Karl-Alfred_Roemer Geschrieben 5. Juli 2007 Geschrieben 5. Juli 2007 Hallo zusammen, ich habe mal wieder etwas gelesen, dass ich einfach nicht in meinen Kopf hinein bekomme: In großen Flughöhen müsse die Vne heruntergesetzt werden, weil es sonst zu Ruderflattern kommen könnte. Ich dachte, alle Luftkräfte wären nur abhängig von der IAS? Weil sich die Effekte des durch die dünnere Luft zu wenig anzeigenden Fahrtmessers genau mit den geringeren Luftkräften bei geringerer Luftdichte (bei gleicher TAS) aufheben. :confused: Habt ihr dafür eine plausible Erklärung? Danke und viele Grüße Karl Zitieren
Volume Geschrieben 6. Juli 2007 Geschrieben 6. Juli 2007 Hallo Karl, Ich dachte, alle Luftkräfte wären nurabhängig von der IAS? IAS schon mal sowieso nicht, das ist die Angezeigte (Indicated) Geschwindigkeit, also incl. Fahrtmesserfehlanzeige (Instrumentenfehler und vor allem Fehler der statischen Druckanlage, soweit überhaupt eine solche vorhanden ist) Für die genauen Definitionen siehe z.B. Luftpiraten-Lexikon unter "Geschwindigkeiten" (ganz runterscrollen). Oh, hupps, die Luftpiraten irren sich! Naja, für gute Witze und Bilder sind sie immerhin zu gebrauchen. Aber Wikipedia hat recht. Insofern sind die Luftkräfte von der EAS (Equivalent Air Speed, Geschwindigkeit gleichen Staudrucks wie unter ISA-Bedingungen) abhängig, aber auch nicht alle, sondern nur die quasistatischen Druckkräfte. Reibungskräfte und insbesondere Dämpfungskräfte sind auch von anderen Größen abhängig, und alle instationären Kräfte sowieso. Ich erkläre mir das so, die absolute Größe der Luftkräfte ist beim Flattern nicht entscheidend (sie beeinflusst allenfalls die Zeit bzw. die Anzahl von Schwingungen die es braucht, das Flugzeug zu zerlegen), sondern der zeitliche Verlauf im Vergleich zur momentanen Position der Flatternden Fläche. Die Frequenz der Kraftänderung muß stimmen, nicht die absolute Kraft, um Flattern anzuregen. Vergleichbar mit einem Pendel, das man anregen möchte, solange Frequenz und Phase stimmen, genügen extrem kleine Ausschläge um das Pendel anzuregen, wenn Frequenz und Phase falsch sind, kann man auch mit sehr großen Bewegungen das Pendel nicht anregen. Und die Zeit, die Vergeht bevor sich die Luftkräfte in Abhängigkeit der Ruderstellungen ändern, hängt offensichtlich von der wahren Geschwindigkeit der Luftteilchen ab. Ein anderer Vergleich wäre ein Federpendel, die Steifigkeit der Feder hängt nicht von der Auslenkung ab, die Federkraft schon. Wenn du eine Trimmfeder vorspannst änderst du die Nullkraft am Knüppel, aber nicht die Steigung der Knüppelkraftkurve. Die Luftkräfte hängen von der EAS ab, die "Luftsteifigkeit" aber von TAS. Insofern ändert sich die "Federsteifigkeit" der das Ruder zentrierenden Luftkraft mit der TAS, und folglich steigt die Eigenfrequenz des Ruders mit der Geschwindigkeit an (Die Luft wird "steifer"). Wenn die strukturelle Eigenfrequenz der Ruderfläche (die Steuerstange wird z.B. als Feder angesehen, das Ruder hat eine Masse bzw. eine Massenträgheit um die Drehachse, also gibt es auch eine Eigenfrequenz) mit der aerodynamischen Eigenfrequenz zusammenfällt, und der Phasenunterschied beider Schwingungen passt, dann gerät beides in Resonanz, und die Ruderbewegung wird (u.U. bis zur Zerstörung) angeregt. Ein Trick zur Flattervermeidung ist also, alles so steif zu bauen, das es erst jenseits von Vne flattert, oder den Schwerpunkt auf die richtige Seite der Drehachse zu legen, damit die Phasenlage nicht zur Anregung, sondern zur Dämpfung führt. Flattern ist eine Wissenschaft für sich, und auch für mich in weiten Teilen "ein Buch mit sieben Siegeln". Flatternachweise macht kaum ein Flugzeughersteller selbst, sondern beauftragt eine der wenigen kompetenten Stellen. Gruß Ralf Zitieren
