Fly Geschrieben 26. April 2006 Geschrieben 26. April 2006 Hallo miteinander Ich möchte hier mal etwas loswerden: Man siehts überall in den Zeitungen, wie schlecht es den Menschen dort geht und wie schlimm die Strahlung wütet, was bei einem Super-GAU alles passieren kann... Das stimmt alles. Jedoch wird meist verschwiegen, das es kein eigentlicher Unfall war, sondern eine unglückliche Verkettung von Bedienungsfehlern! Ein Reaktor macht nicht von selbst bumm, genauso wenig wie Gewehr von selbst schiesst! Ich finde das ist unverantwortliche Panikmache! In einem solchen Artikel wurde sogar Tschernobyl auf die Schweiz übertragen, wie das bei uns sein könnte usw. Aber weder eine Sonntags Zeitung noch eine BaZ noch eine 20min (gut, verständlich...) bringt es auf die Reihe mal nur kurz in einem Satz anzumerken das das alles nicht passiert wäre wenn die Kühlwasserpumpen und das automatische Schutzsystem nicht ausgeschaltet worden wären und und und. In einem Artikel stand sogar dass so etwas in der Schweiz nicht passieren könne, da es solche Reaktoren bei uns gar nicht gibt. Sorry.. aber das ist der grösste bulls***! Man kann jeden Reaktor dazu bringen irgendwie zu explodieren oder seine Umwelt zu verstrahlen. Wohlgemerkt ich bin nicht Techniker in Gösgen, aber das ist ja wohl klar! Sorry aber bei solcher Dummheit und solcher Panikmache werde ich einfach wütend! Zitieren
Christoph.F Geschrieben 26. April 2006 Geschrieben 26. April 2006 Meines Wissens ist der ablauf von Tschernobyl in Deutschland oder in der Schweiz nicht so möglich, da wir als Moderator Wasser im Einsatz haben, während es in Tschernobyl Graphyt war, welches sich entzündete. Wilko ist doch ein KKW Experte, stimmt das was ich gesagt habe ? Gruß ! Zitieren
Wilko Wiedemann Geschrieben 26. April 2006 Geschrieben 26. April 2006 Hallo Fly, hallo zusammen Heute vor 20 Jahren war das Reaktorunglück in Tschernobyl. Verständlich, dass zu diesem Ereignis in den Medien diverse Beiträge gebracht werden um der Katastrophe und den Opfern zu gedenken. Solange ehrlich und neutral darüber berichtet wird, so wie ich es in den letzten Tagen feststellen durfte, ist dies auch absolut richtig und in Ordnung. Ein solches Ereignis kann und darf man nicht einfach vergessen. Es lässt sich nicht verleugnen, dass damals viele Fehler gemacht wurden, vor und nach dem Unglück. Der Unfall war hauptsächlich auf menschliches Versagen und konstruktionsbedingt gefährliche Technik zurückzuführen. Am schwerwiegensten für die Menschen, die dort lebten, war die Verschleierungstaktik, mit der die damalige Sowjetregierung den Unfall herunterzuspielen, gar zu vertuschen versuchte und so auch viele Menschen in Nachbarländern der Gefahr aussetzte. Trotz der Tragödie und der gemachten Fehlern in Tschernobyl, sollte man dies nicht automatisch auf Kernanlagen in anderen Ländern beziehen und überall vor Ähnlichem Angst haben. Das Beste ist, sich persönlich damit zu befassen und sich zu informieren. Meines Wissens ist der ablauf von Tschernobyl in Deutschland oder in der Schweiz nicht so möglich, da wir als Moderator Wasser im Einsatz haben, während es in Tschernobyl Graphyt war, welches sich entzündete. Das ist vereinfacht ausgedrückt und richtig. Man kann jeden Reaktor dazu bringen irgendwie zu explodieren Das stimmt definitiv nicht. Nachstehend ein paar interessante Links: Zm Unglück selber Wikipedia-Artikel zum Unfall Weitere Site zum Unfall und der Technik EDIT: Die Story unter dem nachstehenden Link ist sehr wahrscheinlich ein Fake: Interessante Website einer Russin, welche in der Sperrzone Motorradtouren macht Allgemeine Infos Infos zur Schweizer Kernenergie Bei Fragen gebe ich gerne Auskunft. Gruss Wilko Zitieren
