nff Geschrieben 15. Dezember 2005 Geschrieben 15. Dezember 2005 Wenn sich Diplomaten aus aller Welt zu ihren Klassenzusammenkünften verabreden, dann ist die Wahl des Standortes von immenser Wichtigkeit. Es soll schön sein und genügend prunkvolle Hotels haben. Infrastruktur für die Sitzungen und die abendlichen Saufgelage dürfen genauso wenig fehlen, wie die zahlreichen Einkaufsmöglichkeiten, um all die Präsente für die daheimgebliebenen Sekretärinnen aufzutreiben. Natürlich ist auch das Konferenzdatum entscheidend. Der Dezember bietet sich hier geradezu an. Während sich zuhause die Weihnachtsapéros jagen, Freunde und Verwandte zu Gelagen einladen als würden diese im 2006 verboten und Glückwunschkarten zu Hunderten eintreffen, sonnt sich der Spitzendiplomat am Hotelpool und schaut aus der Ferne den in der Bay schwimmenden Demonstranten zu. Frau Botschafterin kauft sich mit der platinfarbigen Kreditkarte durch die Handtaschenläden von Kowloon und ihr Gemahl lächelt in die zahlreichen Fernsehkameras oder isst mit einem Vertreter einer Nichtregierungsorganisation mediengerecht eine Noodlesoup in einer Garküche um die Ecke. Rechtzeitig vor den Festtagen fliegt man mit der landeseigenen Fluglinie in erster Klasse nach Hause und freut sich auf die ruhige Januarwoche am WEF im tiefverschneiten Davos. Im Landwassertal werden dann die aufschlussreichen Gespräche fortgesetzt, die in Hongkong wegen des anspruchsvollen Rahmenprogrammes nicht stattfinden konnten. Frau Gemahlin kauft im Schneetreiben eine neue Handtasche vom Heimatwerk und die Sekretärinnen zu Hause kriegen statt Tigerbalsam eine Flasche Röteli. Und irgendwo mitten im ganzen Zirkus muss das Leben in den betroffenen Städten weitergehen. Das gemeine Volk will arbeiten, sich normal bewegen und am Abend gemütlich an einer Bar ein Bierchen nippen. Sind aber die ach so wichtigen Konferenztouristen in der Metropole, ist an ein normales Leben nicht mehr zu denken. Überall Polizei, Strassensperren, geschlossene Lokale, rauchende Köpfe, tränende Augen, verstopfter Luftraum, überbuchte Flugzeuge und ausverkaufte Handtaschenshops. Stört mich Letzteres wenig, beschäftigen mich die anderen Punkte umso mehr. Das gemütliche Bierchen im Joe Banana um 4 Uhr in der Früh fiel wegen dem WTO-Treffen genauso ins Wasser, wie das Essen bei meinem Lieblingsinder. Mein Curry musste ich in einem mir unbekannten Lokal zu mir nehmen, was auch fast meine Gesundheit ruinierte. Es scheint, als ob mich der kopfschüttelnde Turbanträger im Lokal mit dem klingenden Namen ‚Bombay Dreams’ für einen koreanischen Demonstranten hielt und würzte das Chickencurry mit dem restlichen Pfefferspray der Morgendemonstration. Zwei Liter Kingfisherbier halfen genau so wenig wie eine Flasche Mineralwasser aus französischer Quelle. Etwas Musik und einige Pitcher einheimischer Braukunst hätten Linderung gebracht aber eben, im Wan Chai war alles wegen dem WTO geschlossen. Ich habe auf jeden Fall genug vom ganzen Zirkus und bin auf die Seeräuberinsel Cheng Chau geflüchtet. Glaubt man Jean Ziegler, haben die Spitzendiplomaten eine ähnliche Gesinnung wie die ehemaligen Piraten. Trotzdem hat es hier garantiert keine Schlipsträger und auch die Gattinnen sind Mangels Handtaschenläden in weiter Ferne. Ich hab mein Paradies für heute gefunden! Zitieren
Kitty Hawk Geschrieben 15. Dezember 2005 Geschrieben 15. Dezember 2005 Ein Privilegierter Verwöhnter der über noch verwöhntere und noch privilegiertere lästert, das ist dieses blogg. Sei froh das du den ausländischen food vor Ort überhaupt testen kannst...die Möglichkeit hat längst nicht jeder. Zitieren
nff Geschrieben 15. Dezember 2005 Autor Geschrieben 15. Dezember 2005 Hallo Kitty Hawk Wo Du recht hast, hast Du recht! Das Schöne ist doch eigentlich, dass wir in der Schweiz alle zum priveligierten Haufen gehören! Oder sollte ich sagen, dass es uns auf einem sehr hohen Niveau extrem schlecht geht? Schon bei Deinem Wohnort komme ich ins Schwärmen. Sushi im Ryokan Hasenberg, Währschaftes im Herrenberg oder Stutz und zum Abschluss ein Coupe im Bijou in Bremgarten! Und das Alles zu einem Preis, der sich mit den Currys in Hongkong durchaus vergleichen lässt. Ach wie gut es uns doch allen geht. Geniessen wir doch einfach das Leben! Schönen Abend wünscht Zitieren
