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Leistungsverlust beim 2-Mot


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Geschrieben

Hallo zusammen

 

Im „Flieger Magazin“ vom Februar 2005 las ich einen interessanten Artikel über das Multi Engine Rating nach JAR-FCL. Dort wird der Umstieg von einer einmotorigen zu einer zweimotorigen Maschine beschrieben. Unter anderem war dort eine für mich interessante Tabelle abgedruckt. Diese gibt wieder, wie viel Leistung man verliert, wenn einer der Motoren ausfällt. Folgende Werte sind angegeben:

 

Muster

Steigleistung

2-mot

1-mot

Leistungsverlust

 

PA 34 Seneca II

1300 ft/min

200 ft/min

84.6%

 

PA 23 Aztec

1490 ft/min

240 ft/min

83.89 %

 

C 402 B

1610 ft/min

225 ft/min

86.02%

 

Partenavia P68C

1500 ft/min

270 ft/min

82.00 %

 

Citation 500 (Jet)

3100 ft/min

800 ft/min

74.19 %

 

Lear 24 D (Jet)

6800 ft/min

2100 ft/min

69.12%

 

 

(Sorry, konnte leider die Tabelle nicht besser formatieren)

 

Mich erstaunen diese Werte und im Bericht wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass man bei einem Motorausfall eben mehr als nur die Hälfte verliert! Warum ist das so? Vielleicht mache ich falsche Ueberlegungen, vor allem wenn ich den Vergleich mit einem Auto heranziehe: dort ist ja ein doppelt so starkes Auto, sagen wir mal 200 PS statt nur 100 PS nicht doppelt so schnell, resp. bei Umkehrschluss ist ein halb so starkes Auto eben auch nicht plötzlich nur noch halb so schnell. Vielleicht statt 240 km/h halt nur noch 210 km/h schnell. Ich verliere da vielleicht 20% an Endgeschwindigkeit. Warum beim Flugzeug dieser eklatante Leistungswegbruch? Ich bin bereit, eure „Ohrwatschen“ zu ertragen und danke für eure Erklärungen.

 

Gruss Beat

Geschrieben

Ich denke es geht hier um Leistungsverlust bei der Steigleistung. Dort wird am meisten Kraft aus den Motoren benötigt. Ich denke im Reiseflug wären die Leistungseinbussen prozentual nicht so krass. Umgemünzt auf das Autobeispiel müsstest Du die Beschleunigung in Sekunden gegenüber Motorleistung heranziehen. Habe das mal bei einer bekannten Automarke verifiziert .... eine Verdoppelung der Motorleistung bringt "nur" 67% Steigerung in der Beschleunigung von 0 auf 100 km/h.

 

Auch nur ein Schuss ins Blaue und lasse mich gerne eines besseren belehren .... :D

 

Ciao, Markus ;)

Geschrieben

Was bei 2-Mot-Flugzeugen hinzukommt ist das ein ausgefallenes Triebwerk nicht nur keine Leistung (sprich Vortrieb) liefert sondern noch zusätzlichen Widerstand aufbaut welcher vom verbleibenden Triebwerk kompensiert werden muss. Die Asymmetrie des verbleibenden Schubs bringt auch aerodynamischen Widerstand welcher erst durch Seitensteuer ausgeglichen werden muss.

 

Insofern hinkt das Beispiel mit einem Auto da dieses nur über einen Motor verfügt und eine Halbierung der Motorleistung keinen Einfluss auf dessen Vortrieb und Aerodynamik hat.

 

Ciao, Markus ;)

Geschrieben

Sicher ist : Die Zahlen stimmen und zwar nur, wenn absolut sauber geflogen wird, sonst sieht es noch schlimmer aus. Es ist kein Zufall, dass Engine failures bei zweimotorigen Maschinen häufiger zu Todesfällen führen als bei einmotorigen. Abstürzen wegen Geschwindigkeitsverlust und Kontrollproblemen endet im Gegensatz zu einer motorlosen Notlandung meistens tödlich. Ein Fluglehrerass in England empfiehlt aufgrund der Statistik bei Motorausfall unter 500 Fuss/Grund mit leistungsschwachen zweimotorigen eine Notlandung +/- geradeaus in einem Feld mit dem verbleibenden Triebwerk anstelle eines einmotorigen Circuits.

