Walter Fischer Geschrieben 17. Februar 2001 Geschrieben 17. Februar 2001 Hoi zämme, habe vor ca. 4 Jahren im Zusammenhang mit Lauda- Air gelesen, dass der umtriebige Nicki als einziger Betreiber einer Fluggesellschaft weltweit, von seiner zuständigen Landesbehörde die Bewilligung erhalten hat, die maximale Dienstzeit seiner Piloten auf 18 STUNDEN !!! pro Tag hochzuschrauben. Die mussten das tun, damit er mit der 767-er (?) nonstop von Wien nach Hawaii bügeln konnte. Klar sind da sicher noch die Zeiten des Brief- und Debriefings enthalten, anyway wisst Ihr eventuell von ähnlichen Murksen zu berichten, und was sind sonst so gängige Mega- Legs, wie z.B. LA- Tokyo, Frankfurt- Manila o.ä. ? Oh herrje, die arme Kaffeemaschine!!! Walti am Gähnen Zitieren
petersutch Geschrieben 18. Februar 2001 Geschrieben 18. Februar 2001 Hallo Walti, also die Frage ist ziemlich gut - Du siehst wie sich die Leute darum reißen ! Also ich probiere es mal, obwohl der Themenkomplex zu dem Schwersten gehört was die ATPL-Theorie zu bieten hat J... Eine abschließende Antwort auf Deine Frage gibt`s im Übrigen nicht, aber schau selbst mal... Zunächst unterscheidet man 5 grundsätzliche Zeiten: 1. Flugzeit "Off Block - On Block" 2. Flugdienstzeit "Briefing + Flugzeit + Debriefing" 3. Beförderungszeit "Dead-head Time" Transportzeit zum Einsatzort 4. Bereitschaftszeit "Stand-By Time" 5. Ruhezeit "10 Stunden am Stück, ohne Auftrag" Nach deutschem Recht: Uneingeschränkte Flugdienstzeit maximal 10 Stunden - ist auf der Langstrecke aber kaum machbar, deshalb gibt es folgende Ausnahmeregelungen zur Verlängerung der FDZ: Maximal ist an 4 von 7 aufeinanderfolgenden Tagen eine Verlängerung zulässig, die Summe der Überschreitungen darf aber 8 Stunden nicht überschreiten, und eine einzelne Verlängerung darf nicht länger als 4 Stunden dauern. Eine zusätzliche Verlängerung der FDZ ist per Genehmigung zu bekommen: Die Verlängerung der FDZ kann auf 2 mal 8 Stunden innerhalb von 7 aufeinanderfolgenden Tagen ausgedehnt werden. Diese Verlängerung bezieht sich auf die noch-nicht verlängerte FDZ von 10 Stunden (siehe oben). Eine maximale FDZ darf ausnahmsweise 18 Stunden betragen. Wird hiervon Gebrauch gemacht muß allerdings eine sog. Enlarged-crew mitgenommen werden, da der betroffene Pilot maximal 12 Stunde am Stück mit der Führung des Lfz. Betraut sein darf. Die FDZ darf innerhalb 30 aufeinanderfolgender Tage nicht mehr als 210 Stunden betragen - innerhalb eines Kalenderjahres nicht mehr als 1.800 Stunden. Traifveträge sehen in der Regel geringere Zeiten vor. Im Einzelfall entscheidet der Cpt. über eine Überschreitung der max. zulässigen FDZ. Alles klar ??? J Mit einem Statement á la 14 Stunden müssen die LaudaAir Piloten schrubben ist also rechtlich wenig anzufangen, trotzdem sind die Kollegen bekannt für Ihren Einsatz J Gruss, JR Zitieren
