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01.06.2009 | Air France A330-200 | Atlantik | Absturz aus Reiseflug


Empfohlene Beiträge

Geschrieben

Es ist alles viel schlimmer als gedacht. Die ersten Übersetzungen des CVR auf pprune.org sind ein Albtraum. Mir scheint die Crew wähnt sich in einem nicht abstürzbaren Flugzeug, dabei sind sie schon längst verloren.......

 

Guten Nacht

 

Bernhard (LSZH)

Geschrieben
nun ja, jetzt wissen wir also wo Du einmal gerne arbeiten möchtest.
Nein, ich habe keine Ambitionen mal bei Airbus zu arbeiten.

Soll ich dich jetzt fragen, wie lange du schon Boeing fliegst, oder geht's mit mehr Niveau weiter?

Wenn ich die Maxime anwende: KISS

Keep it simple and short (oder stupid, je nach dem wie Du es möchtest), dann sehe ich Boeing im Vorteil. Im kritischen Fall ist eine Boeing näher an der elementaren Fliegerei, das ist ihr grosser Vorteil.

Wieso hat dann jede 737-Version (mit Ausnahme der NG), mit ihren ach-so-im-Loop-befindlichen Piloten eine schlechtere Unfallstatistik als die A320? Und das bei all den Kinderkrankheiten der A320, Einführung von FBW usw?

Wieso hat selbst die 747-400 als Derivat eine schlechtere Bilanz als die ach so furchtbare A330?

 

KISS ist ja ein super Slogan, nur kann man deine ganzen Behauptungen statistisch nicht belegen.

 

Zum Beispiel das Steuerhorn. Damit ich sehe, was der Copilot macht. Situational Awareness. Nur mit ADI scannen sehe ich keine Tendenzen und bin daher zu spät, um nachzubessern oder einzugreifen. Siehe A380-Instruktoren von Airbus in Tokio vor ein paar Tagen.
In Anbetracht der Tatsache, dass keiner von uns im Cockpit saß und auch noch kein Abschlussbericht publiziert wurde, halte ich für argumentativ sehr dünnes Eis zu behaupten, dass sowas mit einem Steuerhorn nicht passiert wäre. Auch mit einer 747-400 kann man ein Triebwerk auf die Piste kriegen und dazu noch mit viel erfahreneren Piloten als einem A380-Neuling von Korean.

Was beweist das jetzt? Goar nix.

Oder die Schubhebel. Wir Piloten möchten sehen, wo das Gaspedal steht. Situational Awareness.
Da stimme ich zu. Mit der Airbuslösung bin ich hier nicht glücklich. Gerade im Falle der UAS, wo AP und AT rausfliegen, kommt es zum Thrust Lock und der letzte gesetzte Schub wird eingefroren, ohne dass sich die Schubhebel bewegen. Wenn sich der Schub ändert, dann muss sich der Hebel bewegen.
Ja, logisch. PR.
Ein Airbuspilot lobt Airbus, also muss es PR sein. Großes Tennis Herr Luftkutscher.
Aber nicht mit deinem. :001: (dieser Nicht-Smilie musste sein)
Was soll der Kommentar jetzt? Mit deinem wurden sie ja auch nicht geschrieben.
Viel Technik suggeriert Sicherheit. Das Gegenteil kann der Fall sein. Warum nicht einfach wieder die Piloten besser auswählen und ausbilden!! Und weiterbilden. Ist besser und möglicherweise auch billiger als die Entwicklung automatisierter Flugzeuge. Aber es stehen schliesslich viele Arbeitsplätze auf dem Spiel. Bei Boeing und bei Airbus.
Schön, dass du Boeing da mit einschließt. Boeing begeht den Weg der Automatisierung genauso wie Airbus. Statistisch lässt sich auch ein Zusammenhang zwischen mehr Automatisierung und weniger Abstürzen zeigen.

Aber wie ich schon vorher geschrieben habe, scheinen Piloten sich wirklich manchmal in einer falschen Sicherheit zu wiegen, nach dem Motto "Mein Flugzeug ist so gut, mir kann eh nichts passieren!". Davon einen Hersteller frei zu sprechen oder mehr auf einem rum zu hacken, ohne aufzeigen zu können, ob und wie ein Zusammenhang zum diskutierten Unfall gegeben ist, halte ich für daneben.

