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Last Call For Swiss


skyward

Empfohlene Beiträge

Hallo Ihr Alle

Noch zweimal schlafen, und dann gehört die schweizerische Luftfahrt, wie wir sie kennen zur "Welt von Gestern", wie Stefan Zweig sagen würde.

 

Deshalb habe ich mir die Mühe genommen, einige persönliche Beobachtungen und Gedanken zusammenzutragen.

 

Dabei hoffe ich, dass sie eine möglichst lebhafte, aber anständige Diskussion auslösen. Für Korrekturen faktischer Irrtümer und Ergänzungen bin ich dankbar.

 

Dabei bitte ich folgendes zu beachten:

- Ich bin weder Airliner noch sonst in der Luftfahrtsbranche tätig;

- Ich verfüge (noch) über keine Pilotenlizenz, warte aber darauf;

- Es gibt keine Geheimnisse, nur Informationslücken.

 

 

Swissair... Swiss...

 

Vorbei, verweht, nie wieder (Kurt Tucholsky)

 

 

SWISS: Ein Rückblick auf verpasste Chancen

 

Es ist müssig, zu spekulieren, was man hätte besser machen können. Dazu ist es zu spät. Verpasse Chancen kehren niemals wieder. Es soll im folgenden nicht einmal mehr der Versuch gemacht werden, bestimmte Personen anzuschwärzen oder über verspielte Chance zu lamentieren. Es soll lediglich eine Bestandesaufnahme eines aufmerksamen Beobachters sein und die spätere Aufarbeitung der helvetischen Unfähigkeit, ein luftgestütztes Verkehrssystem den neuen Gegebenheiten anzupassen.

 

Dazu sind zunächst folgende Hintergrundinformationen hilfreich. Die Schweiz verstand sich historisch als Sonderfall. Sie war es auch dank dem Zusammentreffen glücklicher historischer Umstände aber auch der Bereitschaft ihrer Entscheidungsträger, Impulse von aussen aufzunehmen und auf ihre speziellen Gegebenheiten anzupassen. In vielen Fällen wurde aus dem passiven und reaktiven Empfang ein aktives und zukunftsgerichtetes Aussenden. Dies war auch im Luftverkehr so. 40 Jahre lang war Swissair legendär und dies ungeachtet der Strecke.

Bereits in den 70er Jahren zeichnete sich die heutige Globalisierung in Anfängen ab. Als andere Länder und Fluglinien aufholten, begannen sich Schweiz und Swissair dagegen abzuschotten. Ein Überheblichkeitsdünkel begann sich abzuzeichnen. Nach dem weltweiten Systemwechsel von 1989 erwiesen sich Schweiz und Swissair als vollends unfähig, sich dem neuen Umfeld anzupassen. Anstelle wie zu den Zeiten der Erfolge von anderen zu lernen, schotteten sich beide ab, flüchteten sich in die Mythen der Überlegenheit und zerbrachen schliesslich an der neuen Macht des Faktischen. Erzwungene Anpassungen erfolgten defensiv und reaktiv, anstatt proaktiv und vorausschauend. Originale sind immer beliebter als Nachahmer und Kopien.

 

Erst durch diesen Hintergrund wird das ganze Swissair-Debakel verständlich. Dies gilt sowohl für den eigentlichen Schock, als auch die Unfähigkeit, das Geschehene wirklich zu verarbeiten. Im einzelnen lässt sich die verkümmerte Fähigkeit der Entscheidungsträger und Eliten des Landes, die richtigen Schlüsse zu ziehen, vierzehnmal beobachten.

 

 

Fehler 1: Das Geschehene ungeschehen machen statt Bruch mit einer fatalen Vergangenheit

Wohl jedermann traf der Zusammenbruch von Swissair wie ein Schock. Die Gründung von Swiss mit ihrer überdimensionierten Flotte lässt sich eindeutig als der Versuch erkennen, das Undenkbare zu annullieren. Fast alle Finanz-, Wirtschafts- und Aviatikexperten warnten ausdrücklich von dieser Illusion. Die neue Linie war zu gross und fast wie früher in Ostblockländern an den Bedürfnissen des Landes aber auch des Weltmarktes „vorbeigeplant“.

 

Richtig wäre der belgische Weg gewesen. Auch Sabena war eine nationale Institution. Die Neugründung SN Brussels Airlines basierte wie Swiss auf einer Regionallinie. Sie wurde aber als solche gestartet. Der Erfolg gab den zunächst verlachten Initianten Recht. Ohne staatliche Subventionen aber durch geschickte Optimierung der Rahmenbedingungen wurde SN Brussels Airlines zur neuen, hochprofitablen Fluggesellschaft. Im Gegensatz zu Swiss unternahm sie nie unwürdige und kundenverscheuchende Sparübungen. Sie setzte konsequent auf Qualität und bietet heute noch vollen Service. Crossair hätte sich ideal als Ausgangspunkt einer neuen Linie geeignet. Ihr Image war im Gegensatz zu dem von Swissair nicht verwässert. Zudem hatte sie bereits Pläne für den Aufbau einer eigenen Langstreckendivision mit Boeing 767. Bundesmilliarden wären kaum erforderlich gewesen, vermutlich aber private Investments. Es hätte gereicht, wenn der Bund sie zur operationelle Nachfolgerin von Swissair erklärt hätte. Daneben hätte sie das legendäre Kürzel SR übernehmen sollen. Dank Codeshares mit der damaligen Partnerin American wären zunächst virtuell Langstreckenflüge möglich gewesen. Nach und nach hätte sie dann ein auf Nischen konzentriertes Interkontinentalnetz aufbauen können. Die erforderlichen Flugzeuge wären infolge der Nachwehen des 11. Septembers 2001 zu traumhaft günstigen Leasinggebühren erhältlich gewesen. Zudem hätte eine solche Nischenlinie dank der Fürsprache von American wahrscheinlich den Weg in Oneworld gefunden.

 

 

Fehler 2: Falsche Nachsicht statt harte Strafe

Unangenehm fiel vom ersten Moment auf, dass dieselben Seilschaften, welche schon den Untergang von Swissair zu einem grossen Teil verschuldet hatten, bei Swiss wieder mitspielten. Dazu gehören neben gewissen FDP-Exponenten auch Bankiers und weitere Personen.

 

Richtig wäre eine sofortige Strafuntersuchung gegen die entsprechendend Herren (und Damen) gewesen. Zudem hätten sie konsequent und vor allem publikumswirksam vom Swiss-Aufbau ausgeschlossen werden müssen. An ihrer statt hätten in- oder auch ausländische Topshots aus der Reisebranche sowie der Luftfahrt angeworben werden müssen. Ein wirklicher Neufang hätte für Vollblutaviatiker, welche eine Herausforderung suchten, bestimmt anregender gewirkt als die Perspektive, mit den Totengräbern von Swissair weiterzumischeln.

 

 

Fehler 3: Panik statt nüchterne Planung

Von vornherein wurde ausschliesslich der Plan Phoenix verfolgt. Dieser basierte auf dem überstürzten Ausbau von Crossair zur neuen Linie durch Zwangsintegration von Teilen der untergegangenen Swissair. Man wird den Eindruck nicht los, die Gründung von Swiss sei geradezu panikhaft erfolgt, als wolle man etwas verbergen. Dazu gehörten auch die hastig ausgearbeiten Gesamtarbeitsverträge mit den Piloten und ungenügend verhandelte Verbindungen mit Lieferanten. Dabei gab es realistische Alternativen. Erinnert sei etwa an die vorgeschlagene Rekapitalisierung von Swissair oder das Angebot einer amerikanischen Finanzgruppe zur Umgestaltung von SAirGroup.