Fly Geschrieben 26. April 2006 Autor Geschrieben 26. April 2006 gut ich bin überzeugt das man nicht jeden Reaktor "sprengen" kann. Aber wieso nicht? (jetzt ist meine neugier geweckt :) ) ja und mir ging es ja vor allem um die panikmache... gruss Zitieren
Leroy Geschrieben 26. April 2006 Geschrieben 26. April 2006 Ich habe zwar absolut null Ahnung, aber ich denke mal das da eine Schutzschaltung existiert die den Reaktor runterfährt wenns brenzlich wird. Zitieren
Wilko Wiedemann Geschrieben 26. April 2006 Geschrieben 26. April 2006 Als Panikmache würde ich die aktuellen Medienartikel nicht bezeichnen, sind doch die meisten sachlich geschrieben. Und eben, bei solchen Jahrestagen ist ein grösseres Interesse der Medien ja nur normal, so wie es das auch bei anderen Ereignissen ist. gut ich bin überzeugt das man nicht jeden Reaktor "sprengen" kann. Aber wieso nicht? Eine Kernexplosion (wie bei Atombomben) ist in keinem Reaktor möglich. Tschernobyl war auch keine Kernexplosion. Auch eine "normale" Explosion ist in westlichen Reaktoren nicht möglich. Dies alles aus rein physikalischen Gründen. Ich gebe dir gerne bei Bedarf eine detailiertere Erklärung, dazu brauche ich aber länger und in zehn Minuten muss ich zur Arbeit ;) Ich habe zwar absolut null Ahnung, aber ich denke mal das da eine Schutzschaltung existiert die den Reaktor runterfährt wenns brenzlich wird Jeder Reaktor hat eine Schutzabschaltung, die bei der Abweichung von verschiedenen Parametern sofort auslöst. Dies natürlich wie in der Fliegerei, mehrfach redundant ausgelegt. Zusätzlich werden Reaktoren so ausgelegt, dass sie eigenstabil sind und sich quasi selber regeln. Auch hier spielt die Physik die Hauptrolle. Ich versuche mal, im Web was zu finden, wo die wichtigsten Grundlagen einigermassen verständlich formueliert und erklärt werden. Gruss Wilko Zitieren
Fly Geschrieben 26. April 2006 Autor Geschrieben 26. April 2006 gut also mit "sprengen" habe ich wohl das falsche wort genommen. ich weiss schon das in tschernobyl keine kettenreaktion stattgefunden hat, habe mich bei wiki schlau gemacht und auf die seite mit den motorradtouren bin ich auch schon gestossen und habe da gelesen. was ich meine mit "sprengen" das einen GAU oder ähnliches gibt... oder halt eben ein Super-GAU. Zitieren
Flo Geschrieben 26. April 2006 Geschrieben 26. April 2006 Wilko, ich habe irgendwo mal aufgeschnappt, dass ein Unfall wie in Tschernobyl in den Schweizer Kraftwerken nicht passieren könne, da ein solcher Reaktortyp wie derjenige von Tschernobyl hier gar nicht existiere bzw. überhaupt nicht mehr gebaut werde. Was sind denn da die Unterschiede? Zitieren
Ueli Zwingli Geschrieben 26. April 2006 Geschrieben 26. April 2006 Da gibts doch in Kürze einen Tag der offenen Tür in einem AKW. Warum nicht einen Besuch dort und sich schlau machen? Siehe dieses Posting Leider kann ich diesen Event nicht besuchen bin, da meine "Wampe" saniert wird und ich dann rekonvanleszent bin.... (hoffentlich! :009: ) Zitieren
