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Helikopterflug in der Autorotation


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Geschrieben

Hallo alle zusammen,

 

ich schreibe gerade meine Bachelorarbeit und beschäftige mich in diesem Zusammenhang sehr intensiv mit der Aerodynamik an Tragschrauben von Helikoptern bzw. Tragschraubern.

 

Hierbei ist für mich besonders der Bereich der Autorotation interessant. Leider bin ich noch nie in einem Helikopter oder Tragschrauber mitgeflogen, wodurch ich von den praktischen Flugszenarien nur den theoretischen Background habe und mich die Praxis dahinter interessiert. Wie ist es, in der Autorotation zu fliegen? Der Helikopter müsste sich hier ja im turbulent wake state befinden. Fühlt es sich dann auch 'instabiler' als im Normalflug an?

 

Und nach diesem Stadium kann man ja für besonders große Sinkraten den windmill brake state bzw. das Windmühlenstadium erreichen, in dem der Rotor dann selbst Leistung generiert. Kann man diesen Flugzustand in der Praxis erreichen oder ist er eher theoretischer Natur? Wie verhält sich der Helikopter bzw. Rotor dann? Mich würde insbesondere das Verhalten der Drehzahl in dem Bereich interessieren. Bei der Autorotation ist diese, genau wie die Sinkgeschwindigkeit, annähernd konstant, weil eine Kräftegleichgewicht vorherrschen muss. Dieses müsste sich ja auch im Bereich des windmill brake states wieder einstellen, oder? Aber auf der anderen Seite ist hier das auf den Rotor wirkende Gesamtmoment ungleich null, was ja wiederum für den ersten Moment etwas widersprüchlich klingt.

 

Ich würde mich sehr freuen, wenn ihr eure Erfahrungen in diesem Bereich mit mir teilen könntet und freue mich schon auf eure Antworten.

 

Viele Grüße

Christin 

Geschrieben

Hallo Christin,

 

Turbulent wake state? 
Der Hubschrauber sinkt bei der Autorotation - idR mit Vorwärtsfahrt - in frische saubere Luft.
Sauber getrimmt ist das eigentlich der stabilste Flugzustand, den ein Hubschrauber haben kann 😉

Autorotation - was Du als Windmühlenstatus bezeichnest - ist nicht ganz mit einer Windmühle zu vergleichen.
Du hast am Rotorblatt Bereiche, die das Rotorblatt antreiben (außen) - und welche, die das Blatt bremsen (innen).
Das Verhältnis dazwischen bestimmt die Rotordrehzahl und muss man einhalten, weil unter einer gewissen Drehzahl diese sonst nicht wieder recovert werden kann (also bei Triebwerksausfall relativ zügig einleiten).
Allerdings ändert sich die Drehzahl auch durch Änderung der Anströmung - sprich bei Kurvenflug oder beim anflaren (Nase hoch nehmen und damit Anströmwinkel ändern)
Wenn man da nicht aufpasst, kann man die maximal zulässige Rotordrehzahl leicht überschreiten - gerade wenn man die Änderungen der Fluglage rasch und umkoordiniert mit dem Anstellwinkel vor nimmt.
Mit ganz viel Pech könnten sogar Rotorblätter durch die entstehenden Fliehkräfte abreißen.

In einer Autorotation kann man auch mit der Geschwindigkeit und Drehzahl "spielen".
Wenn man normal um Vy autorotiert, kann man auch die Geschwindigkeit erhöhen und gleichzeitig die Drehzahl reduzieren - was zu einer Streckung des Flugwegs führt.
Die geringere Drehzahl holt man sich dann unten durch den Flare wieder.
Gehört jedes Jahr zum Checkflug dazu, also nicht nur das Einleiten sondern auch autorotierend ein geeignetes Landefeld ansteuern und da ohne Motorunterstützung zu landen.
IdR akzeptiert man etwas Vorwärtsfahrt, um nicht aus Versehen rückwärts oder mit angestellter Maschine zu landen
"Flare - Check - Level - cushion"
Es gibt einige schöne Videos dazu bei YouTube 

 

Gruß Udo


 

Geschrieben

Hallo Udo,

 

vielen lieben Dank für deine Antwort! Du hast das Thema durch deine Beispiele aus der Praxis wirklich gut veranschaulicht und bei YouTube habe ich mir auch noch ein paar Videos dazu angeschaut. Danke für den Tipp! 🙂  

Dass das Gesamtmoment bei der Autorotation gleich 0 sein muss, war mir bewusst. Ich hatte mich halt bezüglich der verschiedenen Stadien gefragt, die immer in den Bücher unterschieden werden. Da hat mir deine Erklärung gerade aber richtig weitergeholfen. 🙂

Das ist es vermutlich, was ich damit meinte. Wenn die Drehzahl absinkt, dann steigt die Sinkrate und der Hubschrauber müsste sich ja dann im instabilen Wirbelringstadium befinden, bei dem die Drehzahl durch die auftretenden Wirbel und den dadurch ungleichmäßig generierten Auftrieb immer weiter absinkt. Durch welche Situationen könnte man eigentlich noch in dieses Stadium gelangen?