Gast Hans Fuchs
Geschrieben
aber es ist heute noch ein zweiter, weit ausführlicher Report herausgegeben worden.
Bin noch nicht durch, aber auf etwas gestossen, das erstaunlich klingt:
A la lecture des trois instruments (les deux PFD et l’ISIS), le PNF constate que l’avion monte et demande plusieurs fois de suite au PF de redescendre
Bei ca. 2h10min 25 merkt der PNF dass das Flugzeug steigt und verlangt mehrfach vom PF wieder zu sinken....

 

Ab jetzt sinngemäss:

Der PF gibt mehrfach Nosedown Inputs, die Geschwindigkeit baut sich wieder etwas auf, doch die Attitude bleibt immer noch viel zu hoch. Die Höhe ist jetzt 37'000 und das Flugzeug steigt noch immer, ohne dass der PNF eingreift.

 

2h10min34 die Geschwindigkeitsanzeige auf der linken Seite ist immer noch korrekt und zeigt 218 kt.

 

2h10min47 Der Flieger steigt immer noch mit 1000 Fuss. Der PNF macht immer noch nichts und versucht jetzt den Kapitän zu rufen....

 

Was sagt man denn dazu???

 

AirFrance sagt jedenfalls, die Piloten hätten sich professionel verhalten.

During this time, the crew, comprising both First Officers and the Captain, showed an unfailing professional attitude, remaining committed to their task to the very end. Air France pays tribute to the courage and determination they showed in such extreme conditions.

At this stage, there is no reason to question the crew’s technical skills.

 

Hans

Gast Hans Fuchs
Geschrieben

Fertig gelesen. Es wird nur noch viel schlimmer. Die Leistung der Crew: absolut verheerend.

Es gibt keinerlei Zweifel, wie es lief.

 

Hans Tobolla: nimm den Zug!

 

Hans

Geschrieben

Gibt es den Report auch irgendwo auf Englisch? Oder war sich die grand nation da zu schade für :009: :p :005:

Geschrieben
Sorry, aber ich behaupte nun mal, dass das Ergebniss der Auswertungen des Flugschreibers in jedem Fall die Air France und Airbus als absolut unschuldig darstellen wird... die Grande Nation wird's richten. Wahrscheinlich ein Pilotenfehler (Wie konnte der nur dies und das tun, nein aber auch...); im besten Falle sind die Daten gar nicht mehr auswertbar, Gott sei Dank...

 

Stefan

 

Sorry Forumsteilnehmer, aber genau so ist gekommen. Wirtschaftsinteressen gehen klar vor....

Urs Wildermuth
Geschrieben
Fertig gelesen. Es wird nur noch viel schlimmer. Die Leistung der Crew: absolut verheerend.

Es gibt keinerlei Zweifel, wie es lief.

 

Allerdings. Und die Stellungnahme von Air France dazu ist schon fast grotesk.

 

Hans Tobolla: nimm den Zug!

 

Hans

 

Wieso, hat er Air France gebucht? Dann allerdings.

 

Sorry Forumsteilnehmer, aber genau so ist gekommen. Wirtschaftsinteressen gehen klar vor....

 

Denke in diesem Fall kann man nicht von Vertuschungsversuchen reden. Die Sachlage ist viel zu eindeutig. Abgesehen davon ist der Schaden für AF immens, wenn die volle Tragweite dieses Reports erfasst wird. Die Unfallserie von AF in den letzten Jahren zeigen hier massive Mängel auf. Zeit, dass hier etwas geschieht.

Geschrieben

NZZ 30.7.2011(Auszug)

