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Reise im Cockpitcrewbunk


nff

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Acht Stunden bin ich jetzt gesessen und habe die Sonne fast von allen Seiten gesehen. Auf 11’110m haben wir Neryungi in Ost-Sibirien überflogen, als sich der Captain wieder zum Dienst zurückmeldete. Meine Schicht ist zu Ende und die beiden Kollegen werden den A340 jetzt über Khabarovsk und das Japanische Meer nach Tokyo bringen.

In der Schweiz ist jetzt 22 Uhr, mein Akku hat noch genau für 1:01 Saft und mein Auftrag lautet ‚Schlafen’.

Die Idee wäre eigentlich recht gut. Die Augen schmerzen vom grellen Licht und die Beine wollen gestreckt werden. Schon beim Liegen beginnt das eigentliche Problem. Der Chefingenieur von Airbus, sicherlich keine Nachtflugerfahrung und kaum grösser als 1.6 m, hat die Bettlänge auf genau 2,0 m bemessen. Passt also Loch-Loch bei mir. Von Breite kann man bei dieser Liege nicht sprechen. Mein Laptop hat gerade Platz, wenn ich die Gurte (auf Kopfhöhe) etwas zur Seite schiebe. Man soll sich nicht beklagen, meint mein Chefpilot und ich beisse wie befohlen in den sauren Apfel.

Der Akku hat noch 57 Minuten Saft und ich darf noch mehr als 2 Stunden in meiner Zelle hoch über Sibirien verharren. Klar wären die bemitleidenswerten Gefangenen in den GULAGS unter mir vor einigen Jahrzehnten froh gewesen, wenn sie eine Zelle in dieser Grösse gehabt hätten, aber erstens bin ich kein Gefangener und zweitens muss ich mich gemäss Auftrag erholen.

Mein Akku hat noch 53 Minuten und der Rücken schmerzt zum ersten Mal auf der harten Unterlage. Man soll sich in der Freizeit fit halten und die Rückenmuskulatur stärken, predigen meine Chefs und der ärztliche Dienst unaufhörlich, doch bei diesen Betten fragen ich mich ernsthaft, wann sich die erste Bandscheibe eines alten Piloten (in der Swiss haben wir nur noch alte Piloten – die Jungen wurden leider alle gefeuert) bei einer leichten Turbulenz verabschiedet.

Fertig gelästert, ich beschreibe ihnen lieber meine nette Zelle. Mein Ruheraum misst genau 2 Quadratmeter und hat zwei unglaublich unbequeme Pritschen eingebaut. In diesem Ruheraum sind sage und schreibe 3 Telefone, 2 Fernbedienungen und ein LCD Monitor eingepasst. Zwei der drei Telefone haben via Satellit Verbindung zur Aussenwelt. Die Fernbedienungen dienen dazu, den LCD Monitor, den man übrigens von keinem der zwei Pritschen aus richtig sieht, zu bedienen. Etwa zehn verschiedene Lichtschalter, 3 Taschenlampen, eine Schwimmweste, zwei Sauerstoffnotsysteme und eine Schutzhaube die vor Rauch schützt, sind in dem 2 Quadratmeter grossen Raum eingebaut. Verständlich, dass da kein Geld mehr übrig blieb für bequeme Matratzen und einen vernünftigen Lärmschutz.

Mein Akku hat noch knapp 50 Minuten Saft und ich werde gottlob müde. Nicht so die Passagiere und meine zwei Cockpitkollegen. Alle haben Hunger. Hunger löst in einem Dienstleistungsunternehmen immer auch Hektik aus. Trolleys werden herausgerissen, Türen zugeschlagen, Teller bereit gemacht, schusssichere Cockpittüre mit den elektronischen Bolzen geöffnet, Kaffee gebraut, Champagnerflaschen entkorkt, wieder Cockpittüre aufgeschossen, Messer auf den Boden fallen gelassen, Glas herausgenommen, schmutziges Geschirr weggeräumt und viel viel geredet. Das geschieht alles genau 15 cm neben meinem Kopf.