Karl-Alfred_Roemer Geschrieben 6. Juli 2007 Autor Geschrieben 6. Juli 2007 Hallo Ralf, von EAS habe ich bisher noch nie etwas gehört. Ich habe immer die EAS gemeint, wenn ich IAS gesagt/geschrieben hatte. EAS ist also die IAS um Gerätefehler aber nicht um Luftdichtefehler korrigiert, wenn ich es richtig verstanden habe. Abgesehen davon muss ich mir jetzt noch mal paar Gedanken über deine Erklärung machen. Besonders interessant finde ich folgendes: ...oder den Schwerpunkt auf die richtige Seite der Drehachse zu legen, damit die Phasenlage nicht zur Anregung, sondern zur Dämpfung führt. Kann es sein, dass das bei der F16 so ist? Habe nämlich auf einer Air- Show mal gesehen, wie ein F16-Pilot an der Sidewinder gewackelt hat. Die Schwingung war von der Steife und der Resonanzfrequenz her vergleichbar mit einem Straßenschild. Das das Ding nicht schon bei 100 Km/h wegfliegt ist schon ein Wunder. Flattern ist eine Wissenschaft für sich, und auch für mich in weiten Teilen "ein Buch mit sieben Siegeln". Flatternachweise macht kaum ein Flugzeug- hersteller selbst, sondern beauftragt eine der wenigen kompetenten Stellen. Hört sich ja fast nach einer Art Geheimwissenschaft an. ;) Polar beschäftigt sich ja auch mit dem Thema. Vielleicht dürfen wir ja noch hoffen. :) Ich habe irgendwie das Gefühl, dass die Schallgeschwindigkeit, die Flugge- schwindigkeit, die Resonanzfrequenz und die Länge des schwingenden Systems abhängt. Bin auch noch drüber am Brüten. Zitieren
Karl-Alfred_Roemer Geschrieben 10. Juli 2007 Autor Geschrieben 10. Juli 2007 EAS = CAS korrigiert um Kompressibilitätseffekte (fällt vor allem bei höheren Geschwindigkeiten ins Gewicht) Danke für den korrigierenden Hinweis. Ich hoffe mit folgender Aussage keinen Sturm der Entrüstung auszulösen: Aber für Kleinflugzeuge kannst du für den praktischen Gebrauch IAS, CAS und EAS gleichsetzen. (gilt natürlich NICHT für den Theoriesaal) <Sturm der Entrüstung ein> Das ist glaube ich eine gefährliche Aussage. Weil bei vielen Flugzeugen gerade beim Langsamflug der Fahrtmesser deutlich zu wenig anzeigt. Wenn man nun die Faustformel Anfluggeschwindigkeit = Stallspeed*1,3 wählt und sich die Stallspeed selbst erfliegt, wobei der Fahrtmesser ja ganz unten herum deutlich zu wenig anzeigt, dann ist ein ordentliches Durchsacken im Abfangbogen mit Knüppel am Bauch mit anschließend sehr harter Landung schon garantiert. <Sturm der Entrüstung aus> Zitieren
oldchris Geschrieben 11. Juli 2007 Geschrieben 11. Juli 2007 Weil bei vielen Flugzeugen gerade beim Langsamflug der Fahrtmesser deutlich zu wenig anzeigt. Wieso zeigt denn der Fahrtmesser beim Langsamflug deutlich zu wenig ?...;) Zitieren
Karl-Alfred_Roemer Geschrieben 11. Juli 2007 Autor Geschrieben 11. Juli 2007 Wieso zeigt denn der Fahrtmesser beim Langsamflug deutlich zu wenig ?...;) Ich meine das an zahlreichen Ultraleichtflugzeugen festgestellt zu haben und habe es auch an mehreren Stellen gelesen. Erklärungen: Der Fahrtmesser misst die Druckdifferenz zwischen Staudruck und statischem Druck. Je nach Windanströmrichtung können Staudruck und/oder statischer Druck falsch gemessen werden. Zeigt die Staudruckabnahme z.B. genau in Rumpfrichtung, müsste sie bei mittleren und niedrigen Anstellwinkeln halbwegs korrekt messen. Dann wird sie aber bei sehr hohen Anstellwinkeln, wie z.B. im Langsamflug insbesondere im Sackflug in Stallnähe erheblich falsch anzeigen, nämlich zu wenig, denn der gemessene Staudruck cos(alpha) geringer sein. Gleiches beim Slipp, nur dass der Luftstrom halt von der Seite kommt. Außerdem ist die Staudruckabnahme bei manchen Flugzeugen sehr un- glücklich angebracht. Bin vor kurzem mit einer Zodiac mitgeflogen (Übungsflug). Dabei zeigte mir der Flugzeugbesitzer stolz wie schnell dieses Flugzeug Fahrt aufnehmen würde. Flog man z.B. mit halbgas gemütliche 140 Km/h im stationären Horizontalflug und drückte man kurz an, ging die Fahranzeige ohne Verzögerung um 20-30 Km/h nach oben. Jeder weiß, dass ein angedrücktes Flugzeug Fahrt aufnimmt, weil es beim Andrücken sinkt und die dabei abgebaute Höhe in Geschwindigkeit umgewandelt wird. Aber hier war die Fahrtzunahme bereits VOR dem Höhenabbau. Alleine die Anstellwinkeländerung brachte schon die Fahrzunahme.:007: Mein Erklärungsversuch: Jeder weiß, dass es in der Nähe des Staupunktes erhebliche Druckunterschiede gibt und dass der Staupunkt mit zunehmendem Anstellwinkel auf die Flächenunterseite wandert. Wenn er jetzt den Bereich durchwandert, andem der Staudruck abgenommen wird, zeigt dieser natürlich alles mögliche an, nur nicht die Fluggeschwindigkeit. Neben obigen Effekten kann es auch bei der statischen Druckabnahme Fehler geben: Befindet sich der Staticport an der Rumpfseite, so wird beim Slippen, je nach Slipprichtung auch ein wenig Staudruck aufgenommen. Es soll Segelflugzeuge geben, die beim Slippen negative Werte anzeigen!!! :009: Es kann aber sein, dass diese Effekte bei euren Dickschiffen aerodynamisch oder elektronisch (verrechnen mit zusätzlicher Anstellwinkelanzeige) wegkompensiert werden. Zitieren
