Dominik L Geschrieben 13. Dezember 2022 Geschrieben 13. Dezember 2022 (bearbeitet) Der Schweizer Bundesrat hat letzte Woche den folgenden Bericht publiziert: Fehlerkultur: Möglichkeiten und Grenzen ihrer rechtlichen Verankerung https://www.newsd.admin.ch/newsd/message/attachments/74365.pdf Sehr lesenswert, aber auch etwas ernüchternd, insbesondere folgendes: Zitat So wichtig es ist, ausgewogene Lösungen zu finden um sicherzustellen, dass möglichst viele Informationen gemeldet werden, so müssen auch gewisse grundlegende Prinzipien des schweizerischen Rechtssystems respektiert werden. Dazu gehört insbesondere, die Interessen der Personen zu wahren, die durch ein Fehlverhalten geschädigt wurden, die gleichmässige Durchsetzung des staatlichen Strafanspruchs zu garantieren und die Gleichbehandlung bei der Strafverfolgung sicherzustellen. Die Untersuchung zeigt, dass es nicht angemessen ist, neue allgemeine Ausnahmen von der Strafverfolgungspflicht vorzusehen (s. Ziff. 6.2) oder den Zugang der Strafverfolgungsbehörden zu Informationen in staatlichen Meldesystemen zu beschränken (s. Ziff. 6.5). Solche Lösungen stehen in einem Spannungsverhältnis mit grundlegenden Prinzipien des schweizerischen Rechtssystems. In künftigen sektoriellen Gesetzgebungsprojekten könnte jedoch geprüft werden, bestimmte Gefährdungstatbestände abzuschaffen (s. Ziff. 6.3). Zusammenfassung des Rest des Berichts: Just Culture ja, aber macht das mal in euren Unternehmen selbst. Aber ja, so ganz trivial ist ja die ganze Geschichte schon nicht: - Wo ist die Grenze zwischen strafbar (vorsätzlich?) und straffrei (fahrlässig?)? - Was passiert im (regelmässigen) Wiederholungsfall? - Was wenn andere zu Schaden kommen? - Was wenn andere hätten zu Schaden kommen können? Wie seht ihr das? Bearbeitet 13. Dezember 2022 von Dominik Lambrigger Typo 2 Zitieren
Dierk Geschrieben 13. Dezember 2022 Geschrieben 13. Dezember 2022 (bearbeitet) Also die Crux ist doch, dass die Strafbehörden weiterhin Zugang zu den Meldesystemen haben sollen! Ich zitiere mal aus im Eröffnungspost verlinktem Bericht: Zitat 6.5 Beizug von Akten anderer Behörden im Strafverfahren Gemäss Artikel 194 StPO bzw. Artikel 30 VStrR ziehen die Strafverfolgungsbehörden die Akten anderer Verfahren bei, wenn dies für den Nachweis des Sachverhalts oder die Beurteilung der beschuldigten Person erforderlich ist. Geht es um Akten aus einem Meldeverfahren oder einer technischen Untersuchung, kann ein solches Vorgehen den Anliegen einer Fehlerkultur im Wege stehen. Die Verwaltungs- und Gerichtsbehörden sind zur Herausgabe der verlangten Akten verpflichtet. Sie dürfen die Herausgabe nach Artikel 194 Absatz 2 StPO nur verweigern, wenn überwiegende öffentliche oder private Geheimhaltungsinteressen entgegenstehen. Dabei ist massgebend, ob eine strafrechtlich geschützte Information im Sinne von Artikel 320 StGB herausgegeben werden soll. Anwendbar ist der materielle Geheimnisbegriff des StGB. Als höherwertig gelten damit u. a. Geheimhaltungsinteressen aus dem Bereich der (inneren und äusseren) Sicherheit. Ausnahmen erscheinen gemäss Doktrin auch dort denkbar, wo es um den Schutz von Zeugen, Auskunftspersonen oder verdeckten Ermittlern geht. Die Interessen der Fehlerkultur als solcher sind von allgemeiner Art und erscheinen grundsätzlich nicht höherwertig im Vergleich zu denjenigen der Strafverfolgung. Allein aus dem Umstand, dass die Mitwirkungspflicht im Verwaltungsverfahren (Art. 13 VwVG) unter Umständen das Schweigerecht im Strafverfahren (Art. 113 Abs. 1 StPO) verletzt, kann die nach Artikel 194 StPO mitwirkungspflichtige Behörde nichts für sich ableiten. Ähnliches gilt für die Rechtshilfe nach Artikel 30 VStrR. Interessen, die von einer Fehlerkultur gewahrt werden, sind deshalb nicht vom Vorbehalt nach Artikel 194 Absatz 2 StPO bzw. Artikel 30 Absatz 2 VStrR erfasst. Die beiden Bestimmungen können somit nicht in Anschlag gebracht werden, um den Anliegen der Fehlerkultur im Strafverfahren Vorrang einzuräumen. Wenn man eine Behörde von ihrer Herausgabepflicht nach Artikel 194 StPO entbinden will, ist eine spezifische gesetzliche Grundlage nötig. Würde im Rahmen einer solchen spezifischen Gesetzesgrundlage eine neue Ausnahme von der Herausgabepflicht nach Artikel 194 StPO eingeführt, hätte das nach Auffassung des Bundesrates verschiedene grundlegende Nachteile: • Die Lösung erscheint zunächst mit Blick auf den Grundsatz der gleichmässigen Durchsetzung des staatlichen Strafanspruchs und auf das Gebot der rechtsgleichen