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27NOV2008 | A320 AirNZ | nahe Perpignan | Absturz ins Meer


Empfohlene Beiträge

Geschrieben

Hallo Danilo

 

ging mir genauso wie Dir, letzte Woche als die Ausgabe

erschien.

 

 

Hab schon seit 10 Jahren das Aero International,ein

meiner Meinung recht gutes Heft.

 

Der ehemalige Aero Lloyd Kapitan war noch sehr misstrauisch,

willigte dann aber doch noch zu den Flugtests ein.

 

 

Manfred

Geschrieben
Was steht in dieser Zusammenfassung, was nicht schon im >offiziellen Unfallbericht< steht?

 

Das Lesen des über 200-seitigen französischen Textes habe ich mir erspart. Daher kann ich deine Frage nicht beantworten, falls es denn überhaupt eine echte war. Die Stärke des «Aero Int.»-Berichtes liegt meines Erachtens darin, den interessierten, nicht spezialisierten Aviatikfreund nach einem gewissen zeitlichen Abstand und daher verlässlich auf gut verständliche und überschaubare Weise über diesen Unfall zu informieren sowie dessen Hintergründe zu beleuchten. Das ist ihm gut gelungen.

 

Gruss

Dani

Geschrieben
Das Lesen des über 200-seitigen französischen Textes habe ich mir erspart.

Schade, er ist nämlich sauinteressant. (Obwohl die Erkenntnisse für mich Kleingemüseflieger nicht praxisrelevant sind.)

  • 3 Jahre später...
Geschrieben (bearbeitet)

Gestern bin îch beim Zappen auf N24 auf eine filmische Rekonstruktion des Unfalls gestossen. Kurz zusammengefasst. Der Flieger wurde vor dem Testflug mit einer Druckspritze ("gekärchert") gereinigt. Dabei soll Wasser in beide Stall-Sensoren  gelangt sein. Diese haben darauf hin im Flug nach ca. 20 min. den Geist aufgegeben, als die Aussentemperatur entsprechend der Flughöhe frostig wurde, weil das Wasser im Sensor eingefroren war.

Beim Stall-Manöver waren sie noch nicht aufgetaut und habe deshalb nicht funktioniert. Auf dem PFD kam eine Warnung "use manual trim", diese hat die Crew aber nicht registriert und befolgt...

Der Rest ist bekannt.

 

Bernhard (LSZH)

Bearbeitet von Gast
Geschrieben

Hallo Bernhard,

 

du gibst hier die Kurzversion einer Kurzreportage wieder. Die ganze Geschichte ist ein bisschen komplexer, wenn wir sie zu vereinfacht im Gedächtnis behalten, wird sich etwas ähnliches wiederholen, nur mit ein paar leicht geänderten Eingansparametern.

Wenn sich die Profis die Mühe machen, einen 222 Seitigen Bericht zu erstellen, dann sollte man den auch komplett lesen.

 

Ein Beispiel: Ich finde es völlig in Ordnung wenn Fluglehrer im Rahmen der Schulung Stalls fliegen. Sie benutzen dazu ein lufttüchtiges Flugzeug und sind darauf trainiert.

Wenn ich nach der Wartung prüfen will, ob die Stallwarnung funktioniert, dann muss ich soweit geschult sein zu erkennen, in welcher Form sie versagen, und was dann passieren kann. Dazu muss ich eine Testpilotenlizenz haben. Andernfalls bin ich nur in der Lage, eine funktionstüchtige Stallwarnung zu bestätigen (was in 99.9% der Fälle auch ausreicht), aber eben nicht eine nicht funktionierende Stallwarnung sicher erkennen, und am besten noch identifizieren was jetzt nicht funktioniert.

Niemand käme auf die Idee, "normale" Piloten eine Stallerprobung eines Prototypen fliegen zu lassen. Warum kommen wir auf die Idee, sie eine Stallwarnung prüfen zu lassen, wenn im Falle einer Fehlfunktion der Pilot irgendwo hingerät, wo noch kein Testpilot vor ihm war.

