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01.06.2009 | Air France A330-200 | Atlantik | Absturz aus Reiseflug


Empfohlene Beiträge

Geschrieben

Eine kleine Zwischenfrage eines Laien:

 

Wäre es nicht sinnvoll die Groundspeed im Falle einer ADIRU Failure von einem GPS Sensor einzulesen?

Ich weiß ja nicht wie schnell sich die Windrichtung/ geschwindigkeit in einer Gewitterfront ändern, aber eine ungefähre Schätzung der IAS müsste so doch schon möglich sein.

Geschrieben

Dani,

 

Gemäss ACARS ist ja glaubs bald das AT (Autothrust) ausgefallen. Da sich im AT Mode die Schubhebel im CLB-Detent befinden, sind sie dort genau am richtigen Ort (gemäss Memory Item über FL100: 5° pitchup und CLB).

 

Natürlich hast du ein bisschen zu viel Schub, es bräuchte nur ca. 85-95% N1 oder das entsprechende EPR (das evtl nicht mehr geht ohne statischen Druck). Aber zu viel ist im ersten Moment immer noch besser als zu wenig. Wenn du es genau wissen willst musst du eben ins QRH gehen (auch wenn es schüttelt).

 

Das ist bei unreliable Speed im High Level nahe Coffins Corner äusserst unklug. Leider ist die Unreliable Speed QRH Procedure auf einen Fehler im Upwind / Climbout angelegt, nicht auf High Level Cruise.

 

Setz mal 5° Pitch im REC MAX LVL. Der Flieger versäuft dir schnellstens.

 

Es gibt nur eine Lösung, Pitch for 3° idle Descent, mit Power idle. Die Werte sind weiter hinten in der QRH-Liste zu finden. Nur so gewinnst du schnellstens Luft unter dem Kiel bezüglich Coffin Corner.

 

Hier kommt auch ein mögliches Szenario ins Spiel: ADR fault, Alternate Law, Flieger wähnt sich im Bereich wo die Speed Stability greift. Flieger pitch also selbstständig, und bringt sich dadurch erst in einen richtigen Stall. Piloten versuchen Pitch und Power für level Flight zu fliegen, aber durch das überlagerte Pitch Moment der Protection und den Stress reicht die handwerkliche Genauigkeit, die nahe am Coffins Corner nötig wäre, nicht aus.

 

Deswegen nochmals: Pitch for 3° idle Descent, Power idle, um wenigstens die Marge zwischen den Speedbändern schnell zu erhöhen.

 

Falls es so gewesen wäre (zugegebernmassen momentan einfach eine Spekulation, aber eine sehr lehrreiche bezüglich Airbus und High Altitude Jet Ops), würden sich natürlich Fragen bezüglich der Sinnhaftigkeit der Airbus Protection Philosophie stellen.

 

Gruss

Lorenz

Geschrieben

Lorenz, deine Überlegungen finde ich alle sehr logisch und klug.

 

Bedenke, dass Air Caraïbes 2 mal so was hatte, und es beides Mal schaffte rauszukommen. Es muss also möglich sein. Wenn wir davon ausgehen, dass alles die gleiche Ursache hatte (und das ist die höchste Wahrscheinlichkeit). Die Widebody Airbus haben übrigens grössere Margins im Cuffin Corner, und FL350 (oder wie hoch waren sie) ist also noch nicht sooo schlimm.

 

Ich sage ja, null null ist schon mal gut und dann ins QRH (egal wie stark es schüttelt). Nicht zuerst versuchen die ADIRU zu troubleshooten.

 

Dani

Geschrieben
Hier kommt auch ein mögliches Szenario ins Spiel: ADR fault, Alternate Law, Flieger wähnt sich im Bereich wo die Speed Stability greift. Flieger pitch also selbstständig, und bringt sich dadurch erst in einen richtigen Stall. Piloten versuchen Pitch und Power für level Flight zu fliegen, aber durch das überlagerte Pitch Moment der Protection und den Stress reicht die handwerkliche Genauigkeit, die nahe am Coffins Corner nötig wäre, nicht aus.

 

Eindrucksvoll geschildert, Lomo.