Behandlung in der Strafverfolgung problematisch. Den Zugang zu bestimmten in den Meldesystemen enthaltenen Informationen zu beschränken, hätte nämlich zur Folge, dass gewisse Strafverfahren in hochsicherheitsrelevanten Bereichen mit einem Freispruch enden würden, weil hinreichende Beweise für eine Verurteilung fehlen. • Es würde ein Wertungswiderspruch entstehen, wenn bei vergleichbaren Straftaten in Nicht-Hochrisikobereichen keine Einschränkungen für den Beizug von Akten anderer Behörden und damit für die Strafverfolgung bestünden. • Es ist zudem darauf hinzuweisen, dass im Bereich der Aviatik der Bundesrat bei der Unterzeichnung des ICAO-Abkommens einen Vorbehalt angebracht hat in Bezug auf Ziffer 5.12 des Anhangs 13, die eine solche Lösung vorsieht. Mit diesem Vorbehalt wollte er namentlich sicherstellen, dass den gerichtlichen Behörden und den Luftfahrtbehörden sämtliche Dokumente zur Verfügung gestellt werden. Wie bereits erwähnt (vgl. Ziff. 3.2.1.3), basiert der von der Schweiz notifizierte Vorbehalt zu Ziffer 5.12 des Anhangs 13 auf der Anerkennung des faktischen Umstands, dass die Unfalluntersuchung zwar primär der Unfallprävention dient, aber auch erhebliche öffentliche und private Interessen bestehen, so dass die Erkenntnisse der Untersuchung in anderen Verfahren verwendet werden können. Können die Erkenntnisse und Beweismittel der Unfalluntersuchung in anderen Verfahren nicht verwertet werden, führt dies zu Nachteilen und Verzögerung bei der Untersuchung und kann verhindern, dass Informationen oder Sicherheitsempfehlungen zeitnah kommuniziert werden können. In Anbetracht der vorstehenden Ausführungen, insbesondere der gewichtigen Nachteile dieser Option, hält es der Bundesrat nicht für angezeigt, Ausnahmen von der Herausgabe von Akten einer anderen Behörde im Rahmen eines Strafverfahrens vorzusehen. D.h. eine Meldung ist letztlich immer auch eine potentielle Selbstbeschuldigung und -anzeige. Man hat offensichtlich die Rolle der Meldesysteme nicht verstanden: zukünftige Fehler ähnlicher Natur zu vermeiden und damit weiteren Schaden abzuwenden. Lieber möchte man den Strafbehörden erlauben, ihre Finger nach diesen Dossiers auszustrecken, um den mutmasslichen Täter zur Strecke zu bringen, und nimmt dafür in Kauf, weiteren Schaden aufgrund ähnlicher Vorfälle/systemischer Probleme nicht abzuwenden... weil letztlich niemand mehr Meldungen machen wird. Diesem Problem mit "Meldepflicht" zu begegnen ist dann nur die perverse Konsequenz autoritärer bürokratischer Strukturen. Bearbeitet 13. Dezember 2022 von Dierk 3 Zitieren
Dierk Geschrieben 13. Dezember 2022 Geschrieben 13. Dezember 2022 Hier noch ein Zitat aus einer Google-Übersetzung des Bundesgerichtsentscheids vom 08.12.2016: Zitat 3.1. Falls es zum Beweis des Sachverhalts oder zur Verhandlung des Angeklagten erforderlich ist, beschaffen die Staatsanwaltschaft und der Richter die Unterlagen anderer Verfahren ( Art. 194 Abs. 1 StPO ). Besteht kein überwiegendes öffentliches oder privates Geheimhaltungsinteresse, stellen die Verwaltungs- oder Justizbehörden ihre Akten zur Einsicht bereit (Abs. 2) der Original-Entscheid auf italienisch d.h. auch Inhalt von Meldesystemen Zitieren
Hotas Geschrieben 13. Dezember 2022 Geschrieben 13. Dezember 2022 (bearbeitet) vor 6 Stunden schrieb Dominik Lambrigger: Zusammenfassung des Rest des Berichts: Just Culture ja, aber macht das mal in euren Unternehmen selbst. Aber ja, so ganz trivial ist ja die ganze Geschichte schon nicht: - Wo ist die Grenze zwischen strafbar (vorsätzlich?) und straffrei (fahrlässig?)? - Was passiert im (regelmässigen) Wiederholungsfall? - Was wenn andere zu Schaden kommen? - Was wenn andere hätten zu Schaden kommen können? Wie seht ihr das? Ich habe schon immer gesagt, zuletzt bei der Diskussion um die Strafverfahren gegen den Skyguide Controller: Fehlerkultur ist primär eine Kultur, die nur innerhalb des bestehenden Rechtsrahmens ausgelebt werden kann. Das Rechtssystem kann nicht umgangen werden, konnte es noch nie. Das Recht galt und gilt übergeordnet für alle gleich, eine Branche kann sich da nicht ausnehmen. Allenfalls kann man das Rechtssystem im Sinne einer Just Culture abändern, dann gälte das für alle gleich, auch ausserhalb der Fliegerei. Eine noble Idee; es gibt aber -wie im Bericht erwähnt- gute Gründe, warum das nicht auf alle Lebenslagen angewendet werden kann, weil es gewisse (auch fundamentale, bewährte) Prinzipien verletzt. Die Fliegerei ist ein eigenes Ökosystem, das sich unter anderem