Ich habe noch 47 Minuten Saft und möchte schlafen. Ein Ofen heult auf und nach 4 Minuten riecht es nach frischem Brot. Der 3 cm grosse Spalt zwischen Zellentüre und Boden lässt neben dem Lärm und dem Licht auch den leckeren Geruch durch. Es riecht wirklich gut. Ich entscheide mich trotz dem Wasser, das mir im Mund zusammenläuft, das Licht zu löschen. Just als ich an meine Frau denkend einschlief, erreichen meine Kollegen die Küstennähe und Gewitterwolken lassen das filigrane Flugzeug hin und her tanzen. Mein Kopf, vorher ein Zentimeter von der Wand entfernt, knallt an die nicht isolierte Abdeckung, der Gurt auf Kopfhöhe löst sich aus der Verankerung und landet unsanft auf meinem Schädel. Schlafen in dieser Zelle – denkste!

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Hallo <.....> nff

 

Willkommen im Forum........

Mit schmunzeln habe ich Deinen kleinen Bericht gelesen und ich muß sagen, mit Deinen Augen betrachtet ist das alles nachvollziehbar. Es ist doch erstaunlich was einem da alles so an Beobachtungen und Wahrnehmungen in den Kopf kommt.

 

Also ich dachte Piloten können auf Befehl, zu jeder Zeit und in jeder noch so unbequemen Stellung schlafen. :D :D Wenn Du jedoch bei einer 2m "Liege oben und unten fast anstößt, dann hast Du aber beim Auswahl Medical gemogelt....oder? :D :D :005:

 

Aber anscheinend ist man nach der "befohlenen" Ruhezeit nur noch zerschlagener und alles tut noch mehr weh.

Was ich noch fragen wollte, Ihr habt doch bestimmt paperless cockpit

so wie sich das in Deinem Bericht anhört (Laptop)........dürft Ihr den auch priv. benutzen?

 

Aber man ist ja dankbar.........oder? Stell Dir mal vor Ihr müßtet

im Elektronik Compartment schlafen.

 

Und ja.........der Franzose (der Chefingenieur) könnte durchaus ein kleiner abgebrochener Südfranzose mit Bärtchen gewesen sein. Aber denk doch nicht, daß der in so einer Buchte geschlafen hätte, der hätte sich, als echter Franzose bestimmt aus der Galley der First eine Flasche Rotwein geschnappt und awd getrollt, Du weißt schon wohin. :005:

 

Ich wünsch Dir auf jeden Fall noch viel Spaß hier im Forum............

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Hallo ?

 

Sehr amüsanter (zumindest für den Leser) und einmal etwas anderer Flugbericht. Toll wäre, wenn du das ganze mal noch mit Fotos untermauern könntest. :D

 

Willkommen im Forum und Gruess

Tom

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Wirklich witzig, einmal ein etwas anderer Bericht. Trotz deiner bildlichen Sprache wären natürlich Fotos sehr gern gesehen! :cool:

 

[...] wieder Cockpittüre aufgeschossen, [...]
Ich hoffe doch sehr, dass hier ein "L" vergessen wurde... :p
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Sali nff,

witziger Bericht, oder ist das etwa Realität ;-) .

Ja dieser Crewbunk ist schon was spezielles, vor allem wenn die Betten zu Sitzen umgebaut sind, da rächt sich doch auch die Körperlänge, oder? Ich habe mich auch schon zur Probe draufgesetzt. Habe schon bequemeres gesehen und gespürt!

Gruss

Roger

 

PS: Bitte unterschreibe mit deinem richtigen Namen, so sind die Regeln hier im Forum, aber bitte schreib noch mehr Berichte!

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Brax, es handelt sich nicht um einen Schreibfehler... Wenn die Türbolzen aufgeschossen (!) werden, erinnnert mich der Knall regelmässig an den Häuserkampf in Isone.

Wenn nur die Motoren so Schub hätten wie die Bolzen..........

 

Peter

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Hi

 

Habe deine Geschichte aus zwei Seiten gelesen. Die eine, mit Schmunzeln, die andere mit ''Mitleid''. Wobei das letze Wort vielleicht ein weinig übertrieben ist. Ich selber hätte nie gedacht, das man so brutal mit den Crews umgeht. Es ist klar das man keine super, Giga, Körperanpassende Matratze erwarten kann, aber sowas :( Das es auch noch an der Schallisolation fehlt ist auch noch traurig... Vielleicht härtet man sich mit der Zeit noch ab... Das ist wieder ein Beweis mehr, das jeder Job auf dieser Welt einen Haken hat!

