Thermikus Geschrieben 13. November 2006 Teilen Geschrieben 13. November 2006 Wir hören mit steter Regelmässigkeit davon: "Fuel Dumping" - auf gut deutsch das Ablassen von Treibstoff, um für eine erforderliche ausserplanmässige Landung aus technischen oder anderen Gründen das Gewicht des Flugzeuges zu vermindern. Warum ist dieses Ablassen des Treibstoffes bei einer vorzeitigen Landung so zwingend erforderlich bzw. warum kann nicht mit annähernd vollem Gewicht gelandet werden? Rein logisch kann ich mir das nicht ganz erklären: Beim Start eines Verkehrsflugzeuges befindet sich dieses insbesondere bei Langstreckenflügen meist an der Grenze seines höchstzulässigen Gesamtgewichtes: Volle Passagierzahl, Fracht und maximale Treibstoffkapazität. Beim Abflug wird das Fahrwerk beim Rollen zur Startbahn wohl am meisten beansprucht. Das volle Abfluggewicht lastet auf den Reifen, die auch noch in den Kurven der Rollwege seitlich durchgewalkt werden. Beim Startlauf nimmt die Geschwindigkeit beständig zu, das heisst, die Reifen werden zusätzlich durch die hohe Geschwindigkeit bis zum Moment des Abhebens (bis etwa 300 km/h) strapaziert. Gleichzeitig baut sich jedoch mit zunehmender Rollgeschwindigkeit der Auftrieb kontinuierlich bis zur Flugfähigkeit auf. Die Reifen werden also durch das sich ständig vermindernde Gewicht wieder entlastet. Die Landegeschwindigkeit bei voll ausgefahrenen Vorflügeln und Landeklappen dürfte um die 220 km/h betragen, ist also deutlich niedriger als die Startgeschwindigkeit. Beim Aufsetzen (nehmen wir einmal das durch einen kurzen Flug um einige Tonnen verminderte Startgewicht an), ist im Augenblick des Aufsetzens der volle Auftrieb noch vorhanden. Das heisst, dass die Räder auch bei nahezu vollem Startgewicht weder von der Geschwindigkeit noch vom Gewicht her annähernd so stark belastet werden, wie bei Rollen und während der ersten Phase des Startlaufs. Bei einer regulären Landung fahren nach dem Aufsetzen die Spoiler, die den Auftrieb an den Trägflächen vernichten, automatisch aus und verhindern, dass das Flugzeug bei einer nicht ganz einwandfreien Landung nach der ersten Bodenberührung nochmals kurz abhebt. Ich frage mich nun, was geschehen würde, wenn bei nahezu vollem Startgewicht zwar wegen dieses zusätzlichen Gewichtes mit erhöhter, aber immer noch weit unter der Startgeschwindigkeit liegender Speed gelandet würde. Und wenn dann die Spoiler nach dem Aufsetzen blockiert blieben, um den Restauftrieb bis zu einer deutlich reduzierten Rollgeschwindigkeit aufrecht zu erhalten (die Schubumkehr könnte ja trotzdem aktiviert werden) um so das Fahrwerk zu entlasten. Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass eine automatische Landung bei vollem Gewicht nicht so schonend erfolgen könnte, dass dem Fahrwerk oder der Struktur durch zu hartes Aufsetzen kein Schaden zugefügt würde. Wo also liegt der Haken??? Dietwolf (Thermikus):001: Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen Mehr Optionen zum Teilen...
andrew62 Geschrieben 13. November 2006 Teilen Geschrieben 13. November 2006 Der Haken ist die Erdbeschleunigung... :008: -> Segelkunstflug mit Wasserballast ? BRRRRRRRR Beim Startlauf wirst Du die Flugzeugstruktur vertikal mit max. 1g belasten. Das ist bei der Landung etwas anders; auch wenn Du noch so sanft aufsetzt. Abgesehen davon ist die Landedistanz bei MTOM schon ziemlich groß bzw. werden die Bremsen dann schon seeehr warm. Zerbrechen wird Dir der Flieger sicher nicht so schnell, aber durch die größere Belastung muß nach einer "Overweightlanding" ein (zeit)aufwändiger Check durchgeführt werden. Wenn´s also möglich ist, wird vor einer "Ausweichlandung" das Gewicht möglichst reduziert. ´s kann ja durchaus sein, daß nach einem medizinischen Notfall der Flug fortgesetzt werden kann. Wenn jetzt der Check länger dauert und die Crew fällt aus der Arbeitszeit, dann steht der Flieger mit u.U. 300+ Pax etwas länger als eigentlich nötig... Ach ja: "automatische Landungen" sind eigentlich nie besonders sanft :009: Stichwort "positive Landing" um z.B. Aquaplaning zu verhindern. Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen Mehr Optionen zum Teilen...
