France Piloten war, sondern weit verbreitet, weil es noch andere Vorfälle gab.

 

Der FO hat mit grosser Sicherheit das getan was ihm irgendwann mal beigebracht wurde. Das war wie wir mit Bestimmtheit wissen das Falsche. Die Frage die NICHT vom Untersuchungsbericht beantwortet wird ist warum der FO so falsch instruiert wurde. Das waere wesentlich interessanter als der ganze Rest. Nur befuerchte ich dass es da zuviele Interessen gibt als das man das genauer anschauen wollte.

Geschrieben
...Der FO hat mit grosser Sicherheit das getan was ihm irgendwann mal beigebracht wurde. Das war wie wir mit Bestimmtheit wissen das Falsche...

 

Das leuchtet mir im Moment überhaupt nicht ein.

 

Falls der FO eine Segelflugausbildung hatte, dann verfügte er über gute Grundkenntnisse in der Handhabung eines Flugzeugs und wie wir alle wissen, diskutieren Piloten gerne stundenlang darüber, was man in bestimmten Situationen am besten macht. Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass dabei falsche Maßnahmen unentdeckt bleiben.

 

Jetzt mal ganz konkret, was an Blödsinn hat man ihm irgendwann mal beigebracht?

 

Gruß!

 

Hans

Geschrieben
Das leuchtet mir im Moment überhaupt nicht ein.
Mir auch nicht. Der Untersuchungsbericht sagt ziemlich deutlich, dass die Handlungen des PF absolut unverständlich sind und keinerlei Versuch zu erkennen ist den Flightpath zu stabilisieren.

Seite 175:

Following the autopilot disconnection, the PF very quickly applied nose-up sidestick inputs. The PF’s inputs may be classified as abrupt and excessive. The excessive amplitude of these inputs made them unsuitable and incompatible with the recommended aeroplane handling practices for high altitude flight.
Although the PF’s initial excessive nose-up reaction may thus be fairly easily understood, the same is not true for the persistence of this input, which generated a significant vertical flight path deviation.

[...]

At no time did the PF indicate his intentions or objectives with respect to the control and stabilisation of the flight path. Although the PF’s various roll inputs indicate his intention to keep the wings horizontal, it is not possible to determine what the PF’s target was in the longitudinal axis.

Dass der PF hier versucht hat irgendwelche antrainierten Dinge abzurufen ist meiner Meinung nach Wunschdenken. Er hatte Angst und wollte über das Wetter steigen, das wird im Bericht mehr als deutlich.
Geschrieben

 

Jetzt mal ganz konkret, was an Blödsinn hat man ihm irgendwann mal beigebracht?

 

 

Langsam, mit dem Noten verteilen...... Die Sequenz war: A/P disconnect, Startle-Effect (neudeutsch=Erschrecken) und instinktiv Ziehen am Stick und dann eine Blockade.

Man kann darüber nachdenken, warum diese Sequenz nicht durchbrochen wurde. Auch wenn am Anfang ein reflexartiges Fehlverhalten gestanden haben mag, ich vermute er, und whs. viele andere auch, konnten sich nicht vorstellen, dass ein hochentwickeltes und ausgefeiltes Flugzeug "aus dem Stand" in einen so lebensbedrohlichen Zustand kommt. Aus dem "Staunen" sind er und sein Kollege nicht mehr rausgekommen. Sie wähnten sich noch lange auf einer sicheren Seite und waren längst verloren...

Somit geht es nicht um Inhalte und Verfahren die irgendwann mal gelernt wurden, das war ja Gegenstand verschiedener Checks, die auch er bestanden hatte. Da ist eher die Frage, ob die vielleicht zu optimistisch vermittelte "falsche Sicherheit" des Systems "Airbus", die Antizipation der Bedrohung behindert hat. Ein Airbus ist in erster Linie erstmal ein Flugzeug, auch wenn der Name hier schon eine gewisse Gutmütigkeit vermuten lässt.

 

Dann noch, hat es Ablenkungen gegeben? Wir wissen auch praktisch nicht viel über die optischen und akustischen Bedingungen.

 

Der Bereich wird auch für immer spekulativ bleiben. Die letzte Spekulation die ich gehört habe, er hatte vielleicht eine Armbanduhr mit eingebautem GPS und war deshalb abgelenkt. Würde erklären warum er in "seiner Realität" nur Höhe und Geschwindigkeit antizipiert hat und keine Fluglage.