dadurch auszeichnet, dass sie sich recht gut von anderen Branchen abgrenzen lässt, und alle Teilnehmer stark intrinsisch motiviert, sowie gut und einheitlich ausgebildet sind. Fliegendes Personal hat höchsten Berufsstolz (will die Sache so gut wie möglich machen) und hat "Skin in the Game", d.h. für Fehler wird man relativ direkt und zeitverzugslos abgestraft (man stirbt, verliert die Reputation, regt sich extrem über seinen Fehler auf). Die Gerichtshöfe der Physik brauchen keine komplizierte Prozessordnung. Daraus leite ich ab: Wenn in der Fliegerei etwas schiefgeht, kann man i.d.R. davon ausgehen, dass der Pilot zuvor nach bestem Wissen und Gewissen, nach Treu und Glauben gehandelt hat, und alles mögliche getan hat um nicht Opfer seiner Handlung zu werden. Das einzige woran er gescheitert ist, ist sein Zufallsfehler-Generator in seinem fehlbaren Geist, das Restrisiko das wir alle in uns haben. Und weil der verunfallte Pilot gegen seinen Willen sozusagen Opfer seiner Selbst wurde, ist eine Straffreiheit angemessen. Aber ausserhalb der Fliegerei, wo sehr viel mehr getrickst / gemauschelt werden kann, wo ich sogar von Fehlverhalten profitiere ohne dass ich von der Physik geohrfeigt werde, wo das ganze Spektrum an Menschen, Motivation, niederen Absichten und Situationen ist, da ist so etwas in dieser Form nicht anwendbar. Unser Rechtssystem hat sich über Jahrtausende entwickelt, und aus sehr guten Gründen ist das Strafrecht ein ganz wesentlicher Bestandteil davon. Bearbeitet 13. Dezember 2022 von Hotas 1 Zitieren
Dierk Geschrieben 13. Dezember 2022 Geschrieben 13. Dezember 2022 (bearbeitet) vor 50 Minuten schrieb Hotas: Ich habe schon immer gesagt, zuletzt bei der Diskussion um die Strafverfahren gegen den Skyguide Controller: Fehlerkultur ist primär eine Kultur, die nur innerhalb des bestehenden Rechtsrahmens ausgelebt werden kann. Das Rechtssystem kann nicht umgangen werden, konnte es noch nie. Das Recht galt und gilt übergeordnet für alle gleich, eine Branche kann sich da nicht ausnehmen. Allenfalls kann man das Rechtssystem im Sinne einer Just Culture abändern, dann gälte das für alle gleich, auch ausserhalb der Fliegerei. Eine noble Idee; es gibt aber -wie im Bericht erwähnt- gute Gründe, warum das nicht auf alle Lebenslagen angewendet werden kann, weil es gewisse (auch fundamentale, bewährte) Prinzipien verletzt. Die Fliegerei ist ein eigenes Ökosystem, das sich unter anderem dadurch auszeichnet, dass sie sich recht gut von anderen Branchen abgrenzen lässt, und alle Teilnehmer stark intrinsisch motiviert, sowie gut und einheitlich ausgebildet sind. Fliegendes Personal hat höchsten Berufsstolz (will die Sache so gut wie möglich machen) und hat "Skin in the Game", d.h. für Fehler wird man relativ direkt und zeitverzugslos abgestraft (man stirbt, verliert die Reputation, regt sich extrem über seinen Fehler auf). Die Gerichtshöfe der Physik brauchen keine komplizierte Prozessordnung. Daraus leite ich ab: Wenn in der Fliegerei etwas schiefgeht, kann man i.d.R. davon ausgehen, dass der Pilot zuvor nach bestem Wissen und Gewissen, nach Treu und Glauben gehandelt hat, und alles mögliche getan hat um nicht Opfer seiner Handlung zu werden. Das einzige woran er gescheitert ist, ist sein Zufallsfehler-Generator in seinem fehlbaren Geist, das Restrisiko das wir alle in uns haben. Und weil der verunfallte Pilot gegen seinen Willen sozusagen Opfer seiner Selbst wurde, ist eine Straffreiheit angemessen. Aber ausserhalb der Fliegerei, wo sehr viel mehr getrickst / gemauschelt werden kann, wo ich sogar von Fehlverhalten profitiere ohne dass ich von der Physik geohrfeigt werde, wo das ganze Spektrum an Menschen, Motivation, niederen Absichten und Situationen ist, da ist so etwas in dieser Form nicht anwendbar. Unser Rechtssystem hat sich über Jahrtausende entwickelt, und aus sehr guten Gründen ist das Strafrecht ein ganz wesentlicher Bestandteil davon. Also nein, es gibt andere "Hochsicherheitsbereiche", und es müssen nicht einmal "Hochsicherheitsbereiche" sein, es muss einfach nur ein systemimmanentes Risiko vorhanden sein, wo ebenfalls eine straffrei gelebte Fehlerkultur zukünftige ähnliche Fehler vermeiden kann. Z.B. Medizin, um nur ein Beispiel zu nennen. Ich würde z.B. Medizinern nicht regelmässig das "ganze Spektrum an Menschen, Motivation, niederen Absichten" unterstellen. Zwar sind Mediziner auch nur Menschen, aber es geht bei der Fehlerkultur gar nicht um kriminelles Verhalten aufgrund "niederer Absichten" sondern um