Hampi Geschrieben 18. Februar 2001 Geschrieben 18. Februar 2001 Hallo zusammen ich habe mit interesse diese beiträge gelesen und mir blieb der mund offen! warum mich das ganze interessiert ist einfach zu erklären. ich selber habe ein transportunternehmen, in meinem gewerbe wird alles sehr genau vorgeschrieben und geregelt. so ist es bei uns unter keinen umständen möglich mehr als 9 Std. an einem tag ein fahrzeug zu lenken. nun frage ich mich einfach wieso ein pilot mit meist über 100 personen an board länger fliegen darf als ein fahrer mit max 2 personen im laster und vieleicht 50 Fahrgästen in einem bus wenn es der zufall will und er genau den trifft wenn er stark übermüdet am steuer einschläft. entschuldigt bitte die harte wortwahl aber es ist für mich als verantwortungsvoller unternehmer einfach kaum zu glauben dass leute am himmel mehr vollbringen als jene auf den strassen. ich weiss das ganze gehört eigentlich nicht auf eine solche seite aber es ist sehr interessant zu sehen wie hier die gesetzte auseinander klaffen! en gruess hampi Zitieren
Peter Guth Geschrieben 18. Februar 2001 Geschrieben 18. Februar 2001 hallo, Männer, der liebe Hampi hat wesentliche Voraussetzungen benannt. Wer dazu weitere Details wissen möchte, der sollte einmal die Adresse unseres Berufspilotenverbandes VC COCKPIT besuchen: http://www.vcockpit.de Da gibt es vieles zu lesen, auch Hintergrundinfos, hier insbesondere Tarifverhandlungen: Ausnahmeanträge der Airlines zum Thema FDZ, den dicken Hals der Pilotenschaft, die schlimmen Zustände diverser Airlines... Achso, noch etwas: auf der Page kann man sich ein prof. FDZ Prgramm downloaden, mit dessen Hilfe Flight Crews selber den extrem undurchsichtigen Zeitenschlüssel, zu dem sie verdonnert sind ("1000 Mann warten auf ihren Job, also ab ins Cockpit und halten sie die Fresse...")und mit dessen Hilfe man nachrechnen kann, welche Zulagen, Ruhezeiten usw. einem zustehen. Gruß PG Zitieren
petersutch Geschrieben 18. Februar 2001 Geschrieben 18. Februar 2001 Die Sache ist in der Tat von Rechtswegen her etwas schwierig - allerdings möchte ich hier nochmal darauf hinweisen das die gesetzlichen Grundlagen den weitesten Rahmen bilden. Die relevanten Betriebsordnungsvorschriften beginnen mit §55, in diesem steht das die Unternehmer verpflichtet sind, die o.g. Zeitrahmen unter dem Aspekt festzulegen, daß die sichere Flugdurchführung nicht gefährdet wird. Insofern ist der Gesetzgeber erst mal fein raus. Rechtlich wirklich spannend wird es, wenn Du nach 14 Stunden FDZ im Auto auf der Autobahn einen Unfall baust - das wird sehr wahrscheinlich als fahrlässig ausgelegt. Wenn Du Dich mit 3 Paxen auf die Fresse legst kann Dir das nicht passieren ! Gruss, JR > Lieber Peter - die derzeitige Tarifrunde ist auch nicht verkehrt....:-) bezüglich VC [Dieser Beitrag wurde von petersutch am 18. Februar 2001 editiert.] Zitieren
Walter Fischer Geschrieben 18. Februar 2001 Autor Geschrieben 18. Februar 2001 Huuuuup, huuuuuuuup (amerik. Truckerhorn!) Hampi und Peter! Danke für Euere Statements! Ich wollte auch gleich anfügen, dass wir Täxeler ähnlich restriktive Arbeitszeitbeschränkungen kennen, wie andere Transportführer up and down. Wir haben übrigens als einzige Taxifahrer hier in der Schweiz die Vorschrift, einen hochoffiziellen Fahrtenschreiber, eine Blackbox also in Betrieb zu halten. Geht zurück auf unseren damaligen abgehobenen Bundesrat Kurt Furgler, das nur nebenbei. Nun lieber Hampi, möchte ich zu den relativ langen Arbeitszeiten der Piloten zur Luft anmerken, dass diese ja zu zweit hantieren und wenn sie mal die angepeilte Reiseflughöhe erknüppelt haben, im Normalfall so ziemlich unterbeschäftigt