 

Genau da setzt meine alte Forderung an Airbus an. Die Protections sind gut gemeint, wenn sie aber in Extremsituationen düpiert werden und bei Gegensteuer der Piloten immer noch reinfunken, sind sie eher kontraproduktiv.

Ich habe schon sehr früh, als ich dieses Muster flog, einen "quick disconnect into direct law" gefordert. In solchen sehr rasch auftretenden und virulenten Flugsituationen nützen meiner Meinung nach weder QRH noch Bulletins. Die Intervention, wie pitch3°/idle descent/pwr idle, muss ohne Gegenwurschteln der protections oder kompliziertem prim/sec disconnect in Sekundenschnelle ausgeführt werden können.

Analog wie auf einer MD11 mit den zwei FCC disconnect switches (flight control computers) mitten auf dem Flight Control Panel, oder der Möglichkeit auf der T7 mit etwas Kraft die PFCs (primary flight computers) zu umgehen und direkt auf die ACEs (actuator control electronics) einzuwirken, beides in Sekundenbruchteilen möglich.

Gast Hans Fuchs
Geschrieben
Wenn man also in diesem Falle Climb Thrust will, müssen die Thrust Levers kurz aus dem CLB-Detent heraus genommen und wieder dorthin zurückgestellt werden.

Klingt für mich sehr gefährlich.

 

Lorenz Vorgehen

Pitch for 3° idle Descent, Power idle
scheint mir da eine gute Vorgehensweise. Ist das Standard bei den verschiedenen Airlines?

 

Hans

Geschrieben

Warum soll das gefährlich sein?

Geschrieben

Airbus wird sich die Überlegung machen; wenn wir die Flight Protections einfach abschaltbar designen, mag das für einige Situationen mit bestimmten Piloten (obwohl darauf alle trainiert sein sollten) ein Vorteil sein, wird aber generell die Unfallstatistik erhöhen. Der Glaube an einen Haftungsausschluss ist dann am grössten, wenn man die Kontrolle selber in die Hand nimmt... Und da Airbus keine Piloten sondern Maschinen baut, läuft die Philosophie eben über diese.

Geschrieben

Deswegen nochmals: Pitch for 3° idle Descent, Power idle, um wenigstens die Marge zwischen den Speedbändern schnell zu erhöhen.

 

Was ist der Vorteil bei Deiner Variante im Vergleich zu dieser:

 

Verfahren für Turbulenzen:

FL350, N1 set to 82.5%

Pitch: 3°, or 0 VS

 

So bist Du so gut wie möglich gegen einen Stall bei Turbulenzen abgesichert und gleichzeitig fliegst Du null/null.

Ich verstehe nicht warum Du unbedingt sinken willst?! Um die Eiszone zu verlassen?

Okay, aber da hast Du das Risiko dass Du zu schnell oder zu langsam wirst, sprich in einen Stall kommst.

Gast Hans Fuchs
Geschrieben
Warum soll das gefährlich sein?
Weil man im Stress annehmen könnte, dass Climb Power gesetzt sei.

Ich erinnere mich da an den Turkish Airlines Unfall in Schipol, wo man offenbar das Zurückfahren der Treiber auch nicht wahrgenommen hat.

 

Hans

Geschrieben

Ja aber das Flugzeug befand sich damals auf FL 350 und da ist man ja noch nicht gerade am Limit, dass dies 1. Priorität hat finde ich.

 

Zumal die Stallgefahr bei Turbulenzen schon grösser ist, ist es ja ein zusätzliches Risiko einen Sinkflug mit beibehaltenem pitch zu machen.

Geschrieben

Hallo Hans,

 

ich finde das jetzt auch nicht dramatisch, zumal dieser Fall wirklich äusserst selten vorkommt, wie hier zum Beispiel.

Geschrieben

Hi Danix,

 

wenn ich so Deine Berichte lese, krieg ich ein mulmiges Bauchgefühl, ob ich überhaupt ein vollwertiger Pilot bin, oder nur ein Handlanger des "Alten". Ich gebe Dir nur in einem Punkt Recht. Der Alte hat mehr Erfahrung. Unumwunden, und deshalb höre ich mir Ratschläge von links sehr gerne an. ABER: Selbst als unerfahrener Copi, gelingt es mir Gewitter zu umfliegen, auch wenn der Chef nicht gerade im Cockpit ist.

