Der Schwindel mit dem Schwindel

[D. Baumgaertner]

Im Segelflugforum scheint zur Zeit Sendepause zu herrschen. So will ich nochmals einen Beitrag zur Belebung beisteuern:

 

Immer wieder einmal - wenn ich von meiner luftigen Freizeitbetätigung erzähle - glaube ich bei manchen Gesprächspartnern einen Anflug von Gruseln festzustellen - verbunden mit der Bemerkung: "Oh - das wäre aber nichts für mich - ich bin ja nicht schwindelfrei!"

 

Ein Pilot und ein Bergsteiger müssen in Bezug auf Schwindelfreiheit nichts, aber auch gar nichts gemeinsam haben. Das kann ich nach fast einem halben Jahrhundert aktiven Flugsports aus meiner eigenen Erfahrung ohne Wenn und Aber bestätigen. Alles andere ist wohl ein Märchen.

 

Weder beim stundenlangen Kreisen in engen Thermikschläuchen mit Blick über eine fast senkrecht nach unten gerichtete Tragfläche noch bei einem Gebirgsflug in über 3000 Meter Höhe zwischen gewaltigen, senkrecht abfallenden Felswänden oder beim Trudeln aus grosser Höhe während eines Gefahrentrainings mit dem Fluglehrer habe ich je auch nur eine Spur von einem Schwindelgefühl gespürt. Ganz im Gegenteil: Nirgendwo sonst fühle ich mit so wohlig entspannt und geborgen wie in einem Flugzeug (oder vielleicht noch an einem exotischen Strand).

 

Ganz anders sähe es dagegen aus, wenn ich mich bergsteigerisch versuchen wollte. Mit absoluter Sicherheit würde ich bereits in der Anfangsphase einer Bergtour wie eine reife Pflaume herunterfallen. Es ist mir noch nicht einmal möglich, einen nicht mit einem Geländer versehenen harmlosen Höhenweg in steil abfallendem Gelände zu begehen, ohne von schlimmsten Schwindelgefühlen gepackt zu werden. Den Beruf eines Dachdeckers, Freileitungsmonteurs oder Kaminkehrers könnte ich sofort vergessen.

 

Oft habe ich über die Ursache dieses Phänomens nachgedacht. Es muss im Flugzeug an der nicht vorhandenen festen Verbindung zum Boden liegen, dass Schwindelgefühle gar nicht erst aufkommen können (bei mir wenigstens ist das der Fall).

 

Und trotz dieser Erkenntnis muss ich mich hin und wieder über Mitpassagiere in Verkehrsflugzeugen wundern, die ängstlich die Fensterabdeckungen herunterziehen oder sehr glücklich sind, wenn sie möglichst weit von einem Fenster entfernt Platz nehmen dürfen, sich in einer Zeitung vergraben können und nur ja nicht aus dem Fenster sehen müssen.

 

D. Baumgaertner

[Johannes Müller]

Das geht mir genau gleich :-)

 

Wir sind einmal auf den kleinen Mythen gegangen, der Weg ist ja wirklich nichts wildes, oben haben wir ein Picnic gemacht. Man hat mich fast nicht vom Felsen unterscheiden können, ich klebte richtig dran, umklammerte den Berg und war genauso blass-grau :D :D

 

Komische Mischung, aber wie all solche Phobien, vermutlich ist es einfacher, man weiss es einfach als dass man versucht, sie zu beheben.

 

Gruss

Johannes

[D. Baumgaertner]

Liebe Fliegerkameraden

 

Herzlichen Dank für Eure Kommentare auf meinen Beitrag. Da gibt es noch ein merkwürdiges Phänomen: Ich hätte niemals Schifffahrtskapitän werden können und auch auf Reisen muss ich Schiffsausflüge in bewegter See tunlichst meiden.

 

Sobald ich Schiffsplanken betrete (Ausnahme ein Schiff auf einem ruhigen Schweizer See) wird mir todschlecht und ich fange an, über die Reeling die Fische zu "füttern". Das gilt selbst für harmlose Ruderboote. Auch wenn ich z.B. am Fernsehen einen Film über einen Fischkutter in der rauhen Nordsee betrachte, muss ich nach kurzer Zeit aufstehen - sonst passiert das, was in der Wohnung schon gar nicht passieren sollte.

 

Im Flugzeug ist das ganz etwas anderes: Es ist mir auch in der wildesten und längsten Thermikkurbelei noch nie übel geworden und selbst in heftigster Turbulenz kann ich ungerührt meinen mitgenommenen Proviant verzehren, ohne dass ich irgendein Problem damit habe. Würde ich das nicht immer wieder selbst erleben - ich könnte es nicht glauben. Deshalb wundere ich mich immer wieder, wenn von Flugangst gesprochen wird.