Was die Flugschreiber über den Absturz von Air France 447 sagen

Die französische Flugsicherheitsbehörde BEA hat am Freitag nach der Auswertung der Flugschreiber den Absturz der Air-France-Maschine von Rio nach Paris am 1. Juni 2009 detailliert beschrieben. Mangels Ausbildung reagierte ein Co-Pilot falsch. In ihrem am Freitag in Paris publizierten dritten Zwischenbericht hat die französische Flugsicherheitsbehörde BEA (Bureau d'Enquêtes et d'Analyses pour la sécurité de l'aviation civile) nach der Auswertung der beiden Anfang Mai geborgenen Flugschreiber den Verlauf der Katastrophe vom 1. Juni 2009 detailliert rekonstruiert. Darin werden alle Faktoren, die eine Rolle beim Crash der aus Rio de Janeiro in Richtung Paris gestarteten Maschine der Air France spielten, und auch Elemente, die aufgrund der jetzigen Kenntnisse nicht in Betracht gezogen werden, aufgelistet. Es handelt sich bei diesem mit vielen technischen Angaben, Messdaten und Zitaten aus den im Cockpit aufgezeichneten Konversationen angereicherten Bericht nicht um eine Schuldzuweisung, sondern um eine möglichst genaue Auswertung aller heute vorhandenen Informationen. Wie bereits bekannt war, hatte der Kommandant für seine reglementarisch zugelassene und übliche Ruhepause das Cockpit verlassen, ohne den beiden Co-Piloten besondere Anweisungen gegeben oder Aufgaben zugeteilt zu haben. Nachdem der Airbus A330 einer Störungszone ausgewichen war, schaltete sich die automatische Steuerung (Autopilot) ab, weil wahrscheinlich wegen der Verstopfung der Pitot-Sonden durch Eiskristalle keine Daten zur Geschwindigkeit mehr vorhanden waren. Der zweite Co-Pilot übernahm die manuelle Steuerung und zog die Maschine nach links hoch. Trotz einer mehrfachen Überziehwarnung («Stall») und registrierten Korrekturversuchen durch den 32-jährigen Co-Piloten stieg das Flugzeug von einer Höhe von 35 000 Fuss (10 670 Meter) auf mehr als 37 000 Fuss. Der für das Flugverhalten entscheidende Anstellwinkel wurde trotz Warnsignalen überschritten.

 

Im Bericht wird festgehalten, dass die Triebwerke und Steuerflächen jeweils korrekt auf die Befehle aus dem Cockpit reagierten. Falsch war die Weise, wie der Co-Pilot reagierte, um das Flugzeug in einen korrekten Anstellwinkel zu bringen und so den am Schluss unvermeidlichen Absturz zu vermeiden. Die beiden Co-Piloten, die den Bordkommandanten zu spät zu Hilfe gerufen hatten, hört man am Ende sagen: «Wir haben keine gültigen Angaben mehr.» Offenbar war ihnen bis zum Ende nicht bewusst, dass sich der Flug AF 447 dem Crash näherte. Es wurde kein Notruf ausgegeben, die 216 Passagiere wurden nicht informiert.

 

Für die französische Tageszeitung «Le Figaro», die sich am Donnerstag Auszüge aus dem BEA-Bericht beschafft hatte, stand aufgrund dieser neuen Details nach der Auswertung des Daten- und Voice-Recorders fest, dass ein Fehler des am wenigsten erfahrenen Co-Piloten zur Katastrophe geführt habe. Diese Interpretation kommt vor allem dem Hersteller Airbus entgegen, der bei einem menschlichen Irrtum entlastet würde. Gegen eine solche Suche nach Sündenböcken protestierte eine französische Pilotengewerkschaft. Auch Verkehrsministerin Nathalie Kosciusko-Morizet betonte, es sei nicht Aufgabe der BEA, Anklage zu erheben oder Verantwortliche zu benennen.

 

Der BEA-Bericht unterstreicht hingegen in einer separaten Stellungnahme zu den aus dem Unglück zu ziehenden Lehren, dass die Co-Piloten keine Ausbildung für das Verhalten bei einem Ausfall der Geschwindigkeitsmessung in grosser Höhe erhalten hätten. Die BEA empfiehlt hier Abhilfe, aber auch klare Regeln für die Vertretung des Flugkapitäns sowie die Installation von Videorecordern in den Cockpits.

 

+ + +

 

Frage: Ist das AF-Simulatoren Trainingskonzept ein Einzelfall? oder hat AF die Ausbildungsmodule einfach 1:1 vom Hersteller übernommen? Roland

Geschrieben

Um von PPRune zu zitieren...:

 

However, as to 2: IMHO the full CVR transcript shows that the systems were in large part to blame. The passage from 2:12'37 to 2:12'44 is tragic and shocking in equal measure. At the start of this timeframe (i) the PF was (for once) pushing forwards (ii) the aeroplane was in a stall but (iii) the stall warning was still silent. My poor translation is that the PNF tells the PF to "descend! descend! descend!" The PF says "That's what I am doing." The Captain intercedes "No, you're climbing". The PF says "I'm climbing [meaning - "you think I'm climbing?"], okay, I'll go down".

