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meine Uniform


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Bald ist es wieder soweit, ich werde die roten Wandersocken und die funktionellen Bikeklamotten gegen den edlen Designerstoff meiner Firma tauschen.

Wäre ich ein verantwortungsvoller Angestellter, hätte ich die Uniform vor meinen Ferien in die Reinigung gebracht und sie würde jetzt in Plastikfolie verpackt auf unseren nächsten Auftritt am nächsten Montag warten.

Aber eben, just als ich in Marineblau gekleidet den Airbus von Miami kommend auf der Piste in Zürich aufsetzte, gab der Sommer ein Comeback und das Bike war plötzlich viel näher als die chemische Reinigung im Zentrum meines Dorfes.

 

Ja, die Beziehung zu meiner Uniform ist eine Spezielle. Man könnte sogar von Hassliebe sprechen. In den wirren Jahren nach dem Grounding gab es mal eine Zeit - eine sehr kurze Zeit - als die Kassen meiner Arbeitgeberin noch übervoll waren. Die damalige Geschäftsleitung war gerne im Rampenlicht, kleidete sich adrett und wollte den Angestellten genau das Gleiche bieten. Ein einheimischer Näher wurde engagiert und wir kamen zu unserer neuen Dienstkleidung.

 

Man schrieb das Jahr 2003 und enganliegend war Trumpf. Enge Sakkos, enge Hosen, enge Hemden und enge Hüte lagen voll im Trend. Ich gebe ja zu, diese Mode sieht an den durchtrainierten Bodies der Models, die lässig an einer Espressobar inmitten Mailands stehen ganz gut aus, aber an uns mittelalterlichen Piloten mit unseren während langen Nächten angefressenen Schwabbelbäuchen, gab die topaktuelle Mode Konturen frei, die zumindest ich jahrelang nicht erblickte.

Ach was soll's, Hauptsache ein Label!

 

Mein liebstes Stück ist der Hut. Die Grösse des Hutes folgt dem Gesetz des abnehmenden Ansehens. Je kleiner das Ansehen, desto grösser der Hut. Da das Ansehen der Pilotenzunft stetig sinkt, werden die Kopfbedeckungen im gleichen Masse wuchtiger. Unser Designer hat ganze Arbeit geleistet. Der Hut gleicht immer mehr dem der Plastgarde des Kreml.

Das wiederum ist nicht mein Problem, denn ich habe eine Hutdispenz. Nicht dass ich allergisch auf die Kopfbedeckung reagiere, aber der Hersteller weigert sich vehement, Kopfumfänge über 62 cm zu berücksichtigen. Meine Hartschale misst 64 cm und so habe ich mir selber eine Hutdispenz ausgestellt.

 

Das Sakko ist schnittig und wie schon beschrieben, sehr eng anliegend. Grösse und sehr breite goldene Streifen geben dem Träger die notwendige Wichtigkeit. Die Taschen sind zugenäht, damit der unmodische Pilot ja nichts darin deponiert und die Knöpfe halten genau bis zur nächsten Reinigung.

 

Mein zweitliebstes Stück ist die Krawatte. Den Zweck dieser seidenen Verbindung zwischen den beiden Männerdenkzentren habe ich nie verstanden. Erstens schnürt dieses Teil den Hals unnötig zu und zweitens fällt es beim Essen dauernd in die fettigen Saucen. Kommen sie mir jetzt ja nicht mit Krawattennadeln. Die haben keine Chancen bei den rigiden Sicherheitskontrollen an den Flughäfen.

 

Wirklich Freude habe ich am Hosengurt. Aus echtem Leder und mit einer Schnalle, die ich das letzte Mal in den alten Western gesehen habe. Und das meine ich jetzt ehrlich, der Gurt gefällt mir wirklich. Kritisch ist das Teil nur bei den oben schon erwähnten Sicherheitschecks. Bevor der grosse Alarm erklingt und sich die Leute auf den Boden werfen, sollte man das massive Metallteil von der Hose nehmen und gesondert auf das Kontrollband legen.

 

Zum Gurt gehört auch eine Hose. Die Beinkleider sollten bequem und geschmeidig auf der Haut liegen. Der Schneider, der mir die passende Grösse heraussuchte, hatte wenig Ahnung vom Pilotenberuf. Lässig an der Bar stehen tun wir nur im Film, im wahren Leben sitzen wir stundenlang auf unserem Hintern und müssen uns achten, dass die Extremitäten dabei nicht einschlafen. Meine erste Hose passte wie eine zweite Haut, im Stehen versteht sich. Sobald ich mich aber setzte, spannte sich der Stoff über den Quadrizeps bis an die Belastungsgrenze und im Schritt wurde es eng.

Es ging nicht lange, bis ich ein um zwei Nummern zu grosses Modell mein eigen nannte. Ist bequem, sieht aber in Kombination mit dem hautengen Sakko zugegebenermassen etwas skurril aus.

 

Ja, so ist sie meine Uniform. Montagmorgen wird sie wieder angezogen und in die ferne Welt getragen. Stolz werde ich damit durch die Flughafenhallen wandern wie einst Leonardo Di Caprio im Film und nur am Sicherheitscheck für einen kurzen Moment eine schlechte Figur abgeben. Dann nämlich, wenn der Gurt auf dem Band liegt und ich für einen ganz kurzen Moment verfluche, dass ich die Hosen zwei Nummern zu gross gewählt habe.

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Dann nämlich, wenn der Gurt auf dem Band liegt und ich für einen ganz kurzen Moment verfluche, dass ich die Hosen zwei Nummern zu gross gewählt habe.

Genau, man darf ja die Hände nicht an den Körper halten wenn man durch das Brandenburger Tor läuft, alles Trottel! :)

Die zugenähten Taschen habe ich immer wieder geöffnet, um darin wichtige Dinge wie den Dienstplan, das Handy etc. unterzubringen. Wozu sind Taschen denn sonst gut?

 

Danke für die Gedanken zum Wochenende, ich zwänge mich schon morgen früh wieder in die Uniform - der Hut bleibt aber nicht zu Hause - weil wir gar keinen haben, den ich "vergessen" könnte :D

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Ich gebe ja zu, diese Mode sieht an den durchtrainierten Bodies der Models, die lässig an einer Espressobar inmitten Mailands stehen ganz gut aus, aber an uns mittelalterlichen Piloten mit unseren während langen Nächten angefressenen Schwabbelbäuchen, gab die topaktuelle Mode Konturen frei, die zumindest ich jahrelang nicht erblickte.

 

na, wenn das mal keine Motivation ist, mit dem Bike etwas längere Touren zu machen... :D

 

Herrlicher Bericht, danke!!

 

Alex

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Ja, so ist sie meine Uniform. Montagmorgen wird sie wieder angezogen und in die ferne Welt getragen.

 

 

Schon am Montag? Dabei hab ich mich gar noch nicht satt gelesen an deinen Berggeschichten...

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Mein zweitliebstes Stück ist die Krawatte. Den Zweck dieser seidenen Verbindung zwischen den beiden Männerdenkzentren habe ich nie verstanden. Erstens schnürt dieses Teil den Hals unnötig zu und zweitens fällt es beim Essen dauernd in die fettigen Saucen. Kommen sie mir jetzt ja nicht mit Krawattennadeln. Die haben keine Chancen bei den rigiden Sicherheitskontrollen an den Flughäfen.

 

Herrlich...Danke fuer diese tolle Aufmunterung nach einer strengen Nacht!!! :)

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