 

Gruss einstweilen

 

Bernhard (LSZH)

Geschrieben

Richi (Hunter58) wir sicher bald schreiben, worin die so falschen Instruktionen des Piloten nun genau bestanden.

 

Gruß!

 

Hans

Geschrieben
Somit geht es nicht um Inhalte und Verfahren die irgendwann mal gelernt wurden, das war ja Gegenstand verschiedener Checks, die auch er bestanden hatte. Da ist eher die Frage, ob die vielleicht zu optimistisch vermittelte "falsche Sicherheit" des Systems "Airbus", die Antizipation der Bedrohung behindert hat. Ein Airbus ist in erster Linie erstmal ein Flugzeug, auch wenn der Name hier schon eine gewisse Gutmütigkeit vermuten lässt.
In die Kerbe habe ich ja auch schonmal gehauen:
Was ich durchaus als Fehlerquelle in Betracht ziehen würde, ist die Mentalität, die die Airbus Flight Laws bei den Piloten möglicherweise herstellt. Ich kann mir vorstellen, dass wenn man lange und ohne großen Zwischenfall Airbus fliegt, dass man das Gefühl bekommt, dass einem nichts passieren kann, egal was man macht. Man kann so hart am Stick ziehen wie man will, alles was passiert ist Alpha_Prot oder Alpha_Floor. Sobald das, wie bei UAS nicht mehr funktioniert und der Pilot das nicht schnell genug versteht, habe ich ein großes Problem.

Diese Mentalität ist die einzige vernünftige Erklärung, wieso 3 erfahrene Piloten trotz 54s lang trötender Stallwarnung weiter am Stick ziehen, oder 3000ft steigen, obwohl man 10 Minuten vorher im Briefing festgestellt hat, dass es zu warm ist um auf diese Höhe zu steigen.

Ich finde aber schon, dass man von einem Piloten verlangen kann zu wissen, dass bei einem Verlust der Geschwindigkeitsanzeigen "Normal Law" verlassen wird und die Protections nur noch sehr eingeschränkt greifen.

Lückenhafte Ausbildung hin oder her, ich finde dass man sowas erwarten kann.

Geschrieben
Lückenhafte Ausbildung hin oder her, ich finde dass man sowas erwarten kann.

 

Wir sind uns whs. einig, bis auf den letzten Punkt. Hier geht´s um eine Umstellung mental die eben von Null auf Jetzt hätte stattfinden müssen.

 

Du bis aus den Laws gefallen, jetzt bis Du dran!

 

 

Der Bericht erwähnt ausdrücklich den Startle-Effekt, ein scheinbar bekanntes psycholgisches Verhaltensmuster nach Erschrecken. Im Nachhinein kann man sagen, diese Situation hätte geübt werden können. Nicht zu vergessen, in der Zeit in der ich hier dieses posting schreibe (~ 3min ) ist AF447 abgestürzt. In erster Linie ging es scheinbar doch um die richtigen Reflexe an jenem Morgen.

 

Gruss einstweilen

 

Bernhard (LSZH)

Wolkenschieber
Geschrieben

Als Laie hat man natürlich einen anderen Blick auf das Geschehen und das Zusammenspiel von Mensch und Technik, hier den Grad der Automatisierung, der Entkoppelung von Eingabe und Reaktion und dem weitgehenden Verzicht, "Sinne" auszuschalten.

 

Und daher möchte ich den Blick mal auf etwas lenken, woran wir alle nicht denken, weil es uns in Fleisch und Blut übergegangen ist, das wir nur bemerken, wenn es nicht "funktioniert" und sich mittlerweile auch zu einer "Wissenschaft" gemausert hat, Industiedesign.

 

Was Airbus macht, würde bei jeder Industriedesignstudie die gelbe Zitrone gewinnen. Gutes Industriedesign ist bemüht, die Gestaltung von Produkten und ihre Bedienung den "menschlichen" Sinnen möglichst optimal anzupassen.

 

Ich will das Augenmerk nur mal auf das Auto lenken.