 

At precisely this point, his nose-down inputs stimulated enough speed to trigger the stall warning. The captain's next remark is "This isn't possible." His bewilderment is unsurprising.

 

Thus the PF's correct nose-down inputs were punished by a stall warning; his wrong nose-up inputs were rewarded by the stall warning ceasing.

 

The instruments thus played a cruel, Pavlovian trick on the pilots which IMHO goes a consdirable distance towards exonerating them.

 

Meiner Meinung nach das Kernproblem des Vorfalls.

 

Kein Stallwarning = gut, Stallwarning = schlecht.

 

Hat ja auch jeder anfänglich so gelernt... leider wurde eben nicht realisiert, dass der Speed zu niedrig ist, um das Stall warning auszulösen. Wenn man dann nose down inputs gibt, und auf einmal wieder das Stall Warning kommt, dann geht das ja im ersten Augenblick gegen jede Logik eines Piloten - vor allem, wenn man eben mit mehreren Problemen zu kämpfen hat.

Geschrieben

naja, ok, mag zutreffen. Vielleicht sollte die Stall Warnung softwaremässig so geschaltet sein, dass sie nicht aufhört unter 60 kts, wenn die Speed vorher nur knapp über 60 kts war.

 

Aber mal ehrlich: Zu diesem Zeitpunkt waren schon zu viele Dummheiten begangen worden. Die haben einfach konstant gezogen, weil sie den Boden auf sich zukommen sahen! Das ist eine typische Reaktion von einem Laien, einem Nicht-Piloten. Ich sehe ähnliche Ansätze auch bei meinen Copis. Es ist ein typisches Zeichen, dass diese Leute verlernt haben zu fliegen. Schon ihre Fluglehrer wissen nicht mehr wie Fliegen geht, und niemand bringt es ihnen bei.

 

Für mich sind auf jeden Fall die Daten konsistent, die meisten Fragen beantwortet und unsere ursprüngliche Vermutungen bestätigt - was nicht anders zu erwarten war.

 

Dani

 

edit: Ich habe mir das mit diesem Pawlow noch einmal überlegt: Wenn du mit ziehen den Stall wegbringst, dann ist ja sicher etwas mit der Stallanzeige kaputt. Und als ein logisch denkender Pilot würde man sich nicht mehr drauf verlassen. Und das tun was man seit dem Ausschalten des AP hätte tun sollen: Pitch/Power fliegen.

Gast Hans Fuchs
Geschrieben
Meiner Meinung nach das Kernproblem des Vorfalls.
Sicher nicht. Zwar unschön, und sicher änderungsbedürftig.

 

Bei den zitierten 2h12min37 - 44 waren sie längst verloren.

2 Minuten vorher wurden ja 54 Sekunden lang die kontinuierlich hupende Stallwarnung ignoriert. Das Schütteln wurde ignoriert, das Buffeting und das dauernde zu beiden Seiten seitliche Abkippen wurden ignoriert. Die Nose Up Attitude wurde ignoeriert... Mindestens die ersten 1.5 Minuten waren die Speedanzeigen auf der Seite des PNF völlig korrekt. Seine mehrfache verbalde Intervention zu Sinken wurde ignoriert.

 

Statt jetzt mit klarer Ansage die Controls zu übernehmen, hat er den Kapitän zu rufen versucht. Wie Malibuflyer mal sagte "Mamma, Mamma!"

 

Bei 2h11min37 hat er (PNF) mal "commandes à gauche" gesagt, Priorität übernommen und einen kurzen Input nach links gegeben, aber sofort hat der rechte Pilot die Priorität und die Controls wieder zurückgeholt, ohne dies auch nur anzusagen und ist weiter geflogen, rsp. hat weiter gezogen. Die Stallwarnung hat zu diesem Zeitpunkt immer noch gehupt.

 

.....

 

Ganz kurz vor dem Aufschlag sagte der PF noch, dass sie sich in Overspeed befinden. Daher ist auch klar, dass die während 2-3 Minuten praktisch andauernden Noseup Inputs wirklich durch ihn verursacht wurden.

 

Hans

 

PS dem PNF kann nicht klar gewesen sein, dass der PF immer zog. Wenn überhaupt, ist die diesebezügliche Airbusauslegung ohne mechanisch gekoppelte Controls das technische Hauptproblem.

Geschrieben

 

....Es ist ein typisches Zeichen, dass diese Leute verlernt haben zu fliegen. Schon ihre Fluglehrer wissen nicht mehr wie Fliegen geht, und niemand bringt es ihnen bei....