Wilko Wiedemann Geschrieben 26. April 2006 Geschrieben 26. April 2006 ich habe irgendwo mal aufgeschnappt, dass ein Unfall wie in Tschernobyl in den Schweizer Kraftwerken nicht passieren könne, da ein solcher Reaktortyp wie derjenige von Tschernobyl hier gar nicht existiere bzw. überhaupt nicht mehr gebaut werde. Was sind denn da die Unterschiede? Das ist korrekt. Ein Unfall wie in Tschernobyl kann in der Schweiz nicht passieren. Und warum nicht ? Es ist rein physikalisch gar nicht möglich. Ich versuche dies nachfolgend zu erklären: Zuerst etwas vereinfachte Kernphysik. Ein Atom besteht aus einem Kern mit Protonen und Neutronen und einer Hülle aus Elektronen. Für uns ist nur der Kern interessant, also vernachlässigen wir mal die Elektronen. Zur Energiegewinnung aus dem Kern wollen wir ihn spalten. Dazu brauchen wir ein freies Neutron. Trifft dieses auf einen Urankern, so versetzt es ihn in einen angeregten, instabilen Zustand und der Kern zerfällt in zwei Bruchstücke und zwei bis drei freie Neutronen, die dann wiederum in anderen Kernen Spaltungen auslösen können. Es kommt also zur Kettenreaktion. Bei der Spaltung wird Energie freigesetzt. Damit ein Neutron einen Kern spalten kann, muss es abgebremst werden, da es eine zu hohe Energie besitzt. Das Abbremsen geschieht durch Zusammenstösse mit anderen Kernen im sogenannten Moderator. Als Moderatormaterial eignet sich vorallem Wasser und Graphit. Um also einen Reaktor zu betreiben, brauchen wir spaltbares Material in sogenannten Brennelementen, einen Moderator und ein Kühlmittel, welches die frei gewordene Energie/Wärme abtransportiert. Moderator und Kühlmittel können dasselbe sein. Gesteuert und kontrolliert wird die Kettenreaktion mit Steuerstäben, welche aus einem Material bestehen, welches freie Neutronen absorbiert. Je mehr man sie zwischen die Brennelemente einfährt, desto mehr Neutronen schlucken sie, welche dann wiederum keine Kerne mehr spalten können, bis schliesslich die Kettenreaktion unterbrochen wird. Der Reaktor in Tschernobyl war ein sogenannter RBMK-Reaktor. Bei diesem Typ ist jedes Brennelement in einer eigenen Druckröhre. Diese Druckröhre wird von Wasser durchströmt, welches im oberen Teil verdampft und via einen Dampfkollektor (Sammeltank für den Dampf aus allen Druckröhren) auf die Turbinen geleitet wird, die dann wiederum den Generator antreiben. Der RBMK hat ungefähr 1400 solcher Druckröhren. Das durchströmende Wasser dient dabei nur als Kühlmittel und zum Energieabtransport. Alle Druckröhren sind in einem grossen Graphitblock gelagert. Das Graphit übernimmt so die Moderatorfunktion. zusätzlich gibt es auch hier Steuerstäbe, welche zwischen die einzelnen Röhren gefahren werden können und so die Kettenreaktion steuern. Die Idee hinter dieser Anordnung ist, dass man so die einzelnen Brennelemente bei vollem Betrieb des Reaktors auswechseln kann, ohne in abzuschalten. Ein weiterer Hintergedanke dabei war, dass man so leichter an Plutonium kommt, welches in den Brennelementen entsteht. Wozu das Plutonium verwendet wird, ist wohl jedem klar. Der grosse Nachteil dieses Reaktors ist jedoch, dass er in einem Störfall nur schwer beherscht werden kann. Kommt es bespielsweise zu einer Überhitzung des Reaktors so verdampft mehr Wasser. Die Kettenreaktion läuft aber weiter, da ja das Graphit die Neutronen moderiert. Beim