 

Des weiteren würde ich gerne ein paar Anmerkungen machen. Fly, Navigate, Communicate, ist keine goldene Airbusregel, es ist eine allgemeine Regel der Fliegerei.

 

Wie bereits mehrfach angemerkt, glaube auch ich, dass der Fall etwas komplizierter sein muß, als Du hier publizierst. So blööd ist nicht mal ein Copi, dass er in eine massive Gewitterfront fliegt. Ich vermute fast, der Voicerecorder wird in einigen Punkten mehr Aufschluss geben, als der Datarecorder.

 

Pitch/Thrust im CLB-Modus zu fliegen erscheint mir sehr fragwürdig. Zumindest bei Boeing hast Du im FMC eine Turbulence-Thrust. Die hat mit der Climbthrust ganz herzlich wenig zu tun und würde zumindest in der 737 nach kurzer Zeit im Levelflight zu heftiger Overspeed führen.

 

Wenn ich mir inzwischen so einige Fakten zusammenreime, wäre ich sehr vorsichtig mit solch klaren Aussagen, oder besser gesagt Ansagen, vielleicht werden wir auch alle noch überrascht.

 

Und so als kleine Prüfungsaufgabe, was ich gemacht hätte, nachdem ich in der Sch.... sprich Gewitterfront gesteckt hätte, bevor der Chef ins Cockpit gekommen wäre:

 

Niedrigeres Level requested. Wäre ich wegen dem Gewitter nicht durchgekommen, offset nach rechts, ggf, auch ein Level 305 oder so. Alle Lichter an. Danach hätte ich mich wieder um das Gewitter gekümmert. Pitch/Thrust, etc, Ausweichflughafen ist bei ETOPS-Flügen eh die meiste Zeit klar.

 

Ein 180° Turn hätte ich mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit nicht in Betracht gezogen, wer weiß wo ich da noch reingekommen wäre.

 

Wie gesagt, mit Deinen Aussagen kann ich mich nicht anfreunden, da klingt viel Überheblichkeit raus, auch wenn Du das vielleicht gar nicht so meinst. Immerhin hatten wir ja auch schon abseits des Forums interessante Diskussionen und da klangst Du ganz anders. :)

 

Grüße vom Copi

Thomas

Geschrieben

Lorenz Vorgehen scheint mir da eine gute Vorgehensweise. Ist das Standard bei den verschiedenen Airlines?

Standard nicht, aber -zumindest bei uns- „weit verbreitet“.

 

Für den Fall, dass man die Geschwindigkeitsanzeige im Cruise verliert, braucht selbstverständlich jeder Pilot ein Pitch/Power-Konzept. Dieses sollte blitzartig abrufbar, möglichst einfach und robust sein.

Dass die „offiziellen“ Verfahren offenbar nicht das Gelbe vom Ei sind, wurde hier genügend – und unfreiwillig- demonstriert. Ein- und derselbe Airlinepilot schrieb hier:

 

…wenn man gar nichts mehr weiss vor lauter Panik, einfach mal Null/Null fliegen (Keine Pitch, keine Bank) und das Gas auf CLB stehen lassen..

und kurz darauf

 

Da sich die Schubhebel im CLB –Detent befinden, sind sie dort genau am richtigen Ort (gemäss Memory Item über FL100: 5° pitchup und CLB)

Dass letzteres schnell ins Desaster führt, hat Lomo bereits geschildert.

Ersteres, Pitch 0 und Climb-Thrust, führt genau so schnell ins Verderben. Pitch 0 ist, bei durchschnittlichen Cruisebedingungen, genau die Lage für einen stabilen +/-3°-Gleitflug mit Idle. Wenn man jetzt aber mit voller Steigleistung nachhilft ist man schnell in Geschwindigkeitsbereichen, wo’s schlichtweg „nicht mehr gut kommt“.

