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Absturz der Birgen Air 1996


Roland320

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Im Gegensatz dazu zeigen die vier übrigen Geschwindigkeitsanzeigen, einschließlich des Stand-by-Instruments, eine zu niedrige Fluggeschwindigkeit an,

 

Gruß Peter

 

 

 

Hallo Herr Guth,

 

Als Laie habe ich zu ihrem (mal wieder superausführlichem und sehr interessanten) Beitrag drei Fragen:

 

1. Ich weiß selbst nicht, wo die übrigen vier Geschwindigkeitsanzeigen in einer B-757 angebracht sind, aber, vorausgesetzt sie sind nicht alle an der Unterseite im Handschuhfach angebracht, wie kann man denn vier Geschwindigkeitsanzeigen übersehen, welche alle die selben Werte anzeigen? Soweit ich Sie richtig verstanden habe, hätten insgesamt fünf Geschwindigkeitsanzeigen die selben Werte angezeigt, mit Außnahme der Anzeige des Piloten. Irgendwie will mir dieser Sachverhalt einfach nicht einleuchten.

 

2. Ich habe keine Ahnung, inwiefern die "Windgeräusche" in einem realen Cockpit tatsächlich wahrnehmbar sind. Kann man denn tatsächlich alleine aufgrund der Windgeräusche oder sonstiger externer Einwirkungen nicht unterscheiden, ob man sich im Overspeedbereich oder im Stallbereich befindet? Zumindest im Flusi (ja, ja ich weiß :-)) ist das "Windgeblase" deutlich wahrnehmbar.

 

3. Warum sind die Engines assymetrisch hochgefahren, nachdem "vollgas" gegeben wurde? Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Schubhebel absichtlich versetzt bewegt wurden. Haben Sie dazu eventuell eine Erklärung?

 

Grüße

Kai

 

PS: Sind Sie eigentlich noch aktiv als Pilot, ich glaube mal gelesen zu haben, dass sie die Fliegerei vor einer Weile aufgegeben hätten...

 

PSS (An Dieter Brugger): Nein, dein supernettes Engagement, mich in die Online-Fliegerei ausführlich einzuweisen war nicht umsonst ;-) - es steht nach wie vor ganz oben auf meiner "want to do"-Liste -ich hoffe, du bist nach wie vor controller, dann hörst du demnächst von mir :-)

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Ich habe zu dem Flugzeugtyp 757-200 und dem Einsatz auf dieser Strecke eine Frage. Ist das nicht ein wenig hoch gepokert?

 

Genauso COA mit 757-200 von TXL nach NY.

Die ETOPS Bedingungen, können die da überhaupt greifen?

Kenne mich bei den Airlinern nicht so aus.

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Hallo Kai,

 

zumindest auf Deine Frage Nr. 3 glaube ich die Antwort zu kennen. In einem Dokumentarfilm wurde erklärt, dass wohl beide Leistungshebel manuell auf Volllast gestellt wurden, ein Triebwerk aber infolge einem 'flameout', bzw. Stall im Verdichter ? keinen Schub lieferte. Dies soll aufgrund der abnormalen Anströmung des Triebwerkes infolge der extremen Fluglage (nose up) eingetreten sein. Im Bericht wurde es salopp so genannt, dass sich das Triebwerk 'verschluckt' habe, als es von idle plötzlich auf Vollast gefahren wurde.

 

Zu Frage 1 hast Du sicherlich recht. Zu bedenken ist aber, dass zu diesem Zeitpunkt bereits erheblicher Stress und Unsicherheit vorhanden war. Die Zeit lief der Crew in Riesenschritten davon und es schien noch gar nicht zu einer zielgerichteten Situationsanalyse gekommen zu sein, als es bereits zu spät war. Gerade dieser Unfall zeigt, wie hochsensibel die Schnittstelle Mensch/Maschine ist und wie schnell die Wahrnehmung des Menschen und seine Logik aus dem Konzept zu bringen ist. Dafür kann ich die Crew nicht verurteilen. Auch Piloten sind 'nur' Menschen.