 

Es ist natürlich wieder mal eine Kostenfrage und eine Risikoabwägung, wen man so Test machen lässt. Meiner Meinung nach kann das aber nur jemand tun, der auch mit jeder denkbaren Fehlfunktion zurechtkommt.

Das wäre etwa so, wie wenn man im Schützenverein jemanden prüfen lässt ob eine Waffe ordnungsgemäß entladen ist, indem man mal einen Probeschuss auf den Kopf probiert und verifiziert, dass es nur "Klick" macht...

Wenn ich etwas teste, muss ich mit der größtmöglichen Fehlfunktion rechnen, sie verstehen und sie bewältigen können.

 

Gruß

Ralf

Geschrieben

Ralf,

 

alles recht, ich hatte den Thread ja auch gelesen. Neu war wirklich die Reinigung des Fliegers mit einem Hochdruckreiniger  vor seinem letzten Flug. Dann whs. auch noch schön auf die Sensoren gehalten. Das die nur bedingt wasserdicht sind, hat mich schon erstaunt.

Wie auch immer, wenn jemand mit einem Hochdruckreiniger an einem Flieger rum macht, sollte man vorsichtig werden......

 

Bernhard (LSZH)

Geschrieben

 

Wie auch immer, wenn jemand mit einem Hochdruckreiniger an einem Flieger rum macht, sollte man vorsichtig werden......

Wenn jemand mit einem Hochdruckreiniger an einem Flieger rum macht, dann sollte man ihm das Wartungshandbuch um die Ohren hauen!

Jeder Flugzeughersteller der zum Zeitpunkt der Erfindung des Hochdruckreinigers noch existiert hat, verbietet die Benutzung ausdrücklich. Aber es funktioniert ja so unglaublich gut...

 

Die Dichtungen (und zwar praktisch alle) sind für Druck von innen nach aussen ausgelegt, und können mit einem Hochdruckreiniger leicht überdrückt werden. Zum Beispiel die Fensterdichtungen, die Federbeindichtungen am Fahrwerk oder die Dichtungen von Aktuatoren.  

 

Gruß

Ralf

Geschrieben

Meines Wissens gibt es eine Art von Abnahmepiloten, die nicht Testpiloten sind. Sie nennen sich Functional check pilots, oder ISATFM qualified pilots. Es genügt aber auch, ein Simulator-training zu machen. Meistens ist es der Technische Pilot, der so was macht. Meiner Meinung war das der damalige Deutsche Kapitän von XL Germany. Sonst hätte BEA das beanstandet.

 

Was sie beanstandet haben, war, dass sie das Programm nicht vorher im Simi abgeflogen sind, bzw. dass sie eben das Programm nicht wie es sein sollte abgeflogen sind. u.a. eben die Stalls unter FL 200.

 

Dani

Geschrieben

Auch im Simi wären sie nur eine funktionierende Protection abgeflogen. Der Sinn des "functional check flights" ist ja zu bestätigen, dass alles funktioniert. Das ist ja auch in 99.9% der Fall, aber sollte das zu checkende System mal nicht funktionieren, dann braucht es ein bisschen mehr als eine langjährige Erfahrung als Ailinepilot und eine kurze Einweisung.

Die Tatsache, dass das ganze auch noch in Ameisenkniehöhe versucht wurde hat es sicher nicht besser gemacht, aber angesichts der massiv behinderrten Systeme hätte es schon sehr, sehr viel Übung und Kenntnis gebraucht, das Flugzeug zu retten. Es wurde ja zeitweise mit voll auf schwanzlastig getrimmter Flosse und voll auf Anschlag gedrücktem Höhenruder geflogen

 

Between 15 h 44 min 30 and 15 h 45 min 05, the stabiliser moved from -4.4° to -11.2° corresponding to the electric pitch-up stop. It stayed in this position until the end of the recording.

The Captain’s longitudinal input was still at the forward stop position. The elevators reached their maximum nose-down position of about 11.6°.

...

The Captain immediately made a longitudinal input to the forward stop. This did not stop the aeroplane from climbing, with speed dropping. The stall warning sounded again at 15 h 45 min 36. Three seconds later, the crew retracted the landing gear. At 15 h 45 min 40, the pitch was 52 degrees nose up, the bank angle reached a maximum of 59 degrees to the left and the normal load factor dropped below 0.5 g.