 

Da hast du dich aber jetzt weit aus deinem Cockpitfenster gelehnt, Dani.

 

Welche Fluglehrer meinst du nun genau? Vielleicht die Segelfluglehrer, die den 16-jährigen die hohe Kunst des Fliegens beibringen?

 

Gruß!

 

Hans

Geschrieben

@HansT: Es geht um die Fluglehrer in den Akademien, die einem die Bedienung eines Flugzeugs beibringen, mehr aber nicht. Was will einem denn ein Fluglehrer beibringen, der selbst erst seit zwei Jahren fliegt und den Instruktorenschein nur gemacht hat, um Stunden für den Absprung zu den Airlines zu sammeln?

Geschrieben

nein, ich glaube primär ist der Fehler schon in den Airline-Trainingskursen zu suchen. Und natürlich in den Handbüchern der Airline, die es den jungen Copis verbieten von Hand zu fliegen. FD niemals ausschalten, AT immer drin.

 

Ich erinnere mich an meine erste Streckeneinführung: Mein Instruktor hat gesagt: So, jetzt machst du mal den ganzen Flug von ZRH nach GVA von Hand.

Geschrieben

Die menschliche Fehlbarkeit bei Flugunfällen wird immer einer DER “contributing factors” sein, egal ob latent verpackt in einem technisch komplexen Gerät/System und/oder in Fleisch und Blut in der Wertschöpfungskette eines Fluges von A nach B.

 

Wohl die wenigsten Profis unter uns wissen, dass am besagten Unfallflugzeug die Zertifizierungsrichtlinien der external Probes hinsichtlich ihrer Icing/Deicing-Performance aus dem Jahre 1948 stammen (TSO-C16) und selbst die sog. “neuen Richtlinien” (TSO-C16a) aus dem Jahre 2006 die neuesten Erkenntnisse aus der Atmosphärenphysik nur unzureichend berücksichtigen. Nicht umsonst ist unter anderen die EASA seit ca. 2007 dabei, vor allem die heavy Icing-, SLD-, mixed Ice- und Heavy Rain-Problematik der external Probes unter die Lupe zu nehmen, um daraus strengere Richtlinien zu erlassen. AF447 wird diesen Prozess beschleunigen.

Übrigens, diese latente Schwachstelle fliegt auch auf allen Lufhansa+Swiss-Flugzeugen mit. Egal, ob Airbus, AVRO, Boeing, Thales, Goodrich….

 

Bei der aviatischen Evolution der Mensch-Maschine Schnittstelle scheiden sich wie so oft die Geister. Insbesondere hier werden immer wieder stereotype pro Boeing – anti Airbus/vice versa Tiraden vom Zaun gebrochen, die hauptsächlich auf mangelndes technisches Sachverständnis seitens der Forums-Akteure zurückzuführen sind. Beschämenderweise sind auch gestandene Linienpiloten darunter. Wer ausserdem die Hintergründe und Grundlagen einer fundierten Avionik-Entwicklung bei den beiden grossen Herstellern Thales und Honeywell nicht versteht und von den Major Safety Processes wie functional hazard analysis (FHA), system safety analysis (SSA) und common cause analysis (CCA) noch nie etwas gehört hat, sollte sich mit Vorwürfen der “Technik-Gläubigkeit” etwas zurückhalten. Solche Aussagen wiederspiegeln nur das eigene intelektuelle Unvermögen, die Zuverlässigkeit der heutigen Cockpits/Flugzeugsysteme und deren Weiterentwicklungspotential adäquat einzuordnen.

 

Bleibt das Training der Besatzungen. Hier zeigen sich in vielen Airlines immer wieder punktuell bei statistisch irrelevant variierenden Besatzungsmitgliedern Schwachstellen im Bereich der “Situational Awareness”. Den schwarzen Peter einer in uns allen intrinsisch vorhandenen “menschlichen Fehlbarkeit” nun aber ganz alleine der Airline und “mangelndem” Training anzulasten ist mehr als billig. Gutes und spezifisches Training ist Voraussetzung für eine geringe Zwischenfall-/Unfallwahrscheinlichkeit, kein Zweifel, aber sie ist nicht gleich null.