tatsächlich aufgrund des situativen Risikos und des unzulänglichen "menschlichen Leistungsvermögens" immer wieder vorkommenden "echten" Fehlern. Selbstverständlich sollte Fehlerkultur auch ausserhalb der Aviatik ohne Blame-Culture gelebt werden können. Und damit dies möglichst gut funktioniert, dürfen Eingaben in Reporting-Systeme keine negativen Konsequenzen für den Eingebenden haben. In diesem Bereich ist das Rechtssystem bisher unzulänglich und ungenügend. Wenn Eingaben in Reporting-Systemen künftige Schäden vermeiden helfen, warum sollte es dann nicht möglich sein, eine rechtliche Basis dafür aufzustellen, welche diese Datenbanken vor Zugriff der Strafverfolgungsbehörden schützen? Die Begründung des Bundesrats-Bericht überzeugt mich nicht, die Argumente sind aus meiner Sicht von vorgestern. Zur Erinnerung: Das Rechtssystem soll den Menschen dienen, nicht der Mensch dem Rechtssystem. Wenn das Rechtssystem unzulänglich ist, dann sollte es eben angepasst werden. Bearbeitet 13. Dezember 2022 von Dierk fett 1 Zitieren
Hotas Geschrieben 14. Dezember 2022 Geschrieben 14. Dezember 2022 (bearbeitet) Ich sage nur, das Rechtssystem muss alle Lebenslagen abdecken, und für alle gleich, in Unternehmen, im Strassenverkehr, in der Sauna und so weiter. Man kann sich nicht einfach einige Hochleistungsumgebungen wie Luftfahrt, Medizin, Kernkraftwerke etc. herauspicken und meinen, die Regeln die dort funktionieren seien auch z.B. für Unfälle auf der Skipiste anwendbar. Ein Unternehmen wie eine Airline kann sich die Leute nach beliebigen Kriterien aussuchen. Wenn ein Swiss Pilot sagt, er hält Just Culture und CRM für einen Blödsinn, dann kann man ihn vor die Tür stellen. Ein Rechtsstaat hingegen muss mit allen Trotteln und Arschlöchern klarkommen; im öffentlichen Raum tummeln sich halt auch Leute wo man nicht immer darauf trauen kann dass sie wohl nach bester Absicht gehandelt haben, und die es auch tatsächlich nicht tun. Vielleicht wäre es tatsächlich vorteilhaft, für gewisse Umgebungen/Branchen eine andere Rechtspraxis einzuführen, aber das würde dem fundamentalen Prinzip der Rechtsgleichheit widersprechen, das ich für viel wichtiger halte. Bearbeitet 14. Dezember 2022 von Hotas Zitieren
Dierk Geschrieben 14. Dezember 2022 Geschrieben 14. Dezember 2022 (bearbeitet) vor 48 Minuten schrieb Hotas: Ich sage nur, das Rechtssystem muss alle Lebenslagen abdecken, und für alle gleich, in Unternehmen, im Strassenverkehr, in der Sauna und so weiter. Man kann sich nicht einfach einige Hochleistungsumgebungen wie Luftfahrt, Medizin, Kernkraftwerke etc. herauspicken und meinen, die Regeln die dort funktionieren seien auch z.B. für Unfälle auf der Skipiste anwendbar. Ein Unternehmen wie eine Airline kann sich die Leute nach beliebigen Kriterien aussuchen. Wenn ein Swiss Pilot sagt, er hält Just Culture und CRM für einen Blödsinn, dann kann man ihn vor die Tür stellen. Ein Rechtsstaat hingegen muss mit allen Trotteln und Arschlöchern klarkommen; im öffentlichen Raum tummeln sich halt auch Leute wo man nicht immer darauf trauen kann dass sie wohl nach bester Absicht gehandelt haben, und die es auch tatsächlich nicht tun. Vielleicht wäre es tatsächlich vorteilhaft, für gewisse Umgebungen/Branchen eine andere Rechtspraxis einzuführen, aber das würde dem fundamentalen Prinzip der Rechtsgleichheit widersprechen, das ich für viel wichtiger halte. Es geht um Reporting-Systeme. Nicht in allen Lebenslagen sind diese vorhanden. Ich benutze z.B. kein Reporting-System, wenn ich zum Bäcker gehe. Es geht darum, dass Kenntnisse zu Sachverhalten, die aus Datenbanken von Reporting-Systemen stammen, nicht für die Strafverfolgung und für Zivilprozesse verwendet werden sollen. Dies müsste in Bezug auf diese Systeme verboten werden, damit diese Reporting-System ihren schützenden Einfluss auf alle zukünftige Fehler entfalten können. Wenn in diesen Systemen nämlich nur Bagatell-Fehler ohne Konsequenz erfasst werden (also alles ohne Körperverletzung, Tod usw. oder finanzielle Schäden) kann man auf die Reporting-Systeme gleich verzichten. Dabei müsste ein "Reporting-System zum Zweck der Fehleraufarbeitung und zukünftigen Fehlervermeidung" selbstverständlich definiert werden. Nur weil ein Sachverhalt in einem Reporting-System erfasst wurde, kann, falls es leichte oder grobe Fahrlässigkeit war, der mutmassliche Täter noch immer aufgrund Befragung von Zeugen und Auskunftspersonen sowie Würdigung anderweitig dokumentierte Fakten verfolgt werden. Es ist ja nicht so, nur weil