St-Exupéry Geschrieben 16. April 2005 Geschrieben 16. April 2005 Ich flug letzthin vom Bodensee nach Birrfeld. Dazwischen lag eine näherrückende Kaltfront mit einer zu 7/8 geschlossenen Wolkenunterdecke auf ca. 3'300 ft/amsl. Als ich mich bereits seit einiger Zeit unter dieser Wolkendecke befand, begannen heftige, örtliche Turbulenzen die sich nicht durch den herrschenden Föhn erklären liessen, sondern von eingelagerten CB's stammen mussten. Ich bahnte mir einen Weg durch die Turbulenzen und kam so auf folgende Frage: Wie erkennt man diese in die restlichen Wolken eingelagerten CB's ohne Wetterradar oder Stormscope? Sind die Stellen, aus denen es heftig herausregnet ruhiger, sind es die hellen Stellen im Wolkendeckel? Optisch sahen die Wolken von unten im grossen Umkreis praktisch gleich aus. Gibt es überhaupt optische Merkmale oder andere Indikatoren? Ich glaubte die Erfahrung zu machen, dass es über dem Bodensee, bzw über Wasserflächen weniger turbulent war. War das Zufall? Gruss Reto Zitieren
St-Exupéry Geschrieben 18. April 2005 Autor Geschrieben 18. April 2005 Hoi Beni, besten Dank für Deine meterologischen Ausführungen. Deine Schilderungen decken sich mit meinen Beobachtungen. Natürlich wäre umkehren und eine Landung in LSZR eine Option gewesen, die ich auch in Betracht zog. Es war aber so, dass kurzzeitig heftige Turbulenzen da waren und dann, nach einem Ausweichmanöver wieder ein ruhiger Flugverlauf möglich war. Und das ging immer weiter so. Die Turbulenzen waren erst moderart und dann, wenn ich mich dem unsichtbaren 'Kern' des CB näherte, heftiger. Mit einem Kurswechsel wurde es jeweils wieder ruhiger - bis zum nächsten. Wäre ich stur geradeaus weitergeflogen, hätte es wohl fatal geendet. So habe ich nach ca. 20 schweisstreibenden Minuten die Störzone hinter mich lassen können. Nur während ca. 5 Minuten flog ich in heftigem Regen, dort war es aber recht 'ruhig'. Die Sicht wurde zwar beeinträchtigt, war aber doch so gut, dass kein ungutes Gefühl aufkam. Auch bei nachträglicher Beurteilung war der Entscheid nicht umzukehren, vertretbar, denke ich. War ein anstrengender, aber lehrreicher Flug. Gruss Reto Zitieren
Holger Kisterma Geschrieben 18. April 2005 Geschrieben 18. April 2005 ... und kam so auf folgende Frage: Wie erkennt man diese in die restlichen Wolken eingelagerten CB's ohne Wetterradar oder Stormscope? Gewitter haben Aufwind- und Abwindzonen, dementsprechend kannst Du im Normalfall an der Unterseite der Wolken erkennen, wo Du Dich befindest. Die Aufwindzone ist durch eine relativ glatte Wolkenunterseite gekennzeichnet, bei der aufgrund der teils extrem starken Konvektivität die Wolke gar wie eine Käseglocke nach innen gewölbt zu sein scheint. Du merkst am ehesten an Deinem Variometer, dass Du Dich in diesem Bereich befindest, weil Du Deine Flughöhe ständig nach unten anpassen musst. Des weiteren wirst Du in diesem Bereich auch mit Turbulenzen zu kämpfen haben. Die Abwindzone ist für die Fliegerei ziemlich gefährlich, da hier am ehesten in naher Zukunft mit Niederschlagsausfall zu rechnen ist. Je nach Reifestadium des Cbs erkennst Du die Abwindzone an nach unten ausgewölbten, fast glockenförmigen Wolken: Diese sogenannten Mammatuswolken sind letztlich ein Resultat der aufsteigenden