 

Gruss Reto

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hallo

 

wenn von 5 Speedanzeigen gesprochen wird, so sind diese bei dem verunfallten Flugzeugtyp:

 

linke Seite (Captain)

1 x Fahrtmesser

1 x eingeblendete Anzeige im PD (primary display/Fluglageanzeige)

 

mitte

1 x Std By Gauges

 

rechte Seite (FO)

1 x Fahrtmesser

1 x eingeblendete Anzeige im PD

 

Hier mal Auszüge aus den Flugzeug-Trainingsunterlagen zum Thema Staudruckmeßgeräte und deren Fehler:

 

1.3.2

Auswirkung von Vereisung und Blockierung

Sowohl die Abgriffe für den Gesamtdruck (Staurohr) als auch die Öffnungen für das Abgreifen des statischen Druckes können durch Vereisung oder Verschmutzung blockiert werden.

 

Die Auswirkung auf die verschiedenen Anzeigegeräte ist unterschiedlich und hängt davon ab, in welcher Weise diese Geräte an die Stau- und Statischdruckanlage (Pitot-Static-System) angeschlossen sind.

 

Höhenmesser:

Fahrtmesser:

Variometer:

Statischer Druck

Statischer Druck und Gesamtdruck (= Staudruck) Statischer Druck

 

a)

Pitotrohr verstopft, Abgriffe für statischen Druck frei

Höhenmesser:

Fahrtmesser:

Variometer:

Anzeige unbeeinträchtigt

Reagiert jetzt wie ein Höhenmesser: Im Horizontalflug bleibt die Anzeige

gleich, bei Steigflug wird sie immer größer, bei Sinkflug immer kleiner -

alles aber ohne reellen Bezug zur wirklichen Fluggeschwindigkeit!

Anzeige unbeeinträchtigt

 

b)

Pitotrohr frei, Abgriffe für statischen Druck blockiert

Höhenmesser:

Fahrtmesser:

Variometer:

Bei Höhenänderung keine Änderung der Anzeige

Im Horizontalflug bleibt die Anzeige gleich. Im Steig- oder Sinkflug

reagiert der Fahrtmesser jetzt umgekehrt wie ein Höhenmesser: Beim Steigflug wird die Anzeige immer kleiner, beim Sinkflug wird sie immer größer, beides aber ohne reellen Bezug zur wirklichen Flug- geschwindigkeit !

Anzeige Null !

 

1.3.3

Alternate Anlagen (Bauarten und Benutzung)

In Flugzeugen, für die zwei Fahrtmesser vorgeschrieben sind, wird jeder der beiden Fahrtmesser über ein eigenes Pitot-Static-System versorgt. Somit bleibt bei Ausfall eines der Systeme das andere System funktionsfähig und damit die Fahrtmesseranzeige erhalten.

 

Ein "Alternate Static System" im eigentlichen Sinn dieser Bezeichnung hat die Aufgabe, dann zur Funktion abgerufen zu werden, wenn die normalen Statikanschlusses blockiert sind. In der Regel werden die Alternate-Static-Anschlüsse dorthin verlegt, wo am wenigsten mit Vereisung oder Verschmutzung zu rechnen ist. Das ist bei Flugzeugen ohne Druckkabine im allgemeinen in der Kabine der Fall. Bei Flugzeugen mit Druckkabine werden die Alternate-Anschlüsse in einen nicht druckbelüfteten Teil des Rumpfes verlegt. Im Cockpit befinden sich Schaltventile, mit deren Hilfe auf "Alternate Source" umgeschaltet werden kann. Der in der Kabine oder sonst wie im Rumpf abgegriffene Luftdruck ist meistens etwas niedriger, als der statische Außendruck, weil die den Rumpf umströmende Luft infolge eines "Venturi-Effektes" auf das Rumpfinnere druckmindernd wirkt.

 

Es ergeben sich daher Unterschiede in der Anzeige bei "normal" und "alternate" Systemen. Im Flughandbuch befinden sich entsprechende Korrekturtabellen oder Korrekturdiagramme.

 

Differenzen in der Anzeige ergeben sich auch bei unterschiedlicher Konfiguration des Flugzeugs (Klappen, Fahrwerk aus- oder eingefahren).