Und die bereits erwähnten seitenlangen QRH-Tabellen sind eh’ für nachher gedacht, wenn man das Schiff mal stabilisiert hat und 3 Stunden vom nächsten Flugplatz entfernt ist.

 

Die nun von Lomo geschilderte Variante –Pitch 0 und Leerlauf- führt in jedem Fall in einen stabilen Gleitflug; statt mühsam um Tabellenwerte bei EPR und Pitch zu kämpfen überlässt man sich mal der Gravitation und der Aerodynamik. Man fällt also mal sicher nicht aus dem Himmel und kann jetzt das weitere Vorgehen organisieren.

 

Zurück zur originalen Frage von Hans.

Eine Airline darf heutzutage ein Flugzeug nicht einfach nach den Procedures betreiben, die sie für gut befindet; abgesehen von bestimmten Ausnahmen ist sie verpflichtet, sich an die Vorgaben des Herstellers zu halten

 

Man hat von unserer Seite mal Airbus kontaktiert mit der Anfrage ob es nicht sinnvoller wäre, dieses einfache und robuste Verfahren quasi als initial step einzuführen.

Man nahm dies entgegen und antwortete, es sei vorläufig nicht geplant, etwas zu ändern. Allerdings hörte man auch von Airbus-Testpiloten, dass diese Variante „sehr viel an sich habe“.

 

Was mich betrifft…

In einem Emergency ist ein CMD berechtigt, von allen Vorschriften abzuweichen und das zu tun, was er für richtig hält.

Und Unreliable Airspeed ist ein Top-Emergency…

 

 

 

Gruss

 

Ruedi

Geschrieben

Also ich find es ja unglaublich dass die Recorder im tiefen Atlantik doch noch gefunden wurden! Super Leistung und es zeigt dass man wirklich noch wissen wollte was wirklich passiert ist.

RCF: Ich halte nicht viel davon, Profitgier auf Kosten der Safety. Kann in speziellen Faellen angewendet werden, falls taeglich angewendet ist wahrscheinlich der falsche Flugzeugtyp im Einsatz. RCF von Rio nach CDG (genuegend Airports), kein Problem, jedoch von CDG nach Rio waere oft fahrlaessig!

Es ist Unsinn zu denken dass der Kapitaen seine Ruhezeit wegen irgendwelchen CB's unterbricht, sonst koennte man gar keine Langstreckenfluege mehr durchfuehren. Jeder Pilot, ob Copilot oder Enlarger muss (oder sollte) in der Lage sein einen CB einzuschaetzen und zu umfliegen.

Ich persoenlich denke auch dass die Unfallursache war durch einen CB durchzufliegenund dadurch die Kontrolle verloren wurde, ich denke nicht dass es ein technisches Problem war.

Aber ich hoffe dass wir bald mehr erfahren von dem DFDR und CVR.

Geschrieben

Genau da setzt meine alte Forderung an Airbus an. Die Protections sind gut gemeint, wenn sie aber in Extremsituationen düpiert werden und bei Gegensteuer der Piloten immer noch reinfunken, sind sie eher kontraproduktiv.

Ich habe schon sehr früh, als ich dieses Muster flog, einen "quick disconnect into direct law" gefordert. In solchen sehr rasch auftretenden und virulenten Flugsituationen nützen meiner Meinung nach weder QRH noch Bulletins.

 

Hoi David

 

Wenn ich mich recht erinnere (ist scho e momentele her), kriegt man den A330/A340 mindestens in Alternate 2 Law, wenn nicht sogar ins Direct Law, wenn man einfach die 2 PRIMs raus nimmt... Wird nicht trainiert (oder wurde zumindest nicht), ist aber durchaus machbar.

 

Zu dem vorliegenden Fall... man möge mir verzeihen, ich hab mich da nicht allzu sehr eingearbeitet; Wenn sich die 3 ADIRU verabschieden, hängen sich auch die PRIMs auf und das Flugzeug geht automatisch in ALTN 2 Law wo die high und low speed protections nicht mehr aktiv sind, da das Fly-By-Wire dann ja nicht mehr garantieren kann, dass es richtig eingreift. D.h Du fliegst es wieder wie die gute alte C152...

