Zum Inhalt springen

Erfahrungsbericht Swiss MD11 Simulator


mrueedi

Empfohlene Beiträge

Guten Morgen,

 

Zum runden Geburtstag bekam ich dieses Jahr als absolutes Highlight einen MD11 Simulatorflug im Swiss Training Aviation Center geschenkt (herzlichen Dank an meine Familie!!). Am letzten Sonntag um 17:00 hatten wir den Termin. An dieser Stelle folgt nun mein Erfahrungsbericht.

 

Ich bin mir bewusst, dass alles was ich schreibe (und noch viel mehr) für verschiedene Profis hier im Forum nichts neues ist (oldchris, dein ex-Arbeitsplatz wurde für kurze Zeit meiner!!). Mein Fokus liegt darum bei den Besonderheiten die einem FS2002 Piloten in einem realen Cockpit widerfahren. Ich möchte einen Vergleich des bisher besten FS2002 MD11 Panels (Alain Capt) mit der Wirklichkeit durchführen. Dabei gehe ich nicht in die Breite sondern in die Tiefe und konzentriere mich auf einige ganz spezifische Unterschiede (unter anderem beim Autopiloten).

 

Bei den folgenden Beobachtungen kann es gut sein, dass ich Dinge falsch oder unvollständig aufgefasst habe. Die Profis mögen also korrigieren!

 

Flugdynamik/Trägheit: Dieses Ding ist behäbig! Auch bei Vollauschlag ist die Reaktion träge. Bei vielen MSFS Flugzeugen ist die Steuerung viel zu direkt. Die reale MD11 reagiert vergleichsweise langsam und mit Verzögerung auf Ruderauschläge. Bei Alain Capts MD11 ist diese Eigenschaft eigentlich nicht schlecht nachgebildet. Ein weiterer Punkt, der mir bei keinem einzigen MSFS Flugzeug so ausgeprägt aufgefallen ist, ist die Massenträgheit. Diese war sehr ungewohnt vor allem in der Längsachse. Wenn diese Maschine rollt, dann rollt sie! Aus einer mittleren Rollgeschwindigkeit (Bank Angle Speed, Änderung des Bank-angle pro Sekunde) kann man die Querlage nicht innert kurzer Frist stabilisieren. Selbst bei deutlichem Gegensteuer ändert sich die Querlage noch für einige Momente. Im MSFS hingegen hört die MD11 sofort auf zu drehen (auf der Längsachse) wenn der Joystick in die Mittelstellung gebarcht wird. Dieser massive Effekt der Massenträgheit ist für reale Piloten sicher kaum bemerkbar, da sie geübt sind, entsprechend koordinierte Steuerauschläge auszuführen. Für mich als MSFS Piloten hingegen war diese Umstellung die grösste Herausforderung was das Knüppeln betroffen hat!

Physikalisch ist der Trägheitseffekt aber durchaus nachzuvollziehen wenn man sich überlegt, welche Massen in Bewegung geraten bei einer Änderung der Querlage. Das resultierende Drehmoment (= masse * radius) durch die Flügel und v.a. die Triebwerke an den Flügeln ist gewaltig.

 

 

Trimmung: Ich weiss nicht wie ihr im MSFS trimmt. Die reale MD11 wird am Steuerhorn getrimmt. Zwei kleine Kippschalter, die immer zusammen betätigt werden müssen, wirken auf die Trimmung. Den Trimmgrif auf der Center Console (analog der Anordnung bei GA-Flugzeugen) wird im Normalfall nicht verwendet (wann wird er dann gebraucht??).

 

 

