Thermikus Geschrieben 6. Dezember 2006 Teilen Geschrieben 6. Dezember 2006 In der landläufigen Meinung bedeutet der Winter eine ungastliche Jahreszeit, in der die Fluggeräte in einem verschlossenen kalten Hangar still vor sich hindämmern und ihre Piloten sich bestenfalls mit grauer Theorie und Wartungsarbeiten beschäftigen. Wie so vieles, trügt auch dieser Eindruck oft. Wenn Im Dezember, Januar oder Februar die Sonne hin und wieder von einem stahlblauen Winterhimmel auf die schneebedeckte Landschaft scheint, erwachen hier und dort die in ihren tristen Hallen ruhenden Vögel für wenige Stunden wieder zu neuem Leben. Ich schätze diese Saison ausserhalb der Saison als eine Zeit, in der die sommerliche Hektik und Betriebsamkeit auf dem Flugplatz einer beschaulichen Ruhe weicht. Sind die Startbahn und die Rollwege geräumt und bestenfalls von ca. 30 cm hohen Schneemäuerchen gesäumt, dann ist es an der Zeit, die Hangartore aufzuschieben und die eleganten Kunststoffvögel aus ihrem Winterschlaf zu wecken. Dick verpackt in eine warme Felljacke und gefütterte Stiefel wird der Motorsegler startklar gemacht. Die in der warmen Jahrszeit häufigen straffen Winde und Turbulenzen sind glasklarer ruhiger Luft gewichen. Dichtehöheüberlegungen kann man ruhig in der Schublade belassen. Die komprimierte, kalte Winterluft gibt dem Motor die Kraft eines Herkules und den Tragflächen so viel Auftrieb, dass die Kürze der Startstrecke geradezu atemberaubend wirkt. Vor dem Start des Motors muss man vorher vielleicht den Prop von Hand diverse Male durchdrehen (was auch dem Frösteln auf dem Vorfeld Einhalt gebietet) und der Choke sollte kräftig gezogen und beim Anlassen festgehalten werden. Auch das Warmlaufen dauert eben entsprechend. Fast wie ein verlorener Einzelgänger rolle ich dann langsam zum Haltepunkt, setze meine Funkmeldung ab und wenig später presche ich die mit Schneeresten bedeckte Piste entlang, um mich noch in deren erstem Drittel in den Winterhimmel zu schwingen. Wie ein Brett liegt der Vogel in der Luft, nach dem Austrimmen sind Steuerbewegungen nahezu überflüssig - die Dimona fliegt beinahe von selbst. Die schneebedeckte Landschaft wirkt fremd und unwirklich. Vertraute Referenzpunkte in der Landschaft scheinen nicht mehr dort zu sein, wo sie früher waren - die Navigation ist nicht mehr ganz so einfach, wie sie in der "grünen" Jahreszeit war. Dafür brennt die Wintersonne wie in einem Solarium durch das Glascockpit und manchmal glaubt man sich an einen fliegenden Liegestuhl erinnert. Das heisst, darauf bedacht zu sein, dass die Wohligkeit nicht zu wohlig wird und ins Einschlafen übergeht. Der erste Teil des Weihnachstliedes "und leise rieselt der Schnee" trifft zwar nicht zu - der zweite Teil "still und starr liegt der See" entspricht jedoch der Realität. Eis bedeckt die Bergseen und die Felsmassive sind wie mit Puderzucker übergossen. Auf den Tannen der Bergwälder liegt Rauhreif, der den märchenhaften Anblick der Gebirgslandschaft noch verstärkt. Ein Gefühl tiefster Behaglichkeit begleitet den Flug über Grate und Täler, irgendwo an einem Hang geht eine mächtige Lawine ab und zieht eine lange Fahne aus Schneestaub hinter sich her. Tief verschneite Bergdörfer scheinen sich in der weissen Pracht vergraben zu wollen und wie dünne Rinnsale schlängeln sich enge Strassen von den Tälern zu ihnen hoch. Schwarze ameisenartige Wesen sausen auf ihren Skiern in einem Höllentempo parallel zu den Masten der Lifte zu Tal. Wintersport auf landläufige Art. Einem Adler gleich umkreise ich ein Bergrestaurant mit grosser Terrasse, auf der die Sonnenhungrigen in ihren Liegestühlen dicht an dicht gedrängt die wärmenden Strahlen geniessen. Wie fühle ich mich doch privilegiert in meinem so individuellen fliegenden "Liegestuhl". In den Tälern ziehen erste Dunstschwaden auf, die sich später in Bodennebel verwandeln werden. Zeit, den Sinkflug einzuleiten und zum Platz zurückzukehren. Die Sonne steht schon etwas schräg im Südwesten, meine Sonnenbrille dämpft das blendend helle Licht, das vom Schnee reflektiert wird. Weit in der Ferne muss irgendwo der Platz sein. Alles sieht so fremd, so ganz anders aus. Die Dampfsäule des KKW bei Kaiserstuhl steigt fast senkrecht am Horizont in den Himmel. Weit links davon jene des KKW Gösgen. Wenn ich die erstere genau voraus sehe und die letztere links schräg hinter meiner Schulter liegt, dann bin ich in der korrekten Position zu meinem Ausgangspunkt Birrfeld. Flying by the nature method! Bald liegt der Platz direkt voraus - Anflug wie auf Schienen - Downwind - Base - Final - aufsetzen und abrollen. Das wars wieder einmal - verdammt schön! Dietwolf (Thermikus):008: Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen Mehr Optionen zum Teilen...
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