Wirklich blöd wird es nur, wenn 2 ADR GENAU die gleich falschen Angaben liefern und die verbleibende richtige dann vom System ausgeschlossen wird.

Wie gesagt, kein Gewähr auf Richtigkeit, aber so habe ich es noch im Kopf.

 

Gruss

 

Dani

Geschrieben
Airbus wird sich die Überlegung machen; wenn wir die Flight Protections einfach abschaltbar designen, mag das für einige Situationen mit bestimmten Piloten (obwohl darauf alle trainiert sein sollten) ein Vorteil sein, wird aber generell die Unfallstatistik erhöhen.

 

Das Letztere wäre noch zu diskutieren, glaube ich generell nicht. Dein Einwand hat jedoch etwas, das hat der Hersteller sicher auch einbezogen. Ändert aber nichts am Problem wenn Protections selbst zum Hazard werden.

 

 

Wenn ich mich recht erinnere (ist scho e momentele her

 

Dani, da liegt für mich die Krux der Sache. Als ich auf diesem Flugzeug war hatte ich konstant das mulmige Gefühl nicht genug zu wissen über alle tausend Möglichkeiten, Protections, laws, wann sie greifen, wann nicht mehr uns so weiter und so fort. Wenn ich die verschiedenen Foren mitverfolge, so stelle ich fest, dass es tausend Meinungen gibt, jede in sich könnte Sinn machen. Es gibt tausend verschieden Szenarien, wenn dies zu dem Zeitpunkt so war, dann musste dies und jenes vorherrschen, angezeigt sein, wenn jedoch vorher noch dies und jenes sensed wurde, dann konnte dies ja natürlich nicht mehr stimmen, da ja jenes auch schon angezeigt war, aber, falls es die Version xyz war, oder mit dem Upgrade abc ausgestattet, dann hätte man dies und jenes switchen sollen, damit man in den submode g kommt, dann gilt jedoch pitch sowieso und auf keinen Fall den thrust lever anfassen ....

 

Ich bin schlicht unfähig solche komplexen System, Vorgänge, Updates etc im entscheidenden Moment richtig abrufen zu können. Kollegen die auch schon mal in einer Top Emergency waren werden mir beipflichten, ZUALLERERST mus geflogen werden. Das kann ich am besten so wie mir das Gesäss geschenkt wurde und ich im Piper L4 gelernt habve: Pitch und Power.

 

Erneut:

 

Das Flugzeug muss mir dies aber jederzeit in windeseile gestatten, ohne dass ich tausend QRH, Bulletin oder komplizierte switchings vornehmen muss.

Geschrieben
Airbus wird sich die Überlegung machen; wenn wir die Flight Protections einfach abschaltbar designen, mag das für einige Situationen mit bestimmten Piloten (obwohl darauf alle trainiert sein sollten) ein Vorteil sein, wird aber generell die Unfallstatistik erhöhen.

 

So wie jene der T7, des nach Statistik sichersten Flugzeugs??

Geschrieben

Ich möchte mal noch in den Raum stellen, dass es vielleicht nicht die allerbeste Idee bzw. Perspektive in dieser Situation gewesen wäre, in die ITCZ/CBs zu sinken. Klar, es muss Vorrang haben, das Flugzeug trotz ausgefallener Anzeigen, flugfähig zu halten! Ich vermute aber (und kann dies auch nachvollziehen), dass die Crew dort Tod und Teufel getan haben wird, um die Höhe zu halten und nicht in weitere CBs einzufliegen.

Geschrieben

Da magst du schon Recht haben Andreas, aber mal ganz grundsätzlich:

 

Nach einem Unfall gibt es immer 2 Diskussionsebenen; die erste befasst sich mit dem konkreten Unfall und die zweite mit dem generellen thematischen Umfeld, in dem sich dieser Unfall ereignet hat.

 

Für die erste Ebene haben wir schlichtweg noch viel zu wenig Fakten, wer jetzt schon Ursachen und Schuldige nennt, steht nicht mal auf dünnem Eis, sondern hüfttief im kalten Wasser.

Mein obiger und wohl auch Lomo’s Beitrag befassen sich generell mit der Thematik unreliable Airspeed, wobei wir nicht mal wissen, ob das im konkreten Unfall überhaupt eine Rolle gespielt hat.

