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Auftakt im Prozess um die Tötung eines Skyguide-Fluglotsen


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Geschrieben

Vitali Kalojew wird die vorsätzliche Tötung jenes Fluglotsen vorgeworfen, welcher in der Nacht des Flugzeugzusammenstosses bei Überlingen für die beiden Maschinen verantwortlich war. Der Russe hatte bei dem Unglück seine Frau und seine beiden Kinder verloren. Beide Ereignisse schlugen nicht nur hier im Forum hohe Wellen, sondern auch in der internationalen Medienlandschaft. Beim heute beginnenden Prozess ist dies nicht anders: 60 Medienvertreter sind akkreditiert, darunter auch Presseleute aus Süddeutschland und Russland. Sogar der Staatschef der Teilrepublik Nordossetien wohnt dem Prozess bei.

 

Kalojew streitet nicht grundsätzlich ab, die Tat begangen zu haben, machte aber während der Untersuchung geltend, sich nicht mehr daran erinnern zu können. Der Verteidiger Kalojews wird auf Totschlag plädieren. Für die Verhandlung sind zwei Tage eingeplant.

 

Skyguide hat letzte Woche mitgeteilt, dass man mit Kalojew eine Schadenersatzvereinbarung getroffen habe, wonach Kalojew rund 100'000 Dollar für den Verlust seiner Angehörigen erhalten wird.

Geschrieben
Sogar der Staatschef der Teilrepublik Nordossetien wohnt dem Prozess bei.

Davon kann man ja auch nicht viel halten, vorallem nachdem was er gefordert hat :004:

Geschrieben

Wiso wird er nicht wegen Mordes angeklagt? Sehe da rechtlich nicht ganz durch. Meines wissens nach, besteht der Tatbestand des Mordes, sobald die Absicht, jemanden Umzubringen, dahinter stand.

Geschrieben

Mal sehen, was das wird.

 

Ich finde den Fall irgendwie brutal. Ob dies nur eine Gefühlsreaktion war, hat nun das Gericht zu entscheiden, aber die Umstände finde ich schon hart.

 

Dass das Leid gross ist, einen Teil seiner Familie zu verlieren, ist mir klar. Dafür aber einen Menschen umzubringen, der an diesem Unglück sicher nicht die Alleinschuld trägt, ist etwas anderes. Leider kenne ich den Fall zu wenig genau, um hier gescheitere Aussagen zu machen, auch wenn er mich irgendwie interessiert (was will man als begeisterter Grisham-Leser, mit einem Juristen als Vater und mit einem Bezug zur Fliegerei dagegen machen...)

 

In einem kürzlich erschienenen Tagi hatte es übrigens noch einen informativen Abschnitt über die beiden verschieden Urteilsforderungen, und wie diese begründet werden. Da stand auch drin, wieso es nicht Mord ist (bzw nicht als das durchzubringen ist.)

 

In der Hoffnung auf Gerechtigkeit, vor allem für die Familie des Fluglotsen

 

Tis

Geschrieben

Ich habe gestern einen Bericht im 10vor10 gesehen. Darin wurde von Seiten der Verteidigung gesagt, dass auf Totschlag plädiert werde, da Herr Kalojew im Affekt gehandelt habe. Der Fluglotse hätte auf den Besuch von Herrn K. von Anfang an abweisend reagiert und sei sogar tätlich geworden. In wie fern sich dies beweisen lässt, ist mir nicht klar. Allerdings müsste aufgrund der Tätlichkeiten der Schuldspruch wohl nach unten korrigiert werden. Kalojews nicht vorhandene Erinnerung an die wirkliche Tat (die Sackmesserstiche) dürfte mindestens für eine gereizte Stimmung im Gerichtssaal sorgen, denn dieses sich-nicht-erinnern dient wohl nur dazu, den Schuldspruch nach unten zu drücken...

 

Warum 20 Sackmesserstiche nicht als skrupellos/brutal gelten ist mir nicht klar... Was muss man den noch tun um die Tat als Mord qualifiziert zu bekommen?