Wenn der Kabinendruck niedriger ist als der Außendruck, sind Höhenmesser-

und Fahrtmesseranzeige zu groß, während das Variometer richtig anzeigt.

 

Für das Fluggerät gibt es - wie immer- auch eine Minimum Equipmentliste (MMEL). Diese weist aus, welche Bauteile gestört sein dürfen, um trotzdem einen Flug noch regulär durchführen zu können. Deren Details reichen vom Triebwerk bis zur Klobeleuchtung. U.a. sagt diese DOT Liste logischer Weise aus, dass bei gestörten Fahrtmessern oder deren Übertragungsanlagen beim Flugzeugtyp ein Flug nicht gestattet ist. Stellt "man" eine solch elementare Störung erst in der Flugphase fest, so ist auf dem nächst geeigneten Platz zu Flug zu beenden. Gibt es bereits beim Startlauf "Unklarheiten" darüber, so ist bereits jetzt der Start abzubrechen. Das Sicherheitssystem hat sich auch heute nicht grundlegend geändert, im Bezug auf mein Ende der Laufbahn vor 5 Jahren.

 

Was die Windgeräusche betrifft, so kann man froh sein, die zitierten noch nie wahrgenommen zu haben. Es ist aber logisch, dass bei völlig falscher Anströmung der gesamten Maschine auf Grund einer katastrophalen Fluglage sicherlich eine andere Geräuschkulisse entsteht. Diese kann aber auch im Trainings-Simulator nicht "nachgestellt" werden.

 

Die ETOPs Flugplanungskarten erlauben eine Streckenführung innerhalb der Limits. Egal, ob über viel zitierte Gewässer oder über große Landflächen, die wenig geeigneten Landemöglichkeiten verfügen: man bekommt beim Anblick regulärer, planebener Karten (nach dem Gauß-Krüger Prinzip) oft einen falschen Eindruck über die tatsächliche Situation, bezogen auf eine Kugeloberfläche. Daraus resultiert dann, dass beim "umdenken" von Karte auf "Globus" rasch einleuchtet, dass solche Streckenplanungen innerhalb der ETOPs Grenzen (z.B. 180 Minuten Regel) kein Problem darstellen.

 

Unterm Strich ist es natürlich ein Leichtes, solche Pilotenfehler (bad airmenship) im Nachhinein gemütlich zu zerlegen und möglicherweise als "Besserwisser" da zu stehen. Das soll hier nicht der Fall sein, sondern ich bringe nur ganz simple die Sache auf den Punkt: bei unklarer Zustandslage kann es nur ein "no go" geben.

 

Gruß Peter

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  • 16 Jahre später...

Nachdem ich jetzt endlich schwarz auf weiß habe, hier ein Bericht zur Birgenair vom damaligen Gutachter im Prozess der Familien gegen Boeing.

 

Grundsätzlich: der offizielle Unfallbericht ist völlig falsch und geht an den Tatsachen vorbei. Ich habe das bereits (noch ohne es auf Schwarz auf Weiß zu haben) im Thread zum Absturz Sriwijaya vom 9.1.2021 erwähnt, siehe:

 

 

Der Prozess damals wies nach, daß der Crew kein Vorwurf zu machen war. Angesichts des offiziellen Unfallberichts war Boeing damals sehr zuversichtlich, den Schadenersatzprozess der Angehörigen abwehren zu können und war deshalb entschlossen, den Prozess bis zum Ende durchzufechten. Nach der Vorlage des Gutachtens allerdings stimmte Boeing sofort und ohne weitere Debatten einem Vergleich mit den Familien zu.

 

Meine Zusammenfassung aus dem Gutachten aus dem Prozess:

 

Der First Officer war Pilot Flying, der Kapitän Pilot monitoring, auf dem Observer Sitz war ein weiterer Kapitän.