Luftmassen: Diese steigen in der Wolke bis zum oberen Wolkenrand auf, kühlen dabei ab und verlieren gar Feuchtigkeit. Da kalte Luft jedoch schwerer als warme Luft ist, fallen sie "wie ein Wasserfall" zu Boden und beulen dabei die Wolke von Innen nach Außen aus. In diesem Stadium ist mit dem Auftreten der sogenannten Böenwalze zu rechnen, dem der Niederschlagsausfall folgt. Heftige Turbulenzen sind bis zum Einsetzen des Niederschlags die Folge. Ohne jetzt der Wetterfrosch schlechthin zu sein, meine ich, dass man ein solches Phänomen auch bei eingelagerten Cbs sehen müsste. Stratus ist ja eine ziemlich statische Wolke, die ihr Aussehen ohne Einfluss von Außen kaum verändern würde. Da ein Gewitter - egal, ob eingelagert oder nicht - sich immer durch warme aufsteigende Luftmassen "ernährt" (und als Resultat dessen auch absinkende Luftmassen auftreten müssen), müsste der Stratus an diesen Stellen seine Beschaffenheit ändern. Übrigens wären dann über Wasser tatsächlich weniger Turbulenzen (durch aufsteigende Luftmassen) zu spüren, da die angesaugten Luftmassen i.d.R. kälter wären als jene von den Landmassen und daher weniger schnell aufsteigen. Ich gebe Dir aber völlig Recht, dass man - wenn man es sieht - eigentlich schon mit Zitronen gehandelt hat und schleunigst wegfliegen sollte. Unter dem Stratus kann man eh nicht viel von der Wolkenunterkante sehen, da das Licht dort oft reflektiert und / oder der Luftfeuchftigkeitsgehalt recht hoch ist --> eingeschränkte Sicht. Bei Cbs hätte ich nur die Sorge, dass aus dem Regen irgendwann Hagel wird... . ---- [offtopic=an] Bei heftigen Gewittern ist die Abwindzone nicht sonderlich gut erkennbar. Scheinbar rauschen die Abwinde über die Aufwindzone hinweg gen Boden - ich habe keine Ahnung, dafür aber dieses Bild: Diese (sogenannte Wall-Cloud?) Wolke trat mit dem Aufzug eines Gewitters an dessen Unterseite auf. Vor der Wolke war alles geradezu unheimlich still. Die Wolke überspannte den gesamten Himmel im rechten Winkel zur Zugrichtung des Gewitters. Mit Überqueren der Wolke brach die Hölle los: Der Wind erreichte binnen Sekundenbruchteilen Orkanstärke und entwurzelte Bäume, kippte Baugerüste um etc. Dieses Unwetter hat in Deutschland sieben Menschenleben gefordert, einige davon bei mir in der Gegend (Juli 2002). ... und wenn Aufwind- und Abwindzone zu nahe beieinander liegen, dann kann es zu diesem interessanten Phänomen kommen. Allerdings muss man sagen, dass der Himmel tatsächlich so gefärbt war; das Foto ist nicht nachbearbeitet. [/offtopic] Zitieren
St-Exupéry Geschrieben 19. April 2005 Autor Geschrieben 19. April 2005 Hallo Holger, ich seh schon, Du hast in der Meteo mehr begriffen als ich. Ist ja aber auch nicht verwunderlich, dass Du als Segelflugpilot dich besser mit dem Wetter auskennt als der durchschnittliche PPL'er. Ich habe mir deinen Text gleich mal ein wenig verinnerlicht. Ich habe vermutet, das es deshalb über Wasserflächen ruhiger sein könnte, weil dort weniger Thermik herrscht, bzw. zuvor geherrscht hat. Schön, hast Du das bestätigt. Ich danke Dir vielmals für die Erklärungen und das Einfügen der interessanten Aufnahmen! Ist bestimmt auch für andere Piloten wissenswert! Gruss Reto Zitieren
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