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Geschrieben

Ich habe eine Frage an die Techniker unter uns:

 

Bei einem Lycoming 6-Zylinder in einer Robinson ist es zu einem Ventilklemmer gekommen. Anschliessnd trat Oel aus. Dieses Oel geriet zwischen Pully und den beiden Antriebsriemen zum Getriebe. Die Folge war Verlust des Kraftschlusses, Rotordrehzahlabfall und eine geglückte Notlandung.

 

Was ist eigentlich die hauptsächliche Ursache für einen Ventilklemmer bei Kolbenmotoren?

 

Gruss

Joachim

Geschrieben

Walti, habe mir das genau durchgelesen.

 

Ob man einen Ford-Motor mit einem Lycoming gleichsetzen kann wage ich zu bezweifeln. Das es durch Ablagerungen zum Klemmer kommen kann/muss, ist schon logisch.

 

Tatsache ist aber auch, das dieser besagte Motor exakt nach Herstelleranweisung gewartet wurde und auch das vorgeschriebene Oel verwendet wurde.

 

Für mich ist das immer noch ein Fragezeichen ...

 

Gruss

Joachim

Geschrieben

Ich lege mal mit mutmasslichen Mutmassungen los... ;)

 

Ventilklemmer tönt für mich nach "anfressen" der Materialen.

Obwohl die heutigen (angeblich modernen, aber das wäre ja Stoff für ein neuen Thread... ;) ) Flugmotoren mit nur 2700 oder sogar 2400 Umdrehungen arbeiten, ist die Belastung der Bauteile enorm. Man stelle sich vor, wie der Pleuel am Kolbenboden drücken muss, um ihn 2700 mal in der Minute an den oberen Totpunkt zu stossen. Das sind durchaus noch 45 mal in der Sekunde, wo der Kolben von oben nach unten und wieder nach oben bewegt wird.

Die genauen Zahlen weiss grad nimmer auswendig, aber geschätzterweise wiegt ein Kolben bei einem Lycoming 360er gegen ein Kilogramm und der Hub ist doch auch fast schon zehn Zentimeter. Stellt euch nun vor, man bewegt ein Sack Zucker (=1kg) 45 mal in der Sekunde um 10cm vor und zurück...

Soweit schon eindrücklich.

 

Zu den Ventilen.

Die sollen sich ja am besten Schlagartig öffnen und schliessen, ebenfalls vereinfachterweise gesagt bei jedem zweiten Takt jeweils am oberen und unteren Totpunkt. Auf der einen Seite sollen sie im geschlossenen Zustand absolut dicht sein, jedoch im offenen Zustand einen möglichst grossen Luftquerschnitt ermöglichen. Sie haben dazu einen geschätzten Hub von 7mm, einen Durchmesser von 40mm.

Schauen wir uns mal einen einzelnen der 45 Bewegungen des Kolbens an. Kommt der Kolben während der ganz kurzen Zeit im oberen Totpunkt zum Stillstand, so soll das Ventil öffnen, in der selben kurzen Zeit am unteren Totpunkt schliessen. 5mm sind zwar wenig, aber die Zeit, in der sie zurückgelegt werden sollen, ich doch auch ziemlich kurz...

Und die Schmierung sollte besser auch funktionieren, denn beim Auslassventil streichen die Abgase mit Temperaturen von 1000°C über das Material...

 

Ein anderer Aspekt: Die Ablagerungen.

Diese entstehen durch den normalen Gebrauch des Motors. Man schaue nur mal nach 500h hinter den Spinner bei einem Motor mit Verstellprop, da hats durchaus 5mm Schlamm an der Innenwand der Kurbelwelle, da diese wie eine Zentrifunge wirkt. Also durchaus normal.

 

Dann noch ein anderer Aspekt: Die EGT.

Bei vielen - meist einfacher instrumentierten - Fliegern gibt es lediglich eine EGT Anzeige. Aber keiner der vier Zylinder reagiert beim leanen gleich wie der andere, der eine kommt as bisserl früher, der andere später. Es kann daher durchaus sein, dass ein Zylinder schon zu heiss läuft, währenddem die EGT eigentlich optimal wären. Läuft ein Zylinder am oberen Bereich der Betriebstemperatur, so wird ein guter Schmierfilm unabdingbar.

 

Es kann nun sein, dass die Materialen nicht optimal waren und wegen falscher Legierungen schneller zum anfressen neigen, als sie sollten. Eine hohe Betriebsstundenzahl kann durch die akkumulierten thermischen Belastungen eine Änderung des kristallgitters und damit einhergehenden Materialeigenschaften noch begünstigen, muss aber nicht.

 

Und all diese kleinen Details führen dann zu einem Versagen eines Bauteils.

Ein Zylinder läuft ein wenig wärmer als die anderen, die verbauten Komponenten entsprechen nicht mehr den orginal Spezifikationen (ich meine hier NICHT "fake-parts"!), dann sorgt eine losgelöste Ablagerung für die Verstopfung eines Schmierkanals (was nicht nur die Schmierung sondern auch die Kühlung beeinflusst), weshalb dann der Schmierfilm abreisst und das Material anfrisst.