Die Eigenverantwortung eines jeden einzelnen Piloten ist ebenso gefragt und Training sowie Weiterbildung kann nicht nur an die Airline delegiert werden. Insbesondere die Langstreckenfraktion unter uns hat das Potential und die Möglichkeit aus zeitlichen Gründen im Cruise anstelle der Zeitung oder was auch immer gelegentlich die Company- bzw. Aircraft-Manuals + einschlägige Fachliteratur zu studieren…

 

Einigen Exponenten der hier vers(t)ammelten vermeintlich unfehlbaren Spass-/Gletscher-/UL- und was auch immer fliegt-Fraktion möchte ich empfehlen, Ihre weisen Analyse- und Trainingserkenntnisse BEA, Air France und Airbus zukommen zu lassen, um eine sichere aviatische Zukunft für uns alle zu gewährleisten…

 

Philip

Geschrieben

In den letzten zwei Jahren ist zu dieser Katastrophe praktisch alles gesagt und geschrieben worden. Jetzt wo die Fakten auf dem Tisch liegen, scheint es so zu sein, dass die tieferen Ursachen dieses kollektiven totalen Versagens dieser Crew werden wahrscheinlich ungeklärt und spekulativ bleiben. Eine Mesallliance am frühen Morgen über dem Atlantik....

Es ist unerheblich ob das eine oder andere technische Detail die Situation verschlechtert oder die Beurteilung erschwert haben. Diese Crew war komplett im Blackout. Die Profis werden aus diesem Unfallbericht ihre Schlüsse ziehen und sie kund tun oder auch nicht, canned decisicons eben..

Auf pprune.org hat mal ein Comandant geschrieben, bei Flügen in der ITCZ bleibe er aus Prinzip im Cockpit, er schlafe halt dann in seinem Sessel, länger als 1h könne man sowieso nicht schlafen, weil man sonst zu sehr mit dem Überhangsschlaf zu kämpfen haben (sleep inertia). Weil es hier und da auch schon wieder anklang, der Crew und unterschwellig auch allen Air France Piloten "generelle Unfähigkeit" zu unterstellen und davon abzuraten mit Air France zu fliegen, das klingt mir sehr danach, es sich zu einfach machen zu wollen. Das was an diesem Morgen passierte, kann whs. jedem passieren. Man wird absolut auf dem falschen Fuss erwischt, wenn aber in einem Cockpit alle drei auf dem falschen Fuss erwischt werden, endet es eben dort! Trotz aller Selektion, Ausbildung, Stresstest und Checks, Vorschriften und Checklisten, es gibt scheinbar doch Blackouts, wie vermeide ich sie und wenn ich drin bin, wie komme ich wieder raus? Das ist die spannende Frage, die sich jetzt jeder nach diesem Berîcht stellen kann. Denn ich habe keine Zweifel, auch bei Air France wird nicht jeder Trottel so einfach ins Cockpit gelassen....

Die spezielle Frage "Airbus vs. Boeing" kann man in diesem Fall ruhig in den Hintergrund treten lassen. Diese Crew, in dieser Situation und Verfassung, hätte auch eine Boeing gecrashed.

 

Gruss einstweilen

 

Bernhard (LSZH)

Gast Hans Fuchs
Geschrieben
unfehlbaren Spass-/Gletscher-/UL
Statt pauschlen Diffamierungen, würdest gescheiter erklären, welche Aussagen, die im Übrigen nur sinngemässe Übersetzungen des ungekürzten Zwischenberichtes No3 sind, falsch sein sollen. Hast du den überhaupt gelesen?

 

Einem Airline Piloten, der mir sagt (wie geschehen), mit einem Wasserflugzeug zu fliegen, sei unter seiner Würde, dem würde ich sicher nicht in seinen Airbus einsteigen, wenn ich das jeweils vorher wüsste. Immerhin mutig, dass Du dich zu dieser Fraktion bekennst.

 

Ich kann keinen Airbus fliegen. Das versteht sich von selbst. Ich würde es möglicherweise auch gar nicht lernen. ok? aber ich erwarte, dass absolut niemand, auch keine statistische Ausreisser, wie Du sie nennst, ein Flugzeug mit Teufels Gewalt in einen Stall zwingt, nur weil auf einer Seite die Staudruckmesser ausgefallen sind.

 

Hans

Geschrieben

Liest sich absolut erschreckend, der Bericht... einige Handlungen widersprechen meiner Meinung nach sogar dem gesunden Menschenverstand.