Aglia tau Geschrieben 15. Dezember 2005 Geschrieben 15. Dezember 2005 Hallo Peter, Gut reagiert, auf dieses Niveau soll man sich nicht herablassen! Da spricht nur der pure Neid... Eigentlich regt dein Text ja ziemlich zum Nachdenken an, und deckt die horrende Diskrepanz auf dieser Welt auf, die es gibt... Und längst nicht jeder "Privilegierte" macht sich erst solche Gedanken. @Kitty Hawk (realer Name?): Hast du den Text genau gelesen? Dieser Text drückt ja deutlich aus, dass sich Peter sich bewusst ist, wie gut es ihm geht, und noch besser den anderen. Damit ist man ein grosses Stück weiter, wenn man sich dessen bewusst ist, weil man erstens das Leben umso besser geniessen kann und zweitens sicher nicht die Augen vor diesen Missständen zudrückt... Gruss Zitieren
Hannes S. Geschrieben 15. Dezember 2005 Geschrieben 15. Dezember 2005 @Kitty Hawk (realer Name?) Thomas, steht in der Signatur;) Zitieren
Ueli Zwingli Geschrieben 15. Dezember 2005 Geschrieben 15. Dezember 2005 Wer die Auswahl hat, ob er an Übergewicht, Alkoholleber, Bewegungsmangel etc. etc. zugrunde gehen will, dem geht es doch sehr gut. Ein Grossteil der Menschheit hat diese Auswahl nicht. Geniessen wir doch wie Peter und vergessen die Menschen in Armut und Hunger nicht. Zitieren
Kitty Hawk Geschrieben 16. Dezember 2005 Geschrieben 16. Dezember 2005 Es macht nichts sich nicht auf mein Niveau herab zu lassen. Diskutieren können wir trotzdem. Die Sushi im Hasenberg, den EdelFood vom Stutz und all das was du (der Ersteller) ansprichst, kann ich mir niemals leisten...In der Schweiz gibt es unterprivilegierte, denen es noch 100mal besser geht als den Armen dieser Welt....klar...doch all die Frauen und Mütter welche vor der Revision der Scheidungsgesetzes sich getrennt haben...die können einem in vielen Beispielen die ich persönlich kenne wirklich leid tun...oder die Schüler welche gehänselt und niedergemacht werden, wohlgemerkt nur Schweizer, weil sie kein Geld erhalten für 3mal im Jahr neue Kleidung zu kaufen....blablabla da gibts genug Beispiele....genau wie der threadersteller sagt, gehts hier vielen sehr schlecht und das auf hohem niveau...nur dass ich der festen Überzeugung bin die meisten Leser dieser Seiten das eher nicht als arm bezeichnen. Weiter glaube ich, die Armen auf die aller-Ärmsten ausserhalb der Schweuz zu beschränken kann fatale gedankliche Fehlinterpretationen zur Folge haben was die psychische Verfassung von Menschen ohne gedeckte Bedürfnisse betrifft...da gibt es Paralellen. Ob ich dies aus Neid schreibe? Teilweise bestimmt sogar! Um die Relationen von arm und reich vor eurer Haustür transparent zu machen. Diesem Zustand zu wenig Beachtung zu schenken ist heikel...und ich sehe die polemischen Antworten auf mein freches und provokatives Artikulieren. Zitieren
Tomy Geschrieben 16. Dezember 2005 Geschrieben 16. Dezember 2005 Hallo "Namensvetter" Ich denke, du hast die Ironie, mit welcher Peter seine Texte schreibt, irgendwie miss- oder gar nicht verstanden..... Zitieren
Kitty Hawk Geschrieben 16. Dezember 2005 Geschrieben 16. Dezember 2005 Hallihallo Bitte verzeih das ich es dabei nicht belassen habe. Ich wollte meinem simplen und ja vielleicht voreiligen post ein paar Gedanken folgen lassen. Ich hab das dem Schiff selber mal den Kurs eingegeben und die Diskussion weiter gezogen. Habe ein Auge für Ironie und denke nicht das ich etwas geschriebenes übersehen habe ;) Zitieren
Micky Miranda Geschrieben 16. Dezember 2005 Geschrieben 16. Dezember 2005 Wieder einmal ein leckeres Häppchen, Peter. Danke!! [...]doch all die Frauen und Mütter welche vor der Revision der Scheidungsgesetzes sich getrennt haben...die können einem in vielen Beispielen die ich persönlich kenne wirklich leid tun[...]Dafür sind jetzt die Männer die geschmierten, oder wie... ;) Gruess Jimmy Zitieren
Walter Fischer Geschrieben 17. Dezember 2005 Geschrieben 17. Dezember 2005 Ach Leute, es ist doch so einfach: Glamour beherrscht die Welt, und es ist allemal wichtiger auf der Tagi- Rückseite die ergreifende Geschichte von Kate Moos oder Heidi Klump über ihre missglückten Versuche, den penetranten Paparazzi's zu entkommen, zu lesen, als die Geschichte im Hintergrund- Teil derselbigen Zeitung zu verstehen, wie eine unterernährte siebenfache schwarze Mutter erfolglos versuchte dem Aids- Virus zu entkommen. Oder wieso gibt es ein Dutzend rentierende Hochglanz- Gala- Magazine mit nichts anderem, als Fotos der Blaublüter und Adabei's? Und kein einziges Blatt über das Leben als alleinerziehende Mutter? Nicht mal in schwarz/ weiss??? Vermutlich ist alles Karma, und man sollte niemals mit seinem Schicksal hadern. Gruss Walti Zitieren
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