Autopilot On/Off: Wer den MSFS Autopiloten kennt weiss, dass es bei den meisten Panels jeweils zwei Buttons gibt, um den Autopiloten und den Autothrottle unabhängig voneinander ein- und auszuschalten. Diese Funktionalität ist bei allen Panels anzutreffen, die mehr oder weniger direkt auf der Microsoft Implementierung des Autopiloten basieren. In der Realität weicht die Autopilot-Logik bei verschiedenen Flugzeugtypen doch erheblich davon ab. Wer den realen MD11 Autopiloten kennt (eigentlich das Bedienpanel auf dem Glareshield) weiss, dass es nur einen grossen Knopf mit der Aufschrift 'AUTO FLIGHT' hat. Mit diesem Button werden alle Aspekte des automatischen Fluges eingeschaltet. Diese beinhalten die volle 4D Kontrolle des Flugzeuges (4 Dimensionen: Alle drei Achsen und den Speed). Das bedeutet, dass die Änderung der Microsoft Implementierung beim FS2002 (pitch- und bank_hold_on beim Einschalten) für die MD11 der Realität entspricht. Aber: Mit diesem Button kann man nichts auschalten!! Um den Autopiloten und den Autothrottle auszuschalten, muss die kleine Taste am Steuerhorn betätigt werden. Um nur den Autothrottle auszuschalten, muss die kleine Taste am Throttle betätigt werden. Beide Verfahren verlangen quasi einen Doppelclick, d.h. die Tasten müssen zwei mal gedrückt werden! Bei der ersten Betätigung erfolgt eine Bestätigunsganfrage im PFD mit gleichzeitigem Warnton. Mit einem zweiten Tastendruck wird die Eingabe dann aktiv. Der Gipfel ist die Methode um nur den Autopiloten auszuschalten: Man drückt die Taste am Steuerhorn (-> Autothrottle und Autopilot aus) und hält sie gedrückt während im glareshield die Autoflight Taste gedrückt werden muss (oder ähnlich).

 

 

Vectorizing: Es gibt beim realen MD11 Autopioten keine ALT-, HDG-, IAS- oder MACH-hold-Tasten. Dies ist ein grundsätzlicher Unterschied zu den meisten MSFS Panels im allgemeinen und Alain Capt's MD11 Panel im speziellen. Die drei Tasten unterhalb der Drehreglern (Beschriftung: 'FMS SPD', 'NAV' und 'PROF') sind allesamt für die Steuerung und Interaktion mit dem Flight Management System. Um einen selected flight mode (Airbus Terminologie) durchzuführen muss beim entsprechenden Drehknopf der gewünschte Wert (Spd, Hdg oder Alt) eingestellt werden. Durch kurzes Ziehen des Drehknopfes wird die Eingabe dann aktiviert. Die Drehknöpfe federn nach dem Ziehen sofort wieder zurück in die Neutralposition. Ein kleines Detail: Wie im MSFS ändern die Werte schneller wenn das Rädchen schneller gedreht wird. Die verfügbare Genauigkeit beim Vertical speed beträgt +- 100 ft/min. Eine Funktion, die im MSFS meistens ganz fehlt, ist die Möglichkeit den Bank-angle bei Kurven vorzugeben. Es ist so rübergekommen, dass die bank-angle-Einstellung typischerweise nach Gutdünken erfolgen oder durch eine Company-Richtlinie vorgegeben werden (bei Swissair fix 25 Grad). Weitere mögliche Bank-angle Vorgaben sind 5, 10, 15, 20 oder Auto (= geschwindigkeitsabhängiger Bank-angle).

 

 

Radionavigation: Es gibt real in der MD11 keinen NAV Button. Um Radials von VORs automatisch zu erfliegen muss man das FMS bemühen. Für den Ostanflug (LSZH VOR/DME 28) hat der Instruktor ohne Unterlass am FMS herumgehampelt um ein Leg nach dem anderen 'reinzuprogrammieren'! Selbst die gewohnte laterale Anzeige wo Kurs und Abweichung vom Radial (wie beim ILS) direkt angezeigt werden, war dem Instruktor auf Anhieb nicht bekannt!

 

 

 

ILS Capturing: Der reale MD11 Autopilot hat diesbezüglich nur eine Taste mit der Beschriftung 'AUTOLAND'. Mit dieser Funktion wird das Einfangen des ILS scharfgemacht. Diese Funktion ist sehr viel leistungsfähiger als im MSFS. Der Gleitpfad kann von unten oder von oben bei einer beliebigen Vertical speed angeschnitten werden (der Flugvektor muss jedoch den Gleitpfad schneiden). Auch lateral kann der Localizer in jedem Winkel angeflogen werden. Ein Localizer Überschwingen kommt schon mal vor, aber nur einmal, nicht wiederholt wie beim MSFS Autopiloten.