 

Gleich vorweg, ich habe ca. 10h Flugerfahrung, und auf die Gefahr hin, dass ich mich jetzt gnadenlos blamiere:

"• Kurz nach Aktivierung des Überziehalarms setzte der PF den Schubhebel auf TO/GA und zog das Flugzeug hoch"

Ich verstehe diese Aktion überhaupt nicht. Warum gibt der PF vollen Schub und zieht das Flugzeug nach einer Stall-Warnung nach oben?

Wäre im Falle eines Stalls nicht gerade ein Herunterdrücken notwendig?

 

Danke für Erleuchtung,

Chris :)

Geschrieben

Hallo Philip,

 

wie wäre der Unfall denn Deiner Meinung nach verhindert worden? Oder wenigstens: was ist verbesserungswürdig? Nur die Zeitschriften durch Manuals ersetzen kann's doch nicht sein?

 

Ich lese viele schöne Sätze, den meisten davon stimme ich sogar zu, nur fehlt mir irgendwie die conclusio...?

 

Viele Grüße,

Peter

Geschrieben
Das was an diesem Morgen passierte, kann whs. jedem passieren.

 

Ich hoffe nicht.

Alles was du sagst kann ich unterstützen. Aber: Unreliable Instruments muss man einfach verstehen und begreifen. Es muss einem irgendwann in die Knochen gefahren sein. Bei mir war es eine der unzähligen Sessions im Simulator, wo der Instruktor 2 der 3 Anzeigen gefailt hat. Man meint, man fahre den richtigen nach, aber es war der andere. Man muss dieses Schockerlebnis einmal erlebt haben, und danach ist diese Emotion fest mit dem Hirn verdrahtet.

 

"Unreliable Instruments" muss wie aus dem Reflex kommen. Sobald irgendein Instrument verrückt spielt, muss man darauf zurückfallen. Pitch/Power muss ins Blut übergehen.

 

Und das tut es wahrscheinlich bei den meisten Piloten nach dem AF-Umfall. Sicher bei allen Langstrecken-Piloten und bei allen A330/A340-Piloten.

 

Aber der nächste Unfall wird eine andere Ursache haben...

 

Dani

Geschrieben

Liebe Leute,

 

wir nehmen natürlich nicht den Zug, denn wir fliegen mit Air Berlin.

 

Gruß!

 

Hans

Geschrieben

Hi, sie haben doch die Geschwindigkeitsanzeige verloren (ich nehme an die IAS auf dem PFD u. ISIS).

Aber haben sie die Ground Speed aus den IRS und GPS auch verloren? UNd hätte ihnen das noch was genutzt?

Geschrieben

Zur Groundspeed müsste man dann den Wind vektoriell dazu addieren. Aber wenn die Geschwindigkeitssensoren ausfallen, kann der Luftdatenrechner die TAS nicht mehr bestimmen. Deshalb glaube ich, dass die Windanzeige dann auch weg ist, mal abgesehen davon, dass wohl kaum einer in dieser Situation eine Vektoraddition ausführt, und das Ergebnis dann noch in eine Machzahl umrechnet.

 

Hinzu kommt noch erschwerend, dass bei einer schweren Maschine in großer Höhe der fliegbare Geschwindigkeitsbereich recht schmal ist.

 

 

 

Gruß!

 

Hans

Geschrieben
Hinzu kommt noch erschwerend, dass bei einer schweren Maschine in großer Höhe der fliegbare Geschwindigkeitsbereich recht schmal ist.
Ach, das wird immer behauptet und dann wird gerne der Begriff "Coffin Corner" in den Raum geworfen, aber in Wahrheit ist das in FL350 nicht so eng.

 

Wenn man hier Bilder einbinden könnte, dann würde ich einen Screenshot einer A330 einbinden auf FL350 mit Mach 0,82 und 280kt IAS. Der rote Overspeedbalken beginnt bei 295kt IAS, die Anzeige geht bis 240kt runter ohne dass der Stallbalken anfängt. Selbst wenn er da anfangen würde, wäre das nicht dramatisch. 280kt bei Mach 0,82 entsprechen etwa 475kt TAS, dann entsprechen 295kt ziemlich genau 500kt TAS und 240kt entsprechen 406kt TAS. Macht eine Sicherheitsmarge von 94kt TAS oder über 170km/h. Und das ist nur der operative Bereich, die Margin bis ersten Schäden oder gar Strukturversagen sind noch größer.

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