 

JOEL

Geschrieben
Was muss man den noch tun um die Tat als Mord qualifiziert zu bekommen?

 

Sali Joel

 

Bei einem Mord muss zuerst eine vorsätzliche Tötung vorliegen. Des Weiteren muss der Täter besonders skrupellos gehandelt haben. Dies ist der Fall, wenn namentlich sein Beweggrund, der Zweck der Tat oder die Ausführung besonders verwerflich sind.

 

Nun, das ist sehr vage formuliert. Was dies im Detail bedeutet, wird durch die Lehre und Praxis schlussendlich definiert. Eine genaue Abgrenzung ist daher nicht möglich.

 

Als besonders verwerflich gilt zum Beispiel: Mordlust (aus reinem Vergnügen töten), Habgier, Raubmord (zum Zwecke des Raubes begangene Tötung) und Fremdenhass. Teile der Lehre nehmen Rache ebenfalls in diese Kategorie.

 

Also so abwegig ist es nicht, wenn man auf Mord plädieren würde.

 

Gruss,

 

Thomas

Geschrieben

Vergesst nicht die Herkunft des Täters! Da gelten noch andere Moral- und Ethikvorstellungen, als in unserem westlichen, dekadenten Weltbild der Beliebigkeit.

Sehr viel Familiensinn und Sippenkultur, Gerechtigkeitssinn und Wahrhaftigkeit.

 

Die Tat dieses zum äussersten verzweifelten Familienvaters kann niemals zum Mord, weder nach unseren Rechtsusanzen, noch weniger nach deren der Täterherkunft, hochgeredet werden.

 

Die absolut verhängnisvollste Situation war die bewiesene Handlung des abwehrenden Handschlages des Opfers gegen den Umschlag mit den Familienfotos des Täters, in dessen Folge das Couvert auf den Boden fiel.

 

Das Drama ereignete sich zwar auf Schweizer Boden, die erklärbaren Hintergründe dazu liefert uns die Kultur Ossetiens. Hart, aber unumstösslich.

 

 

Gruss Walti

Geschrieben

Ich habe etwas Mühe damit, diese Tat zu verharmlosen.

 

Der Täter handelte nicht in Affekt, da er Recherchen zum Lotsen anstellte, eine Reise in die Schweiz plante und durchführte, den Lotsen aufgelauert hat mit dem Wissen und Wollen, diesen umzubringen. Die Tat war also von langer Hand geplant!

 

Affekt hingegen wäre, wenn ihm der Fluglotse irgendwo in Ossetien per Zufall über den Weg spaziert wäre und ihm die Nerven durchgedreht wären.

 

Uebrigens, Walter, würden wir in Ossetien irgendjemanden abmurksen, wir würden für Lebzeiten im dunkelsten Loch verschwinden- Familiensinn und Sippenkultur hin oder her.

 

Gruss,

Thomas

 

P.S.: Die betreffenden Richter gelten nicht gerade als hardliner. Die Chancen, mit Totschlag durchzukommen, sind deshalb ziemlich hoch (nicht zu vergessen der politisch brisante Aspekt dieser Tragödie...)

Manfred Schmieder
Geschrieben

Hallo Walter,

 

Vergesst nicht die Herkunft des Täters! Da gelten noch andere Moral- und Ethikvorstellungen, als in unserem westlichen, dekadenten Weltbild der Beliebigkeit.

Sehr viel Familiensinn und Sippenkultur, Gerechtigkeitssinn und Wahrhaftigkeit.

 

Selbst wenn der Fluglotse die Angehörigen des Täters mit voller Absicht in den Tod geschickt hätte, würde ich es niemals als irgendwie verständlich bezeichnen. Nicht ohne Grund ist die Selbstjustiz völkerübergreifend auf dem ganzen Planeten verboten worden. Und unser westliches Weltbild, das davon geprägt ist, sich (mglw. im Gegensatz zu den von dir angesprochenen Ländern) in hohem Maße an die Gesetze zu halten, als dekadent zu bezeichnen, halte ich für unmöglich. Nicht die ganze Technologie, nicht der ganze High-Tech, sondern genau diese Überwindung des Tierischen, diesen vom Kantschen Gedanken geprägten Gewaltverzicht halte ich für einen der größten Errungenschaften zivilisierter Kulturen.