werden, im Gegesatz dazu bewegen wir Rundknüppel- Dreher uns ständig im Bodengewusel solo und erst noch unter ständigem Zeitdruck, etwa zu vergleichen mit dem hektischen Gehampel der sich im Steigflug befindenden Piloten, mit all den dazu notwendigen Konzentrationen. Köstlich übrigens, wie ein SR MD-11 Cpt. im Climb, turning direct to ZUE, über Opfikon wie ein Sperber an der Frontscheibe klebt und unter diversen Callouts hektisch den Kopf bald nach links und sofort nach rechts und zurück dreht, stets darauf aus, ein feindliches Objekt zu erhaschen, um blitzschnell zu reagiern. Etwa so, wie wenn Du mit Deinem Anhängerzug in eine stark befahrene Hauptstrasse einbiegen musst. Aber oben ist im Normalfall erst mal Beschaulichkeit angesagt, Zeit, Cockpit- Besucher zu empfangen, mit den Flight- Attendants zu schäckern und was dergleichen Spässchen mehr sind, aber und jetzt kommt das grosse aber: In einem jederzeit möglichen Alarm sofort und effizient eingreifen, denn das kann zu jeder Zeit möglich sein. Etwas vom anstrengendsten muss gemäss Aussage eines lagjährigen Jumbo- Piloten folgendes sein: In Zürich in die Nacht hinein gen Osten, losfliegen, 11, 12 oder noch mehr Stunden auf Platz, und dann nach einer kurzen Nacht und enlos sich hinziehenden Stunden, nahe an einer gewissen Schläfrigkeit durch einen kräftigen Monsun einen komplizierten Approach einzuleiten, mit der grössten Sorge, den Sprit nicht zum Ende noch mit Wasser verdünnen zu müssen, dass selbiger auch ja bis zur Pistenschwelle reicht. Aus Erfahrung weiss ich, dass gerade die Stunden der Ereignislosigkeit doppelt so lange dauern, wie die mit Action. Und es soll ja den Piloten strikte untersagt sein, sich mal eben aufs Ohr zu hauen und eine Mütze voll Schlaf zu nehmen. Dazu haben sie dann im Hotel genügend Zeit, die sie sicher auch benötigen, denkt man noch an die Zeitverschiebungen und an das tropische Klima. O.K. früher wurden ja die SR- Piloten ausgiebig mit freien Tagen nach so einem Leg ausstaffiert, aber ich glaube heutzutage ist das unter den bekannten Bedingungen auch nicht mehr der Fall. Walti Zitieren
Peter Guth Geschrieben 19. Februar 2001 Geschrieben 19. Februar 2001 Hallo, Walti, also ganz easy, wie das vergleichsweise zu anderen Berufen gesehen wird, ist die Arbeit im Flight Deck nicht. Richtig ist, das sämtliche(!) Abläufe und Proceduren mehrfacher Checks, Crosschecks oder externer Überwachung unterliegen. Das Problem liegt auf einer anderen Schiene: Beispiel Nachtflug, wobei man sich einen Dreck über deinen Jetlag kümmert: Auch die erfahrensten Piloten haben "unterwegs" den Adrenalinspiegel bis unter den Haarspitzen stehen. Alles läuft normal, die Computer arbeiten und dann plötzlich Alarm. SOFORT(!!) wird erwartet, das man zu 100% (in Worten einhundert)am Ball ist, sicher und FEHLERFREI die anstehenden Schwierigkeiten erkennt und dementsprechend nach Sollvorgaben und flugdynamischer "Gesetze" reagiert. Du kannst nicht abschalten, hast auch beim Small Talk mit Fluggästen immer einen Augenwinkel auf den Monitoren, bist ständig rufbereit über Headset. Ehrlich, das schlaucht wirklich, ist nicht easy. Vor allem auch deshalb, weil man später, wenn etwas "in die Hose gegangen ist" entweder die Radieschen von unten anschaut oder