 

Besser als das panikhafte Gehetze wäre eine nüchterne und öffentlich geführte Diskussion der verschiedenen Szenarien gewesen. In der Schweiz gab es mehrere ausgewiesene Fachleute und Unternehmer, welche bei entsprechender Anfrage bereitgewesen wären, beim Aufbau der neuen Linie mitzuwirken. Selbst eine Art „Nationale Konferenz“ (warum nicht publikumswirksam über die Boulevardpresse?) von interessierten Bürgern, Unternehmern, Universitätsprofessoren und weiteren Personen aus dem In- und Ausland wäre möglich gewesen.

 

 

Fehler 4: Rückschritt statt Quantensprung

Bereits vor dem Grounding von Swissair zeichneten sich fundamentale Änderungen im Luftverkehr ab. Auf Kurzstrecken ging der Trend zu Billigfliegern mit dichtem Flugpan, auf längeren Verbindungen kristallisierten sich zwei Segmente, welche beide Geschäftsleute und Touristen oder im Fachjargon Business und Leisure umfassten, heraus. Für die einen zählen möglichst geringe Umtriebe sowie Arbeitsmöglichkeiten während der ganzen Reise respektive Komfort. Dazu gehören insbesondere auch Direktflüge. Umgestiegen wird nur dann, wenn es absolut unerlässlich ist und am liebsten am Hub einer Qualitätslinie. Der Ärger über eine fehlende Direktverbindung ist umso grösser, je bedeutender die Destination ist. Leicht preissensible Reisende beider Kategorien sind zu einem Flugzeugwechsel bereit, wenn sie damit bei ähnlichem Flugplan deutlich sparen können. Familie Schnäppchenjäger dagegen wählt konsequent das günstigste Angebot, auch wenn es infolge mehrmaligem Umsteigen das mühsamste ist. Es versteht sich von selber, dass die Durchschnittserträge (Yields) umso höher sind, je komfortbewusster und zahlungsbereiter die Passagiere sind. Zudem sind diese Passagiere infolge der Vielfliegerprogramme aber auch der persönlichen positiven Erfahrungen sehr produktetreu.

 

Eine Fluglinie aus einem Hochlohnland wie die Schweiz hätte deshalb prioritär auf Qualität setzen müssen. Durch konsequenten Rückgriff auf vorhandene Strukturen hätten sich zudem die zwei Milliarden an Steuergeldern zumindest teilweise sparen lassen. Konkret hätte sich die Chance eines wirklichen Paradigmenwandels im Luftverkehr geboten (siehe auch Fehler 8). Mehrere auf die jeweiligen Kundensegmente spezialisierte und betrieblich eigenständige Linien wären sinnvoll unter einer lockeren Dachmarke (Swiss Worldwide Integrated Sky System?) verknüpft worden. Jede wäre dabei selbständig geblieben und hätte sich in Marketing und Kommunikation ausschliesslich auf ihr hauptsächliches Zielpublikum ausgerichtet. Imageschädlicher Ärger über den „Deluxe-Carrier ohne Glas Wasser“ oder den „kinderfeindlichen Ferienflieger“ wären so von vornherein vermieden worden. Die massgeschneiderten Overheads hätten zudem selbst im Hochpreisland Schweiz realistische Chancen zum Erfolg geboten. Im einzelnen hätten dies sein können:

1. Eine in jeder Hinsicht kompromisslose Elitelinie mit vorwiegend First- und Businessclass sowie in einigen Fällen einer hochwertigen, auf Berufsflieger ausgerichteten Economy (etwa mit Laptopanschluss an jedem Sitz und Laserdrucker an Bord). Marketingkriterium wären Service und Ruhe an Bord gewesen. Sonderaktionen wären diskret und statusgerecht gewesen, etwa in der Form eines „Gratulationspakets“ für neu im Handelsregister eingetragene Prokuristen. Auftritt und Ambiance wären bewisst elitär und nicht „familiär“ gewesen. Einige A330/MD-11 mit allen drei Klassen wären durch Airbus A319 ausschliesslich in First- und Business ergänzt worden. Ziele wären Strecken wie Baku, Lagos, Malabo, Teheran, Washington und weitere mit anspruchsvoller Stammkundschaft gewesen. Einige Airbus A319/320 hätten etwa zehn bis höchstens 15 Europastrecken mit identischer Kundschaft bedient. Darunter wären etwa Belgrad, Bukarest, Kiew, Minsk, Moskau, Sofia und Tirana, eventuell auch Athen, St. Petersburg und Stockholm gewesen.

*2. Eine zweite betont familiäre und lässige Interkontinentallinie für Preisbewusste und Familien, welche bereit waren, für den bequemen Direktflug etwas mehr zu bezahlen. Die Linie mit A330 und eventuell auch MD-11 mit zwei Klassen hätte etwa sechs bis acht Langstrecken mit permanenter aber infolge ihrer vorwiegend touristischen Struktur finanzschwacher Sockelnachfrage bedient. Beispiele dafür wären etwa San Francisco, Miami, Montreal und Rio, aber auch Kenia, die Malediven, Phuket und warum nicht Australien gewesen. Akquiriert hätte sie dabei an beiden Streckenenden und auch ein kleiner Anteil an Transferpassagieren wäre möglich gewesen. Die Linie hätte etwa aus Belair oder Edelweiss hervorgehen können.

*3. Eine effiziente und sympathische Günstigfluglinie mit Airbus A320 für Europastrecken. Matchentscheidend wären wie bei den No Frills Carriern Preis und Frequenzen gewesen. Vorbild wäre damals Easyjet gewesen. Das angebliche Problem der zu teuren Bordverpflegung hätte sich übrigens auf originelle Weise durch die Möglichkeit der Vorbestellung während der Buchung gegen Bezahlung lösen lassen. Auch ein am Gate verteiltes Lunchböxli wären vorstellbar gewesen. Eine Geste wie etwa kostenloser Kaffee und ein Praliné wären aber Pflicht gewesen, dies um die Linie von den konkurrierenden Nofrills-Carriern abzuheben. Dieser besondere Günstigflieger hätte die meisten Europastrecken sowie einige Ausflugsziele in der Mittelmeergegend wie etwa Malta bedient.

*4. Eine analoge Linie für etwa zwölf Regionalstrecken wie etwa Bologna und Stuttgart mit Embraer 145 und/oder Saab. Auch sie hätte nach dem Günstigprinzip funktioniert, hätte aber ebenfalls eine Aufmerksamkeit geboten. Auf Kurzstrecken hätte sich möglicherweise das Lunchböxli oder warum nicht ein Buffet am Gate bewährt.

 

Nach dem Swissair-Grounding entstandene Linien der jeweiligen Kategorien zeigen, dass alle Modelle selbst mit Schweizer Kostenstrukturen funktionierten. Neu und damals möglicherweise spektakulär wäre die Verknüpfung der einzelnen Konzepte durch optimierte Produktionseinheiten gewesen.

 

 

Fehler 5: Pseudo-Abgehobenheit statt volksnahe Sympathie

Fundamental gesündigt und viel Goodwill verspielt wurde schon bei der Lancierung von Swiss. Anstatt bescheiden und behutsam aufzubauen und dadurch die Sympathie der Bevölkerung und die positive Aufmerksamkeit der Medien zu gewinnen, wurde zu völlig überrissenen Preisen der umstrittene und eingebildete Tyler Brûlé engagiert. Auch sonst wurde nicht gegeizt, etwa bei den neuen Uniformen.

