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RayBan und ein kleines Dankeschön


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Geschrieben

Hallo zusammen

 

Es kommt immer mal wieder vor, dass ich auf meine RayBan Story angesprochen werde und wann denn eine Fortsetzung erscheint. Leider ist da kein Termin in Sicht.

Da mehrheitlich der Kontakt irgendwie über Flightforum.ch zustande kam, bedanke ich mich über diesen Kanal nochmals für all die netten Mails. Soeben ist wieder eines eingetroffen, was mich als Dank dazu veranlasst zwei Kapitel im Rohzustand hier zu publizieren.

 

Danke und viel Spass

Tom

 

Alpenflug light oder Flugzeugphilosophie

 

Wenige Wochen nach meinem Flug nach Biel stand ein erster Flug mit Passagieren auf dem Plan. Ok, ganz normale Kollegen, aber Passagier klingt halt unglaublich gut. Damit dieser aber durchführbar wurde, musste ich mich zuerst auf einen neuen Flugzeugtyp einweisen lassen. Ein Muster mit mehr als 2 Sitzen. 2 Abende verbrachte ich mit einer äusserst kompetenten und netten Fluglehrerin, um mich auf eine Piper Archer einweisen zu lassen. Hans – mein erster Fluglehrer – durfte mir zwar das Fliegen lernen, aber leider keine Archer fliegen. In der Fliegerei ist das nämlich so, dass man für jedes neue Fluggerät eine Einweisung machen muss. Für jeden Newbie eine Genugtuung, dass auch die gössten RayBan Träger zwischendurch wieder mal "unten" anfangen müssen. Jedenfalls war diese Einweisung, nebst dem eigentlichen Zweck, nämlich den Flieger kennen zu lernen, sehr spannend. Mit einem anderen Fluglehrer zu fliegen, andere Ideen, Ansichten und Tipps zu hören schadet überhaupt nicht. Die Einweisung verlief problemlos und ich stellte fest, dass die Archer leichter zu fliegen ist, als meine liebe Grob. Diese Piper Archer hat 4 Sitze, was natürlich einige Vorzüge liefert. Leider hat das Teil nur 180PS. Im Vergleich zu meiner 2plätzigen, mit 160PS bestückten Grob, ein echter Rückschritt. Das kann man aber mit dem "echten" Leben am Boden vergleichen. Man ist Junggeselle und fährt ein schnittiges Sportcoupé mit 250PS, wenn sein muss auch noch aufgeladen. Kaum ist Nachwuchs in Sicht, tauscht man den spritzigen Zweisitzer in einen 4 - 6 plätzigen 140PS "starken" Van um. Nichts desto trotz hat so ein 4plätziges Flugzeug auch seine Vorzüge, wie übrigens auch ein Familienauto. Man(n) kann zum Beispiel über das Wochenende wegfliegen und muss sich nicht entscheiden, ob man(n) frische Unterwäsche oder die Freundin mitnehmen möchte. Obwohl sich das Problem von selbst lösen würde, da Freundin wohl kaum mitkommt, wenn Freundin wüsste, dass Mann keine Ersatzwäsche dabei hat. Oder noch schlimmer, Frau auf ihren Beautycase verzichten muss. Wie auch immer, mit einem 4Plätzer ist das Problem hinfällig und kommt erst wieder auf den Tisch, wenn man(n) mit Fliegerfreunden ohne Frauen los will. Das ist aber ein ganz anderes Thema und gehört nicht hierher.

Jedenfalls habe ich die Einweisung beendet und mich auf einen, mit Sonnenschein versprochenen Sonntag, mit zwei Kollegen und meiner Freundin auf einen Rundflug verabredet. Immer noch Newbie, dafür mit drei Menschen an Board, komme ich dem Airliner-RayBan-Feeling langsam - sehr langsam – extrem langsam - näher.