ein Reporting-System existiert, dass deswegen ein mutmasslicher Täter nicht mehr verfolgt werden könnte. Der Skifahrer auf der Piste verfügt über kein Reporting-System, in dem Sinn verstehe ich den Vergleich mit dem Skifahrer nicht. Evtl. der Liftbetreiber könnte eines einrichten, für Meldungen seines Personals, aber auch seiner Kunden. Es sollte dann eben klar sein, dass Meldungen im Reporting-System keine rechtliche Bedeutung haben werden (was heute leider noch nicht umgesetzt ist), sondern ausschliesslich zur Fehleranalyse und Verminderung des systemimmanenten Betriebsrisikos dienen werden. D.h. dass die Verwendung einer solchen Meldung durch die ermittelnde Polizeibehörde sollte auf eine ähnliche Stufe gestellt werden, wie eine durch illegale Methoden erhaltene Information (z. B. durch Folter, verbotenes Abhören ohne Richterbeschluss durch den Nachbarn usw.). Ich sehe da kein Problem mit Gleichbehandlung aller Lebenslagen. Abgesehen davon wäre es gar nicht adäquat, alle Lebenslagen gleich zu behandeln (siehe das Beispiel mit der Folter). Es geht also nicht um eine Art Generalamnestie für irgendwelche Triebtäter mit niedrigen Motiven, sondern um die adäquate rechtliche Behandlung von Informationen aus Reporting-Systemen, damit die Reporting-Systeme überhaupt präventiv wirken können. Bearbeitet 14. Dezember 2022 von Dierk Präzisierung 2 1 Zitieren
reverser Geschrieben 14. Dezember 2022 Geschrieben 14. Dezember 2022 Heikles Thema! Vielleicht unzutreffend - aber ich versuche es mit einem praktischen Beispiel: Angenommen ein Unfall, fahrlässig verursacht durch Ablenkung, z.B. durch eine mitfliegende Person, in kritischem Umfeld, wo höchste Aufmerksamkeit gefordert ist. Der Pilot war "nicht bei der Sache", wo's richtig eng wurde, konnte es sich nicht leisten, abgelenkt zu werden. Krasse Unaufmerksamkeit somit die Ursache. Jetzt ein Report in ähnlicher Situation, aber mit anderer Ursache: Der Pilot war etwas über dem Alkohol-Limit. Wären wohl , rechtlich gesehen, zwei unterschiedliche Kategorien. Wie gesagt, kann Gründe geben, dass das Beispiel "nid verhebet"... Gruss Richard Zitieren
Dierk Geschrieben 14. Dezember 2022 Geschrieben 14. Dezember 2022 Danke für das Beispiel. Es geht aber mehr um den systemischen Aspekt. Zum Beispiel werden Arbeitspläne erstellt, die in Bezug auf die tatsächliche Belastung zu unflexibel sind, so dass es zwar nur gelegentlich, aber doch regelmässig zu Überlastung kommt, wo dem Team "die Felle davonschwimmen". D.h. die ungeeigneten Arbeitspläne erhöhen regelmässig das Betriebsrisiko in bestimmten Situationen. Konkret fehlt z.B. ein Springer, oder eine wegen Krankheitsfall abwesende Person wird nicht ersetzt. Wenn dann ein Fehler passiert, wo z.B. Übermüdung mit reinspielt, oder einfach das Team nicht mehr den Qualitätsstandard leisten kann, den man eigentlich leisten möchte und auch erwartet, dann versuchen dennoch die Strafverfolgungsbehörden, diesen Fehler auf eine konkrete Person als Verursacher herunterzubrechen. Bevor es jedoch zu einem schweren Fehler kommt, passieren viele kleinere oder manch ein Fehler wird im letzten Moment verhindert. Bzw. im Nachgang führt ein zunächst "kleiner" Fehler doch noch durch unglückliche Verkettung der Umstände zu einem grossen Schaden. Damit man (teilweise selten auftretende) systemische Fehler in den Griff bekommt, gibt es z.B. Critical Incidence Reporting Systeme (CIRS). Nur gibt es intern die Anweisung, schwerere Fehler nicht einzutragen und generell bei den Eintragungen vorsichtig zu sein (keine Kollegen nennen, niemanden direkt oder indirekt beschuldigen usw.), da diese eben im dümmsten Fall Teil einer polizeilichen Ermittlung werden können. Für eine polizeiliche Ermittlung muss übrigens gar kein echter Fehler passiert sein, es reicht, wenn jemand glaubt, eine Schädigung erlitten zu haben und daraufhin Strafantrag stellt. Ein anderes Beispiel: eine Baufirma sichert ihre Baustelle nur ungenügend ab. Ein systemisches Problem, dass meist nicht zu einem Schaden führt, selten aber doch. Gäbe es ein Fehler-Reporting System das für das Gewerbe zugänglich ist, könnten andere Baufirmen aus diesen Fehlern lernen und ihre eigenen Sicherheitsprotokolle verbessern. Letztlich müssen diese Reporting-Systeme dann auch Grundlage sein, um bundesweit diese Sicherheits-Protokolle anzupassen. Wenn nun aber niemand was eintragen will, aus Angst gemeldet zu werden und persönliche Nachteile zu erleiden bzw. gar eine Strafverfolgung auf den Hals gehetzt zu bekommen, machen diese Reporting-Systeme keinen Sinn. Hoffe es ist etwas klarer jetzt. 4 Zitieren