Eine günstige Gelegenheit, die neue Linie der Bevölkerung, also ihren zukünftigen Passagieren, näherzubringen wären mehrere Ideen- und Gestaltungswettbewerbe unter herausfordernden technischen und betriebswirtschaftlichen Rahmenbedingungen gewesen. Für die Gestaltung von Logo, Erscheinungsbild, Inneneinrichtung, Lounges und Verkaufsbüros und warum nicht Uniformen und Geschirr wären etwa Kunstgewerbeschulen eingeladen worden, ihre Studenten auf die Chance hinzuweisen. Auch Pro Helvetia hätte involviert werden können. Sogar weiterführende Ideenwettbewerbe etwa zum Vielfliegerprogramm oder sogar Betriebsabläufen wären möglich gewesen, etwa in Zusammenarbeit mit der Studentenorganisation AIESEC, der Jeune Chambre Economique oder Netzwerken wie Rezonance.ch oder Create. Servicekonzepte schliesslich hätten bestimmt Hotelfachschüler herausgefordert. Den jeweiligen Siegern hätte neben einem angesichts ihres Status tollen, für die Linie aber bescheidenen Honorar von beispielsweise CHF 50'000.-- der schönste aller möglichen ersten Preise gewinkt, nämlich die Umsetzung ihres Projektes unter ihrer Aufsicht. Die Ausstellungskataloge hätten dank der Mithilfe gerissener Verleger wahrscheinlich höheren Kultstatus erlangen können als manches subventionierte Projekt.

 

 

Fehler 6: Unrealistische Versprechungen statt klarer Ankündigungen

Bei ihrer Lancierung präsentierte sich Swiss grossspurig als einziger möglicher Weg zu Destination Excellence. Dabei konnte jede nüchtern denkende Person erkennen, dass Fondue oder Spagetti (schon gar nicht in der Variante Bolognese) sich an Bord von Flugzeugen von vornherein ausschloss. Skepsis bei den Medien, vor allem aber Ärger und Enttäuschung waren vorprogrammiert, als Swiss weder den Wein im klingenden Glas kredenzte noch echtes Besteck anbot. Das vollmundige Versprechen von Destination Excellence hat mehr noch als andere Fehler eine wirkliche Identifikation mit der Linie verhindert. Gerade als sich die anfänglich recht gute Qualität auch auf Kurzstrecken herumzusprechen begann, kamen die ersten Sparübungen. Die qualitative Differenzierung von Swiss im Vergleich zur Konkurrenz wurde dabei zunichte gemacht. Der Kunde verlor den spezifischen Anreiz, die schweizerische Linie zu buchen.

 

Richtig wäre es gewesen, sich auf das Machbare und vom qualitätsbewussten Passagier zu konzentrieren. Dem damals allgemein einsetzenden Dienstleistungsabbau unter dem Deckmantel der Sparmassnahmen hätte dadurch gezielt begegnet werden können. Dies hätte der Linie den vielleicht entscheidenden Sympathiebonus geschenkt, welcher zum Gewinnen neuer Kunden ausgereicht hätte. Unter Annahme der tatsächlich gegründeten Swiss wären dies auf Langstrecken ein voller Service gewesen, wobei bestenfalls die asiatischen Spitzenreiter als Referenz gegolten hätten. Auf längeren Europastrecken, d.h. etwa über anderthalb Stunden, wäre eine tageszeitgerechte warme Mahlzeit mit kostenlosen Getränken gefolgt von Kaffee Pflicht gewesen. Auf Strecken über 45 Minuten wären ein appetitliches Plättli etwa mit Schinken und Bündnerfleisch mit Getränk angebracht gewesen. Flüge unter 45 Minuten wären durch ein gluschtiges Sandwich oder besser ein Brötli mit Schokolade und Kaffee/Tee aufgelockert worden. Beim Einsteigen in Regionalkurse unter 30 Minuten schliesslich hätte jeder Passagier ein Sandwich und ein Safttütchen anmächelig im Lunchböxli als Auftakt für den Flug erhalten.

 

 

Fehler 7: Unkooperatives Personal statt verschworene Gemeinschaft

Auch das Verhalten des Managements, und des Personals, insbesondere der Piloten, hat viele vor den Kopf gestossen. Auslöser beim Kader waren die Boni trotz negativem Betriebsergebnis. Immerhin wurde die Führungsriege im Gegensatz zu denjenigen anderer angeschlagener Unternehmen nicht unverhältnismässig für ihr Versagen belohnt. Die Einführung früherer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Swissair in die Strukturen von Crossair lief nicht ohne unschöne Begleittöne ab. Beide fühlten sich von den Kolleginnen und Kollegen der jeweiligen anderen Firma diskriminiert. Es stimmte, dass die Unternehmenskulturen von Swissair und Crossair grundsätzlich verschieden waren. Die Gegensätze oder genauer die Notwendigkeit des Zusammengehens waren für alle gleich. Am meisten für negative Schlagzeilen sorgten jedoch die Piloten. Die im Branchendurchschnitt geradezu fürstlich bezahlten Swissair-Crews mussten dramatische Lohneinbussen hinnehmen. Dagegen hatten sie sich teilweise vergeblich gewehrt. Auch betrachteten viele ihre nunmehrigen Nachbarn von Crossair mit Argwohn, ja Verachtung. Jene ihrerseits wollten um jeden Preis, auch um das Risiko des Überlebens ihres Arbeitgebers, gleich behandelt werden wie die Flugzeugführer von Swissair. Anstelle sich gemeinsam an einen Tisch zu setzen und angesichts der unsicheren Lage am gleichen Strick zu ziehen, lieferten sich die beiden Korps über ihre von früher stammenden Berufsverbände unwürdige Schlammschlachten.

 

Auch wenn es hart klingt, interpersonelle Konflikte hätten konsequent im Keim erstickt werden müssen. Niemand ist unersetzlich, auch kein Crossair- oder Swissair-Pilot. Besser noch wäre es gewesen, diese Krise gar nicht erst entstehen zu lassen. Ein gangbarer, wenn auch im Anfang teurer Weg wäre die arbeitsrechtliche Liquidation beider Unternehmen gewesen. Vermutlich wäre er aber günstiger gewesen als das Honorar von Tyler Brûlé. Unter Aufsicht von Branchenkennern, den Sozialpartnern, Headhuntern und privaten sowie eventuell staatlichen Arbeitsvermittlern wären sodann eine marktkonforme Lohnskala sowie Pflichtenhefte erstellt worden. Jede Mitarbeiterin und jeder Mitarbeiter hätte sich, ungeachtet des früheren Arbeitnehmers, um seine Wunschstelle neu bewerben müssen. Dabei hätten auch Externe berücksichtigt werden können. Bei der Einstellung hätte sodann jede Mitarbeiterin und jeder Mitarbeiter eine Loyalitätserklärung gegenüber dem neuen Arbeitgeber unterschrieben und formell auf das Austragen jeglicher alter Konflikte verzichtet. Natürlich wäre es den Piloten freigestanden, auch weiterhin ihre Gewerkschaften zu unterhalten, doch hätten jene nur geringen direkten Einfluss gehabt. Als Expertenreservoire dagegen wären sie vollumfänglich erhalten geblieben.

 

 

Fehler 8: Sträfliche Flottenpolitik statt schlaue Marktaufmischung

Ein weiterer kapitaler Fehler ist auch in der Bewirtschaftung des Maschinenparks zu suchen. Zum Zeitpunkt der Gründung umfasste Swiss eine heterogene und betriebswirtschaftlich geradezu unsinnige Kurzstreckenflotte und wirtschaftlich konkurrenzfähiges Flugmaterial für Mittel- und Langstrecken. Noch vor dem Swissair-Grounding war die Crossair-Riesenbestellung neuer Embraer-Kurzstreckler verkleinert worden. Die Nachfolgerin annullierte sie dann vollends. Dabei gingen allererste Lieferpositionen und grosszügige Rabatte verloren. Zudem wurden Strafzahlungen fällig und eine erfolgversprechende Partnerschaft mit Embraer wurde verspielt. Diese Kosten addierten sich zu den Lasten der unwirtschaftlichen Regionalflotte. Anstatt dieses Problem zu lösen wurden dann die MD-11 ersetzt. Dieser Typ war technisch veraltet und hatte höhere Betriebs- und Wartungskosten. Zudem bildete er eine Insellösung. Die Anschaffung fabrikneuer Airbus A340 führte zwar zu tieferen Operationskosten und höheren Skalenerträgen, doch wurden diese durch die Zahlungsverpflichtungen mehr als rückgängig gemacht. Dadurch fehlten die Mittel zum Ersatz der Regionalflotte, wo die absoluten Sparpotentiale grösser gewesen wären. Trotzdem gab Swiss bei Embraer plötzlich eine neue Bestellung auf. Diese war aber teurer, da die früheren Rabatte wegfielen, und wurde mehrmals verschoben.