 

Was ich noch nicht ahnte im Jänner: Beim 80 Knoten Call war es NICHT festgelegt, weder im FCOM von Boeing, noch im FCOM der Airline, daß bei disagreeing airspeed indicators ein Startabbruch zu erfolgen hatte. Auch keine andere Airline, z.B. British Airways oder United (inkl. deren Training Centers), forderte bei disagreeing airspeeds beim 80 Knoten Call einen Startabbruch, sondern verwies darauf, daß ein Startabbruch nur dann erfolgen sollte, wenn fraglich wäre ob das Flugzeug flugtüchtig sein würde. Im offiziellen Bericht (und dann später auch) wurde das jedoch so dargestellt, daß die einzig mögliche Reaktion auf disagreeing airspeeds beim 80 Knoten Call ein Startabbruch war.

 

Es war also nach damaligem Stand der Betriebshandbücher und Wissensstand Kapitänsentscheidung, die man dem Kapitän nicht anlasten kann. Grundsätzlich war ein Startabbruch auch nicht notwendig, denn man hatte ja zwei verläßliche IAS Anzeigen und hätte damit sicher flieger können - der Kapitän schätzte angesichts der Startbahn und der Umgebung das Risiko eines Startabbruchs höher ein als das Risiko beim Fortsetzen des Starts. Das ist zunächst ja auch passiert. Der Observer wurde vom Kapitän gebeten, die Geschwindigkeiten des Standby ständig auszurufen, und so stieg die Maschine auf Sicherheitshöhe ohne Probleme. Klappen wurde eingefahren, ebenfalls ohne Probleme und ohne Abweichungen vom Geschwindigkeitsprofil.

 

Der Kapitän arbeitete daraufhin die Checkliste für seine unreliable IAS ab, fand die Anweisung, er solle seine Air Data Source auf "Alternate" umstellen und tat dies. Damit wurde seine Air Data Source von links (ADR#1) auf rechts (ADR#2) umgestellt, und er erhielt wieder verläßliche Airspeed Daten im Einklang mit Standby und First Officer.

 

Der First Officer aktivierte seinen Autopilot #2, der von der rechte ADR#2 versorgt wurde.

 

Nachdem der Kapitän jetzt wieder verläßliche Daten hatte, bestätigte er, daß er auf Alternate umgestellt hatte. Kurz darauf erhielt die Crew die Meldung "Rudder Ratio" und "Mach Speed Trim". Zum Rudder Ratio steht in den Checklisten lediglich, man sollte über 160 KIAS keine heftigen Bewegungen des Ruders auslösen soll, für die Mach Speed Trim war es überhaupt nur zur Beobachtung ohne weitere Pilotenreaktion.

 

Die Crew allerdings wußte, es gab ein Problem und begann zu suchen. Sie überprüfte alle Sicherungen. Der Kapitän stellte fest, daß er den Anzeigen nicht vertraute. Der First Officer stellte jetzt allerdings fest: "Alternate" und stellte jetzt seine ADR Source auf Alternate - und damit erst begann die Absturzsequenz. Denn was jetzt geschah: Er stellte seine korrekte Air Data Source von ADR#2 (rechts) auf die fehlerhafte, blockierte ADR#1 (links) um und bekam damit die falschen Werte. Aber nicht nur das, auch der Autopilot#2 erhielt nun die falschen Werte.

 

Die Beschriftung der Schalter lautet: Normal und Alternate ohne weitere Details, gleichlautend. Der Gutachter stellte hier im Prozess fest, daß dies ein schwerwiegender Fehler von Boeing war, der erst zum Mißverständis der Crew führte. Auch in den Dokumentation damals war nicht klar, daß hier wechselseitig zwischen links und rechts umgeschaltet wurde (trotz identischer Beschriftung also völlig unterschiedliche Ergebnisse), die Crew konnte durchaus glauben, daß mit ALTN das Standby System gemeint sein konnte. Der First Officer hatte zuvor Airbusse geflogen, wo die Umschaltung mit ALTN 1 und ALTN 2 beschriftet war und daher die ADR Sources klar waren. Er konnte daher davon ausgehen, daß auf seinem Schalter die Beschriftung ALTN den Standby identifizierte.