Mit dieser Trimruderstellung wäre das Flugzeug nach einem Abkippen in größerer Höhe vermutlich gleich wieder einen Looping geflogen, sobald es im Sturzflug etwas Fahrt aufgenommen hätte. Vermutlich hätte es selbst ein Profi in größerer Höhe nicht mehr retten können.

Die Kunst ist, alle relevanten Parameter im Blick zu haben und zu erkennen, wenn sie aus dem Ruder laufen, und nicht wann sie völlig aus dem Ruder gelaufen sind.

Das braucht eine umfangreiche Ausbildung als Testpilot oder Flugversuchsingenieur. Es geht weniger darum, das Flugzeug besonders gut handwerklich fliegen, als vielmehr es besonders gut beobachten zu können. Einem Testpilot wäre viel früher aufgefallen, dass die Warnmarkierung am Fahrtmesser nicht stimmen kann, das etwas größeres nicht stimmt.

 

Besonders zu bemerken auch:

A voting mechanism allows rejection of the source of information that presents a difference from the two others. This vote is not apparent for the pilots and the system is always capable of ensuring all of its functions when one of the values is rejected.

Thus, when one of the angle of attack values is blocked and valid, the FAC and the ELAC reject the corresponding ADR as soon as the gap between the blocked value and the median value exceeds a certain threshold.

When two angle of attack values are blocked at the same value more or less simultaneously, this blocked value is used: when there is a possible significant variation in the angle of attack, the ADR that is supplying the non-blocked angle of attack value is rejected.

Sprich: Dreifachredundanz bei zweifachem (identischem) Ausfall lässt den Computer glauben, der eine korrekte Wert wäre falsch und die zwei falschen Werte wären korrekt.

Soviel zum Thema Automation... Niemand hätte diesen Aspekt je im Simi-Training behandelt.

 

Wie immer ein Schweizer-Käse-Problem. Wenn nur einer der Aspekte anders gewesen wäre, wäre der Unfall vermutlich nicht passiert. Hätte niemand gekärchert, wären die Sensoren anders aufgebaut, wären es Testpiloten gewesen (oder wären sie wenigstens explizit auf alle Aspekte des Tests ausführlich vorbereitet, oder von einem Flugversuchsingenieur auf dem Jumpseat unterstürtz worden), wären Piloten mehr auf AoA konzentriert, wäre es ein vollmechanisches Flugzeug gewesen etc. Die geringe Flughöhe ist da eher noch ein untergeordneter Aspekt.

 

Gruß

Ralf

Geschrieben (bearbeitet)

 

 

Auch im Simi wären sie nur eine funktionierende Protection abgeflogen. Der Sinn des "functional check flights" ist ja zu bestätigen, dass alles funktioniert. Das ist ja auch in 99.9% der Fall, aber sollte das zu checkende System mal nichtfunktionieren, dann braucht es ein bisschen mehr als eine langjährige Erfahrung als Ailinepilot und eine kurze Einweisung.

 

Das stimmt schon, aber der Sinn hinter diesem Functional Check ist ja gerade, herauszufinden, ob es funktioniert oder nicht. Die betreffende Crew muss also fähig sein zu erkennen, ob es funktioniert oder nicht.

 

Eigentlich hätte es nicht viel Erfahrung und Wissen benötigt, um das ganze Problem zu lösen: Im Direct Law steht ganz gross und in Rot "USE MAN PITCH TRIM" über dem Primary Flight Display. Was für jeden Airbus-Piloten erst mal bedeutet, dass man im Direct Law ist. Aber in zweiter Funktion eben genau das bedeutet, was es heisst: nutze das Pitch-Trim-Rad, die beiden grossen runden Dinger links und rechts vom Gashebel, und drehe da dran, bis du das gewünschte Trimsetting hast.

 

Aber eben, in so einer Stresssituation geht das halt schnell mal vergessen.

 

Ich nehme an, solche Abnahmeflüge werden jeden Tag irgendwo auf der Welt gemacht, und nicht mit Testpiloten, sondern ganz normale Abnahmepiloten.