 

Strategisch ideal – und zudem ein aufsehenerregender Beweis für das Geschick des Managements und der Kreise hinter Swiss, was wiederum die Verhandlungspositionen gestärkt hätte – wäre folgendes unkonventionelles Vorgehen gewesen. Swiss als Rechtsnachfolgerin von Crossair hätte die einmalige Chance der frühen Lieferpositionen bei Embraer angesichts der hohen Nachfrage nach diesem Typ erkennen müssen. Sodann hätte sie zumindest die beim Swissair-Grounding nicht annullierten Maschinen übernehmen sollen. Damit hätte sie die Regionalflotte auf den neuesten Stand gebracht. Die überzähligen Maschinen wären sodann entweder mit Gewinn weiterverkauft worden oder noch besser verleast worden. Dies hätte Swiss zu einer strategischen Partnerschaft mit Embraer verholfen, insbesondere auch dank der Swiss Aviation Training und des Wartungszentrums in Basel. Die dabei erzielten Skalen- und Reinerträge hätten die finanzielle Lage des Unternehmens im entscheidenden Moment verbessert und möglicherweise sogar die Frage des Betriebskredites entschärft, wenn nicht erübrigt.

Demgegenüber hätte sich der Ersatz der MD-11 durch A340 weniger aufgedrängt. Es hätte ausgereicht, ihre Kabinen zu erneuern. Die höheren Betriebskosten und die fehlenden Synergien wären infolge der wegfallenden Transferkosten wie die Pilotenumschulung im Endeffekt mehr als neutralisiert worden. Aus diesen Gründen hat sich bekanntlich Finnair für den Verbleib der MD-11 ausgesprochen. Der sich zu diesem Zeitpunkt bereits abzeichnende Entwicklungsschritt hin zur Boeing 787 Dreamliner respektive der zu erwartenden Antwort durch Airbus wäre dann rechtzeitig am Ende der möglichen Einsatzdauer der MD-11 um 2008 gekommen. Eine durch beide Entscheide finanziell gesündere Swiss hätte sodann das durch die Annullierung der Bestellung von A340-600 ihrer Vorgängerin zerstörte Goodwill bei Airbus geschickt in neue Verhandlungen einbringen können. Es ist vorstellbar, dass Airbus der dann solideren Swiss grosszügige Vorteile als frühe Kundin der A350 eingeräumt hätte. Wie schon auf den Regionalstrecken hätte Swiss auch interkontinental früher als die Konkurrenz vom nächsten Technologiesprung profitieren können.

 

 

Fehler 9: Dilettantismus und entwürdigende Sparübungen statt USPs für Neukunden

Bekanntlich präsentierte sich Swiss zunächst als Luxuslinie. Auf den Langstrecken wurden die geweckten Erwartungen mehrheitlich erfüllt. Auch innerhalb Europas verhiess das Angebot durchaus Hoffnungen auf eine Linie, welche sich dem Trend zum Qualitätsabbau widersetzte und dadurch ihre Kunden gewann und behielt. Gerade als sich Swiss als positive Alternative für Kurz- und Mittelstrecken zu profilieren begann, wurde das entsprechende Konzept den Billigfliegern angepasst. Dadurch verlor Swiss genau das, was sie positiv von der Konkurrenz unterschieden hatte. Die Spötteleien „Vorne Champagner, hinten Durst“ wurden rasch zur ärgerlichen Wirklichkeit. Dies war umso mühsamer, als dass andere Gesellschaften, welche in der Werbung weniger grossmäulig auftraten, eindeutig besser waren. Mehrere Tests, darunter solche der Boulevardpresse, bestätigten dies. Mehr noch als andere Entscheide hat dies einen Grossteil der Schweizer Quellkundschaft nachhaltig verärgert. Dazu gehörten auch die ewigen, im entscheidenden Moment dann doch nicht verfügbaren, Schnäppchen, welche Swiss selbst auf Langstrecken faktisch zum Günstigflieger deklassierten. Zufriedene Langstreckenpassagiere waren regelmässig verärgert, wenn sie innerhalb Europas weiterflogen. Günstigflieger oder Deluxe-Carrier, diese Frage erstreckt sich nämlich nicht nur auf das betriebliche sondern auch Marketing und Verkauf. Das Ergebnis war, dass Swiss eine „weder-noch“ Linie war und nie mit zugkräftigen USPs aufwarten konnte. Im Klartext, für keine der Zielgruppen waren wirkliche Argumente für die Vorteile von Swiss möglich. Für anspruchsvolle Vollzahler und Anschlusspassagiere (Siehe auch Fehler 4), ungeachtet der Strecke, war für den bezahlten Preis die Servicequalität zu gering, für Schnäppchenjäger dagegen war Swiss nach wie vor zu teuer. Ungeachtet der Sparanstrengungen und der Billigstangebote wichen jene wie bisher auf noch billigere Anschlussflüge via Frankfurt, London oder Paris um. Das Ergebnis war, dass Swiss beide Zielgruppen verärgerte und bei beiden Marktanteile verlor, was naturgemäss zu Yield-Problemen führte. Mehrere klassische Netzwerkgesellschaften in den USA und Europa hatten den Spagat Billigflieger auf Kurz- und Mittelstrecke, Qualitätsairline interkontinental versucht. Keine hatte es geschafft, denn beide Konzepte gehorchen betriebswirtschaftlich einer entgegengesetzten Logik. Hinzu kommen die Ärgernisse infolge für beide Kundschaften nicht erfüllbaren Werbeversprechen.

Alles in allem hinterliessen die Kürzungen beim Service in der Economy den Eindruck hilfloser und verzweifelter Sparübungen einer Firma, die aus dem sprichwörtlich letzten Loch pfeift. Die Kommunikation verstärkte dieses Bild. Immer nur war von Einsparungen die Rede, nie aber von Bestrebungen, neue Kunden zu gewinnen und dadurch neue Einnahmen zu generieren. Das den Serviceabbau begleitende Marketinggetöse machten noch das letzte Verständnis zunichte. Da erklärte der seinerzeitige Kommunikationschef von Swiss die Aufhebung des bereits auf ein Minimum reduzierten Gratisservices in einem Kommentar in der älteren der beiden Schweizer Luftfahrtszeitschriften allen Ernstes zur Innovation, welche einen Paradigmenwandel im Kurzstreckenverkehr einführe. Der Passagiere bezahle lieber diejenigen Leistungen, die er effektiv beanspruche. Mehr als lange Analysen zeugt dieser Ausspruch von der völligen Unfähigkeit, Kundenbedürfnisse wirklich zu erkennen. Der als Innovation hingestellte knorzige Dienstleistungsabbau ist bekanntlich eines der Grundübel unserer Zeit, sei dies nun bei Versicherungen, Telefongesellschaften oder im Gesundheitswesen. Derselbe Ärger mit der mit Steuermilliarden aufgepäppelten angeblichen Qualitätslinie hatte gerade noch gefehlt.