RBMK dauert das Einfahren der Steuerstäbe etwa 20 bis 30 Sekunden. In dieser Zeit kann aber die Leistung so stark ansteigen, dass der Reaktor nicht mehr kontrolliert werden kann. Im schlimmsten Fall kommt es durch die enstehende Hitze zu Verformungen, so dass auch die Steuerstäbe nicht mehr eingefahren werden können. Ein schwerer Unfall ist dann vorprogrammiert. Ganz anderst die Funktion eines westlichen Reaktors, wie sie auch in der Schweiz verwendet werden. Bei "unseren" Reaktoren ist der gesammte Brennstoff in einem Druckgefäss angeordnet. Als Kühlmittel dient Wasser, welches die Brennelemente umfliesst, verdampft und ebenfalls auf die Turbinen geleitet wird. Als Moderator dient hier aber gleichzeitig ebenfalls das Kühlwasser. Steigt nun also die Temperatur an, so verdampft mehr Wasser. Dies führt jedoch zu einer Verschlechterung der Moderation und somit zu einer Leistungsabnahme. Der Reaktor regelt sich so also selber. Dasselbe gilt, sollte der Reaktor Kühlmittel verlieren. Verliert der Reaktor alles Wasser, kommt die Kettenreaktion automatisch zum erliegen. Dies ist der gravierendste Unterschied zu den russischen Reaktoren. Dazu kommt noch, dass der RBMK nur in einer normalen Fabrikhalle steht, die keinen besonderen Schutz bietet. Westliche Reaktoren stehen alle in einem doppelwandigen, luft- und druckdichtem Sicherheitsgebäude aus dickem Stahlbeton, das darauf ausgelegt ist, selbst bei grösseren Notfällen Radioaktivität und Spaltprodukte zurückzuhalten und einzuschliessen. Hier noch ein paar Bilder zur Verdeutlichung: RBMK-Reaktor Westlicher Druckwasserreaktor Nachfolgend ein paar Links: RBMK-Reaktor Druckwasserreaktor Siedewasserreaktor So funktioniert die Kernenergie Ich hoffe, meine Erklärungen sind halbwegs verständlich. Ansonsten beantworte ich gerne Fragen, oder erkläre es bei Gelegenheit an einem Treffen. Gruss Wilko Zitieren
Marcelinho Geschrieben 28. April 2006 Geschrieben 28. April 2006 @Wilko Besten Dank für diese sehr fachmännische und umfassende Information. Ich habe mir die Zeit genommen, mich durch die diversen Wikipedia Doks durchzulesen obwohl ich in der Physik immer eine Riesenpumpi war. Dabei habe ich mir eine Frage gestellt, die ich auf den ersten Blick nirgends beantwortet habe: Warum hat es bei den Bremsstäben (nicht Brennstäben!!) des Tschernobyl-Reaktors Graphit-Spitzen, wenn doch Graphit der Moderator ist und die Bremsstäbe eigentlich genau die gegenteilige Aufgabe haben, nämlich die Kettenreaktion zu unterbrechen? Vielleicht ist die Antwort so trivial, das es weh tut, aber ich bin wirklich eine Pumpi!:) Gruss Marcel Zitieren
bleuair Geschrieben 28. April 2006 Geschrieben 28. April 2006 Interessante Website einer Russin, welche in der Sperrzone Motorradtouren macht Ich habe den Link ja cool gefunden, wurde dann aber darauf hingewiesen, dass die Story faked ist/sein könnte. Hier eine weiterführende Erklärung zu Elena. Schade, hat sich gut angehört die Geschichte... Zitieren