Geschrieben
... Umgemünzt auf das Autobeispiel müsstest Du die Beschleunigung in Sekunden gegenüber Motorleistung heranziehen. Habe das mal bei einer bekannten Automarke verifiziert .... eine Verdoppelung der Motorleistung bringt "nur" 67% Steigerung in der Beschleunigung von 0 auf 100 km/h.

 

Auch nur ein Schuss ins Blaue und lasse mich gerne eines besseren belehren .... :D

 

Ciao, Markus ;)

Kann (leider) nur beim Auto mitreden! Die Leistung ist egal für die Beschleunigung! Die Leistung berechtnet sich u.a. auch mit Kraft mal Geschwindigkeit und beim Anfahren ist die Geschwindigkeit 0 (null)! Also, die Motorleistung hat nur etwas mit der Endgeschwindigkeit zu tun.

 

Die Maximale Geschwindigkeit rechnet sich dann einfach max. Leistung durch alle Widerstände (u.a. wieder von der Geschwindigkeit im Quadrat abhängig...).

 

Für die Beschleudigung braucht es Kraft und diese kannst Du beim Auto nur dem Drehmoment entnehmen...

 

Soweit ein kleiner Exkurs in die Physik, sorry wenn zu fest offtopic...

 

Gruess Bruno

Geschrieben

Also wenn ich mir das ausrechne ist Leistungsverlust vielleicht nicht ganz der richtige Begriff. Der Leistungsverlust ist genau 50%, ausser ein Triebwerk produziert mehr Schub als das andere. ;)

Viel eher würde ich es "Steigperformance Verlust" oder sowas nennen. Und wenn man sich das überlegt ist es irgendwie logisch, dass man nicht mehr 50% der ursprünglichen Steigleistung hat.

 

Ein Beispiel:

Das Flugzeug braucht 30% der gesamten Motorleistung um den Gesamtwiderstand im Geradeausflug zu überwinden. Dann hat es noch 70% Leistungsreserve, die in Steigflug umgesetzt werden kann.

Wenn ein Triebwerk ausfällt verringert sich der normale Widerstand sicher nicht. Wurde ja oben schon erwähnt.

 

Seien wir mal optimistisch und nehmen an, er bleibt gleich. Dann brauchen wir plötzlich 60% (2*30%) der verbleibenden Leistung nur um den Flieger im Horizontalflug zu halten.

Dann verbleiben 40% von EINEM Triebwerk zum Steigen. Das macht 20% der ursprünglichen Gesamtleistung mit einem Motor. Mit beiden hatten wir 70%.

 

 

Ich weiss nicht wie das mit den Zahlen ist. Kann sein, dass sie nicht wirklich möglich sind. Aber es ging mir um das Prinzip. Hoffe ihr versteht meine Gedankengänge ;)

 

Gruss

Michi

Spitfire Mk XIX
Geschrieben

Hallo

 

Zweimotorige Flugzeuge verlieren immer einen grossen Teil ihrer Steigleistung. Vereinfacht kann man sich vorstellen, dass ein Triebwerk gerade mal reicht um das Flugzeug in der Luft zu halten und die Leistung des zweiten als "Überschussleistung" für den Steigflug zur Verfügung steht. (Nicht vergessen: Beim Fliegen bewegen wir uns in und häufig gegen ein Graviationsfeld, was bei erdgebundenen Tätigkeiten wie Autofahren weniger der Fall ist). Auch bei leistungsfähigen Flugzeugen ist dies so: Ein Kampfflugzeug F5 Tiger kann beispielsweise je nach Geschwindigkeit mit beiden Triebwerken eine Steigleistung von bis zu 30 000 ft/min entwickeln. Auch im "langsamen" Steigflug (zwischen 200 und 300 KIAS) bei einem Steilstart von einem Gebirgsflugplatz liegen noch problemlos gegen 10 000 ft/min drin. Verliert der Tiger aber ein Triebwerk (z. B. durch Vogelschlag unmittelbar nach dem Start) dann steigt's plötzlich nur noch mit 500 bis 1000 ft/min. Es gibt daher Flugplätze in unseren Alpen auf denen ein Triebwerkausfalll je nach Wetterbedingungen nur noch den Schleudersitzabschuss offen lässt, weil die noch verbleibende Leistung des einen Triebwerks weder eine Umkehrkurve zulässt, noch einen Gradienten liefert, der grösser als die Steigung des Geländes ist.

