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Fragen zur Kernenergie und Reaktortechnik


Empfohlene Beiträge

Geschrieben

Da ich mich für die Kernenergie und zum Thema Kraftwerksmanagement im Allgemeinen interessiere, habe ich unseren KKW-Experten Wilko mal angeschrieben und ihm ein paar Fragen gestellt.

 

Nach der ausführlichen Beantwortung meiner Fragen kam mir die Idee, einen eigenen Thread zum Thema "Fragen zur Kernkraft" zu starten, in dem sich alle Interessierten direkt an einen Experten wenden können, der selbst in einem Kernkraftwerk arbeitet. Ich finde diese Möglichkeit, die uns hier durch Wilko geboten wird einmalig - wie oft hat man denn einen echten Kerntechniker und nicht nur Semiprofis, Interessierte oder Journalisten mit Schwerpunkt an der Hand, wenn man Fragen zum Thema hat?

 

Ich fand das also eine einmalige Gelegenheit, die ich, wie ich finde, unbedingt ausgenutzt gehört.

 

Das tolle ist, Wilko fand diese Idee sehr gut; wir haben uns daher abgesprochen, dass ich einen Thread eröffne mit meinen Fragen, die mir Wilko bereits beantwortet hat. Wilko wird dann seine Antworten hier rein schreiben, da wir beide davon ausgehen, dass dieses Thema noch mehr Menschen interessiert und ein Anstoß sein soll, alle Fragen zum Thema hier unverkrampft und fernab ideologischer Grabenkämpfe behandeln zu können.

 

 

 

Ich möchte an dieser Stelle noch einmal darauf hinweisen, dass dieser Thread der Beantwortung allgemeiner oder auch spezieller und gar speziellster Fragen zur Kernkraft gewidmet ist, jedoch nicht in einen Flamewar ausarten soll, ob die Welt nun Kernkraft braucht oder nicht. Wilko wird garantiert genausowenig auf Mission gehen und die Welt erleuchten wollen, dass die Kernkraft der Weisheit letzter Schluss ist.

 

Die generelle Aussage: Kernkraft ist unsicher, mit angefügten Links zu Zusammenfassungen zu den Grünen oder dem BUND sind ehrlichgesagt nicht erwünscht. Genausowenig wie Links zu religiös überzuegtne Befürwortern. Es geht hier um die Sache an sich.

Wenn konkrete, sachliche Fragen zum Thema Reaktorsicherheit aufkommen, beantwortet Wilko das sicher auch sehr gerne. Exkursionen in die Stochastik oder die Wahrscheinlichkeitsrechnung sind jedoch wiederrum dem Thema eher abträglich. Es ist wie es ist: Mit solchen politischen Fragen mögen wir gerne an anderer Stelle diskutieren. Man möge dafür einen anderen Thread beginnen.

 

Hier jedoch ist nun Start frei für alle technischen Fragen zur Kernkraft. Raus mit den Fragen, egal wie strange sie auch sein sollten oder für wie infantil die Interessierten sie auch halten mögen.... Wilko steht bereit ;)

 

 

Ich freue mich schon auf eure Fragen und Wilkos Antworten.

 

Ich fange dann also schon mal an. Wilko wird seine Antwort dann, sobald er diesen Thread registriert hier reinkopieren. Dannach kann's losgehen! Ich bin sehr gespannt!

 

 

1. Kraftwerke, bzw. Generatoren aller Art müssen die Leistung, die sie erzeugen, auch abgeben. Ein KKW, das Ein Gigawatt Leistung erzeugt, muss diese auch irgendwohin abgeben, damit die Generatoren nicht durchdrehen..

Meien Frage lautet: Was passiert, wenn die Energieversorgungsleitung vom Kraftwerk weg unterbrochen wird? Wohin führt man dann die Energie im Notfall ab? Hat man dazu riesige Heizöfen im Garten, die man dann sinnloserweise einschaltet oder wird der Strom in die Erde geleitet?

 

2. Die sogenannte "Verstrahlung". Häufig wird behauptet, wenn man einer starken STrahlungsquelle ausgesetzt ist, wird man verstrahlt (was soweit ja auch verständlich ist). Wann jedoch wird man selbst zum Strahler? Soweit ich gelesen habe, kann man viele Materialien "Dekontaminieren", was bedeutet, dass die Partikel, die von der STrahlungsquelle an dem Material hängen einfach entfernt. Die Liquidatoren in Tschernobyl mussten sich ja auch intensiv waschen, wurden aber selbst nie zur Strahlungsquelle. Wann wird ein Gegegenstand selbst radioaktiv? Ist das überhaupt möglich, wenn das Objekt die Strahlungsquelle direkt nicht berührt oder anderweitigen Physikalischen Kontakt zum Strahler hat?

 

Vielen Dank schonmal für deine Antworten,

Geschrieben

Hallo

 

Danke Kai, du hast dich ja mächtig ins Zeug gelegt. Ich freu mich natürlich über solch ein Thema, es entspricht genau meinem Interessensgebiet. War eine gute Idee von dir.

 

Ich bekomme immer wieder Fragen zur Kerntechnik gestellt, nicht nur aus dem Flightforum und freue mich deshalb besonders, dass hier jemand solche Fragen stellt. Gerne werde ich versuchen, Fragen zu meinem Fachgebiet verständlich zu beantworten.

 

Bin mal gespannt, wie gross das Interesse sein wird. Kein aviatisches Thema, aber sicher genauso komplex :)

 

So, bevor ich mich den Fragen widme, geh ich erst mal noch ne Runde pennen :D

 

Gruss

 

Wilko

Geschrieben

Hier die Fragen, die Kai bereits gestellt hat:

 

1. Kraftwerke, bzw. Generatoren aller Art müssen die Leistung, die sie erzeugen, auch abgeben. Ein KKW, das Ein Gigawatt Leistung erzeugt, muss diese auch irgendwohin abgeben, damit die Generatoren nicht durchdrehen..

Meien Frage lautet: Was passiert, wenn die Energieversorgungsleitung vom Kraftwerk weg unterbrochen wird? Wohin führt man dann die Energie im Notfall ab? Hat man dazu riesige Heizöfen im Garten, die man dann sinnloserweise einschaltet oder wird der Strom in die Erde geleitet?