Gewünscht war von den Kollegen ein Alpenrundflug. Gotthard, Grimsel, Lukamanier oder sowas in der Art. Also setzte ich mir Locarno zum Ziel. Stunden habe ich damit verbracht, eine minutiöse Flugplanung nach Locarno zu erstellen. Alternative Routen, Plätze, worst case Szenario usw. Ich hoffte jetzt nur noch auf wirklich schönes Wetter. Mein Hoffen brachte den gewünschten Erfolg und an besagten Sonntag war wunderschönes Wetter. Gegen Mittag fanden sich meine Paxe (ach wie das klingt… *träum*) im Speck ein. Noch ein letztes Wetterbriefing in dem irgendetwas von Dunst und leichter Bewölkung stand. Mit anderen Worten nicht das von mir gewünschte grand beau. Diese Feststellung trieb mir so langsam den Schweiss in die Stirn. Schlechtes Wetter und Gebirge ist eine ungünstige Kombination, für einen Newbie wie mich sowieso. Ich entscheide mich die Route und die Destination etwas abzuändern, um die wirklich grossen Hügel auszulassen. Vor den Bergen habe ich einen gehörigen Respekt, auch heute noch. Muss wohl daran liegen, dass in den Flugunfallberichten, die Wracks häufig in alpinen Gegenden abgeholt werden. Das neue Ziel heisst also Thun. Replanning (klingt gut nicht?) ist schnell gemacht, da Thun in einem meiner unzähligen Alternativszenarien bereits aufgeführt war. Jetzt galt es nur noch meinen Passagieren ein A für ein O zu verkaufen und ich schwärme vom Vierwaldstätter-, Brienzer- und Thunersee, sowie die Gelegenheit Eiger, Mönch und Jungfrau zu sehen. Dies im vollen Bewusstsein, dass ein Flug über den Gotthard, Lukmanier und Pizza essen im Tessin einiges eindrücklicher gewesen wäre, als der bescheidene Hüpfer über den Brünig. Für mich jedenfalls. Da ich aber der Pilot in Command bin, Chefe, Boss, Fachkundige oder was das Wichtigste ist, das arme Schwein, wenn etwas passieren würde, steht der Entscheid fest und meine Passagiere glauben mir natürlich vorbehaltlos. Ich hoffe diese werden diese Zeilen nie zu Gesicht bekommen, ich würde wohl meines verlieren.

Um xx.xx Uhr sind wir gemäss Logbuch abgeflogen. In der Tat lag im Mittelland so ein gewisser Dunst, den ich so noch nie gesehen hatte. Die Sicht war, da wir gegen die Sonne flogen, eher mässig, sehr ungewohnt und ich war der Meinung, dass es so nie über die Alpen gereicht hätte. Der Flug verlief Reibungslos, wie geplant flogen wir via Vierwaldstättersee Brünig, Brienzer- und Thunersee nach Thun. Eiger, Mönch und Jungrau präsentierten im Gegenlicht der Sonne, aber da kann ich ja nichts dafür… Ich freute mich jetzt trotzdem auf Thun, da es ein hübsches Plätzchen ist, welches ich ohnehin irgendwann mal besuchen wollte.

Nach ca. 45 Minuten sind wir gelandet, haben ein Stündchen mit Eistee in der brennenden Oktober Sonne verbracht und sind dann, via Emmental heimgeflogen. Die Sicht bombig und praktisch wolkenlos.

 

So schön der Flug letzendlich war, so sehr hatte ich Zweifel an mir. Die Wetterdaten deuteten auf einen problemlosen Flug nach Locarno hin und ich hatte mich nicht getraut. Bin ich ein schlechter Pilot? Am Funk hörte ich zig Flieger die Gotthard oder andere Pässe meldeten. Nur ich habe es gerade mal über den Brünig geschafft. Nach diesem Flug hatte ich starke Zweifel, ob ich dieses Hobby weiter betreiben sollte. In den Monaten der Ausbildung gab es einiges an Wettersituationen die ich nie erleben durfte und jeder Entscheid wurde überwacht. Die Tatsache, dass ich auf mich selbst gestellt bin und das ich in den rund 50 Ausbildungsstunden einfach nicht alles erleben kann und konnte, wurde mir bewusst. Ich würde in den nächsten Monaten und Jahre meine Grenzen herausfinden müssen. Heute beurteile ich die gleiche Situation als "Ja, ist ein bisschen Dunstig, aber null problemo".

 

 

Was nicht installiert ist kann nicht kaputt gehen

 

An sich eine logische Schlussfolgerung. Dennoch neigt der eine oder andere Pilot dazu sich in Flugzeugen, die mit allerlei technischen Kram voll gepackt sind sicherer zu fühlen und ziehen daher, wenn immer möglich, das best ausgerüstete Teil aus dem Hangar. Dabei würde für den Sichtflug eigentlich ein Motor, Flügel und ein paar bewegliche Teile reichen und schon man fliegen. Ein Kompass, Höhen- und, Geschwindigkeitsmesser helfen ungemein, aber dann hat es sich schon bald mit der notwendigen Technik. Ok, in der Schweiz ist man ohne Funkgerät ziemlich aufgeschmissen, aber jetzt ist dann wirklich Schluss Technik.