Hotas Geschrieben 28. April 2006 Geschrieben 28. April 2006 Ich habe den Link ja cool gefunden, wurde dann aber darauf hingewiesen, dass die Story faked ist/sein könnte. Schade, hat sich gut angehört die Geschichte... Du hast absolut recht: Der Artikel von Elena ist ein Fake! Ich war letztes Jahr selbst in Tschernobyl und besuchte genau die gleichen Plätze in der Geisterstadt Prypjat und auf dem Helikopterfriedhof etc. Als wir unsere Reiseführerin (Frau Rimma Kiselitsa, war auch in der Rundschau auf SF1 zu sehen) auf Elenas Bericht angesprochen haben, hat sie die nur die Augen verdreht :001: und die Geschichte in der RICHTIGEN Version erklärt: In der Sperrzone ist es generell verboten, mit offenen Fahrzeugen (auch Motorrad) zu fahren. Elenas Partner, der die Website für Elena betreibt, wollte diese Inszenierung aber und erfand diese Motorrad-Geschichte. Sie haben nur den Helm mit in die Sperrzone genommen und mit diesem immer auf den Fotos posiert. Überall, wo das Motorrad zu sehen ist, befindet Elena sich ausserhalb der Sperrzone!! Frau Kiselitsa war auch Elenas Reiseführerin. Sie sagte sogar, dass sie das Foto von Elena gemacht hat, wo sie durch den Fernseher schaut!!!:p Glaubt mir, diese Geschichte mit dem Motorrad ist 100%ig gefaked und inszeniert!! Elena hat eine geführte Standard-Tour besucht wie ich auch! Wer mir nicht glaubt, der soll mir seine Mailadresse geben und ich sende ihm Fotos von den gleichen Plätzen wie Elena! Zitieren
joh-k Geschrieben 28. April 2006 Geschrieben 28. April 2006 Hallo zäme. Wilko, kannst Du zu den Dosiometer-Werten, die man in Elena's Bericht sieht, etwas sagen? Was bedeuten die Werte 0.515 / 0.763 (direkt beim Krafwerk) / 0.373 / 0.703 ? Hast Du zur Verdeutlichung eine Skala oder Vergleichswerte, wie hoch der Wert innerhalt Eurer Gebäude sind und/oder wie viel Ihr Operateure bei der Arbeit ertragen können? So ganz trocken kann ich mir unter diesen Zahlen überhaupt nichts vorstellen... ;) Danke & Gruess Johannes Zitieren
Hotas Geschrieben 28. April 2006 Geschrieben 28. April 2006 Die Werte 0.373 / 0.703 auf dem Dosimeter sind Milliroentgen pro Stunde. Je nach Dosimeter steht auch 373 oder 703; dann sind Mikroroentgen pro Stunde gemeint. Normal sind bei uns etwa 10-20 Mikroroentgen, also 0.01-0.02 auf Elenas Dosimeter. Vor dem Kraftwerk in Tschernobyl misst man je nach Ort um das hundertfache des Normalwertes. Ob das jetzt gefährlich ist oder nicht, hängt ganz von der Aufenthaltsdauer ab. Ein kurzer Besuch ist absolut ungefährlich; ist man allerdings jahrelang dieser Strahlung ausgesetzt, kann sie aber doch zum Gesundheitsrisiko werden. Zitieren
SwissMD-11 Geschrieben 28. April 2006 Geschrieben 28. April 2006 Also ich war mal vor zwei Jahren auf einer Tour im KKW Leibstadt... muss sagen, es war sehr interessant, und aufklaerend. Das Personal war auch konstant freundlich, und ich bekamm auch zwei Wochen spaeter ein Schreiben mit Antworten zu unseren Fragen die vom Tourpersonal nicht beantwortet werden konnten (z.B. wieso die Energie des warmen Kuehlwassers nicht weiter verwendet wird) Zitieren
Wilko Wiedemann Geschrieben 28. April 2006 Geschrieben 28. April 2006 Hallo zusammen Warum hat es bei den Bremsstäben (nicht Brennstäben!!) des Tschernobyl-Reaktors Graphit-Spitzen, wenn doch Graphit der Moderator ist und die Bremsstäbe eigentlich genau die gegenteilige Aufgabe haben, nämlich die Kettenreaktion zu unterbrechen? Die Regelstäbe im RBMK-Reaktor hatten am unteren Ende Wasserverdrängungskörper aus Graphit. Sind die Regelstäbe ganz gezogen (entspricht 100% Leistung), so befinden sich diese Graphitköpfe etwa in der Mitte des Reaktorkerns. Der Sinn darin, ist eine verbesserte Neutronenergiebigkeit (je mehr