 

Was ist das für eine Moral, die es deiner Meinung nach scheinbar rechtfertigt, jemanden umzubringen, der trotz besten Wissen, Gewissen und Absichten einen niemals gewollten, aber folgenschweren Fehler begangen hat? Stelle man sich mal vor, so ein Verständnis würde sich durchsetzen. Dann könnte man die Verkehrstotenzahlen gerade verdoppeln. Die direkten Verkehrstoten + noch mal so viele für die Rache.

 

So ein Verhalten legen nicht mal Primaten an den Tage, und ich hoffe, dass derjenige hart bestraft wird, auch wenn ihm mglw. gerechtfertigterweise mildernde Umstände gewährt werden.

 

Das Drama ereignete sich zwar auf Schweizer Boden, die erklärbaren Hintergründe dazu liefert uns die Kultur Ossetiens. Hart, aber unumstösslich.

Gruss Walti

 

Ich bin immer entsetzter. Einen Menschen zu töten, kann mit nichts relativiert, und erst recht mit nichts "erklärt" werden.

 

So eine Situation ist für einen Betroffenen sicherlich der absolute Horror. Aber man muss sich selbst zumindest noch soweit im Griff haben, eine Sache nicht zu tun: Jemanden umzubringen.

Geschrieben
die bewiesene Handlung des abwehrenden Handschlages des Opfers gegen den Umschlag mit den Familienfotos des Täters
Warst Du oder war nur der Blick dabei?

 

Ich wäre dafür, dass man den Prozess abwartet.

 

Hans

Geschrieben
Vergesst nicht die Herkunft des Täters! Da gelten noch andere Moral- und Ethikvorstellungen, als in unserem westlichen, dekadenten Weltbild der Beliebigkeit.

Sehr viel Familiensinn und Sippenkultur, Gerechtigkeitssinn und Wahrhaftigkeit.

 

Die Tat dieses zum äussersten verzweifelten Familienvaters kann niemals zum Mord, weder nach unseren Rechtsusanzen, noch weniger nach deren der Täterherkunft, hochgeredet werden.

 

Die absolut verhängnisvollste Situation war die bewiesene Handlung des abwehrenden Handschlages des Opfers gegen den Umschlag mit den Familienfotos des Täters, in dessen Folge das Couvert auf den Boden fiel.

 

Das Drama ereignete sich zwar auf Schweizer Boden, die erklärbaren Hintergründe dazu liefert uns die Kultur Ossetiens. Hart, aber unumstösslich.

 

 

Gruss Walti

 

Walti, das klingt so, als würdest Du die Tat gutheissen! Wenn jemand mehrmals auf einen am Boden liegenden einsticht, so ist die Absicht klar. Die Tat ist durch den Verlust der Familie erklärbar, vielleicht auch in gewissen Ausmassen nachvollziehbar, aber NIE dadurch gerechtfertigt.

 

Alex

Geschrieben
Ich wäre dafür, dass man den Prozess abwartet.

 

Genau! Ehrlich gesagt verstehe ich die grosse Aufregung um diesen Prozess gar nicht. Dieses Delikt ist für mich weder schlimmer noch milder zu werten als ein anderes Tötungsdelikt, welches auf Rachegelüsten basiert!

Geschrieben
Der Täter handelte nicht in Affekt, da er Recherchen zum Lotsen anstellte, eine Reise in die Schweiz plante und durchführte, den Lotsen aufgelauert hat mit dem Wissen und Wollen, diesen umzubringen. Die Tat war also von langer Hand geplant!

 

Ja, er hat Recherchen angestellt.