 

Und es ist nun mal aufgefallen, dass hier Protagonisten völlig zurecht auf Pitch+Power-Drills pochen, gleichzeitig aber (widersprüchliche) Verfahren nennen, die, gelinde gesagt, suboptimal sind. Das deutet meines Erachtens eben darauf hin, dass die gängigen Procedures doch nicht durchdacht genug sind.

Der Ansatz mit dem kontrollierten Gleitflug als „Einstieg“ wäre da wahrscheinlich die bessere Lösung.

 

 

Gruss

 

Ruedi

Geschrieben
Ich möchte mal noch in den Raum stellen, dass es vielleicht nicht die allerbeste Idee bzw. Perspektive in dieser Situation gewesen wäre, in die ITCZ/CBs zu sinken. Klar, es muss Vorrang haben, das Flugzeug trotz ausgefallener Anzeigen, flugfähig zu halten! Ich vermute aber (und kann dies auch nachvollziehen), dass die Crew dort Tod und Teufel getan haben wird, um die Höhe zu halten und nicht in weitere CBs einzufliegen.

 

Irgendwie bezweifle ich stark, dass man in der ITCZ ein Gewitter mit einem herkömmlichen Verkehrsflugzeug überfliegen kann. Da baue ich mir doch lieber einen möglichst großen Puffer zur Coffin Corner auf und hoffe dann, dass der Flieger die Turbulenzen irgendwie heil übersteht. Selbst im Gewitter kann man ja dann den übelsten Zonen noch ausweichen, vorausgesetzt, das Wetterradar hat funktioniert, was wir ja auch nicht wissen.

Geschrieben

Sicher kann man die CBs dort nicht überfliegen (das geht ja hier in unseren Breiten meistens nicht so einfach), aber ich kann mir schon vorstellen, dass man dort den Reflex hat, die Höhe zu halten und um die Türme herum zu fliegen, bzw. den Weg des geringsten Widerstands zu finden. Und wenn sie vielleicht umdrehen wollten?

Geschrieben

Grundsätzliche eine tolle und spannende Dikussion. Darf ich als Laie die Bitte einwerfen, weniger Abkürzungen zu verwenden oder die gewählten Begriffe kurz zu erläutern? Ich komm kaum nach mit googlen und nachschlagen... merci.

 

Edith sieht, dass sich jemand angefangen hat die Mühe zu machen, Begriffe zu erklären uns ins Lexikon einzufügen! Herzlichen Dank!

Geschrieben
Selbst im Gewitter kann man ja dann den übelsten Zonen noch ausweichen.....

 

Thomas, kleine Gewissensfrage:

Warst du schon mal in der ITCZ in einem CB drin, so richtig im „tiefvioletten“ Bereich ?

 

Ich habe nämlich nur einige Male ausgewachsene Gebilde europäischen Zuschnitts durchquert, und das mit Maschinen, die erheblich weniger turbulenzempfindlich sind als Airliner.

Dabei habe ich allerdings zwischen -3 und +5g inklusive Nasenbluten alles erlebt.

Was dabei mit einem Airliner -nicht allzu weit vom Coffin-Corner entfernt- passiert, möchte ich mir lieber nicht ausmalen.

 

Die rasche Abfolge einiger Ereignisse in der mehrfach erwähnten ACARS-Message lässt die Hypothese zu, dass die Fluglage sehr rasch völlig ausser Kontrolle geriet. Wenn nun die Jungs, aus welchem Grund auch immer, tatsächlich mitten in die Waschküche hinein geflogen sind, würde das einiges erklären, jede Pitch+Power- Theorie würde da nicht mehr viel bringen.

Ich bleibe daher, konkret auf den Unfall bezogen, zuerst mal bei meiner schon vor langer Zeit geäusserten Frage:

 

Wie wurde der Radar bedient, was hat er dargestellt und wie wurde damit umgegangen?

 

 

Gruss

 

Ruedi

Geschrieben

niemand,

 

Genau da setzt meine alte Forderung an Airbus an. Die Protections sind gut gemeint, wenn sie aber in Extremsituationen düpiert werden und bei Gegensteuer der Piloten immer noch reinfunken, sind sie eher kontraproduktiv.

