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Trudeln - Drehwurm nach unten.....


Thermikus

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Unser Fluglehrer, in dieser Funktion bereits während des zweiten Weltkrieges auf Kampfflugzeugen von erheblich grösserem Kaliber, pflegte die Bildsprache wie einst Jesus bei seinen Bergpredigten:

 

Als das Thema "Trudeln" im Theorieunterricht an der Reihe war, zog er ein Zündholzschächtelchen aus der Tasche und entnahm diesem einen Ahornsamen, hielt ihn hoch und liess ihn dann zu Boden kreiseln. "Seht ihr - das ist Trudeln" meinte er dann. Es folgte eine ganze Litanei von Ausführungen, was alles passieren kann, wenn man ungewollt und dann auch noch in nicht genügender Höhe in diesen Flugzustand gerät. Wir Segelflugschüler waren sehr beeindruckt und hielten Trudeln für den Horror-Flugzustand schlechthin.

 

Jahre später, ich hatte längst meinen Pilotenschein in der Tasche, stand das Thema "Trudeln" wieder zur Diskussion. Diesmal mit einem jüngeren Fluglehrer auf dem Platz. Der machte die Sache kurz: "Willst du's nicht mal probieren?"

 

Ich reagierte zuerst etwas gewunden - mir war nicht so besonders wohl bei diesem Angebot. Schliesslich stimmte ich aber zu - man wollte ja kein Korinthenkacker sein. Also rein in die Ka 7, Schleppflugzeug vorgespannt und los gings.

 

Wir stiegen ungefähr auf 1'600 Meter über Grund. Ausklinken - ein Stück geradeaus, bis das Schleppflugzeug abgetaucht war und dann langsam den Knüppel bis zum Anschlag durchgezogen. Ich dachte noch, wer ungewollt in diesen Zustand gerät, der muss schon einen Hintern aus Stein haben. Wer nur eine Nadelspitze voll fliegerisches Gefühl besitzt, der muss völlig instinktiv den Knüppel nach vorne drücken - so unglaublich weich und schwammig fühlt sich das alles an. Und dann die umheimliche Stille, wenn die Strömung sich langsam verabschiedet!

 

Nun, wir machten das ja jetzt "vorsätzlich". Kommando vom Fluglehrer: "Seitenruder links". Und da ging es schon los. Die Ka 7 schmierte über die linke Fläche ab - ich hielt den Knüppel gezogen und den Kopf stur geradeaus. Wenn man letzteren während dieses Vorganges hin und her bewegt, kann es leicht passieren, dass man ganz schnell nicht mehr weiss, was hinten und vorne und oben oder unten ist. Das nennt man dann im Fachjargon "räumliche Desorientierung".

 

Der Magen stieg kurzzeitig in den Hals - ich schnappte etwas nach Luft und dann drehte sich die Erde vor der fast senkrecht nach unten zeigenden Flugzeugnase wie ein Kreisel. So unangenehm war das ja gar nicht, wenn man sich erst einmal im Zustand des stationären Trudelns befand. Ich hatte weder ein Gefühl der Angst, noch kam mir die Sache gefährlich vor. Schon gar nicht bei unserer Ausgangshöhe. Einmal - zweimal - dreimal - viermal - "Ausleiten"! Die Stimme des Lehrers verlangte Reaktion. Ich trat nun entgegen der Trudelrichtung ins rechte Seitenruder, drückte den Steuerknüppel gleichzeitig (wenn ich mich richtig erinnere) etwas über die Neutralstellung hinaus nach vorne und schon war Trudeln fertig. Die Drehbewegung stoppte sofort, die Fahrt nahm rasant zu - abfangen! Mit Fingerspitzengefühl den Knüppel wieder etwas ziehen - die Nase des Seglers kam hoch und kurz darauf befanden wir uns wieder im normalen Flugzustand - als wäre nie etwas geschehen. Beeindruckend!

 

Nach längerem Abgleiten drehte ich in die Platzrunde ein, fuhr die Klappen aus und landete - um eine sehr wertvolle Erfahrung reicher.

