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Fliegen bei Sturm


Claudio

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Hallo erstmal!!

 

Wie könnte es auch anders sein. Mir kam gerade in den Sinn, dass ich mal für mich ein besonderes Erlebnis hatte. Und zwar flog ich vor ca. 8 Jahren in die Dom. Rep. mit der Belair. Es war damals gerade der 1. Flug mit dieser neuen 767, weil vorher flogen sie mit dem Airbus A310 (gelbe Flügel)

 

Ok, also im Hinflug war es mega ruhig, sozusagen keine Ruckler, und wenn ich das sage, könnt ihr mir das gerne glauben, weil ich ein besonders sensiebles Gesäss habe, insofern, weil ich das benötige zum Kartfahren. Ok, das hat hier jetzt keine Relevanz, aber ich spüre einfach gewisse Windstösse schneller als andere Normalsitzer :D:):D

 

Als ich dann mal über dem Atlantik im Cockpit mich mit dem netten Piloten unterhielt, und feststellte, dass es heute aber wirklich besonders ruhig sei, meinte er nur, ja, das läge daran, weil er dies so geplant hätte. Ok, dachte ich mir, alles klar soweit, wirklich ein vorbildlicher Pilot.

 

Auf dem Rückflug erlebte ich das pure Gegenteil. Es war ebenfalls die Belair und ebenfalls der gleicher Flieger, mit dem ich schon hinflog. Aber eine andere Crew. Also, wir flogen durch Ausläufer vom damaligen Sturm. Ich durchlitt Angstzustände wie schon lange nicht mehr. Also, die Maschine hüpfte auf und ab wie ein wild gewordenes Pferd und die Innenkabiene verbog sich förmlich, wobei ich mir später sagen lassen musste, dass dies absolut normal sei, dass müsse die Kabine können. Auch bemerkte ich, dass die Ventilation nicht mehr so ganz regelmässig lief.

 

Glücklicherweise durfte ich dann erneut nach vorne, obwohl ich das eigentlich nicht geplant hatte, aber es verhalf mir dennoch, dass ich wieder zur Ruhe kam, weil die Piloten waren sozusagen die Ruhe in Person. Sie erklärte mir jedoch, dass wir bald durch seien, sie wollen nur zum Jetstream, da würde es dann schon wieder ruhiger werden, aber wir seien dann aber auch um ein Vielfaches schneller. Beinahe Mach 1.0 :confused::confused: Also, wir flogen mit gut 950 KMH, wenn ich mich richtig erinnern kann, jedenfalls eine beeindruckende Geschwindigkeit.

 

Meine Frage nun an die Piloten, (bitte nur richtige Piloten, oder die, die es mal waren, das spielt mir keine Rolle) Es würde mich natürlich freuen, von Langstreckenpiloten wie MD-11, 767, A340,..... zu hören. Langstreckenflieger, weil ich davon aus gehe, dass die eher die Möglichkeit haben, ihre Routen zu planen, als die Kurzstrecken- oder Mittelstreckenpiloten.

 

 

  • Was hält so ein Langstreckenflieger in der Luft eigentlich so an Turbulenzen aus?
  • Ist es möglich, dass in der Luft (Reiseflughöhe) ein Flieger zum Absturz gebracht werden kann?
  • Warum kann mir ein Pilot sagen, dass er das so gewollt habe, dass ein Flug ruhig abläuft?
  • Hätte der Pilot nicht auch diese Ausläufer umfliegen können?
  • Sind Turbulenzen um jeden Preis hindurchzufliegen, koste es was es wolle, damit man hinterher auf den Jetstream gelangt?
  • Warum hat dieser Pilot nicht auch Rücksicht genommen, um den Flug so angenehm wie möglich zu gestalten?
  • Hättet Ihr genauso gehandelt wie diese Piloten von der Belair?

 

Randbemerkung: Die Belair gefiel mir ansonsten übrigens sehr gut, einwandfreie Bedienung und sehr familiäres Klima!! Ich würde zu jeder Zeit wieder mit ihnen fliegen, aber ev. war ja zufälliger Weise jemand dabei?