 

Devis

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köstliche bilder!

 

Wo?:D

 

Naja, also die Lufthansa Crewrestrooms sind an sich ganz in Ordnung.

 

@nff: Du meinst doch sicher die, die direkt hinter dem Cockpit sind oder? Und die sollen wirklich so knapp gebaut sein, dass du bei Turbulenzen dich am Kopf stößt? Das ist ja nicht nur unnett:D, sondern auch gefährlich.

 

Mhm, komisch. Gut nur, fachkundiges Personal hier im Forum zu haben.:)

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Hallo Peter,

 

herrlich geschriebener Bericht. Da hat sich Dein "Rest" in der Crew Bunk zumindest für uns Leser gelohnt!

 

In einer SAS 767, dich ich in CPH einmal besichtigte, fiel mir ein kleiner Schrank in der Nähe der galley auf... bis ich mit Entsetzen feststellte, dass dieser für die Ruhezeiten der Crews da war. Auf einem 747-200 Frachter gab's dann ein Stockbett (unten 2 Kojen, oben eine) mit einem Vorhang davor. Auf dem Frachter hast Du zwar nicht so viele Leute, aber wenn Cargo Attendants, Mechaniker usw an Bord sind, stele ich mir da sauch nicht so doll vor. Da lobe ich mir doch die 747-400F mit einem abgetrennten Schlafraum, der sogar zwei Fenster hat :)

 

Gruss,

Thomas

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Hi Peter

 

von wegen dem Laerm, BOSE verkauft einen Top Kopfhoerer, mein Vater benutzt den oefters wenn er geschaeftlich unterwegs ist und schlafen will. Noise cancellation oder so aehnlich bringt eine absolute Stille, vielleicht ist es ein Versuch wert.

 

Und danke fuer ein 'Einkblick" in die Cockpitcrewbunk.

 

Regards

ChayTee

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Holger Kisterma
köstliche bilder!

 

 

:confused: :confused: :confused:

 

Wer sagt, dass Flugberichte mit Bildern unterlegt sein müssen? Solche Statements vermiesen ein wenig die Stimmung.

 

 

@ Peter: Willkommen im Forum. Auch ich habe Deinen Bericht mit Interesse gelesen. Ich bin ein wenig erschüttert, dass man der Crew wirklich so wenig Luxus zuteilkommen lässt. Ich betrachte das einfach mal aus einer Flugsicherheits-Perspektive: Demnach würde ich eine möglichst komfortable Kabine favorisieren, in der sich die Crew bestmöglich ausspannen kann. Die Fliegerei ist am Ende von Langstreckenflügen sicherlich stressig genug und nur eine gut ausgeschlafene Crew kann in Gefahrensituationen richtig und angemessen handeln.

 

Ich erinnere mich an ein Experiment im Simulator zurück. Dort hatte man die Auswirkungen von Alkoholkonsum auf Piloten getestet - über das Ergebnis brauchen wir hier sicher nicht diskutieren. In einem zweiten Testlauf wurde auf Schlafentzug getestet - und siehe da, die Auswirkungen waren denen des Alkoholkonsums ziemlich ähnlich. Allerdings weiß ich nicht mehr, wie lange der Schlafentzug angedauert hat.

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Holger.. hast mich falsch verstanden,

 

ich meine die herrliche Bildsprache... der "live-Bericht" lässt einen die enge Plastikzelle bunt (lärmend+duftend) vor sich sehen.. köstliche Bilder!

 

Berni

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  • 4 Wochen später...

Na ja, bei diesem Flug insbesondere ist es schätzungsweisse noch schwieriger, denn es handelt sich ohnehin schon um einen sehr annstrengenden Flug (Durfte ihn auch mal in einem eco Sitz einer MD-11 miterleben!).

 

@Peter! Toller bericht! habe ihn sehr genossen.

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