 

Die Geschwindigkeitsanzeige auf dem ASI des First Officers steigt über 350 KIAS, während die beiden anderen ASIs weiter normale Werte anzeigen, die auf eine Verlangsamung des Flugzeugs in Richtung Stall deuten. Der Kapitän erkennt, daß die Warnung vor zu hoher Geschwindigkeit falsch war und weist den First Officer an: "Mach nichts" (also nicht nach oben ziehen zur Verlangsamung). 

 

Der Autopilot aber sieht die hohen Geschwindigkeiten und zieht die Nase nach oben um die Geschwindigkeit zu reduzieren und trimmt entsprechend. Der Kapitän versucht auf der Steuersäule dagegen zu drücken, er kann aber die Nase trotz vollem Elevator Nose Down nicht mehr herunter drücken. Der Stick Shaker aktiviert. 

 

Auf der 757 gibt es keine Trimräder, aber auch keine akustischen Signale wenn sich der Trim bewegt. Die Trimanzeige ist außerdem klein und strategisch so platziert, daß keiner der Piloten sie aus seinem Sitz in normaler Haltung ablesen kann, die Piloten mußten sich in Richtung Center Console beugen, um die Trimanzeige lesen zu können.

 

Der Trim war vom Autopiloten in der Zwischenzeit Nase oben bis zum Anschlag gefahren worden, es war daher nicht mehr möglich mittels Elevator den Pitch zu kontrollieren. Das Flugzeug war also in einem unkontrollierbaren Zustand und stürzte ab.

 

DIe Lektionen: bei Rudder Ratio und Mach Speed Trim darf der Autopilot nicht mehr aktiviert werden oder aktiviert bleiben. Die Beschriftungen wurden von Boeing geändert und nunmehr entsprechend den ICAO Regulativ eindeutig gemacht (sodaß gleiche Beschriftung das gleiche Ergebnis ergibt). Bei Airspeed Disagree beim 80 Knoten Call wird jetzt ein Startabbruch auf jeden Fall gefordert. Die Trimanzeige wurde vergrößert und auch in normaler SItzhaltung ablesbar gemacht. Ein akustisches Signal während Trimbewegungen wurde eingeführt.

 

Zusammenfassend kann man sagen: 

 

Die Crew hat durchaus entsprechend den damaligen FCOMs entsprechend gehandelt und durchaus plausibel reagiert (auch nach heutigem Maßstab). Entsprechend den Checklisten war die weitere Verwendung des Autopiloten (interessanterweise beider Kanäle, also auch Autopilot #1 in dem Fall) weiter zugelassen - was auch keine Auswirkungen gehabt hätte nachdem der Kapitän seine Air Data Source auf ALTN umgestellt hatte - dann hätten beide Autopiloten, beide versorgt von der rechten ADR#2, das Flugzeug sicher geflogen.  Erst der Beschriftungsfehler von Boeing in Kombination mit dem Fehlen des Trimrades sowie akustischen Signalen von Trimbewegungen und der nicht ablesbaren Trimanzeige führten dann zu einem unkontrollierbaren Flugzustand, bei dem selbst ein voller Ausschlag mit dem Elevator dem falschen Trim nicht mehr entgegenwirken konnte.

 

Im Endeffekt: die Aussage des Kapitäns, er vertraue den Geschwindigkeitswerten nicht - nachdem er schon seine Air Data Source umgestellt hatte - löste dann die Reaktion des First Officers aus, seine Air Data Source auf die gleiche Stellung wie der Kapitän zu bringen. Und mit dieser Umschaltung begann der Autopilot gegen die zu hohe Geschwindigkeit zu wirken und zog die Nase mittels Trim nach oben, was letztlich zum unkontrollierbaren Stall führte. Diese Umschaltung also leitete erst die Absturzsequenz ein.

 

Beide Piloten waren nicht durcheinander, sie wußten genau, daß sie sich dem Stall (Low speed) näherten und die Warnung vor zu hoher Geschwindigkeit falsch war, konnte aber nicht erkennen, daß der Autopilot ihnen das Flugzeug total vertrimmte.