Bei einer Netzstörung, also wenn die Energie nicht mehr abgeführt werden kann, dann gibt es einen sogenannten Lastabwurf auf Eigenbedarf. Dabei wird der Generator vom Netz getrennt. Dann wird die ganze Anlage zurückgeregelt, bis der Generator nur noch so viel Strom produziert, wie das Kraftwerk zur Selbsversorgung benötigt. Ein KKW in der Grössenordnung von einem Gigawatt benötigt selber etwa 50 Megawatt. Die Reaktorleistung wird dann auf die dafür benötigte thermische Leistung zurückgeregelt. Das geht sehr schnell, stellt aber hohe Anforderungen an die Regeltechnik. Das Kraftwerk bleibt also in Betrieb und kann dann wieder hochgefahren werden, wenn das Netz wieder verfügbar ist.

Für den Fall das der Lastabwurf nicht funktioniert, bzw. die Regelung nicht schnell genug zurückregeln könnte, wird eine Reaktorschnellabschaltung ausgelöst und so die Leistungsproduktion gestoppt.

 

2. Die sogenannte "Verstrahlung". Häufig wird behauptet, wenn man einer starken STrahlungsquelle ausgesetzt ist, wird man verstrahlt (was soweit ja auch verständlich ist). Wann jedoch wird man selbst zum Strahler? Soweit ich gelesen habe, kann man viele Materialien "Dekontaminieren", was bedeutet, dass die Partikel, die von der STrahlungsquelle an dem Material hängen einfach entfernt. Die Liquidatoren in Tschernobyl mussten sich ja auch intensiv waschen, wurden aber selbst nie zur Strahlungsquelle. Wann wird ein Gegegenstand selbst radioaktiv? Ist das überhaupt möglich, wenn das Objekt die Strahlungsquelle direkt nicht berührt oder anderweitigen Physikalischen Kontakt zum Strahler hat?

Diese Frage ist nicht so einfach verständlich mit wenigen Worten zu beschreiben. Es gibt unterschiedliche Strahlenarten, die unterschiedliche Wirkungen haben. Wenn dich das wirklich interessiert, dann empfehle ich dir folgende Artikel:

 

Gammastrahlung

Alphastrahlung

Betastrahlung

 

Da steht beschrieben, wie die Strahlung auf den Menschen wirkt.

 

Ein Mensch kann selber zur Strahlenquelle werden, wenn er radioaktive Partikel einatmet oder verschluckt. Diese richten dann grossen Schaden im Körper an und Organe und Körper können selber zu Quellen werden. Nicht jeder Partikel kann wieder ausgeschieden werden. Und jedes radioaktive Element lagert sich bevorzugt in einem bestimmten Organ ab. Iod beispielsweise lagert sich hauptsächlich in der Schilddrüse ab.

 

zu Frage zwei. Nehmen wir einen nicht radioaktiven Stahlklumpen und in zehn Zentimeter Entfernung einen starken Strahler, dazwischen eine Glasscheibe. Die Objekte sind luftdicht voneinander getrennt. Wenn der Stahlklumpen nun eine Weile der Strahlung ausgesetzt ist und man entfernt die Strahlenquelle wieder, strahlt der Stahlklumpenn dann weiter?

Das kann vorkommen. Die Gammastrahlung aus der Quelle ionisiert das Material des Stahlklumpens. Die ionisierten Atome können dann weitere Ionisationen auslösen und so Strahlung erzeugen. Man nennt dies Aktivierung. Wie stark und ob Strahlung entsteht, hängt vom jeweiligen Material ab. Stahl kann leicht aktiviert werden und dann selber strahlen.

 

Gruss

 

Wilko

Geschrieben

Interessanter thread!

Da ich auch in der Kraftwerkindustrie arbeite, allerdings bei einem Hersteller und nicht bei einem Betreiber, kann ich die erste Frage gleich selber beantworten:

 

Lastabwurf

Was passiert, wenn der Generator unter Vollast vom Netz getrennt wird und folglich seine Leistung nicht mehr abführen kann.

Antwort:

Dies ist einer der klassischen Fälle die jederzeit vorkommen können. Die Regeltechnik jedes Kraftwerks muss damit fertig werden und solche Dinge gehören zu den normalen Abnahmetests und werden regelmässig auch wieder life geprüft nach Revisionen.

 

Ein Nuklearkraftwerk ist ja etwas simplifiziert ausgedrückt, ein Dampfkraftwerk, einfach mit einem Kernreaktor statt einem gefeuerten Kessel. Aus dem Reaktor kommt der sogenannte Frischdampf (mit maximalem Druck und maximaler Temperatur) und wird in die Dampfturbine geleitet. Am Schluss der Dampfturbine kommt der Dampf mit sehr tiefem Druck (weniger als Umgebungsdruck) und relativ kühl heraus und wird dann im Kondensator gekühlt und - wie der Name sagt - kondensiert dort wieder zu Wasser. Das Kondensat wird anschliessend wieder zurückgefördert in den Speisewassertank und von dort durch die Kesselspeisepumpe(n) mit hohem Druck zurück in den Kessel (bzw. den Reaktor) geleitet um wieder verdampft und erhitzt zu werden.

In Realität ist alles noch ziemlich viel komplexer, aber darauf verzichte ich der Einfachheit halber.

 

So, wenn nun also das Kraftwerk mit voller Leistung läuft und plötzlich öffnet sich der Schalter am Generatorausgang, dann wird die Leistung nicht mehr abgeführt. Als Folge beschleunigt die Drehzahl der ganzen Turbogruppe, denn nur noch die Massenträgheit des Rotors hält gegen die Turbinenleistung. Ein äusserst eindrücklicher Vorgang, wenn man so einen mehrere hundert Tonnen schweren Giganten beschleunigen hört wie ein Rennauto! Sobald der Regler (mittels Drehzahlmessung) dies feststellt, wird er die Frischdampfventile schliessen um die Zufuhr von Frischdampf zur Turbine zu zügeln und die Drehzahlexkursion abzufangen. Der Regler wird die Turbogruppe schliesslich auf Nenndrehzahl im Leerlauf einregeln, im besten Fall kann nach kurzer Zeit der Generator wieder synchronisiert und ans Netz geschaltet werden. Dies ist noch der einfachere Teil der Übung, weil....