aber durch die genialen Aufklärungsmethoden jeden noch so geringen Fehler analysiert und man sie Dir zum Vorwurf macht. Da interessiert die täglich (!) wechselnde Vorschriftenflut nicht, der Zeitfaktor (im Sekundenbereich) zum verantwortlichen Festlegen elemenatere Entscheidungen nicht und auch nicht, ob man mal nicht so gut drauf ist. Wobei fast alle, auch hier im Forum diskutierten Flugunfälle zu 95% dem Piloten die Lizenz kosten und er danach als Sargträger arbeiten kann. Nur, meistens fallen diese Schicksale wegen Geringfügigkeit der Öffentlichkeit nicht auf. Da wird durch die Airline und seitens der Behörden erbarmungslos durchgegriffen. Ja selbst ein auffälliges verhalten im Strassenverkehr führt, richtig, zum Lizenzentzug... Da ist es verständlich, das Berufspiloten wenigstens ansatzweise einen Teil der Rechte haben möchten, die aus diesen Gründen von stattlichen Stellen aus dem Aspekt der Gesundheit und Sicherheit gefordert werden. Die Flugdienstzeit besteht nämlich nicht aus einem kurzen "Leistungsfeuerwerk", sondern aus einer dauerhaften fortlaufenden Anspannung, auch wenn der nette PIC mit sonorer sympatischen Stimme den Eindruck eines gemütlichen Sonnyboys bei den Passagieren entwickelt, der sich da vorne beim fröhlichen beobachten der vorbeiziehenden Landschaft einen schönen Tag macht... Jeder Job hat seine Schattenseiten, nur im Airlinebetrieb haben Fehler dramatisch verschlimmerte Folgen. Gruß PG [Dieser Beitrag wurde von Peter Guth am 19. Februar 2001 editiert.] Zitieren
Walter Fischer Geschrieben 19. Februar 2001 Autor Geschrieben 19. Februar 2001 Danke vielmal Peter für Deine Präzisierungen! Kann es womöglich sein, dass die Fliegerei in den sagen wir mal Sechziger Jahren, mit 3 Mann im Cockpit more easy war? OK. andrerseits war das Gerät sicher auch etwas störanfälliger, gleichzeitig aber noch etwas überschaubar vom Aufbau und den Reaktionen her. Und Du Peter kamst zu der Zeit ins Cockpit, von der man vielleicht in 20 Jahren sagen wird, dass da die Piloten über Systemen wachen mussten, bei denen sie im Notfall voll in Trab gehalten wurden, durch Hin- und Her- Kommando- Eingaben zwischen Mensch und Computer, und letztlich dann meist der Systemcomputer die Oberhand gewann. Also heute Abend hab ich mal erlebt, was es heisst, in einem Notfall schnell und richtig zu handeln. Bis zu einem bestimmten Punkt hatte ich das System unter Kontrolle, dann überschlugen sich die Ereignisse, Fehler reihte sich an neue Fehler und unter schröcklichen elektronischen Alarmkonzert klatschte ich mit meiner PSS 744 in die Rigi- Nordflanke. Jetzt stelle ich mir einmal eine schlecht ausgebildete Entwicklungsland- Crew im Cockpit eines hypermodernen Big Jet's vor, die in einer solchen Situation noch ein X- fach hochkomplexeres System korrekt handeln sollte, na dann.... Es sind zahlreiche Fälle mit bösem Ausgang bekannt geworden, weil einfach die Schnittstelle Mensch/ Systemdesign blitzte und knisterte. Was denkt Ihr Experten darüber, dass das Gerät über kurz oder lang sich der Einflussnahme eines Menschen immer weiter entzieht, der allenfalls noch ein paar substidiäre Wünsche anbringen kann, aber ansonsten zum Zuschauen verdonnert ist ? Walti Zitieren
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