 

Nun wieder zurück zu den MEP-Flugzeugen: Bei zweimotorigen Flugzeugen, die nach FAR 23 zertifiziert sind, muss auch auf Meereshöhe nach dem Start keine Einmotorensteigfähigkeit nachgewiesen werden, sofern die höchstzulässige Abflugmasse (MTOM) weniger als 2700 kg beträgt oder die Stallgeschwindigkeit Vso unter 61 kt liegt. Für den Fall dass MTOM > 2700 kg oder Vso > 61 kt gilt für die nachzuweisende Steigrate in ft/min = 0.027 (Vso)(Vso).

 

Auch hier wieder ein Beispiel: Für eine Cessna 310 beträgt die Vso 63.5 kt. Damit muss eine Einmotorensteigfähigkeit von 110 ft/min nachgewiesen werden. Im AFM dieses Baumusters findet man denn auch 119 ft/min für den einmotorigen Fall. Wenn man annimmt, dass die Maschine mit 90 KIAS fliegt, dann steigt sie auf rund 9000 ft gerade mal 119 ft. Ergibt einen Winkel der deutlich unter einem Grad liegt.

 

Zusammengefasst kommt man leider zum Schluss, dass bei vielen schwachbrüstigen Zweimots bei einem Ausfall eines Triebwerks der noch laufende Motor gerade mal reicht um sicher bis an die Unfallstelle zu kommen ;).

 

Mit vielen Grüssen

 

Dan

Geschrieben

Zusammengefasst kommt man leider zum Schluss, dass bei vielen schwachbrüstigen Zweimots bei einem Ausfall eines Triebwerks der noch laufende Motor gerade mal reicht um sicher bis an die Unfallstelle zu kommen ;).

 

Dan

 

... kann man von einem kontrolliertem Absturz reden.

 

Na ja, zum Glück ist es nicht ganz so tragisch. Denn wir gingen in den Beispielen immer vom maximalen Gewicht aus. Wenn das FLZ nur schwach beladen ist, vielleicht nicht mal vollgetankt ist, hat man tatsächlich recht gute Chancen einmotorig noch einen einigermassen akzeptablen Steigwinkel zu erreichen.

Also ich rede hier von einer Seneca, und den stehenden Props sauber in den Wind gestellt (selber ausprobiert).

VORSICHT! Speed nicht unter die blueline fallen lassen, sonst beginnt es zu drehen und drehen und drehen...

 

Aber eben, es geht nur WENN...

 

Gruss

Raphael

Geschrieben

Hallo zusammen

 

Vielen herzlichen Dank für die fundierten Antworten. Beim Lesen dieser Statements bekommt für mich langsam der Mythos der sicheren 2-motorigen mit Leistung im Ueberschuss, so quasi der Sportwagen unter den Flugzeugen, ein paar Risse. Bislang war ich der Meinung, dass es sehr sicher ist, mit einem 2-motorigen Flugzeug in der Welt herumzukurven, eben weil: 2 Motoren, dass beide Ausfallen ist sehr unwahrscheinlich und mit dem verbleibenden reicht es noch allemal, sicher bis zum Heimathafen rumzukurven.

 

Falls ich nun Dagobert Duck wäre und im Geld schwimmen würde (nein, nein, tu ich wirklich nicht….), was gäbe es denn für Gründe, eine 2-Mot anzuschaffen anstelle einer einmotorigen mit viel Leistung? Sind es doch die Sicherheitsvorteile, die trotz allem noch da sind? Ich meine wenn bei einem Motor das Ding ausfällt, dann ist gar nichts mehr da, bei der 2-Mot habe ich immerhin noch einen?!

 

Gruss Beat

Geschrieben (bearbeitet)

.

Bearbeitet von flowmotion

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