Michi Moos Geschrieben 14. Dezember 2022 Geschrieben 14. Dezember 2022 vor 5 Stunden schrieb Dierk: Es geht um Reporting-Systeme. Für mich geht es mindestens genauso um die Arbeit der SUST, wenn tatsächlich etwas passiert ist und ich glücklicherweise noch Rede und Antwort stehen kann. Früher war ich stolz darauf, dass "in der Fliegerei" die Fehlervermeidung ganz oben steht. Ich wäre an vorderster Front mit - sicher auch selbstbelastenden Vermutungen - dabei gewesen, damit alles möglichst sauber aufgeklärt und zukünftig verhindert wird. Heute könnte ich mich wohl leider an nichts mehr erinnern. Am 13.12.2022 um 13:42 schrieb Hotas: Allenfalls kann man das Rechtssystem im Sinne einer Just Culture abändern, dann gälte das für alle gleich, auch ausserhalb der Fliegerei. Das wäre wohl für mich auch die logischste aller Möglichkeiten. Das ganze Strafsystem hinkt meiner Meinung nach sowieso: wenn jemand einen ehrlichen Fehler macht und dann noch gesondert vom Staat dafür bestraft wird, egal ob bei der Arbeit in was immer, Strassenverkehr oder sonstwo, das sehe ich nicht als Gerechtigkeit. Anders sieht es natürlich aus wenn jemand versucht einem anderen bewusst zu schaden oder das in Kauf nimmt für seinen eigenen Vorteil. Wird aber wohl nur in einer Traumwelt überhaupt denkbar sein. Am 13.12.2022 um 07:39 schrieb Dominik Lambrigger: - Was wenn andere zu Schaden kommen? - Was wenn andere hätten zu Schaden kommen können? Mit den ersten beiden Fragen völlig einverstanden, aber hier? Was ändert es ob andere zu Schaden kommen? Es wäre ja nur die Schwere des Vergehens und der Grund für die Aktion interessant. Wenn jetzt bei unserem bekannten Skyguidl'er das andere Flugzeug 50km weg gewesen wäre, wäre der Fehler weniger schlimm? Meiner Meinung nach absolut identisch, Abstufung im Ergebnis nach dem Fehler zwischen "Glück gehabt" zu "saudumm gelaufen" ändern nichts am Verhalten. Weiteres Praxisbeispiel aus der Fliegerei, selber auch schon erlebt: Der Pariser Controller, der ein falsches QNH durchgegeben hat und damit fast einen Airliner zum Absturz gebracht hat (https://aviation-safety.net/wikibase/278736) - wäre der Fehler jetzt schlimmer, wenn der Flieger noch 6ft weiter gesunken wäre? vor 5 Minuten schrieb Dierk: Nur gibt es intern die Anweisung, schwerere Fehler nicht einzutragen und generell bei den Eintragungen vorsichtig zu sei genau, das ist die Quittung für unser tolles Justizsystem. Damit dann trotzdem was drin steht, wird das System mit belanglosem Müll gefüllt? Frag mich wo ich das schon gehört hab. 3 3 Zitieren
Urs Wildermuth Geschrieben 14. Dezember 2022 Geschrieben 14. Dezember 2022 vor 1 Stunde schrieb Dierk: Wenn nun aber niemand was eintragen will, aus Angst gemeldet zu werden und persönliche Nachteile zu erleiden bzw. gar eine Strafverfolgung auf den Hals gehetzt zu bekommen, machen diese Reporting-Systeme keinen Sinn. Genau darum geht es. Reporting Systeme zeigen ja den Willen, eigene Fehler einzugestehen um präventiv zu wirken. Wenn diese aber der Justiz offenstehen und die Reports gegen den Meldenden verwendet werden können, kann man sie gleich abschaffen. vor 1 Stunde schrieb Michi Moos: Für mich geht es mindestens genauso um die Arbeit der SUST, wenn tatsächlich etwas passiert ist und ich glücklicherweise noch Rede und Antwort stehen kann. Früher war ich stolz darauf, dass "in der Fliegerei" die Fehlervermeidung ganz oben steht. Ich wäre an vorderster Front mit - sicher auch selbstbelastenden Vermutungen - dabei gewesen, damit alles möglichst sauber aufgeklärt und zukünftig verhindert wird. Heute könnte ich mich wohl leider an nichts mehr erinnern. Das ist leider die Folge davon. Der Annex 13 wird damit nachhaltig ausgehebelt. vor 1 Stunde schrieb Dierk: Nur gibt es intern die Anweisung, schwerere Fehler nicht einzutragen und generell bei den Eintragungen vorsichtig zu sein (keine Kollegen nennen, niemanden direkt oder indirekt beschuldigen usw.), da diese eben im dümmsten Fall Teil einer polizeilichen Ermittlung werden können. Jup. Das ist die Bankrotterklärung jeglicher Just Culture Systeme. Dazu kommt noch mehr: Da ja die VERPFLICHTUNG besteht, Incidents und sonstige Vorkommnisse zu melden, die Unterlassung dessen selber schon ein Straftatbestand ist, führt dazu, dass sich die Leute selber ans Messer liefern müssen. Das hingegen widerspricht dem Grundsatz, dass sich niemand selber belasten muss (z.b. Verweigerung der Aussage). Wenn ich richtig orientiert bin, wurde die Praxis allerdings dahingehend geändert, dass nicht mehr die kantonalen Staatsanwälte für aviatische Vorkommnisse zuständig sind sondern direkt die Bundesanwaltschaft. Dies war eine Reaktion auf die Skyguide Prozesse (und weitere ähnliche Vorfälle). Seither, so hört man, hätten die Anzahl von Strafverfahren gegen Leute auf Grund von SUST Reporten bzw Meldewesen, abgenommen. Wäre dies so, wäre es schon mal ein Schritt in die richtige Richtung. 2 1 Zitieren