Sobald die Frischdampfventile schliessen (oder fast ganz schliessen) wird als nächstes der Druck im Kessel bzw Reaktor (bzw. Sekundärkreislauf beim Druckwasserreaktor) zügig ansteigen weil der Frischdampf nicht mehr abfliesst. Deshalb werden die Bypassventile geöffnet und der knallheisse Frischdampf direkt in den Kondensator geleitet, sozusagen Kurzschluss um die Dampfturbine herum. Damit im Kondensator nicht alles zerstört wird, muss der Frischdampf vorher massiv abgekühlt werden. Dies geschieht durch Einspritzen von grossen Mengen kalten Speisewassers in den Frischdampf (sogenanntes Abspritzen).

Gleichzeitig muss jetzt die thermische Leistung des Reaktors (oder der Kesselfeuerung beim konventionellen Dampfkraftwerk) stark zurückgeregelt werden, was aber einige Zeit benötigt bis die Wirkung eintritt.

 

Am Ende des Vorgangs läuft die Turbogruppe auf Nenndrehzahl im Leerlauf, die Reaktorleistung ist auf dem Minimum und das Kraftwerk bereit zum wieder ans Netz zu gehen.

 

Ergänzung:

Ich selber arbeite in der Entwicklung von grossen Gasturbinen für Kraftwerke. Solche Maschinen werden fast nur für sogenannte Kombikraftwerke verwendet. Kombi heisst Kombination von Gas- und Dampfturbine. Dabei werden die heissen Abgase der Gasturbine durch einen Dampfkessel geleitet und geben dort ihre Wärme ans Wasser ab welches verdampft und überhitzt wird. Der so erzeugte Frischdampf betreibt nun eine Dampfturbine und erzeugt so zusätzliche Leistung ohne zusätzlichen Brennstoffverbrauch. Solche Turbogruppen gibt es auch in einwelliger Anordnung, d.h. Gas- und Dampfturbine sind an den gleichen Generator gekuppelt. Grosse solche Kombiblöcke haben Leistungen über 400 MW, also mehr als ein Block z.B. von Beznau.

 

Auch bei so einem Kraftwerk muss ein Lastabwurf überlebt werden ohne, dass es zur Notabschaltung wegen Überdrehzahl kommt aber auch ohne, dass die Flamme in der Gasturbine löscht. Das ist alles andere als trivial, funktioniert aber zuverlässig.

 

Gruss

 

Philipp

Geschrieben

Hallo

 

Wow, super Erklärung Philipp :) Danke. Da haben wir ja in dem Fall einen Turbinenprofi im Forum :)

 

Wie lange dauert das Herunterregeln nach einem Lastabwurf und wie lange dauert es, bis die Turbine aus dem Leerlauf wieder auf Nennleistung ist und wieder ans Netz kann?

Das Herunterregeln muss natürlich recht schnell gehen. Kernkraftwerke mit Druckwasserreaktor haben in der Regel keine Turbinenbypässe, die die gesamte Frischdampfmenge schlucken können. Das heisst, ein Teil der Dampfmenge wird beim Entlasten der Turbine über den Bypass in den Kondensator geleitet, der andere Teil wird über Abblaseventile in die Atmosphäre abgelassen. Dieses Abblasen dauert in der Regel wenige Minuten. In dieser Zeit regelt der Reaktor zurück und es wird nur noch eine Dampfmenge erzeugt, die für den Eigenbedarf ausreicht.

Bleibt die Turbine am laufen, so kann eigentlich sofort wieder synchronisiert werden, sobald das Netz wieder verfügbar ist. Dies geschieht bei sehr kleiner Leistung. Erst nach dem Synchronisieren wird die Leistung wieder hochgefahren und die Turbine belastet. Um die Anlage zu schonen, wird die Leistung langsam gesteigert. Üblich in unserem Kraftwerk ist ein Gradient von 3 MW/min.

 

Solche grossen Lastsprünge sind nicht wirklich ideal für Kraftwerksanlagen, aber sie müssen verkraftet werden können. Im Gegensatz zu einem fossilthermischen Kraftwerk kommen bei einem Kernkraftwerk noch einige physikalische Problematiken (Stichwort Xenoneffekt, Erklärung bei Interesse später) dazu.

 

Gruss

 

Wilko

Geschrieben
Und noch eine Frage:

Wie werden die Generatoren synchronisiert? Wenn ein Generator den Strom um 180 Grad Phasenverschoben ins Netz einleitet, würde es ja eine Phasenauslöschung geben, oder?

 

Eine Fehlsynchronisation birgt das Potential den Generator in die ewigen Jagdgründe zu befördern. Es kommt sehr drauf an, um wieviel Grad daneben die Fehlsynchronisation erfolgt, aber bei extremen Werten kann der Generator in nullkommagarnichts schrottreif sein. Das geht auch mit einem 1300 MW Monstrum ganz zwanglos. Die Ströme werden so gross, dass es die Statorwicklung zerfetzt von den elektromagnetischen Kräften und verbrennt von der Stromstärke. Ausserdem entsteht am Rotor kurzzeitig eine Drehmomentspitze, welche die Welle plastisch deformieren kann.

 

Wie geht es richtig?

Heutzutage macht das eine automatische Einrichtung.

Zuerst mal muss die Drehzahl der ganzen Turbogruppe (und damit des Generators) auf fast genau Synchrondrehzahl gebracht werden.

Eine weitere Voraussetzung ist, dass die Spannung am Generatorausgang ziemlich exakt mit der Netzspannung übereinstimmt. (Also, wenn man es ganz genau nimmt, dann muss noch gesagt sein, dass zwischen Netz und Generator ein step up Transformator liegt, die Netzspannung ist viel höher als die am Generator).

Stimmen also Generatorspannung und Frequenz mit dem Netz überein, muss noch die Phasenlage zur Übereinstimmung gebracht werden. Dies macht die Automatik indem sie die Drehzahl der Turbogruppe ganz minimal variiert und so die Phaselage des Generators gegenüber dem Netz langsam dreht. In dem Moment, wo die Phasenlage übereinstimmt wird der Generatorschalter zugeknallt (im wahrsten Sinne des Wortes, Druckluftschalter erzeugen einen mordsmässigen Knall wenn sie schliessen). Das Übereinstimmen der Phasenlage ist daran zu erkennen, dass zwischen den noch geöffneten Kontakten des Generatorschalters (an allen drei Paaren gleichzeitig) die Spannung momentan annähernd null beträgt.

 

Bei der Inbetriebnahme eines neuen Kraftwerks ist die erste Synchronisation immer ein Highlight und ein Meilenstein und ausserdem ein sehr stressiger und spannender Moment für den Inbetriebssetzungsingenieur des Generators.

