Zum Inhalt springen

Abendflug (by Rudolf Braunburg)


reverser

Empfohlene Beiträge

Schönen guten (1.August) Abend allerseits;

anbei ein tropischer Sonnenuntergang, ein dem Anlass entsprechendes Farbfeuerwerk,  aus dem Cockpit gesehen, vom Autor wortgewaltig beschrieben:

 

"Ein günstiger Ort, die großartigsten Sonnenuntergänge zu beobachten, ist die Stratosphäre über dem Indischen Ozean, südlich der kleinen Sunda-Inseln.

Wir kamen über Alice Springs, die Große Sandwüste und Port Derby von Sydney herauf. Querab von Sumba hatten wir eine tropische Gewitterfront durchstroßen, die sich uns entgegenstellte, als wollte sie uns den Zugang zu einem verbotenen Reich verwehren. Wir durchquerten riesige Säulen und verästelte Bäume aus kondensierter Luft, flogen durch Wolkengassen wie durch altägyptische Widderalleen. Turbulenzen durchschüttelten uns, als griffe die Faust eines Tempelwächters nach uns.

Dann hatten wir es geschafft. Von einem flammenden Abendhimmel tropfte aus fernen Wolkenbänken purpurnes Licht auf die reglose See. Als roste sie, färbte sie sich unter den Wolkenschatten rötlich-braun. Im Zenit war er  Himmel tintenblau. Wo die Wolken über dem Horizont das Abendlicht zurückhielten, entstanden dunklere Streifen, die durch die Quellbewegung zu wabern begannen wie Nordlicht. Hinter dem Ozean ragten die Vulkane Südjavas auf - schwarze Pyramiden, hineingewachsen in eine Weite, die sich an ihrer Freiheit zu verzehren schien.

Je mehr sich die Sonne dem Horizont näherte, um so intensiver wurden die Verwandlungen des Himmels. Schemen aus Taubengrau und opalisierendem Türkis huschten durch die Luft, die sich in ihrem Farbenreichtum zu verdichten schien. Durch die Gegensätze von fliehendem Blau und heranflackerndem Weinrot ergaben sich perspektivische Verzerrungen, die den Himmel bald als Schale, bald als breitflächige Bahn erscheinen ließen, deren Parallelen sich im Unendlichen trafen. Zwischen den Vulkankegeln zerfloß die Sonne zu rauchglasfarbener Helligkeit, während Azurblau und Karminrot an Ausdruckskraft gewannen.

Schräg hinter uns wölbte sich der Erdschatten mit düsteren Regenbogenfarben in den Nachthimmel, der vom Wetterleuchten der durchflogenen Gewitter erhellt wurde. Im wilden Tanz der Blitze gab es keinen Atemzug des Zögerns oder Pausierens; die kosmische Energie schöpfte aus unversiegbaren Quellen.

Vor uns, im Westen, war inzwischen die Vielfalt der Formen und Farben auf wenige Hauptmerkmale zusammengeschrumpft: Kadmiumgelb, Limonengrün, Ultramarin. Schattenwellen, auf denen die Finsternis herabgetrieben kam. Blickte man dort durch die Scheiben, wo sich die erleuchteten Fluginstrumente spiegelten, so sah man auf der reglosen Wasserfläche Zeiger, Zahlen und Drucktasten treiben wie Relikte einer surrealistischen technischen Katastrophe.

Über Bali hatte uns die östliche Nacht eingeholt und sich grün-schwarz über uns gestülpt. Ein purpurner Streifen am Horizont, in den sich der rauchende Kegel des Gunung Raung schob, bot wie durch einen Schlitz Ausblick in die eben noch gegenwärtige Farben- und Formenwelt.

 

🎇

Gruß

Richard

 

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Dein Kommentar

Du kannst jetzt schreiben und Dich später registrieren. Wenn Du ein Konto hast, melde Dich jetzt an, um unter Deinem Benutzernamen zu schreiben.

Gast
Auf dieses Thema antworten...

×   Du hast formatierten Text eingefügt.   Formatierung jetzt entfernen

  Nur 75 Emojis sind erlaubt.

×   Dein Link wurde automatisch eingebettet.   Einbetten rückgängig machen und als Link darstellen

×   Dein vorheriger Inhalt wurde wiederhergestellt.   Editor leeren

×   Du kannst Bilder nicht direkt einfügen. Lade Bilder hoch oder lade sie von einer URL.

×
×
  • Neu erstellen...