Ebenso kontraproduktiv war – die erneut als Innovation respektive als Nachvollzug eines weltweiten Trends dargestellte – Abschaffung der Provision von Reisebüros. Als traditionell stärkster Vertriebskanal trotz World Wide Web fühlten sich diese zu Recht brüskiert und wandten sich vielfach von Swiss ab. Dies war ein weiterer Beweis der Unfähigkeit, über die reaktiven, ja panikhaften Sparereien hinauszugehen und Wege zu neuen Kunden, sprich höheren Einnahmen zu finden. Die Visionslosigkeit von Swiss war eklatant.

 

Den ganzen Ärger über die Sparübungen hätte sich Swiss weitgehend ersparen können, wenn sie von Anfang an auf ein realistisches aber qualitativ unterscheidbares Konzept gesetzt hätte. Grundsätzlich hätte sie sich (siehe Fehler 6) auf Qualität und nicht den Preis als Argument festsetzen müssen. Dies wäre das einfachste Mittel zur Gesundung gewesen. Neukunden hätten neue Einnahmen gebracht. Eine realistische aber pfiffige Promotion (etwa durch witzige Inserate), vor allem aber Mund-zu-Mund-Propaganda sowie die immer wieder auftauchenden Testberichte mit Swiss-Spitzenwerten hätten die Werbewirkung noch gefördert. Ein attraktives, originelles und gleichzeitig sinnvolles Vielfliegerprogramm hätte für zusätzliche Sympathien gesorgt und möglicherweise weitere Passagiere generiert. Die Prämien hätten geschickt in Promotionsaktivitäten wie etwa von Pro Helvetia, Schweiz Tourismus oder die Schweizerische Zentrale für Handelsförderung (OSEC) eingebaut werden könne. Gute Eindrücke hätten etwa Billette für Kinopremieren, das Jazzfestival in Montreux oder die Luzerner Festspiele, oder ein Schlittenwochenende in St. Moritz oder warum nicht den Zürcher Presse- oder den Wiener Opernball abgegeben. Mittelständische Unternehmer hätten vielleicht Rabatte bei Sammelständen der OSEC an Fachmessen im Ausland vorgezogen. Selbst beim Sponsoring hätte die Linie Neuland beschreiten und wirkliches Goodwill schaffen können, etwa durch Freiflüge von Stipendiaten des Schweizerischen Nationalfonds oder Transportleistungen für behinderte Künstler.

Selbst wenn es sich als unerlässlich erwiesen hätte, den Margendruck der Billigflieger in Europa wirklich zu absorbieren, hätte dies über die Aufteilung der Gesellschaft in zwei operationell unabhängige Einheiten unter einer lockeren Dachmarke erfolgen sollen. Interkontinental wäre Swiss weiterhin die Qualitätslinie geblieben, in Europa dagegen hätte sie sich als effizienter aber wiederum hochwertiger Günstigflieger positioniert. Die massgeschneiderten Overheads hätten wirksamere Einsparungen erlaubt als das Bezahlen des Kaffees. Noch sinnvoller wäre es möglicherweise gewesen, wenn Swiss den Regional- und Europaverkehr ganz aufgegeben und Kooperationsabkommen mit – markentechnisch als solche erkennbaren – Drittlinien wie Helvetic Airways abgeschlossen hätte.

Selbst Kürzungen der Provisionen an die Reisebüros hätten geschickt gestaltet werden können. Anstelle des traditionellen Fixums pro verkauftem Flug wäre eine monatliche oder jährliche exponentiell steigende Umsatzprovision angebracht gewesen. Sonderaktionen und Branchenwettbewerbe hätten zudem das Reisebüropersonal bei Laune gehalten. Swiss hätte den Trend zur Vertriebskostenreduktion zwar nachvollzogen, aber auf originelle und längerfristig vorteilhafte Art.

 

 

Fehler 10: Umherirren im Markt statt cleverer Schachzüge

Weniger als ein Jahr nach dem Start nahm Swiss bei Flotte und Streckennetz erste Kürzungen vor. Diese widersprachen jeglicher Logik. Auch die Wahl neuer Destinationen kann nur so bewertet werden. Dies wiederum hängt mit dem marktmässig unverzeihlichen „weder-noch“-Status zusammen. So hätten weder Beijing, noch Lagos, noch Oslo, noch Teheran mit ihren hohen Anteilen an produktetreuen Vollzahlern gekappt werden dürfen. Saisonale Ferienflüge nach Alicante, einer klassischen Touristendestination mit Preisdruck, wo zudem bereits ein etablierter Günstigflieger hinflog, dagegen waren geradezu ärgerlich, zumindest für Analysten. Ganz allgemein herrschte der Eindruck vor, Swiss sei ausserstande gewesen, ihr wahres Marktpotential zu erkennen und Chancen zu nutzen.

 

Auch bei der Netzplanung hätte sich Swiss auf ihre Spezialisierung als Elitelinie für Vollzahler und Berufsflieger ausrichten müssen. Bei den Langstrecken wäre die Aufgabe von Montreal und Miami problemlos möglich gewesen. In Zusammenarbeit mit American Airlines wären zudem in Europa noch nicht oder kaum existente Kombinationen mit Codeshares vorstellbar gewesen. Beispiele wären etwa San José, die Hauptstadt des Silicon Valley, oder Seattle gewesen. Wichtiger als Kürzungen wären aussergewöhnliche neue Strecken gewesen. Beispiele sind Kabul und Khartum. Die dortigen Reisenden sind ausschliesslich Spezialisten von internationalen Organisationen, deren Arbeitgeber bereit gewesen wären, für den Flug mit einer sicheren und komfortablen Airline überproportional viel zu bezahlen. Auch andere, von Westeuropa aus noch unerschlossene Destinationen etwa in Russland, hätten infolge der bereits genannten produktetreuen Vollzahler zu interessanten Yields beigetragen.

 

 

Fehler 11: Fatale innenpolitische Schlampereien statt guteidgenössisches Miteinander

Hingegen kann Swiss wenig für die fehlende Unterstützung seitens der politischen Akteure und wirtschaftlichen Exponenten. Allerdings war gerade dies eines ihrer Hauptprobleme. Die Zusammensetzung des Bundesrates war ein wichtiger Faktor ihres Scheiterns. Der Verkehrsminister hat aus seiner vom 68-er Gedankengut geprägten „gesellschaftskritischen“ Haltung nie ein Hehl gemacht. Eines der Feindbilder jener Adepten war und ist – neben der Landesverteidigung - der Luftverkehr. Gefährdete Arbeitsplätze spielen dabei keine Rolle. Zahlreiche konkrete Beispiele, etwa bei der Abwicklung der Militärflugplätze, bei den Rüstungsbetrieben oder eine ganz allgemeine Gewerbefeindlichkeit illustrieren dies. Dies alles ist die Konsequenz der allerdings im grösserem gesellschaftlichen Rahmen zu sehenden Evolution der sozialdemokratischen Partei. War sie früher die übrigens bitter notwendige Verteidigerin der oft ausgebeuteten Arbeiterschaft, so bildet sie heute das Stelldichein der mehrheitlich vom Staat lebenden oder zumindest von ihm profitierenden gutbetuchten Doppelverdiener mit akademischem Hintergrund. Diese brauchen um ihre eigenen Arbeitsplätze trotz schlechter Konjunktur wenig bis nicht zu fürchten.

Wie schlecht der Verkehrsminister beim sogenannten Staatsvertrag in Berlin wirklich verhandelt hat, sei dahingestellt. Entsprechende bösartige Gerüchte drangen jedenfalls bis in die seriöse Tagespresse. Fest steht jedenfalls, dass er auf die Drohungen aus dem Norden kaum reagierte und auch sonst keine Gelegenheit ausliess, den Flughafen Zürich in ein schlechtes Licht zu rücken.