 

 

 

Die geringe Flughöhe ist da eher noch ein untergeordneter Aspekt.

Ich weiss jetzt nicht mehr wo es stand, aber ich glaube, sie hätten das Flugzeug abgefangen, wenn sie genügend Höhe gehabt hätten. Vorausgesetzt natürlich, sie hätten das richtige getan.

 

 

D

Bearbeitet von Danix
Geschrieben (bearbeitet)

Hat man denn auf die AoA-Anzeige geachtet? Wenn man Pitch oder Speed ändert, sollte die sich doch rühren und nicht "wie eingefroren" feststehen. Das sollte doch gerade bei so einem Test die Alarmglocken klingen lassen, oder gib's das Instrument garnicht (mehr) im Cockpit? Oder hab' ich das völlig mißverstanden?

 

Gruß

Peter

Bearbeitet von PeterH
Geschrieben

diese Flugzeuge haben keine AoA-Anzeige. Die AoA-Signale fliessen in die Rechnungen der Flugcomputer (ELAC, SAC und andere) ein. Wenn die Werte nicht mehr stimmen, sagt der Computer Stop! so rechne ich nicht mehr weiter. Was dann mit einem Direct Law endet. In einem Direct Law fliegt sich ein Airbus wie ein Embraer oder ein Bombardier oder ein 777, also ein konventionelleres FBW als ein Airbus: Die Klappen- entsprechen den Steuerausschlägen.

Geschrieben

Hat man denn auf die AoA-Anzeige geachtet?

Diese Flugzeuge haben keine AoA-Anzeige.

Schon in einigen Unfallberichten wurde unter den Sicherheitsempfehlungen gesagt, man solle mal überlegen ob eine AoA Anzeige nicht zum Standard werden sollte. Ich würde das voll unterstützen. Das Problem ist leider, dass an den typischen Anfängerschulflugzeugen keine vernünftige AoA Anzeige zu machen ist, und wenn es nicht durchgängig routinemäßig genutzt wird, ist es nur noch halb so viel Wert.

Ja, man hätte bei eine AoA Anzeige vermutlich sofort gesehen, dass hier was im argen ist. Im Prinzip hätte man es auch an den Roten Balken im Fahrtmesser sehen können, aber darauf waren die Piloten nicht geschult.

 

Die betreffende Crew muss also fähig sein zu erkennen, ob es funktioniert oder nicht.

Genau das waren sie aber offensichtlich nicht, jedenfalls nicht die kleinen Hinweise rechtzeitig zu erkennen. Sie waren nur in der Lage zu erkennen, das ganz offensichtlich etwas ziemlich im argen war, aber sie heben zu keinem Zeitpunkt verstanden was.

 

Ich nehme an, solche Abnahmeflüge werden jeden Tag irgendwo auf der Welt gemacht, und nicht mit Testpiloten, sondern ganz normale Abnahmepiloten.

Ja, und in 99.9% der Fälle ist alles wie es sein soll, und das kann jeder normale Pilot problemlos bestätigen. In 0.099% der Fälle ist etwas "gewöhnliches" defekt, das von einem normalen Piloten gut zu erkennen ist. Der Rest der Fälle fällt dann in die Kategorie "Freak Accidents". Es ist nicht wirklich fair den Piloten gegenüber, sie so einem Risiko auszusetzen. Es wäre allerdings wohl nicht wirtschaftlich, extra dafür speziell ausgebildete Piloten vorzuhalten. Schade.

 

 

Eigentlich hätte es nicht viel Erfahrung und Wissen benötigt, um das ganze Problem zu lösen: Im Direct Law steht ganz gross und in Rot "USE MAN PITCH TRIM" über dem Primary Flight Display. Was für jeden Airbus-Piloten erst mal bedeutet, dass man im Direct Law ist. Aber in zweiter Funktion eben genau das bedeutet, was es heisst: nutze das Pitch-Trim-Rad, die beiden grossen runden Dinger links und rechts vom Gashebel, und drehe da dran, bis du das gewünschte Trimsetting hast.

 

Aber eben, in so einer Stresssituation geht das halt schnell mal vergessen.