Da wird die Lenkung, die längst keine tatsächliche Rückmeldung mehr liefert, mit erheblichem Aufwand so gestaltet, dass dem Fahrer quasi "zurückgemeldet" wird, was er eingibt und die Räder tun. Bei teureren Modellen kann ich sogar zwischen verschiedenen Modi wechseln.

Federung und Straßenlage, ESP, man könnte das endlos weiter spinnen. Die Entriegelung der Drosselung der Leistung bei manchen Herstellern nur nach einer gesonderten Schulung.

Das geht weiter über die Bremsen, hin bis zu Geräuschen, die Rückmeldung über Geschwindigkeit geben usw. usw..

 

Also, einfach mal einen Schritt aus der Kanzel machen und alles auf null. Das wenigste, was Airbus machen sollte, "Rückmeldungen" in den stick und ein Knöpfchen, dass einen Zustand herstellt, der dem entspricht, was Boeing macht (wobei Berufenere mir jetzt wieder korrigierend beispringen müssten) eine "Sicherheit", dass eine "Minimalgeschwindigkeit" nicht unterschritten wird. Und meinetwegen kann es ja so sein, dass dieses Knöpfchen von beiden Piloten gedrückt werden muss. Sollte einer ohnmächtig sein, würde sich dafür auch sicher eine Lösung finden.

Dann muss sich "niemand" Gedanken machen, in "welchem Law" er sich gerade befindet, sondern ihm wird dann selbst in höchster Panik, jetzt kommt es nur noch auf mich an und das, bestätigt jeder Psychologe, setzt ungeahnte Kräfte frei, auch im Kopf.

Geschrieben

Was genau im Kopf der beiden (später allen drei) Piloten vor sich gegangen ist, werden wir ziemlich sicher niemals erfahren.

 

Die Erklärung, dass er eine "fixe Idee" hatte, dass er unbedingt steigen wollte, dass er seinen Drang verinnerlicht hat, das ist alles möglich.

 

Meine Theorie ist eine andere, und ich habe sie ja schon oft hier erwähnt. Denn es gab ja da noch ein paar andere Vorfälle (bei Air France) und bei anderen, die dieses "sinnlose Ziehen" durchgeführt haben.

 

Ich spekuliere hier so wie ihr es tut, aber ich glaube es begann bei Air France und es begann in Habsheim. Damals stürzte eine A320 in einen Wald, weil sie den Durchstart zu spät durchgeführt haben (und es gibt Gerüchte, dass damals noch was falsch programmiert war). Er hat gezogen und gezogen, und das Flugzeug ist weder gestallt noch durchgestartet, sondern "schön" in den Wald "gelandet". Deshalb haben auch viele überlebt. Es gab immer wieder Leute im Umfeld, die sagten, dass man eine Airbus einfach nicht "abstürzen" kann, weil das Ding rettet sich selber, es ist "three laws safe" (Zitat: I, robot, Isaac Asimov). Etwas ähnliches erlebten wir beim "Wunder vom Hudson", wo viele erwähnten, dass dank der cleveren FBW-Steuerführung der Flieger langsamer und sicherer auf das Wasser aufsetzen konnte, was massgeblich zum guten Ausgang des Unglücks führten.

 

Ich kann mir durchaus vorstellen, dass in einem Hirn eines jungen, flug- und technikbegeisterten Piloten sich Theorien bilden, dass man sich auf dem eigenen Fluggerät sicher fühlt, u.a. wegen dieser Flugsteuerung und weil man sich gewisse Strategien zurechtlegt. Zum Beispiel: "Wenn mal was schief geht, dann steige ich einfach weg." Das sind ja durchaus erfolgreiche Strategien in einzelnen Flugsituationen (GPWS, Windshear, unsichere Landung usw. - also praktisch immer!). Ich habe mich auch schon dabei ertappt, im Laufe der Jahre falsche Sachen anzutrainieren oder richtige Sachen aus dem falschen Grund zu machen. Man wird dann hie und da durch ein Missverständnis oder einem Fehler in einem Check o.ä. darauf aufmerksam gemacht. Meistens geht das gut. Hier ging es nicht gut. Auch natürlich weil das Missverständnis relativ gross war.

 

Aber wie gesagt, das ist eine reine Spekulation.