 

 

Lastabwurf:

Der Regler reagiert innert Sekundenbruchteilen, das ist klar. Bei unseren grossen Gasturbinen bewegt sich die Drehzahlsteigerung normalerweise in der Gegend von 5-8%, bei 10% wird eine Notabschaltung ausgelöst. Im Erfolgsfall dauert es etwa 60 Sekunden, bis die Drehzahl wieder stabil auf dem Sollwert liegt. Synchronisieren kann man anschliessend sofort wieder, wenn alles noch heiss ist, kann man nach ca. 20 Minuten wieder auf Vollast sein.

 

Gruss

 

Philipp

Geschrieben

Hallo Zusammen

 

Ich finde das ein ganz interessante Thema.

Ganz unabhängig davon, wie man persönlich zur Kernenergie steht, die Technik ist faszinierent.

 

Was mir spontan einfällt und mich immer wieder beschäftigt, wenn ich die riesigen Dampffahnen aus den Kühltürmen aufsteigen sehe:

 

Wieviel Energie ist das wirklich, die da an die Umwelt abgegeben wird? Gibt es keine möglichkeit, diese Energiemenge mittels Wärmerückgewinnung zu reduzieren?

 

Ich stelle mir vor, dass mit dem Einsatz von z.B. Wärmepumpen, im Idealfall kein Dampf aufsteigt sondern ein Bächlein vom Gelände fliesst, das in der Temperatur dem entnommenen Flusswasser entspricht.

 

Ich bin mir bewusst, dass beim Bau dieser Anlagen einerseits Wärmerückgewinnung noch nicht diese Bedeutung hatte, andererseits auch die Technik der Wärmepumpen noch nicht so weit war wie heute.

Aber man könnte ja nachrüsten, wenn so was möglich ist.

 

Gruss

Bernie

Geschrieben
Wieviel Energie ist das wirklich, die da an die Umwelt abgegeben wird?

Ein Kernkraftwerk hat einen Wirkungsgrad um die 33 %, Gas-Kombikraftwerke 40 % oder mehr. Das heisst, bei einem KKW wird 33% der thermischen Leistung in elektrischen Strom umgewandelt, der Rest geht als Abwärme verloren. Also bei einer thermischen Leistung von 1000 MW gehen 670 MW als Abwärme verloren. Sie gehen effektiv in Dampf auf.

 

Gibt es keine möglichkeit, diese Energiemenge mittels Wärmerückgewinnung zu reduzieren?

Eine weitere Nutzung der Abwärme wäre natürlich sinnvoll, oft aber schwierig umzusetzen. Der Dampf am Turbinenaustritt hat eine hohe Feuchte und einen geringen Druck, er kann so also nicht genutzt werden.

Das erwärmte Kühlwasser zu nutzen ist genauso schwierig umzusetzen.

Es gibt Kraftwerke, die betreiben Fernwärmenetze. Allerdings wird dazu die Warmwassererzeugung nicht mit der Abwärme gemacht, sondern mit einer Auskopplung von Prozessdampf. Die Dampfentnahme geschieht dann meistens nach der Hochdruckstufe. Der Dampf hat also schon gearbeitet, ist aber energiemässig noch auf einem Niveau, in dem er noch "Arbeit" in einem Wärmetauscher leisten kann.

 

In "meinem" Kraftwerk wird der Kondensator mit Flusswasser gekühlt. Die abgeführte Energiemenge ist gross, der Kühlwasserstrom auch. Die Erwärmung des Kühlwassers beträgt trotzdem nur 10 Grad. Damit lässt sich nicht wirklich viel anfangen.

 

Gruss

 

Wilko

Geschrieben
In "meinem" Kraftwerk wird der Kondensator mit Flusswasser gekühlt. Die abgeführte Energiemenge ist gross, der Kühlwasserstrom auch. Die Erwärmung des Kühlwassers beträgt trotzdem nur 10 Grad. Damit lässt sich nicht wirklich viel anfangen.

 

Liese sich die Kühlwassermenge nicht reduzieren, so dass eine nutzbare Temperaturdifferenz entstünde?

 

Mit moderner Technik ist es ja möglich, mit relativ kleinen Differenzen zu arbeiten.

 

Gruss

 

Bernie

Geschrieben

Nein, das geht nicht. Das ist rein physikalisch bedingt. Reduzierst du die Kühlwassermenge, also den Durchsatz, dann wird weniger Dampf kondensiert, der Druck im Kondensator würde ansteigen und der Wirkungsgrad der Turbine würde sich massiv verschlechtern. Jede Änderung von Durchfluss und Kühlwassertemperatur schlägt sich sofort auf den Wirkungsgrad nieder, weil sich Abdampftemperaturen und Kondensatordruck ändern.

 

Gruss

 

Wilko

Geschrieben

Natürlich könnte man das Kühlwasser eines KKW weiter erwärmen! Um 2 kg Wasser um 10 K zu erwärmen, benötigt man die gleiche Energiemenge wie bei der Erwärmung von 1 kg um 20 K - Phasenänderungen mal außen vor. Es ist alles nur eine Frage der Auslegung des Wärmetauschers. Bei Kraft-Wärme-Kopplung wird da ja auch gemacht und der Gesamtwirkungsgrad der Anlage dadurch erheblich gesteigert. Doch wie will man die sehr großen Abwärmeenergiemengen, die lokal im KKW entstehen, sinnvoll nutzen? Die Kraftwerksbetreiber wären für jede brauchbare Idee dankbar, den insbesondere im Sommer müssen die oftmals ihre Anlagen drosseln, da zu wenig und schon zu warmes Fluß-Kühlwasser zur Verfügung steht.

Geschrieben

Das Problem hat seinen Grund im 2. Hauptsatz der Thermodynamik. Wärmeenergie fliesst nun mal nur in Richtung des Temperaturgefälles. Abwärme auf geringem Temperaturniveau enthält leider Gottes nur noch minimal wenig nutzbare Energie (Exergie) und hat deshalb keinen Wert mehr.

