nff Geschrieben 31. Mai 2005 Teilen Geschrieben 31. Mai 2005 Ein fremdes Geräusch hat mich aus dem Traum geholt. Wo bin ich? Für kurze Zeit befinde ich mich im leeren Raum. Ein kurzer Blick auf den Wecker - er zeigt 0330 Uhr und bringt mir immerhin einen Teil meines Zeitgefühles zurück. Die Vorhänge im Hotelzimmer sind absolut lichtundurchlässig und nur ein Blick hinter diese können meine nächste Frage beantworten: Ist es Tag oder Nacht in Narita? Draussen ist es dunkel und die kleinen japanschen Autos fahren nur spärlich – es ist also 0330 Uhr am Morgen. Bin also vor knapp 3 Stunden nach einem Flug um die halbe Welt, etwas Sport und einem schmackhaften Nachtessen ins Bett gefallen und freute mich auf einen langen Schlaf. Drei Stunden geht noch nicht unter Schönheitsschlaf und dementsprechend sehe ich jetzt auch aus. Trotzdem, ich bin hellwach! Was soll’s, der Fernseher leuchtet auf und ich zappe auf den 14 Kanälen herum. Bei sieben Programmen sehe ich das Testbild, zwei Sender verzichten sogar auf dieses, CNN und BCC bringen nur George W. Bush und die restlichen japanischen Fernsehstationen haben einen Humor, den ich nicht teile. Es ist 0337 Uhr, in drei Stunden und ein paar Minuten öffnet das Frühstücksbuffet. Mein Magen knurrt aus unerklärlichen Gründen - 24 Stunden Roomservice kennt man im Narita Hilton nicht. Ich versuche zu rekapitulieren, warum meine Körperuhr so rebelliert. In Japan ist es 4 Uhr am Morgen. Japan ist 7 Stunden weiter als die Schweiz - zeitlich meine ich natürlich. Vor ein paar Tagen war ich für 5 Tage in Los Angeles. Ja, sie haben ja Recht, wir Piloten haben wirklich ein schönes Leben! Los Angeles ist 9 Stunden hinter der Schweiz - nicht nur zeitlich versteht sich. Es ist jetzt also 4 Uhr Morgens in Japan, 21 Uhr Abends in der Schweiz und 12 Uhr Mittags in Los Angeles. Aha, darum der Hunger! L.A. ruft nach Essen! Ja was mache ich denn gewöhnlich um diese Zeit? Letzte Woche wanderte ich um 12 Uhr Mittags im Brice Canyon herum, in der Schweiz sitze ich um 21 Uhr in der Regel mit meiner Frau auf dem Balkon oder geniesse eine DVD und in Japan, was soll ich nur in Japan um 4 Uhr in der Früh machen? Mein Körper hat sich entschieden: er will nicht schlafen, er will essen! In genau 3 Stunden öffnet das Frühstücksbuffet. So versuche ich herauszufinden, wo sich meine Körperuhr im Moment befindet. Mathematisch gesehen ist die Differenz zwischen Los Angeles und Japan, auf dem Weg wo ich her gekommen bin, 16 Stunden. Die Kollegen von United Airlines im Hotel haben es da besser. Die flogen direkt über den Pazifik und kämpfen somit nur mit 8 Stunden Unterschied. Nehme ich das Mittel von 16 Stunden, ich hatte ja immerhin 5 Tage frei in Zürich (ja ich weiss, wir Piloten haben ein tolles Leben), bleiben also noch 8 Stunden. Mein Körper befindet sich somit von den Zeitzonen her betrachtet in Portugal. Dort ist es jetzt 20 Uhr am Abend, die Touristen feiern und der Portwein fliesst in Strömen. Darum kann ich vermutlich nicht schlafen. Noch genau 2 Stunden und 30 Minuten bis zum Frühstück – ich sterbe vor Hunger während die Gutgenährten in Los Angeles den dritten Hamburger essen, die Engländer in Portugal ‚Bacalhau’ geniessen und mein Schwager in Zürich die letzte Wurst auf den Grill legt. Nicht mal Nüsse in der Minibar! Die zwei Programme mit dem Schneesturm senden jetzt immerhin ein Testbild. Noch 2 Stunden bis zum Frühstück. Ich überlege, wenn ich jetzt die nächsten 2 Einsätze wieder nach Japan fliege, dazwischen je 4 Tage frei habe und dann Ende Monat nach Los Angeles jette, wo befindet sich meine innere Uhr dann? Alles verstanden? Nein? Macht nichts, mein Körper kapiert es auch nicht! :o Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen Mehr Optionen zum Teilen...
dani2 Geschrieben 31. Mai 2005 Teilen Geschrieben 31. Mai 2005 Hoi Peter Selber schuld ;) . Wärst Du wie die anderen in den Container gegangen, wärst Du jetzt mit dem Bauch voller Bier auf dem Heimweg ins Hotel. Das Einzige, dass sich da erholen muss, ist das Gehör. :005: Viel Spass bei den nächsten NRT's!! Dani Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen Mehr Optionen zum Teilen...
nff Geschrieben 31. Mai 2005 Autor Teilen Geschrieben 31. Mai 2005 ..... wo Du recht hast, hast Du recht :p Hoffentlich fragt jetzt niemand, was mit dem Container gemeint ist :005: Ich antworte nicht, ich NICHT... Gruss nff v/o Peter Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen Mehr Optionen zum Teilen...
crassmike Geschrieben 31. Mai 2005 Teilen Geschrieben 31. Mai 2005 Was ist der Container :D :p ? Hast ja ne richtige kleine Kurzgeschichte geschrieben, nett. MfG, Michael. Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen Mehr Optionen zum Teilen...