 

Ich möchte nicht, dass hier jemand was Falsches versteht, :D :D

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Andreas Stiller

Hallo Claudio !

 

Als ich dann mal über dem Atlantik im Cockpit mich mit dem netten Piloten unterhielt, und feststellte, dass es heute aber wirklich besonders ruhig sei, meinte er nur, ja, das läge daran, weil er dies so geplant hätte.

 

Da hat Dich der gute Mann aber ganz schön veräppelt...... :005:

 

Bei keiner der großen Linien- und Charter- oder Businessfluggesellschaften plant eine Crew ihren Flugweg selbst.

 

Dafür haben Sie ihre Flugdienstberater (neudeutsch=Dispatcher). Diese haben eine ähnliche Ausbildung wie die Piloten selbst genießen dürfen, zumindest, was den theoretischen Teil der Fliegerei angeht.

 

Der Flugdienstberater befaßt sich unter anderem mit der Berechnung eines Estimate Zero Fuel Weights, der Auswahl eines geeigneten Ausweichflughafens, der Treibstoffberechnung und natürlich der Ausarbeitung des günstigsten Routings in Hinsicht auf Sicherheit, Wirtschaftlichkeit und Pünktlichkeit.

 

Dies geschieht alles einige Zeit bevor die Cockpitcrew am Flughafen eintrifft. Sie braucht sich im Grunde nur noch die Unterlagen abzuholen, und schon gehts ab in den Flieger. Von den Feinheiten der Flugplanung selbst hat die Crew üblicherweise überhaupt keine Ahnung... (Sorry, will keinem zu nahe treten....:008:).... aber das braucht sie ja auch nicht, dafür gibts ja die Flugdienstberater.

 

Aber zu Deinen Fragen:

 

Ein zentraler Punkt der Flugwegplanung ist die Analyse des (großflächigen) Streckenwetters. Auf einer Langstrecke über den Atlantik hat man natürlich diverse Möglichkeiten von A nach B zu kommen.

 

Wie Dir wahrscheinlich bekannt sein wird, herrschen über dem Nordatlantik in den allermeisten Fällen Westwinde. Durch bestimmte meteorologische Phänomene (deren Entstehungsursache hier off topic wäre), entstehen hier auch häufig Starkwindfelder (Jetstreams) die häufig mit mäßiger oder auch starker Klarluftturbulenz (CAT=Turbulenz außerhalb von Wolken) verbunden sind.

 

Auf Flügen Richtung Westen (wie auf Deinem Hinflug) wird man diesen starken (Gegen-)Winden aus nachvollziehbaren Gründen natürlich so gut wie möglich versuchen auszuweichen ( längere Flugzeit, höherer Spritverbrauch etc).

 

Daher sind Westbound-Flüge auch häufig ruhiger als Eastbound-Flüge.

 

Auf letzteren führt die günstigste Route natürlich üblicherweise entlang der stärksten Westwinde. Ein zweischneidiges Schwert, wie Du selbst feststellen durftest: Zwar ist man schneller und kostengünstiger unterwegs, dafür werden aber die Tüten gefüllt......:002:

 

Nun ist es aber die Frage, welche Priorität man als Dispatcher setzt. Kann sein, das der eine mitten durch die Gebiete mit schwerer Turbulenz hindurch plant, andere vermeiden sie, wenn irgend möglich.

 

Letzten Endes ist es aber auch immer eine individuelle Entscheidung des Flugdienstberaters, welchen Umweg er bereit ist in Kauf zu nehmen, um "sauber" zu fliegen, oder aber doch durch die Turbulenz hindurch zu planen.

 

Gibt aber natürlich auch genügend Fälle, in denem es ganz offensichtlich nicht möglich ist schwere Turbulenz zu vermeiden. Extremes Beispiel: Eine CAT-Area verläuft von Island bis nach Nordspanien, und ich will von JFK nach LHR. Da muß man durch, logisch.... möglichst aber auf dem kürzesten Weg.