 

Dani

Geschrieben
Was genau im Kopf der beiden (später allen drei) Piloten vor sich gegangen ist, werden wir ziemlich sicher niemals erfahren.

(..... )das ist eine reine Spekulation.

 

 

In dem Moment wo man versucht, jenseits der Möglichkeiten einen oder die gesamte Crew als "unfähig" oder schlecht ausbebildet" oder an jenem Morgen nur "schlecht aufgestellt" zu klassifizieren, herauszufinden, welche "Realitäten" in dem einen oder anderen mit höherer Wahrscheinlichkeit gerade zu finden war, gerät man in den Bereich der Spekulation. Es geht aber nicht um schnelle Urteile sondern darum, vielleicht auch nur in Teilen plausible, Szenarien entwickeln. Vielleicht werden sich zwei drei mit höherer Wahrscheinlichkeit finden, die dann in der Gesamtbeurteilung hilfreich sein könnten. Vielleicht werden wir zu diesem Unfall auch einen S. Dekker Bericht (wie beim THY-Unfall in Amsterdam) bekommen, der zum offiziellen Bericht diese Szenarien und ergänzende Hinweise liefert. Darauf bin ich noch gespannt. In dem Sinne könnten wir schon ein wenig spekulieren.

 

Gruss einstweilen

 

Bernhard (LSZH)

Geschrieben

Ich glaub Danix hat da nicht unrecht.

Die ganzen 'Hilfen' des Airbus verleiten wohl einfach dazu, etwas weniger feinmotorisch zu steuern. Und im Stress 'verreisst' man ja um so eher. Wenn man nun natürlich verinnerlicht hat 'du kannst einfach volle Kanne in die Richtung ziehen in die du willst, der Flieger schaut schon, dass nix passiert' kann sowas dabei raus kommen. Sicher schlimmer, je länger man 'solche' Flugzeuge fliegt und je weniger man andere Flugzeuge geflogen ist.

Nicht dasselbe aber geht doch in die gleiche Richtung: Ich frage mich manchmal, wie so mancher junge Fahrer eines 300(oder mehr) PS Boliden mit Doppelkupplungsgetriebe mit einem 300 PS Auto der 60er zurecht käme, ohne ESP, ohne ABS (schon nur da kann man schon schön staunen...), ohne Servo und möglicherweise mit unsynchronisiertem Getriebe...

Geschrieben

Da ist mein Bolide schon nahe dran! Es fehlen bloss noch 233PS mehr unter der Haube vom Fiesta. Die einen gehen ins Fitnessstudio - ich geh ins Parkhaus. :008: :D

Geschrieben
Richi (Hunter58) wir sicher bald schreiben, worin die so falschen Instruktionen des Piloten nun genau bestanden.

 

Gruß!

 

Hans

 

Dafuer hat es Dani (Danix) schon getan...

Geschrieben

Aber früher waren die Piloten definitiv besser ausgebildet.

 

Oder sagen wir es mal so: Sie waren gleich gut, aber man hatte sie nicht so kurz und billig ausgebildet.[/i]

 

Air France hat eine sehr ausführliche und traditionelle Flugschule, sie schulen gleich wie früher Swissair und heute Swiss, oder sogar noch ausführlicher.

 

 

Ich frage mich, was jetzt zutrifft.

Geschrieben
Was genau im Kopf der beiden (später allen drei) Piloten vor sich gegangen ist, werden wir ziemlich sicher niemals erfahren.

 

Die Erklärung, dass er eine "fixe Idee" hatte, dass er unbedingt steigen wollte, dass er seinen Drang verinnerlicht hat, das ist alles möglich.

 

Meine Theorie ist eine andere, und ich habe sie ja schon oft hier erwähnt. Denn es gab ja da noch ein paar andere Vorfälle (bei Air France) und bei anderen, die dieses "sinnlose Ziehen" durchgeführt haben.