Schorsch Geschrieben 22. September 2007 Geschrieben 22. September 2007 Hallo zusammen, ich habe mal wieder etwas gelesen, dass ich einfach nicht in meinen Kopf hinein bekomme: In großen Flughöhen müsse die Vne heruntergesetzt werden, weil es sonst zu Ruderflattern kommen könnte. Ich dachte, alle Luftkräfte wären nur abhängig von der IAS? Weil sich die Effekte des durch die dünnere Luft zu wenig anzeigenden Fahrtmessers genau mit den geringeren Luftkräften bei geringerer Luftdichte (bei gleicher TAS) aufheben. :confused: Habt ihr dafür eine plausible Erklärung? Danke und viele Grüße Karl Der Staudruck ist tatsächlich proportional zur IAS (die ja nichts anderes anzeigt). Jedoch ändern sich die aerodynamischen Eigenschaften mit der Machzahl. Und da kann eben ein Ruder flattern. Deswegen eben VMO/MMO. Zitieren
Walhalla Geschrieben 24. September 2007 Geschrieben 24. September 2007 Hi! Ich weiß ja nicht genau, ob dir das jetzt weiterhilft, aber so wie ich dich verstanden habe, meinst du die sog. "Coffin Corner" (Sargecke). Wikipedia hat eine recht leicht verständliche Erklärung: Coffin Corner Oder meinst du vielleicht das Ruderflattern, welches durch shockwaves entsteht, hinter denen die abgebremste Luft Verwirbelungen enstehen lässt? Wodurch die Ruder dann sozusagen keinen laminaren Luftstrom mehr erfahren. Die beiden genannten Erscheinungen sind meines Erachtens, die naheliegendsten Antworten für deine Frage. Man lernt ja nie aus, wenn also jemand noch richtigere Antworten findet, raus damit! :) Besten Gruß Zitieren
Schorsch Geschrieben 25. September 2007 Geschrieben 25. September 2007 Hi! Ich weiß ja nicht genau, ob dir das jetzt weiterhilft, aber so wie ich dich verstanden habe, meinst du die sog. "Coffin Corner" (Sargecke). Wikipedia hat eine recht leicht verständliche Erklärung: Coffin Corner Oder meinst du vielleicht das Ruderflattern, welches durch shockwaves entsteht, hinter denen die abgebremste Luft Verwirbelungen enstehen lässt? Wodurch die Ruder dann sozusagen keinen laminaren Luftstrom mehr erfahren. Die beiden genannten Erscheinungen sind meines Erachtens, die naheliegendsten Antworten für deine Frage. Man lernt ja nie aus, wenn also jemand noch richtigere Antworten findet, raus damit! :) Besten Gruß Die sog. "Coffin Corner" hat mit Ruderflattern erstmal nichts zu tun, es ist mehr eine Performance-Sache. In dieser "Ecke" treffen sich highspeed and lowspeed-stall. Sollten dann noch Böen dazu kommen, wird es tatsächlich gefährlich. Ruderflattern hat meines Erachtens etwas mit Buffet an den Ruderflächen zu tun, aber genau weiß ich es auch nicht. Es tritt ja meist im transonischen Bereich auf, und da glaub ich auch meist bei etwas mehr als Nullanstellwinkel. Zitieren
Walhalla Geschrieben 25. September 2007 Geschrieben 25. September 2007 Hallo Schorsch! Da hast du Recht. Ich dachte auch eher daran, dass das Flattern durch die Nähe zu den Buffets evtl. durch Störungen im Luftstrom über den Flächen induziert werden könnte... Soviel ich weiß, kann Ruderflattern am ehesten durch die bereits erwähnten shockwaves entstehen, die im transsonischen Bereich vom Bereich der größten Stärke des Flügels zur Hinterkante wandern und dabei zwangsläufig auch die Ruder passieren. Dabei stören sie die Aerodynamik der Ruder und sie beginnen zu zittern. Im super-sonischen Bereich, wenn die Druckwellen an der Flügelhinterkante sind, haben sie keinen so großen Einfluss mehr auf die Ruder. Just my 2 cents... Simon Zitieren
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