 

Was man aber üblicherweise nach Kräften verhindern wird, ist ein stundenlanger Flug entlang eines Jetstreams (mit vorhergesagter schwerer Turbulenz).

Ein gutes Beispiel sind hier Rückflüge aus Miami: Nicht selten ist die Lage der Jetstreams so, daß man fast für die gesamte Atlantiküberquerung die Winde ausnutzen könnte. So etwas wird man seinen Passagieren (und der Crew) aber ersparen, wenn irgendwie möglich.

 

Häufig sind auch "Kompromisse" möglich. So weiß man beispielsweise, das die Turbulenzintensität auf der nördlichen Seite des Jetstreams höher ist als auf der südlichen und ein entsprechendes Routing planen.

 

Natürlich kann die Crew auch jederzeit Kontakt mit dem Dispatcher aufnehmen, wenn sie mit dem geplanten Routing nicht einverstanden ist. Dies passiert in der Praxis aber eher selten. Man vertraut halt seinen Kollegen (zurecht natürlich.... :cool: )

 

Eine Schwierigkeit ist, daß die korrekte Vorhersage von Klarluftturbulenz immer noch äußerst schwierig ist. Die Vorhersagen über Lage und Intensität auf den Significant Weather Charts sind daher nur als sehr grob zu betrachten, was die Flugwegplanung nicht einfacher macht. Zusätzlich widersprechen sich die einzelnen Vorhersagezentren ganz gern. So kann es sein, daß auf einer Karte des Londoner World Area Forecast Centre in Verbindung mit dem Jetstream starke Turbulenz prophezeit wird, während man in Washington nur noch mässige Turbulenz ahnt und die Kanadier gar keine Schaukelei annehmen......:confused:

 

Dann ist die Verwirrung komplett......

 

Generell kann man aber sagen, daß man üblicherweise in der Planung versuchen wird, Turbulenzgebiete (so gut wie möglich) zu vermeiden !!

 

Nun zum Rest Deiner Fragen:

 

Was hält so ein Langstreckenflieger in der Luft eigentlich so an Turbulenzen aus?

Ist es möglich, dass in der Luft (Reiseflughöhe) ein Flieger zum Absturz gebracht werden kann?

 

An Klarluftturbulenz hält er strukturell alles aus, was auftreten kann. Die Gefahren liegen hier aber klar auf der Hand, wenn Passagiere oder Crewmitglieder nicht angeschnallt sind. Es gab schon Todesfälle, weil Paxe bei negativen Beschleunigungen sich an der Overhead-Bin das Genick gebrochen haben.

 

Bei Turbulenzen in starken Gewittern sieht es da mit der Flugzeugstruktur schon kritischer aus. Wenn hier durch extreme vertikale (!) Luftbewegungen hinduch geflogen wird, könnte (!) es unter ungünstigsten Bedingungen schon kritisch werden.

 

Warum kann mir ein Pilot sagen, dass er das so gewollt habe, dass ein Flug ruhig abläuft?

 

Klar will er das....... :005: Aber die Arbeit dafür hat mit Sicherheit ein anderer investiert....

 

Das Bestreben ist sicherlich IMMER ein ruhiger Flug. Die Paxe sind glücklich, der Service kann wie geplant ablaufen, man erspart sich Steigen und Sinken, um andere Höhen "auszuprobieren" etc.....

 

Nur kann man es halt wie erklärt nicht in jedem Fall vermeiden, daß es mal rappelt....

 

Hättet Ihr genauso gehandelt wie diese Piloten von der Belair?

 

Eine generelle Aussage ist hier unmöglich. Dafür müßte man die aktuelle Situation an jenem Tag kennen.... Hast halt wahrscheinlich einfach Pech gehabt.

 

Was man aber nicht tun kann und sollte, ist, von einem turbulenten Flug in irgendeiner Weise auf die "Qualität" der Airline zu schliessen. Das ist, wie inzwischen hoffentlich klar geworden ist, von viel zu vielen Faktoren abhängig.

 

Hoffe, alle Fragen erschöpfend beantwortet zu haben......:005:

 

Gruß,

 

Andreas

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