 

Ich spekuliere hier so wie ihr es tut, aber ich glaube es begann bei Air France und es begann in Habsheim. Damals stürzte eine A320 in einen Wald, weil sie den Durchstart zu spät durchgeführt haben (und es gibt Gerüchte, dass damals noch was falsch programmiert war). Er hat gezogen und gezogen, und das Flugzeug ist weder gestallt noch durchgestartet, sondern "schön" in den Wald "gelandet". Deshalb haben auch viele überlebt. Es gab immer wieder Leute im Umfeld, die sagten, dass man eine Airbus einfach nicht "abstürzen" kann, weil das Ding rettet sich selber, es ist "three laws safe" (Zitat: I, robot, Isaac Asimov). Etwas ähnliches erlebten wir beim "Wunder vom Hudson", wo viele erwähnten, dass dank der cleveren FBW-Steuerführung der Flieger langsamer und sicherer auf das Wasser aufsetzen konnte, was massgeblich zum guten Ausgang des Unglücks führten.

 

Ich kann mir durchaus vorstellen, dass in einem Hirn eines jungen, flug- und technikbegeisterten Piloten sich Theorien bilden, dass man sich auf dem eigenen Fluggerät sicher fühlt, u.a. wegen dieser Flugsteuerung und weil man sich gewisse Strategien zurechtlegt. Zum Beispiel: "Wenn mal was schief geht, dann steige ich einfach weg." Das sind ja durchaus erfolgreiche Strategien in einzelnen Flugsituationen (GPWS, Windshear, unsichere Landung usw. - also praktisch immer!). Ich habe mich auch schon dabei ertappt, im Laufe der Jahre falsche Sachen anzutrainieren oder richtige Sachen aus dem falschen Grund zu machen. Man wird dann hie und da durch ein Missverständnis oder einem Fehler in einem Check o.ä. darauf aufmerksam gemacht. Meistens geht das gut. Hier ging es nicht gut. Auch natürlich weil das Missverständnis relativ gross war.

 

Aber wie gesagt, das ist eine reine Spekulation.

 

Dani

 

Danke, Dani, das erklaert wonach ich seit langem gesucht habe...

 

 

Wie ich schon weiter oben immer wieder aufgefuehrt habe geht der Unfallbericht in der Sache der Erklaerungsversuche eben nicht genuegend auf das Zeigen des FO ein, man belaesst es mit dem nicht Erklaerbaren. Ich erkenne aber auch keinen ernsthaften Ansatz es ueberhaupt zu versuchen, denn sonst muesste man beim eigentlichen Trainingsapparat landen.

 

Die Schlussfolgerung der Mann sei ein Segelflieger gewesen also wisse er wie das beim Airbus geht zieht fuer mich nicht. Das funktioniert vielleicht fuer den Schreibtischpiloten so, aber wer mir sagt er wuerde genau gleich reagieren wenn er einen Lieferwagen faehrt wie wenn er im Privatauto sitzt faehrt soll mal mit beiden auf eine Teststrecke. Selbt professionelle Fahrer mit Reisebussen (und entsprechendem Training) bauen auf einem Privatauto wesentlich mehr Mist in solchen Situationen. Und das ist fuer Piloten nicht anders.

 

Das Cockpit, die Bedienung und das Fluggefuehl eines Seglers ist komplett anders als im Airbus (oder jedem anderem Verkehrsflieger).

 

Systematische Fehler wie von Dani oben beschrieben werden nur im Recurrent entdeckt. Dementsprechend wichtig ist es dieses auch gut zu gestalten, um moeglicht viele Aspekte abzudecken ohne die Crews zu ueberlasten. Der Untersuchungsbericht beschraenkt sich darauf zu wuerdigen was Trainiert wurde, eine eigentlich Abhandlung ob und wie effektiv die recirrent trainings bei AF sind fehlt. Man hat offenbar den idealen Suendenbock in form des FO gefunden.

 

Wie gesagt, es muss einen Grund geben warum der Mann gezogen hat. Es als unerklaerlich abzutun oder auf Designmaengel zu spekulieren aber die Tiefen des Trainings auszulassen ist genau so ein (vielleicht gewollter) Mental Lock...

 

Wenn wir schon bei Airbus Unfaellen sind und Habsheim erwaehnt wurde: es gibt bei all den Kontroversen die eine Theorie die immer wieder von Piloten gleich abgewuergt wird. Der Captain war einer der bekanntesten Piloten in Frankreich, mit Ambitionen auf hoehere Aemter und vielen Freunden in allen Luftfahrtrelevanten Aemtern. Schon mal darueber nachgedacht dass da einer ihm helfen wollte indem er den Hersteller 'alt' aussehen lassen will?

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