Neutronen, desto mehr Spaltungen) im unteren Teil des Reaktors. Mehr kann ich dazu auf die Schnelle nicht sagen, ich müsste das auch irgendwo nachschlagen :) kannst Du zu den Dosiometer-Werten, die man in Elena's Bericht sieht, etwas sagen? Was bedeuten die Werte 0.515 / 0.763 (direkt beim Krafwerk) / 0.373 / 0.703 ? Die Werte hat Ismar bereits erklärt. Röntgen ist eine ältere Masseinheit für die Ionendosis. Für den Strahlenschutz von Mensch und Umwelt ist vorallem die Äquivalentdosis mit der Einheit Sievert gebräuchlich. Zum Vergleich ein paar Zahlen über die Wirkung auf den Menschen, Angaben in Millisievert (1 Sievert = 1000 mSv): 500 - 1000 mSv - merkbare Änderung des Blutbildes, Hautschäden 1000 - 2000 mSv - schwere Blutbildveränderung, Schädigung der Organe, vereinzelt Todesfälle 5000 mSv - 50% Todesfälle ( auch bei Behandlung ) 7000 mSv - absolut tödliche Dosis Ganz ohne Strahlenbelastung geht es natürlich nie. Jeder Mensch ist einer natürlichen Strahlung ausgesetzt, welche sich aus kosmischer und terrestrischer Strahlung zusammensetzt. In der Schweiz beträgt die Jahresdosis durch natürliche Strahlung im Durchschnitt etwa 4 mSv im Jahr. Nachstehend eine Karte der natürlichen Belastung in der Schweiz. Die Dosisangaben sind in Nanosievert pro Stunde. Wer mag, kanns ja selber auf mSv/Jahr umrechnen: Aus dieser Karte ist ersichtlich, dass jemand der in den Alpenkantonen lebt, wesentlich mehr belastet wird, als die Flachländer. Dies hat mit den Bergformationen zu tun, welche mehr strahlende Elemente enhalten. Hast Du zur Verdeutlichung eine Skala oder Vergleichswerte, wie hoch der Wert innerhalt Eurer Gebäude sind und/oder wie viel Ihr Operateure bei der Arbeit ertragen können? Jeder der in irgendeiner Weise mit ionisierender Strahlung zu tun hat, untersteht der Strahlenschutzverordnung, welche die maximal zulässigen Jahresdosen vorschreibt. Die maximale Dosis für "strahlenexponierte Personen" beträgt 20 mSv pro Jahr. Übrigens, Linienpiloten gelten auch als strahlenexponierte Personen (kosmische Strahlung), mit derselben Maximaldosis ;) Bei uns im Kraftwerk haben wir diese Maximaldosis noch verschärft und beschränken uns intern auf 16 mSv pro Jahr. Praktisch liegen wir jedoch weit unter dieser Dosis. Bei der Arbeit in der kontrollierten Zone (etwa 1/3 der Arbeitszeit) im Kraftwerk, erhalte ich pro Schicht eine Dosis von durchschnittlich etwa 3 μSv (1 Mikrosievert = 0,001 mSv = 0.000001 Sv). Meine persönliche Jahresdosis im Jahr 2005 lag unter 1 mSv. Und von dieser Dosis entfiel etwa die Hälfte auf die Zeitspanne in der Revision, wo ich direkt in der Reaktorgrube gearbeitet habe. Rechne ich die Dosis aus der Arbeit zusammen mit der durchschnittlichen natürlichen Dosis im Aargau, dann liege ich im Total immernoch unter der Dosis, die ein Einwohner von Sion oder Locarno aufgenommen hat. Im Kraftwerk haben wir einen sogenannten Dosisatlas, in welchem die zu erwartende Strahlung in jedem Bereich des Kraftwerks eingetragen ist. Strahlenschutzkontrolleure überprüfen dies mit täglichen Messungen. Gruss Wilko Zitieren
Hergi Geschrieben 28. April 2006 Geschrieben 28. April 2006 Du hast absolut recht: Der Artikel von Elena ist ein Fake! Mir ist's eigentlich gleich, ob sie mit dem Motorrad durch die Sperrzone fährt oder nicht - es kommt hier auf die Bilder an, die das ganze Ausmaß der Katastrophe deutlich machen. Oder handelt es sich bei denen auch um Fakes ?! Gruß Zitieren