Fatalerweise kumulierten sich die übrigens für den Werkplatz Schweiz ganz allgemein negativen Auswirkungen der sozialdemokratischen Politik mit den Effekten des neoliberalen Kurses der SVP. Letztere ist trotz ihres „Puurezmorge-Image“ nicht die Partei der kleinen und mittleren Angestellten, wie etwa in der Luftverkehrsbranche, sondern der abgehobenen Finanzjongleure und Abzocker. Sie fördern gezielt die soziale Umverteilung von unten nach oben und suchen den kurzfristigen Profit (Stichwort Shareholder Value) anstelle des langfristigen nachhaltigen Gewinns mit vielleicht etwas niedriger Umsatzrendite, auch wenn es um den Ausverkauf der von ihnen so oft beschworenen Heimat geht. Beiden Kreisen war das Engagement zugunsten der neuen Fluggesellschaft mit Staatsmitteln aus ideologischen Gründen ein Dorn im Auge.

Hinzu kam die ebenfalls vorherrschende „gesellschaftskritische“ Haltung vieler Medienschaffender und Multiplikatoren. Diese begnügten sich, Swiss schlecht zu machen, zusammen mit den neoliberalen Leitartiklern des Wirtschaftsteils der NZZ. Auch am Flughafen Zürich wurde kein gutes Haar gelassen. Selbst die zu Worte kommenden Aviatikexperten waren immer dieselben, da die eingespielten Netzwerke sowie die Modalitäten für externe Mitarbeiter der Presse anderen, in der Meinung vielleicht abweichenden anderen Fachleuten und Beobachtern den Zugang faktisch verunmöglichten. Es fand somit nie, wie der Philosoph Jürgen Habermas feststellen würde, eine kritische Diskussion in der Öffentlichkeit zum Thema Swiss statt.

 

Ideal aber angesichts der Macht des Faktischen völlig unrealistisch wäre folgendes Taktieren von Bundesrat, Parlament und politischen und gesellschaftlichen Akteuren gewesen. Beim Fluglärmstreit mit Deutschland hätte der Kanton Zürich als damaliger Eigentümer des Flughafens schon beim Erkennen erster Opposition ein gutnachbarschaftliches Zeichen setzen sollen und grosszügig Schallschutzmassnahmen unterstüzten sollen. Wäre es dessen ungeachtet zu Drohungen aus Berlin gekommen, und einiges weist darauf hin, so hätte der Bundesrat öffentlich auf die Risiken eines gemäss internationalem Luftverkehrsrecht gefährlichen Präzedenzfalls auch für Deutschland hinweisen sollen. Hätte dies nicht gefruchtet, hätte er wie geschehen beim Deutschen Verwaltungsgerichtshof und dem Europäischen Gerichtshof klagen müssen, aber den Fall auch vor die internationale Zivilluftfahrtsorganisation ICAO und die WTO wegen vermuteter einseitiger Beborteilung des Hubs München bringen müssen. Um Konzessionen wäre er allerdings nicht herumgekommen. Wenn alle Gesten guten Willens nichts gebracht hätten, wäre die Verknüpfung mehrerer Dossiers angebracht gewesen. Diese wären die für die lokale Bevölkerung heiklen Landkäufe schweizerischer Landwirte im süddeutschen Grenzgebiet, die Ausbildung deutscher Lehrlinge in Schweizer Betrieben und natürlich die Lastwagenflut über den Gotthard gewesen. Es ist traurig aber wahr: Stärke kann grundsätzlich nur durch Stärke bekämpft werden. Nachgeben aus Schwäche hat noch immer erst recht geschadet. Ferner hätten Bundesrat und Parlament mehr als einmal überdeutliche Machtworte gegenüber den Schweizer Banken sprechen müssen, welche den notwendigen Betriebskredit (bewusst?) verzögerten. Schliesslich ist noch immer der Bundesrat und nicht ein gewisser Marcel Ospel, seines Zeichens Generaldirektor der UBS, die höchste Autorität im Land.

Auch eine gewisse Kontrolle der Geschäftsleitung wäre angebracht gewesen. Diese hätte sich durch entsprechende Signale vielleicht überzeugen lassen, dass die Eigenständigkeit das Ziel der Refinanzierung war und nicht der schrittweise Verkauf an einen Konkurrenten.

 

 

Fehler 12: Überraschungen durch die Weltlage statt professionelle Planung

Selbst eine optimale Swiss hätte sich im kritischen Umfeld nach 2001 behaupten müssen. Dazu gehörten die Nachwehen des 11. September 2001, SARS und der Irakkrieg. Neben der Unfähigkeit, sich grundsätzlich auf die sich ändernden Rahmenbedingungen einzustellen und etwa ihr Netzwerk anzupassen, bewies Swiss auch hier im entscheidenden Moment fehlendes strategisches Geschick beim Verkauf der Treibstoffabsicherungen.

 

Angesichts der weltpolitischen Umstände und des erforderlichen Insiderwissens wäre in der Treibstoffrage für einmal der Beizug einer externen Beratungsfirma von Vorteil gewesen. Vielleicht hätten sich aber auch bei diesem Themenkreis neue, innovative Wege umsetzen lassen, wie etwa Direktimport oder Sammeleinkäufe zusammen mit weiteren Fluglinien. Entsprechende Vorarbeiten hätten sich zudem auch in die Verhandlungen zum Beitritt zu einer Allianz günstig auswirken können.

 

 

Fehler 13: Illusorische Verhandlungen statt Gewusst wie

Die existentielle Allianzfrage schliesslich artete von Anfang an zum Trauerspiel aus. Jegliche Lagebeurteilung der Säwiss-Führung war unweigerlich mit folgendem Grundproblem konfrontiert. An einer Partnerschaft mit Swiss war keine der drei Allianzen interessiert. Alle wollten lediglich das durch den Swissair-Zusammenbruch entstandene Machtvakuum im herzen Europas ausfüllen und sich im lukrativen Schweizer Markt festsetzen. Dies wurde auch unverblümt zugegeben. Dabei traten zum Teil weit zurückliegende geopolitische Verhaltensmuster hervor. Von Deutschland und dadurch dem Blickwinkel von Lufthansa bildete die Schweiz dank der räumlichen Nähe zu den Hubs Frankfurt und München eine sinnvolle Ergänzung. Hinzu kam die mögliche Rolle Zürichs als langfristige Kapazitätsreserve. Der Zentralhub Frankfurt ist saturiert und wird in spätestens zehn Jahren an physisch nicht aufhebbare Kapazitätsgrenzen stossen. Daran ändern auch die Ausbaupläne nichts. München verfügt zwar noch über Landreserven, ist aber allen anderslautenden Verlautbarungen als Flughafen nicht besonders beliebt, nicht zuletzt infolge seiner Distanz zum Stadtzentrum. Erweiterungen brauchen Zeit und dürften nicht sofort zum geeigneten Zeitpunkt bereit stehen. Engpässe können somit noch während Jahren bequem abgefedert oder über die Sekundärhubs von Star Alliance absorbiert werden. Dank seiner kompakten Bauweise und seiner überdurchschnittlichen Infrastruktur liesse sich Zürich auch als Lufthansa-internes High-End-Produkt platzieren, allerdings nur im Rahmen eng gesteckter Grenzen.

