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Abbruch des Fluges bei starken Turbulenzen


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Geschrieben

Als ich letztes Jahr mit der LTU nach Lanzarote flog, gerieten wir ab Nordspanien bis zu den Kanarischen Inseln in mehr oder wenige andauernde starke Turbulenzen. Dies äußerte sich darin, das wir in der Reiseflughöhe durch eine geschlossene Wolkendecke flogen (wenn man aus dem Fenster blickte, war alles weiß- und das in 10.000 m höhe) und wir teilweise im Sekundentakt übelst durchgeschüttelt wurden ( und damit mein ich nicht das leichte übliche Gewackel bei Klarluftturbulenzen). Der Pilot teilte uns dann mit, das es keinen Sinn habe, die Flughöhe zu ändern, da er in Kontakt mit anderen Piloten getreten sei, die mit den gleichen Problemen zu kämpfen haben. Jetzt zu meiner Frage: Natürlich war unser Flugzeug nicht in Gefahr, zu verunglücken, aber ich stelle mir nun seit diesen Flug die Frage, ob es aus Sicherheitsgründen - sprich Belastung des Materials - für Piloten Richtwerte bei Turbulenzen gibt, ab denen sie den Flug abbrechen, und landen, falls das "Turbulenzengebiet" weiträumig ist, und eine einfache Routenänderung oder eine Änderung der Flughöhe nichts an der Situation ändert. Und nochmal eine spezielle Frage zu meinem LTU Flug, gibt es über dem spanischen Festland bestimmte Wetterphänomene, die eine geschlossene Wolkendecke in 10.000 m Höhe erklären oder war das damals vielleicht einfach der Jetstream ( leider bin ich kein Meterologe, und nach der Landung in Arrecife waren meine Beine so puddingweich, das ich damit beschäftigt war, mich wieder aufs laufen zu konzentrieren und den lieben Gott dafür zu danken, das die beiden Piloten mich wieder heil zu Boden brachten):D

 

Gruß Christian

Geschrieben
gibt es über dem spanischen Festland bestimmte Wetterphänomene

In den Pyrinäen (oder wie schreibt man die?) gibt es bei starkem Wind recht ausgeprägte Leewellen, die können einen schon gewaltig schütteln, und existieren über ein weites Höhenband.

Das Phänomen kann aber auch im Zusammenhang mit einer Front, entsprechenden Scherwinden und natürlich Einfluß auf den JetStream entstehen. Die von dir beschriebene Bewölkung spricht dafür.

Ich hatte mal so einen Flug TLS-XFW mit der BAe 146, fast drei Stunden lang nur grau draussen und ein Geschüttel, dass die Crew auf jegliches Catering verzichtet hat. In dem Fall war es eine quer über Westeuropa liegende Kaltfront, die wir quasi die volle Länge durchflogen haben.

 

ob es aus Sicherheitsgründen - sprich Belastung des Materials - für Piloten Richtwerte bei Turbulenzen gibt

Strukturell ist die Böenbelastung kein wirkliches Problem, von der reinen statischen Festigkeit her muß ein Flugzeug 99% der möglichen Böen bei Reisegeschwindigkeit aushalten. (die nachzuweisende Böenstärke wurde in langwierigen Flugversuchen in den 40ern ermittelt, da haben viele Verkehrsflugzeuge über Jahre die Beschleunigungen gemessen, und man hat das auf Böenstärken zurückgerechnet. Der Wert, der 99% der aufgezeichneten Böen abdeckt wurde dann in die Bauvorschrift übernommen). Reduziert der Pilot die Geschwindigkeit etwas (was er eigentlich immer in starken Böen tut), ist es nahezu ausgeschlossen, dass es den Flieger zerreißt. Auch von der Dauerfestigkeit der Zelle her, ist es kein Problem. Im Lebensdauerversuch wird ein gewisser Anteil von Flügen bei sehr böigem Wetter simuliert. In der Praxis wird es wohl im wesentlichen den Effekt haben, dass die ohnehin bekannten Verschleißstellen noch schneller aus den Limits laufen, wie z.B. die Vorflügelgelenke, Triebwerksaufhängung oder Klappenlager. Die werden dann eben entsprechend eher getauscht, weil das maximal zulässige Spiel erreicht ist.

 

Wenn ein Pilot den Flug abbricht, dann eher wegen Gefährdung von Passagieren und Cabin Crew, als wegen der Zelle.

 

Gruß

Ralf

Geschrieben

Exzellente Antwort von Volume. Kann ich nur bestätigen. Die Turbulenzen im Bereich Pyrenäen sind ein bekanntes Phänomen, das unangenehme ist der oft große Höhenbereich, über welchen diese Turbulenzen dort anzutreffen sind. Meistens ist der Spuk jedoch nach ein paar Minuten vorbei.