Dominik L Geschrieben 17. Dezember 2022 Autor Geschrieben 17. Dezember 2022 (bearbeitet) Am 14.12.2022 um 18:12 schrieb Urs Wildermuth: Dazu kommt noch mehr: Da ja die VERPFLICHTUNG besteht, Incidents und sonstige Vorkommnisse zu melden, die Unterlassung dessen selber schon ein Straftatbestand ist, führt dazu, dass sich die Leute selber ans Messer liefern müssen. Das hingegen widerspricht dem Grundsatz, dass sich niemand selber belasten muss (z.b. Verweigerung der Aussage). Ich denke das ist genau der entscheidende Punkt. Einerseits bin ich verpflichtet Vorkommnisse zu melden (was unter just culture Gesichtspunkten ja sehr lobenswert ist) und andererseits muss man sich im Rahmen eines Strafverfahrens sich selber nicht belasten. In meinem naiven Laienverständnis unseres Rechtssystem, würde dies ja im Umkehrschluss bedeuten, dass gemeldete Vorkommnisse im Rahmen eines allfälligen Strafverfahrens nicht benutzt werden dürfen. Dass dies (zumindest in der Vergangenheit) nicht so gelebt wird/wurde, ist äusserst stossend und kann nicht mit einem simplen „löst das Problem selber innerhalb eures Unternehmens“ oder mit einem „so ist unser Strafgesetz halt“ aus dem Weg geschafft werden. Bearbeitet 17. Dezember 2022 von Dominik Lambrigger Typo Zitieren
FalconJockey Geschrieben 17. Dezember 2022 Geschrieben 17. Dezember 2022 vor einer Stunde schrieb Dominik Lambrigger: In meinem naiven Laienverständnis unseres Rechtssystem, würde dies ja im Umkehrschluss bedeuten, dass gemeldete Vorkommnisse im Rahmen eines allfälligen Strafverfahrens nicht benutzt werden dürfen. Genau so wird es auch in anderen zivilisierten Ländern gehandhabt. Alles andere stünde der Verbesserung der Flugsicherheit diametral gegenüber! Man verfügt in der Schweizer Justiz offenbar über 0 (in Worten Null) Expertise wie die Luftfahrt funktioniert und dass die gesamte "Industrie" davon profitiert, wenn jemand einen Fehler gemacht hat, darüber berichtet, sodass viele andere Involvierte genau diesen Fehler vermeiden können. Das steigert die Sicherheit und es spart Kosten (Materialverlust, kostenintensive Behandlung von Verletzten). Niemand begeht Fehler mit Absicht, es sind in der Regel "ehrliche Fehler". Solche Bericht-Systeme sollten auch in anderen Systemen eingeführt und entsprechend straffrei behandelt werden, um - wie gerade geschrieben - die Sicherheit zu verbessern und die Kosten zu senken. Und bevor jetzt wieder die Leute kommen, die einem vorhalten, dass man sich so von jedem Fehlverhalten reinwaschen kann: Nein, das kann man nicht. Stellt sich nämlich heraus, dass grob fahrlässig (z.B. gegen vorgegebene Arbeitsabläufe verstossen) oder sogar absichtlich gehandelt wurde (z.B. absichtlich durch gesperrten Luftraum geflogen), sind Sanktionen möglich. Allerdings kann man davon ausgehen, dass die Sanktionen weniger schlimm ausfallen, wenn man ehrlich darüber berichtet, als wenn man nachträglich erwischt wird und kein Bericht vorlag. In Ländern wie UK und der Schweiz empfehle ich schon seit Jahren allen Kollegen, bei Vorkommnissen 1. keine mündlichen Aussagen gegenüber örtlichen Inspektoren zu tätigen und 2. keinen Safety Report zu schreiben, da man sich damit selbst belasten kann: Grund: Die in unserer Industrie übliche "Just Culture" existiert hier nicht. Natürlich schreibt man intern in der Firma einen Safety Report, aber nicht im nationalen System. 2 Zitieren
Hotas Geschrieben 19. Dezember 2022 Geschrieben 19. Dezember 2022 Am 17.12.2022 um 10:48 schrieb FalconJockey: Genau so wird es auch in anderen zivilisierten Ländern gehandhabt. Alles andere stünde der Verbesserung der Flugsicherheit diametral gegenüber! Man verfügt in der Schweizer Justiz offenbar über 0 (in Worten Null) Expertise wie die Luftfahrt funktioniert und dass die gesamte "Industrie" davon profitiert, wenn jemand einen Fehler gemacht hat, darüber berichtet, sodass viele andere Involvierte genau diesen Fehler vermeiden können. Ist das denn in anderen Ländern (ausser CH und UK, als Beispiel) gesetzlich verankert? Oder ist einfach die Rechtsauslegung / Praxis weniger verknorzt wie hierzulande? Ich verstehe ja den Sinn von all euren Beiträgen; mich müsst ihr sicher nicht überzeugen. Aber wenn ich die Argumente des Bundesrats (pdf oben) so lese, dann träfen diese Vorbehalte doch auch in anderen Rechtssystemen zu. Oder ist bei uns etwas so grundsätzlich verschieden? Zitieren