 

Wir Menschen sind schon etwas ausgefallene "Konstruktionen". Wer weiss, vielleicht waren meine Vorfahren in grauer Vorzeit wirklich Bussarde oder gar Adler. Nichts ist unmöööööööglich!

 

Noch ein happy Weekend!

 

Dietwolf

[Christian Thomann]

Im Segelflugforum scheint zur Zeit Sendepause zu herrschen...

Hallo Dietwolf

 

Um's Himmels willen, nichts gleich so ängstlich! Wir sind ein kleines Völklein und ich bin zum Glück nicht der Hauptdarsteller. Ich schätze jede gute Arbeit der Statisten, so wie du sie zum Beispiel hier in der kalten Jahreszeit bringst. Du weiss ja, bis man uns hinter dem warmen Ofen hervor kriegt, braucht es schöne Tage, wie der heutige. Ich bin zwar nur in der HB-2373 auf dem rechten Sitz als "Rotstift-Pilot" (Chregeldeutsch) gesessen, doch hat es wirklich wieder mal Spass gemacht.

 

Einer unserer Fluggruppe war mutig und hat gleich den Duo-Discus gesattelt. Ich bin überzeugt, er war über 2,5 Stunden thermisch in der Luft. Er flog bloss etwas über 123 km. Hier sein Log. Meines Erachtens ein schlaues Bürschchen, dass er dieses verheissungsvolle Wetter gleich gepackt hat.

 

Vielen Dank für deine unterhaltenden Beiträge. Mach weiter so.

 

Chregel

[D. Baumgaertner]

Hallo Chregel

 

Waaaaaaaaas? Bei dieser Kälte ein Thermikflug von solcher Dauer? Das ist ja fast schon wieder ein Schwindel! Aber wenn Du das sagst, muss es ja wohl so sein. Da sieht man den ungeheuren Fortschritt im Segelflugzeugbau. So etwas wäre in meiner Segelflugzeit noch nicht möglich gewesen - oder vielleicht nur im Hangaufwind bei entsprechender Brise. Eigentlich wollte ich für gestern (wir haben jetzt schon Sonntag 0.55 Uhr) die Dimona reservieren. War leider schon besetzt. Aber wir haben ja noch die ganze Saison vor uns! So ausgehungert ist man ja schliesslich auch nicht mehr.

 

Noch einen geruhsamen Sonntag wünscht Dir

 

Dietwolf

[Dominic Windisch]

hehe, Dietwolf, Dir ging es gleich wie mir...ich wollte die dimona auch länger, aber ab 10 Uhr war schluss...

 

übrigens, auch unsere ASK21 AJ (welche notabene einiges weniger neu ist als ein DuoDiscus) war gut 2h in der Luft!!!

 

Gruess und guete Start id Wuche

[Christian Thomann]

Na also Dietwolf. Siehst du. Es hat doch nichts mit Schwindel zu tun. Tatsächlich war die Wetterlage am Samstag im Birrfeld hervorragend. Um 10 Uhr sah man immer noch Wellenfische über dem Reusstal und dem Freiamt. Diese lösten sich dann wegen störender Thermik auf und schlugen in echte Cumuli um.

 

Ich hätte mich selbst ohrfeigen können, dass ich mein Ziel nur auf den Checkflug machte. Anschliessend hätte ich ja selbst auch noch etwas den Ventus auslüften können. Wie du auch sagst, die ganze Saison steh noch vor uns.

[Roberto]

Ja das ist wahr.......am Fallschirm hängend und aus dem Heli schauend hatte ich nie Probleme.......aber an unserer 35 - 40m hohen "Mietskaserne" ist einen Meter vor dem Abgrund Schluß. Da wird mir flau.

 

Ob das daran liegt, daß man aus der Luft nicht ganz den Bezug, die Realation zur Höhe hat wie wenn man von einem Bauwerk, einer Installation guckt? Oh Gott....was sind 35m hoch!!!

 

Das mit dem Geländer am alpinen Hochweg kann ich 100 % nachvollziehen, ist aber halt auch eine Gewöhnungsfrage wie ich schon selbst erfahren habe.

 

Wie "trügerisch" ist doch die "Sicherheit" in welcher einen auch nur ein 5mm dicke Plexiglasverglasung wiegt, um so mehr wenn sie bis kurz unter den Hals mit Folie beklebt ist oder durch eine Sichtabdeckung verkleidet ist........

 

Gruß

Roberto

[D. Baumgaertner]

Hallo Kollegen,

 

Was mich in diesem Zusammenhang wirklich einmal interessieren würde: Ist jemals jemand bei einem Fliegerarzt nach Schwindelfreiheit befragt worden? Das wäre anhand der einhelligen Antworten zum Thema "Schwindelfreiheit" von Piloten ein echter Hammer!

 

Und nun gute Nacht!

 

Dietwolf