 

du hast das Dilemma so auf den Punkt gebracht, wie ich es meinte. Danke.

 

 

Andreas,

 

wo soll der Vorteil liegen, Level Flight zu fliegen, wenn die CB's bis FL600 hoch gehen?

 

 

Das Problem an der Geschichte ist, wie Vorredner schon beschrieben haben, dass die QRH-Procedure und die zugehörigen Memory-Actions für unreliable Airspeed auf einen Ausfall im Upwind / Climbout ausgelegt ist, wo das Flugzeug

1. viel Luft hat zwischen min und max Speed, also Protections erstmal selbst bei falscher Speed-Messung nicht reinpfuschen und

2. das Flugzeug viel Power-Überschuss, also viel sofort verfügbare Steigleistung hat.

 

Die Idee ist erstmal weg vom Boden um Zeit und Höhe zu gewinnen, bevor man sich der Probleme annimmt.

 

Im möglichen Szenario hier bei einem Airliner im REC MAX LVL sind die Speedbänder aber sehr nahe beisammen, und entsprechend wenig Margin hat man

1. zu einer Buffet-Condition (low oder high Speed)

2. zum auslösen einer unnötig ausgelösten Protection, die pitcht, und

3. keinen Power-Überschuss, wo man erstmal mit CLB PWR stur steigen kann.

 

Das führt dazu, dass man Pitch und Power in der Höhe extrem genau fliegen muss, weil kleinste Pitch-Änderungen extreme Flugzeugbewegungen auslösen (hohe TAS am Elevator!). Dies ist generell sehr schwierig, und bei heavy Turbulenz und / oder reinpfuschender Speed Stability wird das noch viel schwieriger.

 

Deswegen ist die beste Lösung, sich aus dieser aerodynamisch extrem unwirtlichen Zone schnellstmöglich zu verabschieden, und das geht am schnellsten und elegantesten mit Pitch for 3° idle Descent und Power idle. Nur schon das Power idle erlaubt einen, sich nur noch auf einen Parameter (Pitch) anstatt sich auf zwei Parameter (Pitch und Power) zu konzentrieren.

 

1. FLY!!!

2. Navigate

3. Communicate

4. Confirm System Status, Error Messages

5. Perform the Procedure

 

Grüsse

Lorenz

Geschrieben

Wie wurde der Radar bedient, was hat er dargestellt und wie wurde damit umgegangen?

 

Dann noch:

 

Gab es an diesem Tag Hinweise, dass Gewitterzellen Cluster artig auftreten. In der Regel haben sie ja eine Gröse von 5-20Nm, wenn sie vereinzelt oder lose gruppiert sind, kann man whs. schon Slalom artig durchkommen. In diesem Fall, scheint es aber anders gewesen zu sein.

 

Dann auch noch, konnte die Crew aus dem Monitoring der verschiedenen Frequenzen direkt oder indirekt Hinweise auf die Wettersituation bekommen? (Diversion der Vorausfliegenden, direkte Angaben über das Wetter?)

 

Im übrigen, meine Bemerkungen über den Kommandanten Dubois waren nicht als Vorverurteilung gedacht. Kommandanten sind nur Mensch, deshalb können ihnen tragische Fehler oder Fehleinschätzungen mit tödlichem Ausgang unterlaufen. Die Bedingungen unter denen diese Geschehen sind, sind für uns lehreich. Auch die scheinbar einfache Routine birgt Ungeheuer, das wissen eben oft nur die Erfahrenen. Das gilt nicht nur in der Fliegerei.

 

Bezüglich Ruhezeiten wollte ich noch anmerken, diese können auf so langen Flügen auch verschoben und variiert werden (Kommandant immer zuerst? sicher nicht). Zu lange schlafen dürfen die Crewmitglieder ja auch nicht, wegen der "Überhangs-Müdigkeit" (sleep inertia).

 

Seit drei Tagen ein ganz spannende Diskussion. Danke

 

Gruss einstweilen

 

Bernhard (LSZH)

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