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die natürlichste Sache der Welt


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Geschrieben

In regelmässigen Abständen mahnen uns die Mediziner, dass wir gar nicht genug trinken können. Drei Liter täglich wären ideal und wenn man in so lebensfeindlichen, klimatischen Bedingungen wie ich arbeite, darf es ruhig auch etwas mehr sein.

 

Unweigerlich mit dem Trinken verbunden ist auch der regelmässige Gang zur Toilette. Die Blase füllt sich langsam und scheint zumindest bei mir, verschiedene Warnstufen zu besitzen. Bei der Ersten kommuniziert die Blase über das Hirn zu den Händen, dass diese den Gurt etwas lockern sollten. Die zweite Warnstufe zeigt an, dass in den nächsten 60 Minuten ein stilles Örtchen angesteuert werden muss, die Dritte räumt ein, dass es sich bei der vorherigen Schätzung um einen Irrtum gehandelt habe und die Entleerung besser in den nächsten paar Sekunden erfolge, die vierte Warnstufe wird in der Regel erst auf dem Weg zum Abort gezündet und die Letzte, die über die unmittelbare bevorstehende Explosion des Blasenballons informiert, erscheint mitunter erst, wenn man vor der Toilettentüte steht oder mit gezücktem Hotelschlüssel darauf hofft, dass selbige Türe sich auch öffnet.

 

Man spricht nicht von ungefähr von der Notdurft. Wer es einmal am eigenen Leib erfahren hat, wie schmerzhaft und hoffnungslos sich die Situation präsentiert, wenn die Hoteltüre mit Warnstufe vier plötzlich nicht aufgehen will oder das einzige stille Örtchen weit und breit wegen Reinigungsarbeiten geschlossen ist, bestätigt, dass man genau in diesem Moment richtiggehend notdürftig ist.

 

Wäre die Situation nicht so schon kompliziert genug, haben uns geschäftstüchtige Manager noch weitere technische Hindernisse in den Weg gelegt. Dass man mit notdürftigen Menschen viel Geld verdienen kann, wissen Hilfswerke schon lange. Vor ein paar Jahren ist die SBB auf den gleichen Zug aufgesprungen und hat die weitum beliebten McClean an den Bahnhöfen platziert. Beliebt sind diese Einrichtungen vor allem bei den nicht so zeigefreudigen Männern. Obwohl das Pinkeln einen Stutz kostet, ist die Investition absolut gerechtfertigt. Man(n) kann so sein Geschäft erledigen, ohne dass die Strahldicke, die Spritz- und die Schütteltechnik von fachmännischem Publikum kommentiert wird.

Aber eben: Wehe man hat mit Warnstufe 4 kein Frankenstück in Griffweite.

 

Die Alternative war bis anhin das McDonalds. Eine sehr saubere öffentliche Toilette, wo man auch noch etwas zu Essen bekommt. Doch auch hier weht ein steiferer Wind. Der Manager möchte, dass mehr gegessen als gepinkelt wird und hat jede Toilettentüre mit elektronischem Schutz versehen. Eintritt wird nur mit dem auf der Quittung aufgedruckten Code gewährt. Wenn sie beim nächsten Stadtbummel junge Leute beim Durchwühlen der McDonalds Abfalleimer beobachten, hat dies nichts mit steigender Armut zu tun, es handelt sich vielmehr um quittungssuchende Mitmenschen, die Level 4 haben und das Essen bei McDonalds nicht mögen.

 

Auch Starbucks vertraut auf elektronische Sicherung der stinkenden Löcher. Zum Glück ist der Code bei der Filiale am Bellevue seit Jahren unverändert und ich bin überzeugt, dass schon die ganze Stadt weiss, wie viel Erleichterung die Kombination 2002 bringen kann.

 

Ich könnte noch viele Beispiele aus der Stadt Zürich aufzählen, lasse dies aber bleiben. Gestern musste ich mit akuter Warnstufe 4 erkennen, dass die Abzockerei beim Erledigen der natürlichsten Sache der Welt, auch auf dem Lande Schule macht.

Im Stechschritt hechtete ich die Treppe von der Autobahnraststätte Glarnerland hinunter und schlug nach einer scharfen Linkskurve mit dem Oberschenkel gegen ein Drehkreuz. Mein Blasenalarm schaltete von Stufe 4 auf Stufe 5 und die hochmoderne Sicherheitsanlage legte mir nahe, einen Franken in den engen Schlitz zu werfen. Ich fluchte, fand zur Freude ein geeignetes Geldstück, wurde aufgefordert die Quittung entgegenzunehmen und konnte Sekunden später gerade noch nasse Hosen vermeiden.

Die Quittung berechtigt zum vergünstigten Bezug einer Konsumation, ist Wochen gültig und nützt vor allem der hausansässigen Gastronomie. Ich verstehe die Welt nicht mehr!

 

Selbstverständlich habe ich den Gutschein in einen Milchkaffee investiert, was ja bekanntlich harntreibend wirkt und musste prompt knappe 30 Minuten später einen Parkplatz ansteuern. Glücklich, etwas trotzig und richtig animalisch habe ich mich an einem Baum erleichtert und mich lauthals über die Verkomplizierung des Lebens ausgelassen.

 

Jetzt bleibt mir nur noch die Hoffnung, dass Airlinemanager diese Zeilen nicht lesen. Sonst finden wir in wenigen Monaten an den WC-Türchen in der Economyklasse kleine Kästchen, die einen Eintritt nur nach der Eingabe der ‚Miles & More’ Mitgliedernummer erlauben.

Geschrieben

Eine schwerwiegende Notlage... und bedanke mich beim Schöpfer mit einer Monsterblase ausgestattet worden zu sein, die nur die Stufe 1 kennt :D

 

Zum Grölen, Danke!

Hannes

Geschrieben

Warnstufe 6 ist dann, wenn man Warnstufe 4 oder sogar 5 erreicht hat, tatsächlich auch die Seltenheit der langsam aussterbenden, kostenlosen öffentlichen Einrichtung entdeckt und erreicht hat, aber wegen der großen Menge an passiven Zuschauern garnichts geht... :005:

 

Joseph

Markus Burkhard
Geschrieben

Hallo Peter

 

Einmal mehr vielen Dank fürs Niederrschreiben deiner Gedanken! Folgender Abschnitt hats mir besonders angetan:

 

Wenn sie beim nächsten Stadtbummel junge Leute beim Durchwühlen der McDonalds Abfalleimer beobachten, hat dies nichts mit steigender Armut zu tun, es handelt sich vielmehr um quittungssuchende Mitmenschen, die Level 4 haben und das Essen bei McDonalds nicht mögen.

 

Einfach köstlich! :D

 

Gruess

Markus

Geschrieben

Einfach Herrlich, dieser Text.

 

Nicht viele können solch schwierige Themen Witzig und präzis analysieren und dabei mit einem oder beiden Augen zwinkern...

 

 

mfG mat

Geschrieben
Auch Starbucks vertraut auf elektronische Sicherung der stinkenden Löcher. Zum Glück ist der Code bei der Filiale am Bellevue seit Jahren unverändert und ich bin überzeugt, dass schon die ganze Stadt weiss, wie viel Erleichterung die Kombination 2002 bringen kann.
Stimmt, zumindest vor 2 Wochen wars noch 2002 ;)

Ein anderer Tipp wären die McD am Stauffacher un im S-Bahnhof Enge - dort gibts bis jetzt gar keine Codes (man könnte ja mal eine Liste machen von allen (halb)öffentlichen Toilletten :p )

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