Ich habe die Erfahrung machen müssen, dass ich eigentlich immer nur dann ein Problem in der Luft hatte, wenn ich einen Flieger geflogen bin der mehr als den oben erwähnten Geräten ausgerüstet war. Nicht dass ich keinen Flieger mehr fliegen würde, der mit mehr als einen Motor ausgerüstet ist - im Gegenteil, die vielen Hebel und Schalter (leider zu ungunsten der Luftraumüberwachung) zu bedienen macht einen Heidenspass und bring so ein gewissen RayBan Feeling. Bringt nur eigentlich nichts. Letztendlich heisst es: Rauschauen, um ans Ziel zu kommen.

 

Da ich von meiner ersten Stunde an, mit solch bescheiden ausgerüsteten Maschinen unterwegs gewesen bin, müsste ich jetzt mit stolz behaupten können, dass ich noch nie technische Probleme zu verzeichnen hatte. Wenn das Wörtchen wenn nicht wäre...

 

Funkausfall

 

Natürlich ist der Ausfall eines dieser ohnehin unnötigen Geräte keine Katastrophe. Nur gewöhnt man sich sehr daran und ist dann etwas verwirrt wenn etwas nicht mehr so tut wie es tun sollte. Privatpiloten sind natürlich auf Herz und Nieren auf solche Eventualitäten ausgebildet. In der Theorie versteht sich. Praktisch sieht es oft ganz anders aus. Da kann ein streikendes Gerät die Stimmung an Bord ganz schön dämpfen.

Einige Monate nachdem ich meine Lizenz machte, also die Zeit nachdem man Fliegen gelernt hat und natürlich nie einen solchen Zwischenfall erleben würde, war ich mit einer Cessna 152 unterwegs und im Anflug auf meinen Heimflugplatz. Eine Cessna 152 ist ein Musterbeispiel für ein Flugzeug mit dem man nach Sicht fliegt. Viel Nieten, Flügel, Blech, Motor und die oben genannten hilfreichen Geräte inklusive Funk, man ist ja in der Schweiz.

Nach dem ich mich freundlich bei Zürich Info verabschiedet habe, drehe ich auf dem Funkgerät Marke Vorkriegszeit (also aus einer Zeit, wo die Technik noch solide und zuverlässig gebaut wurde) die Frequenz vom Speck rein und mache einen ersten Aufruf, dass ich am Anflug auf den Flugplatz bin. Ich weiss, dass nebst normalen Betrieb auch Segelflieger in der Luft sind und Fallschirmbetrieb ist. Sprich es herrscht reger Betrieb vor Ort und Positionsmeldungen helfen da allen Piloten ungemein. Ich höre aber nichts. Also noch ein Aufruf und gleich mal einen Radio Check hinten ran gehängt. Keine Antwort. Ohne Funkverbindung stürzt ein Flugzeug nicht ab, trotzdem ist das der Moment, wo Pilot mit bescheidenen 60 Stunden Erfahrung allmählich ins Grübeln kommt. Grübeln während einer so heiklen Angelegenheit wie Flugzeuge steuern? Da muss ich etwas ausholen.

Es wird allgemein behauptet, dass ein Pilot in der Luft ca. 1-2/3 dümmer ist als am Boden. Diese Tatsache kann ich bestätigen. Vor allem als untrainierter oder neuer Pilot werden einem mit den einfachsten Aufgaben, wie z.B. Flugzeug geradeaus fliegen, so viele Ressourcen gezogen, dass das kleine 1 x 1 oder das Geburtsdatum der Freundin zu Tortur werden kann. Zugegeben zweiteres ist oft auch am Boden ein Problem, aber darauf kann ich hier nicht eingehen. Ich zähle mich jedenfalls zu dieser Kategorie Pilot und bin auch sonst nicht überdurchschnittlich intelligent. Fassen wir zusammen: Mein Durchschnittsintellekt abzüglich den 2/3 da bleibt schon mal nicht mehr viel übrig. Die Tatsache, dass jetzt etwas nicht so funktioniert wie es sollte, zieht in Bruchteilen von Sekunden nochmals soviel Memory, dass mein Intellekt wohl auf diesen eines Kaninchens reduziert wird. Was es bedeutet, wenn ein Kaninchen eine Cessna fliegt muss ich wohl nicht näher beschreiben. Worauf ich hinaus will. Das Flugzeug fliegt mit oder ohne Funkgerät prächtig weiter. Entscheidend ist, wie Pilot sich in dieser Situation verhält. Nun, glücklicherweise wurde man darauf vorbereitet… in der Theorie. Also ist es jetzt mal entscheidend, dass ich mindestens wieder auf ein geistiges Niveau eines Menschen zurück komme. Konkret heisst das, dass das Kaninchen über Bord geworfen wird. Zurücklehnen und nicht Grübeln sondern durchatmen. Hat man sich beruhigt und glaubt wieder an sich selbst, geht es an die Situationsanalyse und Lösungsfindung.