 

Auch die Idee mit Wärmepumpen funktioniert nicht. Wenn wir das Temperaturgefälle als Antrieb für die Wärmeenergie betrachten und analog dazu das Gefälle einer Wasserturbine, dann kommt man schnell zu einem anschaulichen Vergleich:

Beim Wasserkraftwerk fliesst das Wasser mit Gefälle vom Stausee durch die Turbine zum Fluss unterhalb des Kraftwerks. Nun könnte man ja das Gefälle auch steigern, indem man das Maschinenhaus in eine tiefe Grube versenkt. Allerdings müsste man dann das Wasser nachher in den Fluss hinaufpumpen damit es abfliesst. Das würde etwas mehr Leistung brauchen als man durch das grössere Gefälle gewinnt. Mit der Wärme ist es genau gleich!

 

Wirkungsgrad:

Definition: Elektrische Nettoleistung/Thermische Leistung

Ein Kernkraftwerk hat, wie Wilko schreibt, etwa 33%. Das ist nicht berauschend, lässt sich aber kaum noch steigern. Limitierend ist die niedere Temperatur bei der die Thermische Energie im Kernreaktor freigesetzt wird. Ein Kernreaktor läuft halt nur mit wenigen hundert °C, so etwa 300°C. Entsprechend zahm sind die Frischdampfdaten: Leibstadt: 286°C, 73 bar. Das ist im Vergleich zu gefeuerten Dampfkraftwerken sehr mager.

Ein gefeuertes Dampfkraftwerk erzielt einen Wirkungsgrad von so um die 45%. Die Frischdampfdaten sind dabei sehr beeindruckend 250 bar , 550°C und mehr.

 

Die modernsten Kombikraftwerke aus Gas- und Dampfturbine erreichen heute 59% Wirkungsgrad. Der Wirkungsgradvorteil des Kombi liegt im hohen Temperaturgefälle. In der Gasturbine beträgt die mittlere Turbineneintrittstemperatur (=inklusive Kühlluft) mehr als 1300°C und im Kondensator des Dampfteils ist man bei tiefen Temperaturen von vielleicht so 30° bis 40°C je nach Kühlmedium (Fluss, Kühlturm). Durch dieses enorme Temperaturgefälle ist ein viel grösserer Anteil der zugeführten Wärmeenergie nutzbar als wenn man bei 300° startet.

 

Gruss

 

Philipp

Geschrieben

Frage zur Temperatur:

Was ist der Grund, dass wir in Nuklearkraftwerken nicht auf dieselben hohen Temperaturen kommen, welche beim Abbrand fossiler Stoffe entstehen? Schmelzen allenfalls die Reaktorstäbe vorher schon?

Danke für Euren Einsatz, ist interessant!

Hans

Geschrieben
insbesondere im Sommer müssen die oftmals ihre Anlagen drosseln, da zu wenig und schon zu warmes Fluß-Kühlwasser zur Verfügung steht.

Das ist oftmals ein Problem, vorallem in sehr heissen Sommern. Die Wassermengen wären zwar meistens ausreichend, aber begrenzend ist dann die gesetzlich festgelegte Temperatur des in den Fluss zurückgeführten Kühlwassers. In Beznau sind wir auf 32°C limitiert. Bei einer Erwärmung von knapp 10°C über den Kondensator erreichen wir die also bei einer Eintrittstemperatur von 22°C. Dann heisst es zurückregeln. 10% Leistung machen etwa 1°C Kühlwassertemperatur aus.

 

Für grössere Kraftwerke mit grossen Leistungen ist daher die Flusskühlung ungeeignet und es wird vom Anfang an auf Kühltürme gesetzt. Kühltürme haben halt den Nachteil, dass sie relativ viel Platz benötigen, sie sind sehr hoch und erzeugen eine weit sichtbare Dampffahne. Bei neuen Kraftwerksprojekten (egal ob Kern, Kohle, Gas etc.) sind es denn auch meistens die Kühltürme, an denen sich die nahe Bevölkerung stört. Wer will schon gerne Schattenwürfe und Bauten, die das Landschaftsbild in grossem Masse verändern.

Abhilfe schaffen hier sogenannte Hybridkühltürme. Sie sind von der Bauhöhe her nur halb so hoch, oder noch weniger als ein normaler Nasskühlturm und sie erzeugein praktisch keine sichtbare Dampffahne mehr. Nachteil: Sie benötigen grosse Ventilatoren, die wiederum viel Leistung benötigen, Leistung, die dann den elektrischen Eigenbedarf wesentlich erhöht und die Nettoleistung verkleinert.

 

Was ist der Grund, dass wir in Nuklearkraftwerken nicht auf dieselben hohen Temperaturen kommen, welche beim Abbrand fossiler Stoffe entstehen?

Limitierend ist hier die maximale Brennstofftemperatur und die Hüllrohrtemperatur der Brennstäbe sowie das physikalische Verhalten von Uran (Temperatureffekte usw.) bei der Spaltung.

 

Gruss

 

Wilko

Geschrieben

In meinem nächsten Beitrag hier werde ich versuchen, ein Kernkraftwerk mit Druckwasserreaktor etwas näher zu beschreiben und die wichtigsten Komponenten und Funktionen erklären.

Das ist nicht mit wenigen Worten gemacht und ich möchte nicht einfach Links einfügen und bestehende Beschreibungen hineinkopieren, deshalb werde ich die Beschreibung wohl mehrmals überarbeiten und erweitern.

 

Vielleicht interessierts ja jemanden, ansonsten sehe ich es als gute Übung für mein Gedächtnis :D:D

 

Gruss

 

Wilko

Geschrieben

Das Kernkraftwerk mit Druckwasserreaktor

 

Eine Druckwasseranlage besteht aus einem nuklearen Primärkreislauf und einem nichtnuklearen Sekundärkreislauf, sowie einem Kühlkreislauf. Im Primärkreislauf findet die nukleare Wärmeerzeugung statt. Die freigesetzte Energie wird über den Dampferzeuger an den Sekundärkreislauf übertragen. Im Sekundärkreislauf befinden sich die Turbinen, die den Generator antreiben und so die ursprüngliche Wärmeenergie in elektrischen Strom umwandeln.

Das Prinzip der zwei getrennten Kreisläufe hat den Vorteil, dass so nur der Primärteil durch Radoaktivität belastet wird.

 

Prinzipdarstellung einer Druckwasseranlage:

 

druckwasser.gif

Mit freundlicher Genehmigung von http://www.kernenergie-wissen.de

 

 

Der Primärkreislauf

 

Der Primärkreislauf enthält als wichtigste Komponenten Reaktordruckgefäss (1), Dampferzeuger (2), Kühlmittelumwälzpumpen (3) und Druckhalter (4).