FalconJockey Geschrieben 19. Dezember 2022 Geschrieben 19. Dezember 2022 vor 3 Stunden schrieb Hotas: Ist das denn in anderen Ländern (ausser CH und UK, als Beispiel) gesetzlich verankert? Oder ist einfach die Rechtsauslegung / Praxis weniger verknorzt wie hierzulande? Da muss ich ehrlicherweise passen, keine Ahnung. Ich habe aber noch von niemandem gehört, der wegen einem Safety Report oder MOR Probleme bekommen hätte, ausser es wurde grob fahrlässig gehandelt. Zitieren
FalconJockey Geschrieben 7. Februar 2023 Geschrieben 7. Februar 2023 Hier mal etwas zum Thema aus Deutschland: https://www.austrianwings.info/2023/01/empfehlungen-des-verkehrsgerichtstags-unterstreichen-die-bedeutung-von-just-culture/ Zitat: Empfehlungen des Verkehrsgerichtstags unterstreichen die Bedeutung von "Just Culture" Erstmals in der Geschichte des Deutschen Verkehrsgerichtstags beschäftigte sich in diesem Jahr ein Arbeitskreis mit rechtlichen Fragen des Luftverkehrs. Bei der Premiere stellten sich die Experten der unterschiedlichen Bereiche dem Spannungsfeld zwischen dem Schutz sensibler Informationen und dem Strafverfolgungsinteresse des Staates und gaben Empfehlungen zu Anpassungen des deutschen Rechts. Im Zentrum der zweitägigen Beratungen stand das Konzept der "Just Culture" (Redlichkeitskultur) welches den Umgang mit der Meldung von Fehlern zur Steigerung der Flugsicherheit bezeichnet. In seiner Empfehlung stellte der Arbeitskreis VIII übereinstimmend fest, dass "Just Culture" und der Schutz sicherheitsrelevanter Daten im Sinne der Verordnungen (EU) Nr. 996/2010 und Nr. 376/2014 wesentlich zur Förderung und Verbesserung der Flugsicherheit beitragen. Die Empfehlung, dass hinsichtlich der zunehmenden Bedeutung einer Fehlerkultur in sicherheitssensiblen Bereichen wie dem Luftverkehr das Vertrauen in Meldesysteme geschützt werden sollte, stellt aus Sicht der Vereinigung Cockpit einen wichtigen Schritt zur Weiterentwicklung der Flugsicherheit dar. "Nur wenn das Vertrauen aller beteiligten Personen in ein Meldesystem besteht, kann es dauerhaft funktionieren. Die Empfehlungen des Verkehrsgerichtstags bilden nun die Grundlage für die Weiterentwicklung und Verbesserung der rechtlichen Rahmenbedingungen", so Matthias Baier, Pressesprecher der Vereinigung Cockpit. Die Vereinigung Cockpit war mit drei Vertretern im Arbeitskreis VIII aktiv. Der Leiter der Arbeitsgruppe Accident Analysis & Prevention, Sebastian Koth, war einer der Referenten des Arbeitskreises und unterstrich in seinem Eingangsreferat die Notwendigkeit, mehr Verständnis von Just Culture als Baustein von Safety Management Systemen aufzubauen und damit im Deutschen Rechtsrahmen zu verankern. 2 2 Zitieren
Dierk Geschrieben 24. Mai 2023 Geschrieben 24. Mai 2023 Hallo, ich habe gerade diese Web-Plattform gefunden: Startseite | Just Culture Plattform Schweiz Persönlich finde ich es schade, dass ausschliesslich aviatische Organisationen diese Plattform tragen. Dabei gäbe es Synergien mit anderen Verbänden, zum Beispiel aud der Medizin, im klinischen Alltag (Spital) ist die Just Culture noch ähnlich unterentwickelt wie in der Luftfahrt. 1 Zitieren
cosy Geschrieben 25. Mai 2023 Geschrieben 25. Mai 2023 On 12/14/2022 at 6:12 PM, Urs Wildermuth said: Dazu kommt noch mehr: Da ja die VERPFLICHTUNG besteht, Incidents und sonstige Vorkommnisse zu melden, die Unterlassung dessen selber schon ein Straftatbestand ist, führt dazu, dass sich die Leute selber ans Messer liefern müssen. Das hingegen widerspricht dem Grundsatz, dass sich niemand selber belasten muss (z.b. Verweigerung der Aussage). Wenn ich richtig orientiert bin, wurde die Praxis allerdings dahingehend geändert, dass nicht mehr die kantonalen Staatsanwälte für aviatische Vorkommnisse zuständig sind sondern direkt die Bundesanwaltschaft. In anderen Sektoren wurden ja dazu Anlaufstellen wie "Obudsmänner" oder Mediatorinnen (Schule, Lehre..) gebildet, die eine "Isolationsschicht" zwischen Meldende Person und strafende Instanz schiebt- Der Prozess der Just Culture braucht ja nicht zwingend Namen.. Oder? Cosy Zitieren
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