OK, das sind gleich 3 Aspekte:

Zum einen verstehen viele Piloten (auch gerade weil für gewöhnlich immer ein Standardszenario für Simchecks und Schulung verwendet wird) "USE MAN PITCH TRIM" heisst "Direct Mode". Im Sim wird von ihnen nur erwartet, dass sie aus dieser Meldung "Direct Mode" schliessen, und die daraus notwendigen Schlüsse ziehen (z.B. Verlust der Protections)

 

Der zweite Punkt ist, dass viele Piloten dank Autotrim das Trimrad gar nicht mehr routinemäßig nutzen, es ist Teil der Satrtvorbereitung, und dann wird es für den Rest des Fluges ignoriert. Auch in den Schulungsrichtlinien für Anfänger wird die Trimmung ziemlich stiefmütterlich behandelt, was auch daran liegt, dass die Trimmung in vielen unterschiedlichen Flugzeugen unterschienlich bedient wird (Trimmrad, Drehknopf, kontinuierlicher Trimmhebel, gerasterter Trimmhebel, Trimmknopf, Trimmschalter...) und unterschiedlich wirkt (Federtrimmung, Flettnertrimmung, Flossentrimmung). Es gibt da durchaus zwei völlig unterschiedliche Lehrmeinungen zu, wie die Trimmung einzusetzen ist. Für mich ist sie ein primäres Kontrollorgan seit ich Flugzeuge mit vernünftiger Trimmung fliege (die Schraubtrimmung von Ka8 und Ka6 ist z.B. nicht "vernünftig" nutzbar). Wenn ich im Anflug die Geschwindigkeit reduzieren will, dann ziehe ich nicht erst und trimme dann die Kraft weg, dann stelle ich gleich die Trimmung ein Stück schwanzlastiger und lasse den Knüppel/das Horn locker kraftfrei in der Hand liegen. Das Höhenruder korrigiert kurzfristige Störungen und leitet Manöver ein, die Trimmung wält mittelfristige Änderungen. Bei der Airbus FBW Logik verschmelzen Höhenruder und Trimmung allerdings ohnehin zu einem einzigen Steuerelement, von daher tuen sich die Leute einfacher, die ohnehin nie die Trimmung aktiv genutzt haben.

 

Der Dritte Punkt ist, dass man in Stressituationen in simple Denkschemata verfällt. Man nimmt "USE MAN PITCH TRIM" noch wahr, und versteht es bestenfalls als "wenn ich umtrimmen will, muss ich das jetzt manuell tun", da man das aber gerade nicht will, wird die Meldung in der Prioritätenliste ganz nach hinten geschoben. Jetztz erst mal das Flugzeug recovern, und dann später mal die Trimmung bedienen. De Facto bedeutet die Meldung aber "Check Trim Setting", man denkt in Stressituationen simpel, man denkt, "wenn ich die Trimmung nicht angefasst habe, dann steht sie noch richtig" (bzw. man denkt umgekehrt: ich habe dieses oder jenes getan und jetzt ein Problem, also muss das Problem mit meiner letzten Handlung zusammenhängen, ich bin durch ziehen in Probleme geraten, also muss ich drücken). Auf die Idee zu kommen, der Computer hat die Trimmung wo völlig unsiniges hin gestellt, und ich muss jetzt manuell etwas korrigieren, das ich gar nie bewusst falsch gemacht habe, soweit abstrahiert man dann nicht. Wenn ich nicht schwanzlastig getrimmt habe, dann ist das Flugzeug auch nicht schwanzlastig getrimmt. Das Zusammenspiel von Mensch und Automatik ist nicht in unserem Gehirn verankert, und in Stressituationen fallen wir in unsere angestammten Denkmuster zurück. Da kann man mit gezieltem Training gegensteuern, ein Punkt bei Stall/Upset Recovery muss daher sein "Check Trim", das muss in Fleisch und Blut übergegangen sein. Wie gehen aber in unseren Trainingszenarien davon aus, das Stall/Upset die Folge eines Pilotenefehlers ist, und alle Systeme korrekt arbeiten, darauf sind unsere Verfahren ausgelegt, "best use of resources", und wir gehen davon aus, das bestimmte Automatiken schlicht zur Verfügung stehen.