 

 

Flaps: Sowohl real wie auch bei Alain Capt wird im PFD immer das gültige Geschindikeitsfenster für das aktuelle Flapsseting angezeigt. Wenn die Geschwindigkeit an den unteren Rand des Fensters sinkt, wird einfach eine weitere Flapstufe ausgefahren. Auf LSZH 28 werden die Flaps voll ausgefahren, auf längeren Pisten wird hingegen auch mal auf die letzte Stufe verzichtet.

Die Flaps für den Takeoff werden über die sogenante DIAL-A-FLAP Funktion vorgegeben. Der Flaphebel wird entsprechend eingerastet und mit dem Drehrad rechts unten kann der berechnete Winkel (vs. Takeoff parameter: Gewicht, Runway length&condition ...) auf das Grad genau angefahren werden wobei sich der Flaphebel entsprechend mitbewegt.

 

 

Verarbeitungsqualität: Das Design von einem realen Flugzeugcockpit ist nicht mit einem Auto-Cockpit zu vergleichen. Die Ergonomie ist auf jeden Fall gewährleistet aber Schnick-Schack fürs Auge gibts nicht. Die Bedienelemente sind durchaus mal abgenutzt oder hakeln etwas (wie es in einem Autotestbericht heissen würde!). Den massivsten Eindruck diesbezüglich machte der Flaphebel. Die Handbremse eines VW Käfers läuft sicher geschmeidig im Vergleich zu einem MD11 Flaphebel. Die teilweise sichtbare Führungskulisse zwingt den Piloten kunstvolle Bewegungsabläufe durchzuführen und verursacht Geräusche wie wenn man eine Pfanne die Treppe runterschmeisst!

 

 

 

So, das wärs! Ich hoffe die teilweise zugegeben fast subjektiven Beobachtungen stossen auf Interesse!

 

 

Gruss Martin

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Hoi Martin,

 

besten Dank für Deinen ausgezeichneten Beitrag! Sehr klar und deutlich geschrieben. Ich habe keinerlei PC-Flugsimulator- Erfahrung, bin aber vor Jahren mal den 747-Simulator in Kloten 'geflogen'. Die von Dir beschriebene Trägheit ist mir als GA-Pilot auch aufgefallen, habe ich aber auch erwartet. Nach Deiner Schilderung scheint aber die MD11 träger zu reagieren als die 747.

Leider aber konnte ich scheinbar nicht so viel vom Simi-Flug profitieren wie Du, der Instruktor hat leider etwas zu viel selber gemacht. Schade. Ein Erlebnis war es aber allemal. Mit Deinem Bericht hast Du mir meinen Flug gleich wieder bewusst gemacht.

 

Gruss Reto

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Markus Burkhard

Hallo Martin

 

Dein Vergleich vom Alain Capt Panel mit der realen MD-11 überrascht mich nicht. Denn eigentlich hat dieses Panel nichts mit der realen MD-11 gemeinsam (es ist ja auch uralt!), der Standard MSFS Autopilot ist natürlich kaum was Wert im Vergleich zu den guten Payware-Panels. Diesbzüglich bleibt dir nichts Anderes übrig, als auf Bill Grabowski's MD-11 Panel zu warten, ein Klasse Ding, schon jetzt, Monate vor dem Release!

 

Schon dass du noch eine reale MD-11 im Sim fliegen konntest, bevor sie weg ist...

 

Gruss

Markus

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Walter Fischer

Super Bericht, Martin!

Also Du scheinst doch schon ziemlich viel zu verstehen von dieser Maschine;)

Brächtest diese ev. sogar auch real noch gut runter, bei schönem Wetter;)

Mich hat der Zustand der Cockpits auch schon des öfteren schmunzeln lassen. Da müssen z.T. rechte Flugochsen am Werk gewesen sein. Wo die nur schon allenthalben ihre Galoschen hinpflanzen, gell:D

Diese von Dir geschilderte Massenträgheit habe ich durch Manipulationen in der FS- CFG auch implementiert. Zum Verzweifeln oft bei unsauberer Landekonfigurieren den Heavy auszutarieren. Aber so muss es wohl sein.