Lucien.S Geschrieben 31. Mai 2005 Teilen Geschrieben 31. Mai 2005 Hallo Coole Geschichte (auch wenn sie warscheinlich real ist :)) Aber was ist das denn für ein Hilton in dem es nicht mal was zu Essen hat in der Minibar :001: :008: Hoffentlich gibt es später wieder einmal einen kleinen Bericht von dir (evt. sogar mit bilder :)) Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen Mehr Optionen zum Teilen...
Tobias Karcher Geschrieben 31. Mai 2005 Teilen Geschrieben 31. Mai 2005 Hi Peter, Vielen Dank für deine Anekdote. Hatte mich schon oft gefragt, ob der Körper eines Langstreckenpiloten bzw. eines Vielfliegers(viel Langstrecke) mit der Zeit eine gewisse Art an Routine gewinnt. Sowie es scheint also nicht. Meine bisher größte Zeitverschiebung waren +11 Stunden innerhalb 3 Tagen. Routing war FRA-KUL-AKL. Ich kam Morgens um 6 Uhr in Kuala Lumpur an, glücklicherweise konnte ich dort mehrere Stunden schlafen und somit hatte ich in Neuseeland geringere Probleme mit dem Jetlag, als ich sie mir vorhin ausgemacht hatte. Auf dem umgekehrten Wege war es jedoch etwas schwieriger -11Stunden zurück innerhalb 2 Tagen... da machte der Körper am Ende nicht mehr lange mit :004: :) Gruß, Tobias Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen Mehr Optionen zum Teilen...
Roberto Geschrieben 31. Mai 2005 Teilen Geschrieben 31. Mai 2005 Bilder müßen nicht unbedingt sein Lucien... Peter hat eine erfrischende Art zu schreiben und Bilder mit Worten zu generieren welche er sich unbedingt erhalten muß welche sehr amüsant und unterhaltsam zu lesen ist. Ich lese gerne die Postings in welchen mal mit ganz anderen Mitteln (in diesem Fall des Wortes) und mit persönlichen Aspekten über den Alltag und die Gedanken eines Piloten berichtet wird. Der obige Bericht ist schon fast eine in sich geschlossene Geschichte mit einer interessanten Thematik des Pilotenjobs. Und in den Berichten bringt er Beobachtung und Gedanken zu seinem Job aus seinem Betrachtungswinkel besser rüber als es mit Bildern vielleicht möglich ist. Bilder schaffen Fakten, wo es einem überlassen ist sich den Rest zu denken. Die schriftliche Form bringt die Story, das Wissen um den Sachverhalt und eine betrachtungsweise wo es an einem ist sich die Bilder dazu vorzustellen die eigene Phantasie spielen zu lassen. Bei zehn verschiedenen Lesern des Berichtes entstehen vor Ihrem "inneren Auge" zehn verschiedene Bilder und Vorstellungen über das Geschilderte. Das ist was besonderes und ich freue mich schon auf weitere Berichte in dieser Art und Weise der Darstellung. ------ Wobei man diesen Crewrestbunker von Peters ersten Bericht wirklich mal gesehen haben muß um sich ein Vorstellung über dessen Enge machen zu können. Es ist komisch, aber als ich einmal so einen Würfel besichtigen durfte hatte ich auf einmal den Geruch von frischen Brötchen und frischgebrühtem Kaffee in der Nase und der Pawlowsche Reflex schlug voll zu, obwohl es eher nicht nach Kaffee und Brötchen in diesem "Schlaf- und Ruhegefängnis" roch. Daran hatte wohl der Bericht von Peter "schuld". Ich hatte auch das spontane Gefühl, daß man diese Enge noch am besten bei absoluter Dunkelheit erträgt. Soviel zur Macht des Wortes.........spricht für die Fähigkeiten des Verfasser. Danke Peter........und bitte weiter so... :) Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen Mehr Optionen zum Teilen...
Hergi Geschrieben 31. Mai 2005 Teilen Geschrieben 31. Mai 2005 Genial geschrieben :D Merci für den Text, Peter. Gruß Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen Mehr Optionen zum Teilen...
teedoubleyou Geschrieben 1. Juni 2005 Teilen Geschrieben 1. Juni 2005 Hallo Peter Um deine Frage noch zu beantworten: Ja, jetlag ist ungesund. ;) Sehr schön geschrieben. Gruss Tom Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen Mehr Optionen zum Teilen...
SwissMD-11 Geschrieben 1. Juni 2005 Teilen Geschrieben 1. Juni 2005 Als ich nach Japan flog, wurden wir als erstes ueber drei Stunden durch die Stadt geschleppt, um wach zu bleiben... Ich bin dann trotzdem um 9 Uhr LT ins Bett gefallen, und habe 12 Stunden durchgeschlafen... Am naechsten Abend ging's aber schon wieder. Ich finde es immer faszinierend solch Berichte zu lessen, danke Peter! Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen Mehr Optionen zum Teilen...
Empfohlene Beiträge
Dein Kommentar
Du kannst jetzt schreiben und Dich später registrieren. Wenn Du ein Konto hast, melde Dich jetzt an, um unter Deinem Benutzernamen zu schreiben.