Air France, welche mit KLM ähnliche Überlegungen angestellt hatte, würde sich gerne Alitalia einverleiben. Dabei ist aber die Nähe Zürichs zu Mailand ein Hindernis. Auch Malpensa ist nicht besonders beliebt. Dies wird sich aber ändern, wenn einmal die Bahnverbindung aus dem Tessin erstellt ist. Dann wird Mailand für die Quell- und Zielmärkte Südschweiz näher liegen als Kloten. Um zu verhindern, dass sich Lufthansa in Zürich festsitzt, wäre sie an zahlreichen attraktiven Zubringern von dort auf ihren Hub Paris und auch Mailand interessiert. Währenddem Star Alliance einer „finnlandisierten“ Swiss einige Langstreckenverbindungen zugestehen könnte, würde dies der Strategie von Sky Team wiedersprechen. Das System der kleinen aber häufigen Pendelflüge praktiziert Air France zudem bereits zwischen Paris und Genf.

Auf den ersten Blick war Oneworld die ideale Lösung. Tatsächlich fehlte ihr noch ein Bindeglied in Kontinentaleuropa. Zudem schienen die Zentren London und Zürich weit genug von einander entfernt, um Überlappungen weitgehend zu vermeiden. Zudem liesse sich hier zusammen mit American und Finnair ein Sekundärhub errichten. Nicht zuletzt diese Versprechungen veranlassten das Swiss-Management zur Annäherung an Oneworld. Entgegen der (auch hier) vollmundigen Verlautbarungen erhielt Swiss nie eine „Einladung“ zum Beitritt. Sie versuchte vielmehr, sich anzudienen. Von London her gesehen präsentierte sich die Lage ebenfalls anders als von Zürich. Das ungefähr zwischen Frankfurt und München sowie Paris gelegene Kloten eignete sich zur gezielten Störung beider Konkurrenzsysteme. Allzu grosses Interesse an einer selbständigen Swiss bestand aber auch hier nicht. Der scheinbare Vorteil der zentralen Lage entpuppte sich bei genauerem Hinsehen als ein Hindernis. Von fast allen Swiss-Destinationen verkehrten auch Flüge von British Airways. Dasselbe traf für die in Lateinamerika starke Iberia zu. Die auf den ersten Blick logische Eingliederung in Oneworld erwies sich bei genauerem Hinsehen für die tonangebende Linie als störend und nicht ergänzend.

Bekanntlich scheiterten die Integrationsversuche sowohl in Star Alliance als auch Oneworld. Erstere wollte Swiss schon 2003 übernehmen, stellte aber unrealistische Forderungen und trat ihrerseits sehr arrogant auf. British Airways ging, nachdem sich Swiss verkleinert hatte, auf das Angebot ein, mit dem Hintergedanken, deren Abwandern zu Lufthansa zu verhindern. Eigentliches Ziel war es jedoch, sie ihrerseits zur Schwächung von Sky Team und Star Alliance einzusetzen. Konkret stellte British Airways strengere Aufnahmebedingungen als an andere Mitglieder, denn Swiss stand vor dem Zusammenbruch. Erst nach etwa zwei Jahren hätten sich dann geringe Synergien eingestellt. Vorbedingung zur Aufnahme war jedoch die Umsetzung eines zwischen beiden Linien abgeschlossenen bilateralen Vertrages als erste Stufe der Übernahme. Dieser sah die Zusammenlegung der Vielfliegerprogramme und die Gründung einer gemeinsamen Tochtergesellschaft für die Verbindungen zwischen beiden Ländern im Codeshare vor. Eine Integration zu den an die anderen Mitglieder gestellten Bedingungen wäre befriedigend dank der Unterstützung durch American und Finnair gewesen, durch die weiterhin anhaltende faktische Konkurrenz durch British Airways und Iberia aber nie optimal gewesen. Offiziell scheiterte der Beitritt infolge der Weigerung von Swiss, ihre Kundendaten offenzulegen. In Wirklichkeit war es ihre Unfähigkeit, Vorleistungen für Freiflugscheine zu erbringen und das letzten Endes geringe Interesse von British Airways. Lediglich American und Finnair standen vorbehaltlos hinter Swiss. Die wiederholt geäusserte Vermutung, es sei British Airways lediglich um den Erhalt möglichst vieler Slots in Heathrow gegangen, ist nicht ganz abwegig. Andererseits hat sie Swiss, gegen „Hinterlegung“ weiterer Slots, einen Betriebskredit zu geschäftsüblichen Konditionen gewährt.

In beiden Annäherungen ging Swiss von einer grundsätzlichen Lagebeurteilung auf. Gleichzeitig überschätzte sie ihre Bedeutung und ihre Ressourcen. Sie war auch unfähig, sich in die Verhandlungsposition der Gegenüber Lufthansa und British Airways zu versetzen und mögliche Freiräume auszuloten.

 

Eine pragmatische Haltung statt Wunschdenken sowie und etwas mehr Bescheidenheit hätten es Swiss eventuell ermöglicht, an Oneworld zu normalen Konditionen anzudocken. Dazu gehört aber auch strategischer Scharfblick und die Fähigkeit, den andern durch die eigenen Stärken zu überzeugen. Möglicherweise hätte auch ein Machtwort des Bundesrates zum richtigen Zeitpunkt im entscheidenden Moment die richtigen Türen geöffnet. Vermutlich wäre aber angesichts der letzten Endes überall feindlichen Haltung der Kerngesellschaften aller drei Allianzsysteme geschicktes Lavieren und Taktieren im Hinblick auf punktuelle Codeshares verbunden mit aggressiver und gezielter Kundenwerbung der richtige Ausweg aus dem Dilemma der Allianzfrage gewesen.

 

 

 

 

SWISS: Versuch einer Vorschau auf das noch mögliche

 

Wie bereits betont kehren verpasse Gelegenheiten niemals wieder, auch nicht bei Swiss. Der vergangenen Welt von Gestern (Stefan Zweig) nachzutrauern bringt nichts. Geschichte und Gegenwart kennen keine Konjunktive sondern nur den greifbaren Ist-Zustand. Die „Macht des Faktischen“ ist die alleinige Grundlage, von welcher aus die mehr oder weniger sichere Übernahme durch Lufthansa beurteilt und allenfalls noch in Details beeinflusst werden kann.

 

Die derzeitige Position von Swiss fusst auf den Auswirkungen der Summe der Irrtümer der Vergangenheit. Sie allein bildet die realistische Ausgangslage für die Zukunft. Diese führt zum zwingenden Schluss, dass zum jetzigen Zeitpunkt die Absorption durch den nördlichen Konkurrenten den einzigen möglichen Ausweg darstellt.

 

Auch hier drängt sich zunächst eine realistische Lagebeurteilung auf. Lufthansa-Chef Wolfgang Mayrhuber ist ein ausgewiesener Aviatikexperte und erfolgreicher Sanierer der ebenfalls angeschlagenen Lufthansa. Er ist betrieblich knallhart, aber im Gegensatz etwa zu Joe Ackermann von der Deutschen Bank nicht neoliberal geprägt. Deshalb kann davon ausgegangen werden, dass er Swiss nach der Übernahme nicht sofort zerstören sondern zumindest mittelfristig innerhalb des Lufthansa-Konzerns als eigenständige Marke positionieren will. Dies wiederum lässt dem Bundesrat bei den Verhandlungen noch etwas Spielraum.

 

Will er das Swiss-Debakel noch zu einem einigermassen würdigen Abschluss bringen, muss der Bundesrat folgende Grundbedingungen für die Integration stellen:

1. Substantielle Konzessionen beim Nordanflug. Realistischerweise ist dabei nicht von der Rückkehr zum verordnungslosen Vorzustand sondern der Aufhebung der diskriminierenden Wochenendregelung auszugehen. Signale aus Berlin erlauben die Hoffnung, dass Spielraum für Neuverhandlungen besteht;

*2. Aberkennung des Status der „nationalen Fluggesellschaft“ von Swiss. Dazu gehört die Neuverhandlung der bestehenden bilateralen Verträge im Rahmen der Übertragung der Verkehrsrechte an Lufthansa, so dass auch andere Schweizer Unternehmen theoretisch Flüge auf Swiss-Routen anbieten können;

3. Garantiertes proportionales Schweizer Mitspracherecht im Aufsichtsrat von Lufthansa auch nach der Integration;

4. Möglichst Rückendeckung für Skyguide im sich abzeichnenden europäischen Einigungsprozess;

*5. Falls möglich operationelle Selbständigkeit von Swiss unter Vorgabe von Eckwerten im Lufthansa-Konzernverbund.