 

Primärkreislauf mit drei Umwälzschleifen:

 

fig4_1.jpg

 

Der Reaktor enthält zur Hauptsache die Brennelemente und die Regeleinrichtung zur Leistungsregelung. Hier finden die Kernspaltungen statt und somit die Wärmeproduktion. Als Brennstoff dient Uranoxid, dass den Spaltstoff U-235 enthält. Der Anteil des U-235 im Brennstoff wird auf etwa 3% künstlich angereichert. Als Kühlmittel für die Brennelemente und als Medium zum Abtransport der Wärme dient Wasser.

Am Reaktor angeflanscht befinden sich die Umwälzschleifen, auch Loops genannt. Jeder Loop enthält einen Dampferzeuger und eine Umwälzpumpe. Je nach Leistung des Kraftwerks enthält der Primärkreislauf zwei, drei oder sogar vier Loops, jedoch immer nur einen Reaktor.

An einem Loop ist der Druckhalter mit einer Verbindungsleitung angeschlossen.

 

Bei der Kernspaltung im Brennstoff entsteht Wärme. Um die Wärme abzuführen und die Brennelemente zu kühlen, pressen die Umwälzpumpen das Kühlmittel in den Reaktor und dann von unten nach oben durch die Brennelemente.

 

Schnittbild eines Druckwasserreaktors:

 

dwr-schnitt.jpg

Mit freundlicher Genehmigung von http://www.kernenergie-wissen.de

 

Reaktordruckgefäss beim Einbau:

 

druckbeh2.jpg

Mit freundlicher Genehmigung von http://www.kernenergie-wissen.de

 

Anschliessend ströhmt das erwärmte Kühlmittel zu den Dampferzeugern. Der Dampferzeuger enthält primärseitig Heizrohrbündel, durch welche das Kühlmittel strömt. Sekundärseitig wird dem Dampferzeuger Speisewasser zugeführt. Dieses wird durch die Heizrohre erhitzt und verdampft, der Dampf wird dann den Turbinen zugeführt. Primärseite und Sekundärseite sind also physisch voneinander getrennt, es wird lediglich Wärme übertragen. Das Primärkühlmittel wird vom Dampferzeuger über die Umwälzpumpen wieder in den Reaktor gepumpt.

Nach dem Dampferzeuger besitzt das "kalte" Wasser eine Temperatur von ca. 280 °C. Über die Brennelemente wird es um ca. 32 °C erwärmt und verlässt den Reaktor mit ca. 312 °C.

 

Schnittbild eines Dampferzeugers:

 

f0105.gif

 

Damit im Reaktor kein Dampf entsteht, steht der ganze Kreislauf unter hohem Druck. Den Kreislauf unter Druck zu setzen ist die Aufgabe des Druckhalters. Damit Wasser um die 300 °C nicht siedet und verdampft, wird ein Systemdruck von 154 bar gehalten. Dies geschieht folgendermassen: Der Druckhalter enthält eine elektrische Heizung. Er ist etwa zur Hälfte mit Wasser gefüllt und mit dem Reaktorsystem verbunden. Mittels der Heizung wird nun das Wasser im Druckhalter zum Sieden gebracht und verdampft. Der Dampf will nun das Wasser verdrängen und so steigt der Druck im geschlossenen System an, je mehr Wasser verdampft. Um bei einem Druck von 154 bar Wasser verdampfen zu können, ist eine Siedetemperatur von ca. 345 °C notwendig. Im Druckhalter herscht also immer die höchste Temperatur im gesammten Reaktorsystem, da nur dort Siedebedingungen vorherschen dürfen.

Um den Druck im Druckhalter regeln zu können, lässt sich die Druckhalterheizung regeln. Zusätzlich gibt es eine Wassersprüheinrichtung, über die das Dampfpolster gekühlt und kondensiert werden kann. Zur Druckerhöhung wird also mehr Heizleistung gesetzt, Wasser verdampft, der Druck steigt. Um den Druck zu senken, wird Wasser eingespritzt, Dampf kondensiert, der Druck sinkt.

 

 

Der Sekundärkreislauf

 

Im Sekundärkreislauf wird die übertragene Wärmeenergie in mechanische Arbeit und schliesslich in Strom umgewandelt. Die Hauptkomponenten des Sekundärkreislaufs sind Turbine (5), Speisewasserpumpen (10), Kondensator (8), Vorwärmerstrecke (9), Wasserabscheider/Zwischenüberhitzer (4), Generator (6) und Kühlkreislauf (12).

 

Die Turbine besteht aus einem Hochdruck- und einem Niederdruckteil. Sie treibt den Generator an, welcher schlussendlich den elektrischen Strom produziert und ihn über Transformatoren ins Netz einspeist.

 

Sekundrkreislauf.jpg

Mit freundlicher Genehmigung von http://www.kernenergie-wissen.de

 

Der Dampf verlässt den Dampferzeuger durch die Frischdampfleitung mit einem Druck um die 60 bar und einer Temperatur um 280 °C. Durch die Einlassventile strömt der Dampf in die Hochdruckturbine. Über die Turbine wird der Dampf auf etwa 2.5 bar entspannt. Durch den sinkenden Druck und die sinkende Dampftemperatur steigt der Wassergehalt im Dampf an. Würden die Wassertropfen nun im Dampf verbleiben, so würden die Schaufeln der Niederdruckturbinen stark durch Erosion belastet. Deshalb wird der Dampf nach der Hochdruckturbine "entwässert". Das heisst, als erstes durchströmt der Dampf einen Wasserabscheider, der die Tropfen im Dampf abscheidet. Danach wird der Dampf durch einen Dampftrockner geleitet. Das heisst, der Dampf umströmt Heizrohre, wird so erhitzt und getrocknet. Die Heizrohre werden mit Frischdampf beheizt, der vor der Hochdruckturbine abgezapft wird. Die Feuchte im Dampf nach diesem Wasserabscheiden und Trocknen beträgt dann nur noch 0.1 %.

Anschliessend wird der Dampf den Niederdruckturbinen zugeführt und weiter entspannt. Dabei nehmen Druck und Temperatur weiter stark ab und das Volumen des Dampfes vergrössert sich stark. Am Turbinenaustritt strömt der Dampf dann in den Kondensator und wird durch Kühlrohre zu Wasser kondensiert. Um ein möglichst grosses Druckgefälle über die Turbine zu erreichen und den Dampf so optimal auszunutzen geschiet die Kondensation unter Vakuum. Das heisst, der Druck im Kondensator beträgt absolut lediglich ca 40 mbar.