 

Dietwolf (Thermikus):eek:

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Mal wieder einer dieser netten, eloquenten Berichte.

Allerdings nicht so ganz korrekt was du da schreibst, bzw. unvollständig.

Trudeln ist nicht zwangsweise mit Langsamflug und "schwammigen" Rudern verbunden! Grundsätzlich ist nur ein Strömungsabriss an einem Flügel vonnöten. Dazu muss lediglich der kritische Anstellwinkel überschritten werden. Man kann jedes Flugzeug auch wunderbar High-Speed-Stallen! Z.B. bekommste so einige Flugzeuge wunderbar bei 130 in Trudeln. Da wirst du noch keine "schwammigen" Ruder spüren.

Auch bei starker Querneigung kann man die Strömung wunderbar abreißen lassen.

 

Bei einigen Flugzeugen ist es sehr leicht, sie zum Trudeln zu bringen, und das nicht zwangsläufig im Langsamflug. Von daher sollte man das Thema keinesfalls unterschätzen!

 

Schlechtester Zeitpunkt ist ja (auch aus Unfallberichten bekannt), die Kurve in den Final. Da wird nicht auf den Faden geachtet, und die Nase mit dem Seitenruder in Bahnrichtung getreten, das ganze am besten noch mit großer Querneigung und schon ist das Flugzeug im Trudeln, in eine Höhe, die keine Fehler verzeiht!

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Mal wieder einer dieser netten, eloquenten Berichte.

Allerdings nicht so ganz korrekt was du da schreibst, bzw. unvollständig.

Trudeln ist nicht zwangsweise mit Langsamflug und "schwammigen" Rudern verbunden! Grundsätzlich ist nur ein Strömungsabriss an einem Flügel vonnöten. Dazu muss lediglich der kritische Anstellwinkel überschritten werden. Man kann jedes Flugzeug auch wunderbar High-Speed-Stallen! Z.B. bekommste so einige Flugzeuge wunderbar bei 130 in Trudeln. Da wirst du noch keine "schwammigen" Ruder spüren.

Auch bei starker Querneigung kann man die Strömung wunderbar abreißen lassen.

 

Bei einigen Flugzeugen ist es sehr leicht, sie zum Trudeln zu bringen, und das nicht zwangsläufig im Langsamflug. Von daher sollte man das Thema keinesfalls unterschätzen!

 

Schlechtester Zeitpunkt ist ja (auch aus Unfallberichten bekannt), die Kurve in den Final. Da wird nicht auf den Faden geachtet, und die Nase mit dem Seitenruder in Bahnrichtung getreten, das ganze am besten noch mit großer Querneigung und schon ist das Flugzeug im Trudeln, in eine Höhe, die keine Fehler verzeiht!

 

 

 

Lieber Kollege, das ist mir alles wohl bekannt und es ist auch genau so, wie Du das beschreibst. Nur wollte ich keinen hochwissenschaftlichen Bericht über alle Möglichkeiten des Trudelns von mir geben sondern nur einen kleinen Erlebnisbericht über ein ganz individuelles Trudelerlebnis ins Forum stellen. Die Strömung kann Dir z.B. auch abreissen, wenn Du mit voller Speed durch die Thermik bretterst und dann einen weiteren plötzlichen Fahrtzuwachs einfach wegzuziehen versuchst.

 

Die letzte Kurve in den Final beim Landeanflug hat es besonders in sich. Zu steil ist der Gesundheit abträglich und wenn Du zu flach herumeierst (Kugel der Libelle wandert in die Ecke) auch. Hier muss das fliegerische Gefühl, das man nie im Kopf sondern nur im Hintern haben und das einem auch niemand lehren kann, einsetzen. Hast Du es nicht, ist die Wahrscheinlichkeit gross, dass Du eines Tages trotz allem Theoriepauken auf die Schnauze fällst.

 

Gruss - Dietwolf (Thermikus):002:

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