 

...und den lieben Gott dafür zu danken, das die beiden Piloten mich wieder heil zu Boden brachten

Der Dank gebührt eher den Flugzeugkonstrukteuren, der liebe Gott ist ja für die Turbulenzen verantwortlich :D

 

Reduziert der Pilot die Geschwindigkeit etwas (was er eigentlich immer in starken Böen tut)...

Ich würde hier eher von Geschwindigkeit anpassen sprechen... :005:

Geschrieben

Der Dank gebührt eher den Flugzeugkonstrukteuren, der liebe Gott ist ja für die Turbulenzen verantwortlich :D

 

:D :p

 

Cheers,

Berni

Geschrieben

Vielen Dank für die informativen Antworten. Was mich damals überraschte war halt das Ausmaß des Turbulenzengebiets, es wurde eigentlich erst wieder ruhiger als wir das spanische Festland verließen, und parallel zur marrokanischen Küste flogen. Das Catering wurde ab der nordspanischen Grenze dann auch eingestellt. Man hörte zwischendurch sogar die Getränkewagen klappern, obwohl sie von den Flugbegleitern abgestellt wurden:009:

 

Gruß Christian

Geschrieben

Und ich dachte immer bei Alu darf man nicht von einer Dauerfestigkeit reden :009:

 

Viele Grüße,

Ingo

Geschrieben
Und ich dachte immer bei Alu darf man nicht von einer Dauerfestigkeit reden

Reden darf man schon. Man legt Alustrukturen allerdings nur für eine bestimmte Lebensdauer aus. Bei Flugzeugen z.B. 50.000 Stunden.

Auch die hochfesten Stähle (300M Stahl) für das Fahrwerk kann man nicht Dauerfest auslegen (jedenfalls nicht bei akzeptablem Gewicht), die werden dann nach einer bestimmten Anzahl Flüge einfach komplett ausgetauscht.

Seit den 70ern (im Behördenlatein "Post Ammendment 45", d.h. nach der 45. Änderung der amerikanischen Bauvorschriften zugelassen) wird die Primärstruktur von Verkehrsflugzeugen prinzipiell "Damage tolerant" ausgelegt, sprich man konstruiert so, dass eine gewisse Risslänge akzeptabel ist, und richtet ein Wartungsprogramm ein, dass sicherstellt, dass man diese Risse rechtzeitig findet.

Wenn du in einem 10 Jahre alten Flugzeug unterwegs bist, kannst du daruf wetten, dass es hunderte von Rissen hat. Aber dafür ist es ausgelegt.

Für hochbelastete Teile (Fahrwerk, Triebwerksaufhängung) sind die kritischen Risslängen so kurz, dass man sie nicht rechtzeitig finden kann, und tauscht die Teile daher nach einer bestimmten Flugzeit stur aus, unabhängig vom Zustand. Die Sicherheitsfaktoren für diese "Safe Life" Teile sind hoch, so um die 3-4.

 

Gruß

Ralf

Geschrieben

Hi Ralf,

 

danke für die Erklärung - für mich war die Frage mehr ein Gag ...

 

Durch meine berufliche Episode am LBF (Fraunhofer Institut für Betriebsfestigkeit) wurde ich dort "geschult", dass Alu keine Dauerfestigkeit hat.

 

Für die meisten Stähle wird ja in der Wöhler-Linie ab einer bestimmten Amplitude eine Dauerfestigkeit angenommen und einfach eine waagerechte Linie eingezeichnet, während diese ja bei Alu abfallend bleibt.

 

Jo - die liebe Luftfahrtindustrie ist da etwas arg konservativ.

 

Gab es eigentlich mal wieder Ambitionen neue Messungen für die Belastungskollektive durchzuführen, die der Bemessung zugrunde gelegt werden?

 

Noch eine pserönliche Frage - was triebst du eigentlich hübsches, dass du einen derartigen Einblick hast?

 

Die Geschichte mit dem Wartungsprogramm und dem Fahrwerkswechsel sehe ich bei uns öfters in der Halle - ist aber schön mal wieder die Verbindung zu sehen :)

 

Viele Grüße,

Ingo

Geschrieben

Hallo Ingo,

 

achte mal auf den Wohnort von Ralf :) Den Rest kannst Du Dir dann herleiten, wenn er diese Kenntnisse hat. Das soll den lieben Ralf aber nicht davon abhalten es trotzdem zu erzaehlen!

Geschrieben

Hi zusammen,

 

Profil upgedated, man entwickelt sich ja weiter...

Aber auch dieser Wohnort ist doch eindeutig, oder :009:

 

Gruß

Ralf

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