Brufi Geschrieben 13. November 2006 Teilen Geschrieben 13. November 2006 Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass eine automatische Landung bei vollem Gewicht nicht so schonend erfolgen könnte, dass dem Fahrwerk oder der Struktur durch zu hartes Aufsetzen kein Schaden zugefügt würde. Das ist aber genau das Problem, warum bei mehr oder weniger allen Verkehrsflugzeugen die Max Landing Mass deutlich geringer ist, als die Max Take Off Mass. Für die Auslegung der Struktur und des Fahrwerks wird für die Landung mit maximaler Landemasse eine Vertikalgeschwindigkeit von 10 ft/s (600 fpm!) angenommen und mit maximaler Startmasse eine solche von 6 ft/s (360 fpm) so ist es in den EASA Bauvorschriften (CS-25.473) (früher JAR-25) festgelegt. Das muss man sich mal vor Augen halten, 600 fpm Sinkrate z.B. mit einem A-380!! Dafür muss für die Zertifizierung der Festigkeitsnachweis erbracht werden. Weil die Krafteinleitung allein durch das Hauptfahrwerk erfolgt, entstehen an einigen Stellen sehr hohe Beanspruchungen in der Struktur. Diese Bauvorschrift führt dazu, dass man wohl normalerweise die Struktur so konstruiert, dass sie bei MTOM die 6 ft/s aushält und dann rechnet man aus, wieviel Masse es bei 10 ft/s noch erträgt und dort wird dann die MLM festgelegt. Weil ein Verkehrsflugzeug eben normalerweise durch den Treibstoffverbrauch deutlich Gewicht verliert im Flug, ist es eben vorteilhafter das Landemasse soweit zu beschränken, dass die Struktur es aushält. Resultat ist die Geschichte mit Fuel Dumping. Im Notfall ist es durchaus auch möglich mit Übergewicht zu landen, die Struktur ist einfach nicht dafür gebaut in so einem Fall mit 600 fpm darniederzukrachen, aber 360 fpm muss sie noch aushalten. Wenn ein Flugzeug zu schwer landet, dann wird anschliessend ausgewertet wie gross der Landestoss war (Data Recorder läuft immer mit) und allenfalls muss ein sogenannter Overweight Landing Check durchgeführt werden (Kontrolle von neuralgischen Stellen der Struktur, ob Verformungen vorhanden sind). Die Maintenance Spezialisten können davon sicher ein Liedlein singen. Falls es die Situation erlaubt wird es vorteilhafter sein, Fuel zu dumpen und eine Overweight Landing zu vermeiden. Viele Grüsse Philipp Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen Mehr Optionen zum Teilen...
Fabian F. Geschrieben 13. November 2006 Teilen Geschrieben 13. November 2006 Und das Fuel Dumping wird wohl auch nicht so Kostenintensiv sein wie ein Check, davon abgesehen das der Flieger dann erstmal AOG ist. Aber wurde ja schon nähers gesagt ;) Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen Mehr Optionen zum Teilen...
Thermikus Geschrieben 13. November 2006 Autor Teilen Geschrieben 13. November 2006 Vielen Dank für die Erläuterungen. Das macht Sinn. Könnte man (aus wirtschaftlichen Gründen) Verkehrsflugzeuge so rubust wie Trägerflugzeuge bauen, dann wären auch Overweight-Landungen kein Problem mehr. Das Problem wäre dann, dass alle Airlines, die solche Flieger in Verkehr setzen würden, in Kürze pleite wären. Gruss - Dietwolf (Thermikus):005: Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen Mehr Optionen zum Teilen...
Hunter58 Geschrieben 13. November 2006 Teilen Geschrieben 13. November 2006 Vielen Dank für die Erläuterungen. Das macht Sinn. Könnte man (aus wirtschaftlichen Gründen) Verkehrsflugzeuge so rubust wie Trägerflugzeuge bauen, dann wären auch Overweight-Landungen kein Problem mehr. Das Problem wäre dann, dass alle Airlines, die solche Flieger in Verkehr setzen würden, in Kürze pleite wären. Gruss - Dietwolf (Thermikus):005: Naja, bei den meisten kleineren Verkehrsflugzeugen (und bei meines Wissens allen Business-Jets) gibt es kein Fuel Dumping. Aber da sind die Gesamtgewichte insgesammt kleiner, somit ein 'Hard Landing' wesentlich weniger belastend. Der unterschied (sowol effektiv als auch relativ) zwischen MTOW und MLW ist auch geringer. Bei den grösseren Maschinen ist das eine ganz andere Dimension. Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen Mehr Optionen zum Teilen...
Thermikus Geschrieben 13. November 2006 Autor Teilen Geschrieben 13. November 2006 Naja, bei den meisten kleineren Verkehrsflugzeugen (und bei meines Wissens allen Business-Jets) gibt es kein Fuel Dumping. Aber da sind die Gesamtgewichte insgesammt kleiner, somit ein 'Hard Landing' wesentlich weniger belastend. Der unterschied (sowol effektiv als auch relativ) zwischen MTOW und MLW ist auch geringer. Bei den grösseren Maschinen ist das eine ganz andere Dimension. Bei kleineren Flugzeugen ist das geradezu umgekehrt, wie bei den ganz grossen. Wenn ich alleine mit dem TMG unterwegs bin, tanke ich ihn bis zur Halskrause voll. Das hat den Vorteil, dass ich für Stunden genug Sprit an Bord habe - komme da was da wolle - und mit Ballast liegt der Flieger viel satter in der Luft und springt bei stärkerer Turbulenz nicht herum wie ein wildgewordener Geissbock. Gruss - Dietwolf (Thermikus):005: Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen Mehr Optionen zum Teilen...
Empfohlene Beiträge
Dein Kommentar
Du kannst jetzt schreiben und Dich später registrieren. Wenn Du ein Konto hast, melde Dich jetzt an, um unter Deinem Benutzernamen zu schreiben.