Um den Kondensator zu kühlen wird er entweder direkt von Flusswasser durchflossen, oder von Kühlwasser welches in einem weiteren Kreislauf über einen Kühlturm gekühlt wird.

 

Das im Kondensator anfallende Kondensat wird nun über Kondensatpumpen in den Speisewasserbehälter gepumpt. Von dort aus wird es über die Speisewasserpumpen zurück in den Dampferzeuger gefördert und der Kreislauf beginnt von vorne.

 

 

Reaktorregelung

 

Je nach gewünschter Turbinenleistung ist eine entsprechende Menge Dampf notwendig. Der Reaktor muss nun also immer die Wärme freisetzen, die zur Produktion der gewünschten Dampfmenge notwendig ist, nicht zu viel und natürlich auch nicht zu wenig. Dazu muss die Reaktorleistung geregelt werden können.

 

Zuerst ein wenig Theorie über die Kernspaltung: Um eine Kernspaltung stattfinden zu lassen, braucht es spaltbares Material und Neutronen. Als Spaltstoff dient Uran U-235. Trifft ein Neutron nun auf einen U-235-Kern, wird dieser in zwei Teile und zwei bis drei weitere Neutronen gespalten. Dabei wird Wärme frei gesetzt. Die frei gewordenen Neutronen können weitere Spaltungen auslösen, es kommt zur Kettenreaktion. Mit jeder Kernspaltung steigt auch die freigesetzte Wärmemenge. Würde man nun nichts dagegen tun, so würden die Spaltungen immer weiter zunehmen und die Energiefreisetzung würde ins Unermessliche steigen.

 

Um eine unkontrollierte Leistungsfreisetzung zu verhindern, muss man nun also die bei den Spaltungen freiwerdenden Neutronen einfangen und nur soviele Neutronen Spaltungen ausführen lassen, dass eine konstante Anzahl Spaltungen pro Sekunde stattfindet. Um die überschüssigen Neutronen einzufangen, benutzt man Steuerstäbe aus neutronenabsorbierenden Materialien. Üblicherweise ist dies eine Indium-Silber-Cadmium-Legierung.

Je weiter man nun also die Steuerstäbe in den Reaktorkern, die Brennelemente, einfährt, desto mehr Neutronen werden "geschluckt". Zieht man die Steuerstäbe weiter hinaus, werden weniger Neutronen absorbiert, es finden mehr Kernspaltungen statt und somit wird mehr Wärme frei gesetzt.

 

Die Anzahl der Spaltungen pro Sekunde ist also ein Mass für die Leistung. Umso mehr Spaltungen, desto höher ist die freigesetzte Wärme. Und da die Anzahl Spaltungen von der Anzahl der freien Neutronen abhängig ist, ist also auch der Neutronenfluss, bezw. die Neutronenflussdichte (Anzahl Neutronen pro Zeit und pro Fläche) ein direktes Mass für die Leistung. Mit den Steuerstäben wird also der Neutronenfluss und somit auch die Leistung/Wärmeproduktion gesteuert.

 

Mit den Stäben alleine könnte man nun also die Leistung steuern. Aber das wäre ziemlich uneffizient, da so immer ein Teil der Brennelemente nicht zur Wärmeproduktion genutzt werden könnte. Optimal ist es, wenn man die Brennelemente über die ganze Länge nutzen könnte, um die Leitung gleichmässig zu verteilen. Damit das funktioniert, müssten die Steuerstäbe aber ganz ausgefahren sein, was aber die Wärmefreisetzung ins Unermessliche steigern würde. Das heisst nun, dass also noch ein anderer Absorber für Neutronen vorhanden sein muss.

Um die gewünschte Absorbtion zu erreichen mischt man dem Kühlmittel Bor in Form von Borsäure bei. Bor ist ein starker Neutronenabsorber, der nun mit dem Kühlmittel die Brennelemente durchfliesst und so die überschüssigen Neutronen schluckt. Damit nun wieder eine konstante Anzahl Spaltungen stattfindet, muss die Borkonzentration also genau so hoch sein, dass genau soviele Neutronen absorbiert werden, wie bei den Spaltungen entstehen.

Das heisst, mit der Borkonzentration kann also auch die Leistung gesteuert werden.

 

Bei 100% Leistung sind die Stäbe nun also praktisch ganz aus dem Reaktorkern ausgefahren. Bei kurzfristigen Leistungsänderungen wird nun also mit den Steuerstäben entsprechend ein- oder ausgefahren. Wird die Leistung über längere Zeit angepasst, so wird auch die Borkonzentration im Kühlmittel entsprechend geändert. Ziel ist es immer, die Steuerstäbe in einem bestimmten Regelbereich im obersten Teil der Brennelemente zu halten.

 

Wenn der Reaktor abgestellt werden soll, dann werden die Steuerstäbe einfach ganz in die Brennelemente eingefahren. Die Absorption der Neutronen ist dann so gross, dass mehr Neutronen absorbiert werden, als noch Spaltungen ausführen. Die Kettenreaktion wird unterbrochen, die Wärmeproduktion gestoppt.

Muss ein Reaktor aufgrund einer Störung oder eines Notfalls abgeschaltet werden, erfolgt eine sogenannte Reaktorschnellabschaltung. Dazu werden die Steuerstäbe ausgeklinkt und fallen innerhalb einer Sekunde in die Brennelemente und stoppen so die Kettenreaktion.

Gruss

 

Wilko

Geschrieben
Die Wassermengen wären zwar meistens ausreichend, aber begrenzend ist dann die gesetzlich festgelegte Temperatur des in den Fluss zurückgeführten Kühlwassers.
Was wiederum auch was mit der Sauerstofflöslichkeit zu tun hat: Je wärmer, desto weniger verbleibt im Wasser. Lebewesen im Wasser würden dadurch ersticken.

 

Limitierend ist hier die maximale Brennstofftemperatur und die Hüllrohrtemperatur der Brennstäbe sowie das physikalische Verhalten von Uran (Temperatureffekte usw.) bei der Spaltung.
Wie schaut es mit der Verspödung durch jahrelangen Neutronenbeschuß aus (und damit meine ich nicht die Brennstäbe und deren Umhüllung, die haben im Vergelich zum rest des Reaktor eh nur ein relativ kurze Standzeit)?