 

Wichtiger und wirksamer als „erflehte“ Garantien für Arbeitsplätze und Destinationen aus der Position der Schwäche ist geschicktes Schachspiel. Dabei geht es um möglichst lange Übergangszeiten, wo Swiss noch operativ selbständig ist und ihr Produkt vorausschauend gestalten kann. Dabei geht es darum, Lufthansa von den Chancen der Repositionierung von Swiss als weltweite High-End-Marke zu überzeugen. Nur so besteht ein Stück weit die Garantie, dass Lufthansa Swiss nicht – allen schönen Reden zum Trotz - zum Zubringer für München und Frankfurt degradiert. Dazu gehörte insbesondere eine von Swiss im Rahmen ihrer allerdings rasch abnehmenden Freiheiten initiierte „Arbeitsteilung“. Die ohnehin aussichtslosen Billigaktionen werden aufgegeben und die Passagiere von vornherein über Frankfurt und München geleitet. Lufthansa kann dadurch die in knapp zwei Jahren erscheinenden A380 besser auslasten. Im Gegenzug wirbt sie hochkarätige Businesspassagiere in ihre Flugzeuge. So wäre dank der unterschiedlichen Overheadkosten eine für beide Seiten massgeschneiderte Produktion möglich. Zudem könnte Swiss ihre Langstreckenflüge zeitlich so ansetzen, dass sie diejenigen von Lufthansa sinnvoll ergänzen. Nutzt Swiss diese für begrenzte Zeit vorhandenen Freiräume konsequent, dann hat sie eine reale Chance, dass – zumindest unter der derzeitigen Lufthansa-Konstellation – ihr Brand erhalten bleibt und sie ein Glied in einer Kette und nicht bloss ein „Profit Center“ ist.

 

Falls Swiss rechtlich eine Schweizer Firma bliebe, wäre sie hier steuerpflichtig. Dies gilt es auszunutzen. So könnten für jede von Lufthansa Swiss zugestandene und im Interesse der Schweizer Volkswirtschaft liegende Destination oder jedes Swiss zugestandene Langstreckenflugzeug Steuernachlässe gewährt werden. Ähnliche Anreize wären auch als Belohnung für das Verbleiben wesentlicher Elemente der Wertschöpfungskette in der Schweiz zu gewähren. Denkbar wären sie auch bei der Berücksichtigung von Schweizer Zulieferern. Derartige Massnahmen aus einer Position der relativen Stärke erreichen garantiert mehr als Forderungen nach „Garantien“ aus der zwangsläufigen niederen Verhandlungsposition. Analoge Belohnungen wären auch dann gerechtfertigt, wenn Lufthansa ihrerseits Aufträge an Schweizer Firmen vergibt.

 

Eine weitere offensive Massnahme zum Ausüben von Druck auf Lufthansa könnten auch die bereits von deutschen Firmen genutzten Steuer- und Abgabenvorteile bei der Verlegung von Konzernteilen wie etwa der Finanzabteilung bilden. Sogar die Räumlichkeiten wären in Basel vorhanden, was zudem deutschen Grenzgängern entgegen käme. Hier bestünde grosser Spielraum für finanzielle „Belohnungen“ für zusätzlich in Zürich, Basel und Genf stationierte Flugzeuge. Sogar die Ueberschreibung von Personal in schweizerische Arbeitsverhältnisse könnte sich für die kostenbewusste Lufthansa rechnen.

 

Die Zukunft des Luftfahrtstandortes Zürich wird zum grossen Teil auch von der dortigen Flughafengesellschaft mitgestaltet. Ähnlich wie Genf nach dem Swissair-Rückzug 1996 könnte auch sie eine langfristig angelegte Marketingoffensive starten. In Cointrin stellten sich die Erfolge nicht sofort ein, blieben aber nicht aus. Dazu wäre aber auch die Politik gefordert, in dem sie den Landesflughäfen etwa die Lärm- und Sicherheitsgebühren erlässt.

 

Gerade auch dem Flughafen Genf stünde es frei, bei Lufthansa und Star Alliance gezielt um neue Langstreckenverbindungen, etwa nach Kanada, Thailand oder Westafrika zu werben.

 

Es bestehen gewisse Chancen, dass diese Möglichkeiten tatsächlich umgesetzt werden zum Vorteil des Luftfahrtstandortes Schweiz und Lufthansa. Der Absorptionsprozess von Swiss wird weltweit genau beobachtet werden. Vieles weist darauf hin, dass der schon seit längerem angekündigte Konsolidierungsprozess in Europa einsetzt. Es ist ferner ein mehr oder weniger ein offenes Geheimnis, dass Lufthansa auch gerne SAS und Austrian annektieren würde. Diese Gesellschaften sind aber, nicht zuletzt dank politischer Unterstützung, in einer stärkeren Position als Swiss. Entstehen aus der Integration von Swiss in den Lufthansa-Verbund für beide Seiten spürbare Vorteile, so könnte dies wiederum die Position von Lufthansa gegenüber weiteren, stärkeren Übernahmekandidaten verbessern. Dadurch würde die Übernahme zum Auftakt eines Zusammenschlusses im Rahmen des europäischen Integrationsprozesses. Zur Gefahr würde sie, wenn Lufthansa und Swiss eine marktbeherrschende Stellung erhielten. Deshalb müsste die Landesregierung auch hier korrigierend eingreifen.

 

Etwas darf allerdings nicht vergessen werden. Pläne und Entschlüsse mit geplanten Resultaten sind das eine, die tatsächlichen Ergebnisse das andere. Schon Karl Popper erkannte dies: „Wir können grundsätzlich nicht in die Zukunft schauen, da wir heute nicht wissen können, was wir morgen wissen werden“.

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Johannes Müller

Hi skyward (eins hast du vergessen: ein VORNAMEN!)

 

Danke für deine interessante Auslegung der Geschichte und der aktuellen Möglichkeiten. Viel davon, kommt mir bekannt vor ;) - einiges kann ich nicht beurteilen. "Was wäre, wenn..." ist immer ein spannendes Spiel, im Nachhinein ist man immer kluger.

 

Eins, was bei dir aber immer wieder aufkommt, und ich denke, dies ist ein Problem der grösseren Firmen im allgemeinen heutzutage, ist die unglaubliche Arroganz und Selbstverständnis, in der einige Firmenchefs "ihre" Firmen in eine Ecke treiben... Früher hatte ich das Gefühl, dass ein Chef die Firma wie "seine" behandelte (oft auch selber aufgebaut hatte), heute kommt es mir vor, wie ein Formel-1-Fahrer, der sein Auto (die Firma) übernommen hat, nur ein paar Runden drehen muss, um dann mit eine grossen Gage aussteigen zu können, egal wie das Auto am Ende aussieht. Wenn ich sehe, wie die Angestellten dafür kämpfen müssen, ihren Lohn einigermassen stabil zu halten - wenn nicht gar wegen ihrer Stelle selber, dann ist es mir einfach unverständlich, wie die top 1-2% der Firma das Geld, was "sie" erspart haben (durch drücken der Angestellten) locker und ohne schlechtes Gewissen als Lohn + Boni fordern. Und dann sprechen sie allen ernstes von der "schlechten Wirtschaftslage"..... :(

 

Gruss

Johannes

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