 

 

Ich weiss jetzt nicht mehr wo es stand, aber ich glaube, sie hätten das Flugzeug abgefangen, wenn sie genügend Höhe gehabt hätten.

Was da steht, ist dass die verfügbare Höhe nicht ausreiched war, um das Flugzeug abzufangen (unbestreitbar).

Der Umkehrschluss ist gewagt. Ich gehe davon aus, dass sie auch bei größerer Höhe allein nicht daran gedacht hätten, während der Sturzflugphase die Trimmung zurück auf neutral zu stellen (falls das überhaupt schnell genug geht), von daher hätten sie aus dem Sturzflug gleich wieder zu steil hochgezogen.

Die Flossentrimmung von Verkehrsflugzeugen ist eine ziemlich komplexe Angelegenheit, und hat in der Anfangsphase (als Höhenruder noch nicht hydraulisch, und daher weniger wirksam waren) zu vielen Unfällen geführt. Nicht umsonst hat sich Lockheed daher bei der TriStar für ein Pendelhöhenruder entschieden, um dieser Problematik aus dem Weg zu gehen. Langfristig hat sich aber die einfachere und preiswertere Lösung durchgesetzt... Der hintere Höhenflossenanschlag ist für ein langsames, kopflastig beladenes Flugzeug mit vollen Klappen ausgelegt, nicht für ein Flugzeug das ich aus dem Sturzflug abfange. Wenn ich mich mit einem voll schwanzlastig getrimmten Verkehrsflugzeug im Sturzflug befinde, habe ich ein echtes Problem!

 

Gruß

Ralf

Geschrieben (bearbeitet)

Schon in einigen Unfallberichten wurde unter den Sicherheitsempfehlungen gesagt, man solle mal überlegen ob eine AoA Anzeige nicht zum Standard werden sollte. Ich würde das voll unterstützen. Das Problem ist leider, dass an den typischen Anfängerschulflugzeugen keine vernünftige AoA Anzeige zu machen ist, und wenn es nicht durchgängig routinemäßig genutzt wird, ist es nur noch halb so viel Wert.

Ja, man hätte bei eine AoA Anzeige vermutlich sofort gesehen, dass hier was im argen ist. Im Prinzip hätte man es auch an den Roten Balken im Fahrtmesser sehen können, aber darauf waren die Piloten nicht geschult.

...

Gruß

Ralf

 

Eine AoA-Anzeige als Standard: Da bin ich voll Deiner Meinung. Natürlich haben einige Echo-Flugzeuge einfache Stallwarnungen, aber die scheinen mir doch meist ziemlich ungenau zu sein und können ein Instrument nicht ersetzen. Leider bleibt für die Schulung (auf den "normalen" Single-Props) also nur, die Bedeutung des Fahrtmessers immer wieder zu betonen.Je nach Flugmanöver (Slip z.B., allgemein: wenn die Pitots nicht genau von vorne angeströmt werden oder im "Schatten" liegen) wäre das natürlich auch mit großer Vorsicht zu interpretieren.

Andererseits: Wenn man bei einer Düsenkiste (oder z.B.einem Pusher) eine Stelle (z.B. wie hier am Rumpf) findet, an der die Strömung zumindest einigermaßen proportional zur ungestörten Strömung ist, dann sollte man doch diese wichtige Information nicht nur ausschließlich an die Computer senden (auch noch mit Majoritätslogik, 2 von 3 usw :o ), sondern dem Piloten ein Instrument gönnen, das ihn zumindest vor den allerschlimmsten Fehlinterpretationen bewahren kann. Ging doch bei den alten Dickdüsen (707, 727, DC-8, Russenkisten usw) auch und kostet nicht die Welt.

Oder ist es den Designern peinlich, wenn man doch noch auf die Urteilsfähigkeit der Piloten setzt und nicht alles der Automatik überläßt?

Wird die (ferne?) Zukunft der (Verkehrs)fliegerei wirklich so sein, wie in einem Cartoon, das ich mal gesehen habe: Im Cockpit gab es nur einen Kippschalter, sonst nichts, garnichts, kein Bildschirm, keine Uhren, weder Yoke noch Pedale, noch Trimmrad, noch Schubhebel.