Wilko Wiedemann Geschrieben 28. April 2006 Geschrieben 28. April 2006 Auf jeden Fall war sie dort und hat fotografiert. Wie ist ja eigentlich egal. Gruss Wilko Zitieren
Hotas Geschrieben 28. April 2006 Geschrieben 28. April 2006 Oder handelt es sich bei denen auch um Fakes ?!Gruß Ja, auch die Bilder sind (zum Teil) manipuliert. Beispielsweise wurden in einem Kindergarten Gegenstände zusammengetragen, die vor der Kamera immer gut ankommen: Ein Teddybär, eine Gasmaske und eine Abbildung von Lenin- das sieht immer gut aus. So wurden Aufnahmen gemacht, die ein verfälschtes Bild der Lage liefern. Auch der Inhalt des Textes hat gemäss Chernobylinterinform viele Fehler; welche genau kann ich als Laie nicht sagen. Die absolut beste Quelle für Infos um Chernobyl findet ihr auf der OFFIZIELLEN Chernobyl-Seite http://www.chernobyl.info; die führen auch diese Touren durch. Wenn jemand an so einer Tour interessiert ist, kann er sich für Infos ungeniert bei mir melden. Zitieren
eom Geschrieben 28. April 2006 Geschrieben 28. April 2006 das tönt interessant WILKO. hätte ned gedacht das sogar in einem AKW so wenig strahlung auf/austritt. wenn deine daten wirklich stimmen, dann frag ich mich aber echt was die ganze panikmache der akw-gegner bedeutet. klar gibts keine 100% sicherheit aber überspitzt gesagt müssten dann alle akw-gegner veganer, nichtraucher sein die schutzkleidung immer tragen *g* Zitieren
Wilko Wiedemann Geschrieben 29. April 2006 Geschrieben 29. April 2006 hätte ned gedacht das sogar in einem AKW so wenig strahlung auf/austritt. wenn deine daten wirklich stimmen, dann frag ich mich aber echt was die ganze panikmache der akw-gegner bedeutet. Meine Zahlen stimmen, ich habe gerade letzthin die Strahlenbilanz vom letzten Jahr angeschaut, da ist alles penibel aufgeführt :) In der Primäranlage herschen natürlich unterschiedlich hohe Strahlendosen. Vorallem im Sicherheitsgebäude treten während vollem Lastbetrieb natürlich hohe Dosen auf. Aber alle Bereiche, in denen betriebsbedingt hohe Strahlung auftreten kann, sind durch entsprechend dicke Betonmauern abgeschirmt. Schlussendlich wirkt die Abschirmung so stark, dass ausserhalb des Kraftwerks kaum ein Unterschied zur natürlichen Strahlung gemessen wird. Das Personal hält sich natürlich auch nur so lange wie nötig, in strahlenden Bereichen auf und jeder ist bestrebt, seine Strahlenbelastung so klein als möglich zu halten. Der Strahlenschutz ist eine wichtige Aufgabe und gut ausgebildete Spezialisten nehmen diese war. Das grösste Problem der Kernenergiebranche, ist der Unwille der Leute, sich richtig zu informieren. Wenn man sich etwas Zeit nehmen würde und die bestehenden Informationsmöglichkeiten nutzen würde, dann könnte man viele Zweifel und Halbwahrheiten klären und beseitigen. Selbstverständlich gibt es bei der Kernenergie auch Risiken und Gefahren. Ein verantwortungsvoller Umgang mit dieser Technik, ist Voraussetzung für einen sicheren Betrieb. Leider wird von den Gegnern verschwiegen, was für ein Aufwand getrieben wird, um bestehende Risiken zu minimieren. Die Sicherheitsvorkehrungen sind enorm und die Sicherheitsysteme mehrfach redundant. Ich kann jedem nur empfehlen, mal ein KKW zu besuchen und eine Führung mitzumachen. Für technisch Interessierte schon fast ein Muss ;) Jedes KKW in der Schweiz verfügt auch über umfassende Informationsausstellungen, in denen nicht nur über die Technik selbst, sondern auch über Themen wie Klimaschutz, Abfallentsorgung, sowie auch Vor- und Nachteile und Problematiken eingehend informiert wird. Gruss Wilko Zitieren