 

Der offizielle Unfallbericht wurde aber trotz des Ausgangs des Prozesses nie korrigiert und wirft bis heute beiden Piloten vor, Volltrottel gewesen zu sein, die Overspeed und Stall Alarme nicht auseinanderhalten konnten etc.

 

Servus, Simon

 

 

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Am 22.3.2021 um 16:44 schrieb AustrianSimon:

Hallo Simon,

ich bin nur Zaungast der Aviatik, aber was Du da ausgegraben hast, ist für mich sensationell, dachte auch immer, es wäre halt das "übliche" Zusammenspiel von präkeren kommerziellen Verhältnissen, die zum Absturz geführt hatten.

Meinst du, es war ein reiner technischer Fehler oder kann es aber auch ein Zusammenwirken mit Wartungsmängeln gewesen sein?

Danke auch für Deine engagierte und unbeirrbare Arbeit als AVH! Gehe davon aus,daß Du das bist.

LG

Pinball

 

 

 

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On 3/29/2021 at 11:58 PM, pinball said:

Meinst du, es war ein reiner technischer Fehler oder kann es aber auch ein Zusammenwirken mit Wartungsmängeln gewesen sein?

Danke auch für Deine engagierte und unbeirrbare Arbeit als AVH! Gehe davon aus,daß Du das bist.

 

Korrekt, ich bin der Kerl der den AVH täglich "verunstaltet" 😉

 

Ich sehe in den vom Gutachter festgestellten Mängeln keinerlei Wartungsfehler, ebenso wenig sehe ich menschliche Fehler. Ich sehe aber Konstruktionsfehler in Richtung Mensch-Maschine Interface, durch die der Mensch über kritische automatische Aktivitäten der Maschine keinerlei Hinweis erhielt, und irreführen Konstruktionsfehler in Bezug auf Beschriftungen, bei denen identische Beschriftungen aber unterschiedliche Wirkungen hatten und daher irreführend waren (wie auch Boeing indirekt eingestand im Rahmen des Prozesses).

 

Der Gutachter machte mich übrigens darauf aufmerksam, daß die Birgenair auch direkt in den Fall der AeroPeru hineinspielte und Boeing deswegen rechtliche Auswirkungen auch bei der AeroPeru spürte. Das Anwaltsteam der AeroPeru Opfer nutzte die Erkenntnisse aus dem Prozess rund um die Birgenair für ihren Prozess um Schadenersatz für die Familien, auch wenn bei der AeroPeru ein Fehler im Bereich der Flugvorbereitung passierte (Abdeckung von Pitot Ports wurde nicht entfernt, weil übersehen - noch keine roten Fähnchen dran).

 

Servus aus Salzburg, Simon

 

 

 

 

 

Bearbeitet von AustrianSimon
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Frank Holly Lake

im gleichen Jahr stürzte die Aero Peru 603 ab.

Auch hier gab es mit der Messung Probleme (abgeklebte Static Ports)

Es stand Kritik zu dem Birgenair  Unfall drin.

 

Es wurde bemängelt, das der Zwischenbereicht der Birgenair nicht schnell genug

veröffentlicht wurde, um Piloten vor den Eigenheiten der 757 / 767 Bordsysteme

zu informieren. Die Untersuchungsbehörde kam zu spät und der Zwischenbericht

hat nicht umfangreich informiert. Denn Boeing hat das nicht getan, vielen Piloten war das unbekannt.

Ein Sicherheitsbulletin zum Zwischenbericht hätte den Fokus auf das Eigenheiten der Bordsysteme legen können.

 

Es ist schlichtweg eine Fehlkonstuktion, wenn die Maschine fast gleichzeitig Stall und Overspeed anzeigt.

 

Es ist auch kein Geheimnis, das diese Untersuchungbehörde selber nicht die Experten und

Gerätschaften hatten, um den Unfall aufzulösen. Sie mussten sich massiv Hilfe holen.

Und Boeing verfolgte bei der Hilfe eigene Ziele. Die standen erheblich unter Druck,

als Sie den Bericht erstellt haben. Und das war vielleicht der Grund, weshalb dieser Bericht

so ausgefallen ist. 

 

Frohe Ostern Grüße Frank

 

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