 

Gruss Walti

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

@Reto: Wegen der Arbeitsteilung mit dem Instruktor: Bei mir hat der Instruktor nur assistiert. Beim Briefing sagte ich ihm, dass er mir bei schwierigen Landungen helfen und eingreifen soll. Da sagte er, dass ich selbstverständlich alle Landungen selber machen soll! Das ist mir dann auch gelungen zu seiner und meiner grossen Freude!

 

Wir führten unser Programm komplett in Zürich durch. Es enthielt 2 Starts und Landungen auf der Piste 28, je einen Start und eine Landung auf den Pisten 14 und 16. Das Highlight war ein Swingover vom ILS 14 auf die Piste 16 und zweimal einen Fullstop auf der Piste 28. Absolut bemerkenswert die Pistenreserve bei der Landung auf Piste 28: Wir setzten auf und kamen unter Anwendung der maximalen Bremswirkung vor dem Pistenkreuz zu stehen. Der Clou war, dass wir von diesem Punkt aus direkt nochmals gestartet sind!! Fazit: Bei gutem Wetter ist die MD11 in der Lage auf der Piste 28 einen Full Stop zumachen und direkt anschliessend mit der noch zur Verfügung stehenden Pistenlänge wieder abzuheben!!

 

Eine Korrektur bezüglich meiner Erläuterung zum Drehmoment im ersten Beitrag oben: Die Formel ist falsch, das Drehmoment für die aufgeführte Betrachtung nur am Rande relevant. Das richtige Stichwort heisst Massenträgheitsmoment. Mit den Querrudern wird ein Drehmoment ausgeübt, dass geteilt durch das Massenträgheitsmoment in einer zu- oder abnehmenden Winkelbeschleunigung resultiert!

 

Gruss Martin

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Markus Burkhard
Original geschrieben von mrueedi

Fazit: Bei gutem Wetter ist die MD11 in der Lage auf der Piste 28 einen Full Stop zumachen und direkt anschliessend mit der noch zur Verfügung stehenden Pistenlänge wieder abzuheben!!

Martin, mich würde die Beladung bei diesem Manöver interessieren. Die MD-11 muss ja federleicht gewesen sein, sprich keine PAX und kaum Treibstoff. Oder hast du da Zahlen? Und wie war das Power-setting beim Takeoff?

So ganz "normal-day-operation" war das mit Sicherheit nicht :) Natürlich können alle Flugzeuge mehr leisten als dies im täglichen Airline-Betrieb getan wird, da wird nämlich stets auf die empfindlichen PAX rücksicht genommen. Frag mal die Airline-Piloten, wie sie bei einem Ferry-Flight fliegen...

 

Gruss

Markus

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Frag mal die Airline-Piloten, wie sie bei einem Ferry-Flight fliegen...

 

Hehe jetzt weiß ich auch wieso eine Swiss MD-11 bei einem ferry in STR früher als so manche ATR abgehoben ist ;) :D .

 

mfg

Benny

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

  • 2 Wochen später...

Markus:

Sorry für die verspätete Antwort (war letzte Woche kurzfristig auf einer Rom-Reise):

Folgende Parameter waren gesetzt: 195 Tonnen Gewicht fix während des ganzen Fluges, Take-off Schub entsprechend full throttle und Standard Atmosphäre. Flaps weiss ich nicht mehr!

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Markus Burkhard

Danke für die Antwort, der Flieger war also "relativ" leicht. Trotzdem beeindruckend! Full-Throtlle, also die Hebel bis zum Anschlag vorne, wird im Alltag nie geflogen, der Triebwerksschonung wegen. Da wird die Leistung durch den Computer geregelt.

 

Gruss

Markus

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Dein Kommentar

Du kannst jetzt schreiben und Dich später registrieren. Wenn Du ein Konto hast, melde Dich jetzt an, um unter Deinem Benutzernamen zu schreiben.

Gast
Auf dieses Thema antworten...

×   Du hast formatierten Text eingefügt.   Formatierung jetzt entfernen

  Nur 75 Emojis sind erlaubt.

×   Dein Link wurde automatisch eingebettet.   Einbetten rückgängig machen und als Link darstellen

×   Dein vorheriger Inhalt wurde wiederhergestellt.   Editor leeren

×   Du kannst Bilder nicht direkt einfügen. Lade Bilder hoch oder lade sie von einer URL.

×
×
  • Neu erstellen...