Der Schalter war beschriftet ON/OFF... :huh:

Alles andere macht das "Elektronengehirn", das biologische wird nicht mehr gebraucht und konsequent wegrationalisiert.

 

EDIT: Deinen Ausführungen zur Trimmung kann ich natürlich auch nur zustimmen. Was da teilweise geschult wird... normalerweise: "Man nimmt den Druck aus dem Knüppel". Ja, ok, auch noch akzeptabel. Mein Fluglehrer sagte mir damals allerdings "Man trimmt auf Geschwindigkeit". Absolut vernünftig und so mach' ich's noch heute... :)

 

Gruß

Peter

Bearbeitet von PeterH
Geschrieben

Der Schalter war beschriftet ON/OFF... :huh:

Up/Down. Soviel Entscheiderfähigkeiten hat der Cartoonist den Piloten doch noch zugetraut. ;)

Geschrieben

"Fly, Land, off" stand auf dem Schalter. Und der Mechano fragte den Piloten: "Do you think you can handle it?"

Geschrieben

Das ist auch gut. Es scheint dann doch mehr als einen Cartoon dazu zu geben.

Geschrieben (bearbeitet)

Ist wohl so. Meiner stammt aus einem Buch aus den späten 50er Jahren (!).  Werde versuchen, ihn hier einzustellen.

 

@Dani: Könnte ja durchaus sein, daß ein Kiippschalter mit DREI Stellungen (Oben, Mitte, Unten) in der (fernen) Zukunft die intellektuelle Kapazität eines durchschnittlichen Homo sapiens :o  übersteigt... ;)

In dem Sinne: Genießen wir die Zeit bis dahin. :)

 

Gruß

Peter

Bearbeitet von PeterH
Geschrieben

Eine AoA-Anzeige als Standard: Da bin ich voll Deiner Meinung.

Wir als Privatpiloten müssen aufpassen, was wir fordern!

 

Natürlich wäre es an jedem Flugzeug mit Bordnetz machbar, eine AoA-Anzeige einzubauen. Dass es 152er gibt, bei denen die Kosten fürden Einbau einer solchen Anzeige den heutigen Wert übersteigt (was nur teils an den Kosten der AoA-Anzeige liegt ;-) ) ist ja eine andere Frage.

 

Wenn dann der Gesetzgeber aber tatsächlich ab 2020 alle Flugzeuge grounded, die keine AoA-Anzeige haben, dann ist gerade hier das Geschrei doch auch wieder groß!

 

Ich fliege seit über 20 Jahren und bin auch ohne AoA-Anzeige noch nie in einen ungewollten Stall "geraten".

Bedeutet das, dass es mir nie passieren wird? Nein, natürlich nicht!

Garantiert eine AoA-Anzeige, dass es mir nie passieren wird? Eben auch nicht!

 

Wenn wir über Standardausstattung reden, dann doch bitte erst mal Transponderpflicht für alle. Ganz subjektiv ist für mich die gefühlte Gefahr, dass ich mit jemanden zusammen stosse der keinen Transponder hat und den ich deswegen auf dem TCAS nicht sehe viel größer, als die Gefahr, ungewollt in einen Stall zu geraten.

 

Florian

Geschrieben

 

Natürlich wäre es an jedem Flugzeug mit Bordnetz machbar, eine AoA-Anzeige einzubauen. Dass es 152er gibt, bei denen die Kosten fürden Einbau einer solchen Anzeige den heutigen Wert übersteigt (was nur teils an den Kosten der AoA-Anzeige liegt ;-) ) ist ja eine andere Frage.

Diese AoA Anzeigen sind allenfalls eine andere Version einer Stallwarnung, keine echte Anzeige. Bei Flugzeugen mit Frontmotor ist es praktisch nicht machbar, ein AoA Sensor gehört vorne an den Rumpf, sonst misst man alles mögliche, aber im wesentlichen misst man Mist.