Frequenz checken... ist korrekt. Gerät ist eingeschaltet.... ja. Dritter Versuch. Negativ. Schalte zurück auf Info. Reges treiben. Bester Empfang. Schüchterne Anfrage an Zürich Info, ob sie mich denn verstehe. Mit einer etwas fragenden Unterton bekomme ich Antwort: “Read you by five” (0 bis 5 gibt Auskunft über die Empfangsqualität). Gut! Wünsche der Dame zum zweiten Mal einen schönen Abend und wechsle hoffnungsvoll zurück auf Speck. Aufruf erfolglos. Ratlosigkeit tritt erneut ein und das Kreisen zwischen Wetzikon und Hinwil macht auch keinen Spass mehr. Ich schalte das Gerät nochmals aus und wieder ein, erneuter Versuch. Erfolglos. Jetzt ist Zeit für einen hochtechnischen Geniestreich: Der gezielte Schlag mit der rechten Faust auf das Gerät bringt auch keine Besserung…. Wir analysieren weiter… Der Funk will einfach nicht. Anflug ohne Funk ist kein Problem. Speck ist unkontrolliert, jedoch sind Verkehrshinweise, wenn reger Flugbetrieb ist, sehr wichtig. Enttäuscht dass die alte solide Technik den Dienst verweigert, komme ich zur Lösungsfindung und greife ich zu einem letzten Geniestreich.

Ich zücke mein Handy und rufe den Flugplatz an. Teile dem Flugdienstleiter mit, dass mein Funk nicht gehe und ich jetzt via Einflug Echo landen werde. Er möge doch bitte dem restlichen Verkehr mitteilen, dass sie etwas intensiver Ausschau nach einer Cessna 152 halten sollen, welche sich jetzt stillschweigend auf die Volte begibt. Anflug und Landung klappt problemlos.

Bleibt nur noch sagen, dass der Funk, unmittelbar nachdem ich aufgesetzt habe, wieder 1A funktionierte und mich natürlich leicht diskreditierte!

Geschrieben

Hallo Tom

 

und wieder einmal hat der Meister der aviatischen Feder zugeschlagen !!!

 

Ich finde es einfach toll, wie Du Deine luftigen Erlebnise an uns weitergibst.

Man fliegt sofort mit Dir mit und fühlt sich auf den Sitz neben Dir platziert.

Bitte weiter so. :008:

 

CU

Johannes Müller
Geschrieben

Hi Tom

Danke für Deine super-spannenden Geschichten :)

 

Hast du übrigens jetzt eine Ray-Ban? (sonst müssten wir mal sammeln :005: )

 

Schönes Wochenende + Gruss

Johannes

Geschrieben
Hast du übrigens jetzt eine Ray-Ban? (sonst müssten wir mal sammeln :005: )

 

Hallo Johannes

 

Nö, hab ich nicht und will ich auch nicht. :D

 

Gruss

Tom

Geschrieben

Hi Tom,

 

wunderschön zu lesen und für mich von allerhöchster Aktualität, da ich mir morgen nachmittag auch zum erstenmal via dieselbe Route den kleinen Hüpfer über den Brünig geben werde :)

Aber das Wetter wird diesmal wohl meinem UserNamen eher entsprechen :005:

 

Grüsse

Konrad

Geschrieben

Hallo Tom.

 

Endlich kam ich dazu, auch noch die zweite Deiner Geschichten durchzulesen.

 

Beide in der "alt gewohnten" Manier, mit Schalk zwischen den Zeilen und Nachdenk-Stoff. Sensationell geschrieben, ich hoffe Fortsetzungen folgen.

 

Ach ja, apropos "unnötige" Technik... [schlechtes Gewissen ein]Du hörst demnächst von mir (jetzt würde ich Dich womöglich noch wecken :o ), Du weisst schon... :rolleyes: [schlechtes Gewissen aus]

 

Gruess & Danke

Johannes

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