Ja, er hat die Reise geplant und durchgeführt.

Ja, er hat dem Fluglotsen aufgelauert. Aber es ist nicht bewiesen, dass er ihn wirklich töten wollte. Laut seinen Angaben, wollte er ihn nur zur Rede stellen. Ob es stimmt, werden wir wohl nie herausfinden. Wobei ich vermute, dass es wirklich so war. Sie führten ja ein Gespräch, in dessen Verlauf er ihn dann getötet hat. Der Grund wird wohl für immer sein "Geheimnis" bleiben, sofern er sich daran erinnert.

 

 

 

Gruss Marc

Geschrieben

Ein alter, gebrochener Mann der Selbstjustiz ausübt weil ein gelgieriges Unternehmen schuld am Tod seiner Familie trägt...Hollywood lässt grüssen und für die Medien eine perfekte Geschichte...

Der Lotse mag eine Mitschuld am Tode seiner Familie haben. Er alleine trägt aber die Schuld am Tod eines Familienvaters.

Recht haben und Recht bekommen...Der Spruch hat schon manchen in den Wahnsinn getrieben. Trotzdem, unsere Gesellschaft kann die Selbstjustiz nicht gutheissen.

 

Saludos

David

Geschrieben

War es eine Tat im Affekt? Oder bis ins Ende durchgeplant?

 

Kalojew selber sagt, er wollte Ihn nicht töten sondern ihn nur damit konfrontieren.

Klar - aus Kalojew Sicht war der Lotse Schuld am Tod seiner Familie, aber vielleicht wollte er den Lotsen wirklich nur damit konfrontieren, ihm die Bilder zeigen...

 

Verständlich ist dann aber die Reaktion des Lotsen (oder so wies gewesen sein soll). Etwas womit er selber kaum fertig wird, die "Mitschuld" wird Ihm von einem indirekten Opfer vor die Augen gehalten - vor seinen eigenen vier Wänden.

Die abweisende Reaktion ist da völlig nachvollziehbar, wenn auch wie es aussieht folgenschwer.

 

Das diese kalt und abweisend wirkende Reaktion des Lotsen für den Familienvater Kalojew in dem moment völlig unverständlich war und er tatsächlich im affekt das Messer zog und auf den Mann einstach ist möglicherweise die tragische Folge auf die Reaktion des Lotsen.

 

Die Tat ist alles andere als rechtfertigbar oder rechtens, aber das Motiv ist verständlich auch wenn es die Tat nicht besser macht!

Geschrieben
...Ein alter, gebrochener Mann der Selbstjustiz ausübt weil ein gelgieriges Unternehmen schuld am Tod seiner Familie trägt...

 

Ohne Worte :001:

Geschrieben
Die Tat ist alles andere als rechtfertigbar oder rechtens, aber das Motiv ist verständlich auch wenn es die Tat nicht besser macht!

Aus welchem Grund hatte er überhaupt ein Messer dabei ?

 

Gruss

 

Wilko

Geschrieben

Es gibt viele Leute, die Messer auf sich tragen, ohne dass sie jemand damit umbringen wollen. Wieviele Schweizer haben ständig einen Sackhegel dabei?

Geschrieben

Natürlich haben die Schweizer ihr Sackmesser im Sack. Aber der Mann kommt aus dem Ausland und hätte so sein Messer durch den Zoll bringen müssen. Es sei denn, er hätte es hier gekauft. Ich glaube aber wohl kaum, dass ihm der Sinn nach Souveniers stand.

 

Naja, dass soll jetzt die Justiz klären und fair beurteilen. Egal wie es ausgeht, der Fluglotse wird nicht wieder lebendig, ebensowenig wie die Familie des Täters.

 

Gruss

 

Wilko

Geschrieben
Natürlich haben die Schweizer ihr Sackmesser im Sack. Aber der Mann kommt aus dem Ausland und hätte so sein Messer durch den Zoll bringen müssen.

 

...was nicht verboten ist.

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