Und auch wenn jüngere Leute es kaum glauben: man kann auch Instrumente bauen die ohne Elektrizität funktionieren :P

 

 

Ganz subjektiv ist für mich die gefühlte Gefahr, dass ich mit jemanden zusammen stosse der keinen Transponder hat und den ich deswegen auf dem TCAS nicht sehe viel größer, als die Gefahr, ungewollt in einen Stall zu geraten.

Die Unfallstatistik dürfte ungefähr 1:10 in die andere Richtung gehen...

(z.B. http://easa.europa.eu/newsroom-and-events/general-publications/annual-safety-review-2014 Tabelle 25, 28.2:4, also etwa 1:7 für 2009-2013)

Bevor wir von Transponder reden, müssen wir erstmal kalibrierte Statiksysteme haben, damit die gefunkte Höhenangabe nicht um bis zu 100 Meter falsch ist. Und das würde ins Geld gehen.

Was da im Moment zum Teil rumfliegt (vor allem ULs die Transponder mit einem Encoder haben, der mit Kabinendruck die Höhe ermittelt... da kann man eine TCAS Warnung durch öffnen/schließen der Lüftung beenden...) funkt keine Ausweich- sondern u.U. Kollissionsempfehlungen. Wenn ich 50 Meter unter jemanden fliege, ihm aber zufunke 50 Meter über ihm zu sein, dann verringert das die Zustammenstoßgefahr nicht. Aber so ein bisschen blinkende und pipende Elektronik im Cockpit gibt einem halt so ein tolles Airlinekapitänsgefühl B)

 

AoA bringt natürlich nur was, wenn man von Anfang an darauf schult. Wenn man nicht routinemäßig draufguckt, ist es relativ wertlos.

 

 

Ich fliege seit über 20 Jahren und bin auch ohne AoA-Anzeige noch nie in einen ungewollten Stall "geraten".

Glückwunsch. Aber verlass dich besser nicht drauf, das das immer so bleiben wird.

 

Gruß

Ralf

Geschrieben

Wenn ich nach der Wartung prüfen will, ob die Stallwarnung funktioniert, dann muss ich soweit geschult sein zu erkennen, in welcher Form sie versagen, und was dann passieren kann. Dazu muss ich eine Testpilotenlizenz haben.

Hallo,

 

sie wollten nicht die Stallwarnung testen, sondern die Alpha-Floor Protection. Und dafür braucht man keinen Testpiloten. Für die Stallwarnung schon, aber das war ja nicht der Plan.

 

Gruss Michael

Geschrieben

......Je nach Flugmanöver (Slip z.B., allgemein: wenn die Pitots nicht genau von vorne angeströmt werden oder im "Schatten" liegen) wäre das natürlich auch mit großer Vorsicht zu interpretieren.

Gehört zwar nicht zur Diskussion in diesem thread, aber ich brings jetzt trotzdem:

Die Totaldruckmessung mit einem Pitotrohr ist im Breich kleiner Winkel (5°, ab ~10° wirds deutlich) wenig empfindlich auf Schräganströmung. Wenn also bei gewissen Flugzeugen während einer Glissade (forward slip) die Fahrtanzeige (indicated airspeed) signifikant falsch anzeigt, dann hat das wenig mit der verfälschten Pitot Druck Messung zu tun aber viel mit der Verfälschung des Statikdrucks.

 

Nicht ohne Grund braucht es eine Fünflochsonde (und nicht Einloch-) um den Strömungswinkel bzw. das ganze Strömungsfeld im Betrieb z.B. hinter einer Turbinenstufe auszumessen. OK, das ist old school Methode, heute hat man dazu auch ganz andere Mittel, z.B. LDA (laser doppler anemometrie).

 

Gruss

Philipp

Geschrieben (bearbeitet)

Hier noch die Karikatur zum Automatischen Fliegen (vom Ende der 50er Jahre):

 

onofftnjpm.jpg

 

Das ist wirklich Hightech: Ein Schalter für ON und einer für OFF - echt redundantes Design! :lol:

Eben so wie eine Tür zum Auf- und eine zum Zumachen....

 

Der Bildunterschrift würde ich widersprechen: Für mich wär's garnicht schön, eher ein Grund, das Fliegen aufzugeben...

 

Gruß

Peter

Bearbeitet von PeterH

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