Tigerfan Geschrieben 29. April 2006 Geschrieben 29. April 2006 Ich habe sogar gehört, dass die Strahlung in unmittelbarer Nähe eines AKW's kleiner ist als sonst wo. Ich wäre unter einer Bedingung für die Abschaffung der Kernenergie. Wenn es gute Alternativen geben würden! Sonnen- und Windenenergie sind nicht wirtschaftlich und auch optisch würde es nicht gerade toll aussehen, wenn vor jedem Haus ein Windkraftwerk stehen würde.:rolleyes: Wir könnten schon die AKW's stilllegen aber ich will auch zukünftig Strom haben und nicht vom Ausland abhängig sein. Zitieren
CarstenB Geschrieben 29. April 2006 Geschrieben 29. April 2006 Moin! dann frag ich mich aber echt was die ganze panikmache der akw-gegner bedeutet. klar gibts keine 100% sicherheit KKWs sind im vom Wilko beschriebenen Regelbetrieb im Gegensatz zur Verfeuerung fossiler Brennstoffe unzweifelhaft eine saubere Variante zur Energieerzeugung. Die Probleme ergeben sich erst hinterher bei der Zwischen- und Endlagerung (Wo lässt die Schweiz eigentlich den entstehenden Abfall für die nächsten Jahrtausende, wenn nicht gar Jahrmillionen lagern? Benken?) oder im eben nie zu 100% auszuschließenden Störfall. Selbst wenn man extreme Ereignisse wie Tschernobyl oder Harrisburg mal ausser acht lässt, kommt es immer wieder durch technische und/oder menschliche Fehler und Unzulänglichkeiten zur Freisetzung von Radioaktivität weit über das erlaubte Mass. Während dabei die Befürworter die Vorteile in den Vordergrund stellen, sehen die Gegner hauptsächlich die Nachteile. Grund zur Diskussion ist aber eben der Störfall. Man seitenlang über die akzeptale Wahrscheinlichkeit diskutieren. Dabei haben die Kraftwerksbetreiber hier in D. vielfach keine glückliche Hand bei der eigenen Bewertung der meldepflichtigen Störfälle und den daraus resultierenden Gegenmaßnahmen bewiesen und dadurch nicht gerade das Vertrauen gesteigert. Phillipsburg wurde z.B. in 2001 bewust über einen längeren Zeitraum ohne funktionierendes Notkühlsystem betrieben, Brunsbüttel wurde erst nach dem Winter (erhöhter Strombedarf) für die erforderlichen Reparaturen nach einer Wasserstoffexplosion in Kernnähe abgeschaltet, im Endlager Asse hat man Wassereinbrüche (>12m³/Tag in 2004), Grundremmingen A ist nach mehreren Unfällen auch mit Todesfolge abgeschaltet und ist nur noch ein Haufen teilweise hochradioaktiver Schrott usw. Jedoch haben selbst Wasserkraftwerke schon z.B. bei dem Bruch einen Staudammes in China zu mehreren 10.000 Todesfällen geführt, die Verspargelung der Landschaft durch WKAs wird auch immer wieder kontrovers diskutiert, die Zunahme der CO2-Konzentration in der Luft und der Folgen drängt immer mehr in das Bewustsein der Bevölkerung etc. Ich habe sogar gehört, dass die Strahlung in unmittelbarer Nähe eines AKW's kleiner ist als sonst wo. Äh, wie soll das gehen? Filtert ein KKW die natürliche Strahlung? Wohl nicht! Da hat Dir jemand Unsinn erzählt! Grüße aus einem Nachbarort von Kahl/Untermain Carsten Zitieren
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