 

Der langen Rede kurzer Sinn: Shit happens.

 

Und unter uns gesagt/gefragt: Woher weisst du, dass die Wartungsvorschriften genau eingehalten worden sind? Welcher der amtierenden Piloten hat schon mal das Engine-Operating-Manual des Herstellers studiert?

Geschrieben

Hallo Dani,

 

recht herzlichen Dank für Deine ausführliche Darlegung und das E-Mail.

 

Vor ein paar Minuten habe ich ein Telefon erhalten.

 

Wieder hat es ein Ventilklemmer an einem 6-Zylinder gegeben.

Wieder ist es eine R44.

 

Diesesmal war die Notlandung nicht ganz so perfekt.

Der Heckausleger wurde vom Rotorblatt abgeschlagen. Die Maschine ist vermutlich Totalschaden. Den Insassen ist zum Glück nichts passert.

 

Gruss

Joachim

Geschrieben

Vorausgesetzt es handelt sich um den gleichen Motor:

 

Könnte aber auch ein Materialfehler bei den Ventilen und/oder Büchsen sein, der dann aber ziemlich schnell in einem AD umgesetzt wird.

Geschrieben

Beide Motoren liegen in der Seriennummer nur 12 Ziffern auseinander.

 

Das stinkt doch sehr ...

 

Mal sehen was bei der BfU rauskommt.

 

Gruss

Joachim

Geschrieben

@Joachim

 

Lycoming hat in den letzten zwei Jahren vermehrt Schlagzeilen mit minderer Materialqualität bei hochbelasteten Motorteilen gemacht (z.B. TSIO-550 Piper Malibu, Kurbelwellenschäden).

 

Ein Ventilklemmer entsteht mit grösster Wahrscheinlichkeit durch den Bruch einer Stösselstange und anschliessendem verkanten der Ventilstange.

 

Markus

Geschrieben

Stimmt, der Markus hat recht, an die Stösselstangen habe ich nicht gedacht...

 

Und zumal da ja Hydraulische Stössel drin sind, dürfte das "verheerend" sein...

Geschrieben

Uebrigens, ein Stössel ist verbogen. Das "Rohr" (weiss nicht wie es heisst), welches über dem Stössel ist, wurde aus dem Motorblock herausgerissen/herausgezogen. Dort trat dann auch das Oel aus.

 

Gruss

Joachim

  • 4 Jahre später...
Geschrieben
Wieder hat es ein Ventilklemmer an einem 6-Zylinder gegeben.

Wieder ist es eine R44.

 

Diesesmal war die Notlandung nicht ganz so perfekt.

Der Heckausleger wurde vom Rotorblatt abgeschlagen. Die Maschine ist vermutlich Totalschaden. Den Insassen ist zum Glück nichts passert.

Beide Motoren liegen in der Seriennummer nur 12 Ziffern auseinander.

 

Das stinkt doch sehr ...

 

Mal sehen was bei der BfU rauskommt.

 

Der Abschlussbericht des BFU wurde publiziert.

http://www.bfu.admin.ch/common/pdf/u1964_d.pdf

 

Gruss

 

Philipp

 

Edit: Wenn wir schon dabei sind: Es trifft nicht nur Helikoptermotoren, siehe http://www.flightforum.ch/forum/showthread.php?t=46605&highlight=Leistungsverlust

Geschrieben
Tatsache ist aber auch, das dieser besagte Motor exakt nach Herstelleranweisung gewartet wurde und auch das vorgeschriebene Oel verwendet wurde

Das besagt noch nicht viel. Rotax hat auch jahrelang das Castrol GPS als besonders empfehlenswert für hohe Temperatur (F-Schlepp...) und gelegentliche Avgas-Nutzung eingestuft. Mit einer neueren Revision des betreffenden SIL ist dieses Öl inzwischen als nicht mehr empfehlenswert eingestuft. Dumme Sache, wenn man extra ein ganzes Fass davon geordert hatte, da kann man nur froh sein, wenn es im Verein einige Motoradfahrer gibt, die es einem abkaufen.

Dabei was GPS so schön für alle Piloten zu merken gewesen. GPS = Gut. Erklär mal einem Piloten das das CXS gut, das CTS aber verboten ist (waren glaube ich Shell-Öle), das merkt sich doch keiner :D

Unser mit dem vom Hersteller "besonders empfohlenen" (highly recommended) Öl betriebener Rotax hat nach etwa 400 Stunden sein Leben ausgehaucht. (Alles voller Metallspäne verschiedenster Farbe, also wohl Stahl und Lagerschalen...)

Sein Vorgänger hat mit dem billigsten Supermarkt-Erstraffinat-noName 15W40 seine 1200 Stunden gehalten, inclusive F-Schlepp. Das war allerdings seinerzeit auch noch das geforderte Öl für den Rotax, bevor dann der SIL die Benutzung von hochwertigeren Ölen je nach Einsatzzweck empfohlen hat.

 

Der Abschlussbericht des BFU wurde publiziert.

Wow! Es gibt sie doch noch, die vielzitierte schweizer Präzision!

Das ist doch mal ein Bericht, den man einfach nur loben kann.

 

Gruß

Ralf

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