 

Während es zum Betriebsprinzip ein KKWs zig Literatur gibt, ist die Frage der Endlagerung weiterhin ungelöst. Selbst bei schach- und mittelradioaktiven abfällen, wie sie z.B. bei medizinischer Anwendung entstehen, hat man in D. massive Probleme.

Geschrieben
Was wiederum auch was mit der Sauerstofflöslichkeit zu tun hat: Je wärmer, desto weniger verbleibt im Wasser. Lebewesen im Wasser würden dadurch ersticken.

Genau, das ist der Grund. Die gesetzlichen Begrenzungen dienen natürlich dem Schutz der Fische und der anderen Lebewesen in den Gewässern.

Darum ist eine Kühlung mit Flusswasser für sehr leistungsstarke Kraftwerke aufgrund der notwendigen Wasserrmengen und Erwärmung ungeeignet.

 

Wie schaut es mit der Verspödung durch jahrelangen Neutronenbeschuß aus

Die Versprödung des Reaktordruckgefässes wird überwacht und regelmässig geprüft. Dazu sind seit Betriebsbeginn Proben des Reaktormaterials an besonders exponierten Orten im Reaktor eingebaut. Diese werden periodisch ausgebaut und einer Materialprüfung unterzogen. Die Auswertungen der Proben ergeben dann die maximale Betriebszeit, nach Abzug der entsprechenden Sicherheitsreserven.

Ginge es nur nach Versprödung, so könnten die meisten Reaktoren weit über 60 Jahre hinaus betrieben werden.

 

Gruss

 

Wilko

Geschrieben

So, habe mal die obige Beschreibung etwas angepasst und ein paar Grafiken eingefügt. Bald gehts weiter mit dem Sekundärkreislauf.

 

Gruss

 

Wilko

Geschrieben
Die Versprödung des Reaktordruckgefässes wird überwacht und regelmässig geprüft.
Wie viele andere Dinge auch, doch trotzdem ist man bei der friedlichen Kernenergienutzung eben nicht vor Überraschungen gefeit und gerade dort sind die Folgen einer Risikounterschätzung wesentlich größer als bei anderen Methoden der Energieerzeugung. Siehe z.B. so etwas eigentlich banales wie die falsch montierten Dübel in Biblis oder die Tricksereien der Betreiber bei Zwischenfällen etc. Kann man deshalb heute noch mit ruhigem Gewissen ein Kraftwerk wie es vielfach in D. zu finden ist und welches trotz diverser Nachrüstugnen in Grunde älter als viele Gäste dieses Forums ist, noch mit ruhigem Gewissen weiter betreiben? Wenn man primär an die eigenen Aktionäre denkt, sicherlich ja.

 

Um es bzgl. der Temperatur auf den Punkt zu bringen: Man ist nicht in der Lage, sowohl temperatur- wie auch neutronenbeschußbbeständige Kraftwerke zu bauen bzw. man darf es nicht, da die Folgen einer Fehleinschätzung enorm sind und man zu wenig Erfahrungen beim Langzeitbetrieb hat.

 

Ist bei der Wirkungsgradberechnung auch der Anteil des Brennstoffes berücksichtigt, der ungenutzt das Kraftwerk wieder verlässt und im Fall der Kernenergie einer ungewissen Zukunft entgegen strebt.

Geschrieben

Hallo Carsten, die evtl. Probleme mit KKW's in Deutschland wird wohl Wilko hier nicht gross kommentieren wollen, ihm wird die Komplexität der hiesigen Mailer ausreichen, um sachbezogene Fragen zu beantworten:005:

In der stillen Hoffnung auf ein weiterthin gutes funnktionieren aller europäischen KKW's bauend

 

grüsst Euch

Walti

Geschrieben
Hallo Carsten, die evtl. Probleme mit KKW's in Deutschland wird wohl Wilko hier nicht gross kommentieren wollen, ihm wird die Komplexität der hiesigen Mailer ausreichen, um sachbezogene Fragen zu beantworten:005:
Ah, deswegen "leiht" er sich die Bilder z.B. von deutschen Servern aus. ;)
Geschrieben
Ah, deswegen "leiht" er sich die Bilder z.B. von deutschen Servern aus.

Ich nehme halt, was Google als erstes ausspuckt ;) Aber es gäbe auch genügend Material auf Schweizer Servern, alleine meine persönliche technische Bibliothek würde alles abdecken ;)

 

Was genau sind die Probleme bei höheren Temperaturen?

Die Brennstofftemperatur ist auf 1200 Grad limitiert. Darüber würde der Brennstoff irgendwann zu schmelzen beginnen, was ja verhindert werden soll.

 

Dazu kommen physikalische Effekte, wie der Brennstofftemperatureffekt, der massgeblich zur Sicherheit beiträgt und für das Selbstregelverhalten des Reaktors verantwortlich ist. Dazu werde ich bei Gelegenheit gerne etwas mehr und ausführlicher erzählen.

 

Gruss

 

Wilko

Geschrieben

Es wird ja immer wieder die Sicherheit ins Feld geführt. Was aber würde passieren, wenn ein Staudamm bricht? Wenn Abermillionen von Kubikmetern Wasser ins Tal stürzen?

Ein Tal, das in den letzten Jahren unbedenklich weiter besiedelt wurde?

In einer kürzlichen "Beobachter"- Ausgabe wurde die Möglichkeit des Kaufes eines Windparkes in Norddeutschland erwähnt, der problemlos ein neues KKW in der Schweiz substituieren könnte.

Als Gegenleistung könnten wir ja den Bewohnern dort köstlich reines und erfrischendes Bergwasser liefern:005:

 

Gruss Walti

Geschrieben
Ich nehme halt, was Google als erstes ausspuckt ;) Aber es gäbe auch genügend Material auf Schweizer Servern,
Naja, doch bin ich von einer solchen Vorgehensweise gerade bei einem Verfechter der Fumegeln doch etwas überrrascht - oder gilt nur die Namensregel? Egal, ist hier Off-Topic.

 

Es wird ja immer wieder die Sicherheit ins Feld geführt. Was aber würde passieren, wenn ein Staudamm bricht? Wenn Abermillionen von Kubikmetern Wasser ins Tal stürzen?
Betroffenes Gebiet kann nach dem Abfluß des Wasser sehr schnell wieder besiedelt werden. Frag mal die ehemaligen Einwohner Tschernobyls, wann die wieder zurückdürfen.

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