Der Bereich der Überdrehzahl, den du oben noch mit beschrieben hast, beschreibt dann wahrscheinlich einen Teil des windmill brake states, in dem der Rotor der Luft zu viel Energie und damit Leistung entzieht, sodass seine Drehzahl dann unkontrolliert immer größer wird. An den Aspekt mit den Fliehkräften hatte ich noch gar nicht gedacht, aber das kommt ja dann auch noch mit dazu. 

Ergibt meine Erklärung aus Piloten-Sicht Sinn? Ich habe halt die Theorie, die ich mir Schritt für Schritt zu dem Thema aneigne und der Bezug zur Praxis interessiert mich dabei sehr. Ich muss vielleicht noch dazu sagen, dass ich für meine Aufgabe den Worst-Case-Fall einer senkrechten Autorotation ohne Vorwärtskomponente betrachten muss. 

 

In welchen Bereichen liegt die Sinkgeschwindigkeit bzw. die Drehzahl des Rotors im Fall der Autorotation eigentlich klassischerweise?

 

Also noch einmal vielen lieben Dank für alles!

 

Viele Grüße

Christin 

 

Geschrieben

Hallo Christin,

 

Wirbelringstadium ist eigentlich nicht Autorotation.
Beim Wirbelringstadium hat man idR Leistung zur Verfügung - die nur nichts bringt, weil die nur in dem Moment das Problem verschlimmert.
Wirbelring - im Prinzip ein Doughnut zirkulierender Luft im Bereich der Rotorblätter - entsteht, wenn man bei geringer Vorwärtsfahrt und Sinkraten von (je nach Hubi/Blattzahl/Flächenbelastung des Blattes) 300 - ca 600 Fuß pro Minute sinkt - und dabei Leistung hinzufügt.
Die Luft, die der Rotor dann nach unten drückt, "rutscht dann, wegen der Sinkrate, an den Blattspitzen vorbei und wird wieder angesaugt - und erzeugt dann nicht mehr den gewünschten Auftrieb.
Dieser in sich rotierende Wirbel sinkt dann mit dem Hubschrauber - und je mehr Leistung man zuführt, um so schlimmer wird es dann.
Es gibt zwei Schulen, wie man da wieder raus kommt (am Besten gar nicht erst reinI)
Erste, ist Leistung weg und Nase runter, um Fahrt aufzunehmen (setzt natürlich Höhe vorraus)
Zweite Vouchard Technik - im Prinzip schräg raus fliegen in ungestörte Luft.

Wenn man in einer sauberen Autorotation die Drehzahl des Rotors abkocht - steigt die Sinkrate - aber Wirbelring ist da dann nicht die Luft strömt durch den Rotor- nur unter einer bestimmten Drehzahl besteht keine Chance mehr sie wieder aufzubauen.

Als Pilot kümmert man sich allerdings weniger um die Theorie - sonder mehr um die Praxis.
Also beim riggen des Rotors (Neuanbau von Rotorblättern) sicher stellen, dass die Winkel passen, so dass man im Fall des Falles wirklich autorotieren kann (so ein Hubi fliegt, Leistung vorausgesetzt, nämlich auch, wenn der Anstellwinkel grundsätzlich einen Tick zu hoch - oder zu tief ist - nur bekommt man dann die Drehzahlen im Fall des Falles nicht mehr in den Griff.
Zu den Drehzahlen - im Prinzip autorotiert man um die 100 % der Drehzahl, die man auch im Flug unter Leistung hat. (aber auch da schwankt die, abhängig von Dichtehöhe/Gewicht Triebwerkssteuerung grob zwischen ca. 96 und 103 %)
(Je nach Hubi, Blattzahl etc auch wieder unterschiedlich - aber sowas von 300 bis 450 Umdrehungen im Schnitt - größere Hubis geringere Drehzahl)
Bei der H145 kann man in der Autorotation nach unten - gewichtsabhängig runter bis auf 80/85% der Drehzahl, nach oben max 12 Sekunden 109-113%.

 

Senkrechte Autorotation - ist nun nicht unbedingt worst case - wird aber idR nicht ausgiebig aus größeren Höhen trainiert.
Meist nur aus der Schwebeflughöhe - und da nutzt man dann das, was man noch an Drehzahl hat, um die Landung abzufedern.

Es geht auch auch größeren Höhen - da muss man dann wirklich darauf achten, Drehzahl zu haben.
Ist aber schwierig, den genauen Zeitpunkt abzupassen, bei dem man dann die kinetische Energie des Rotors in Auftrieb umwandelt.
Zu früh geht die Drehzahl verloren und man erzeugt zusätzlich das Wirbelringstadium.
Zu spät - und die Landung wird härter wie gewünscht.
Richtig getimed reicht die Zeit für die Entwicklung des Wirbelringstadiums nicht mehr aus und die Landung glückt....

 

Sinkraten - sind auch wieder abhängig vom Hubschrauber - um 1000 bis 1500 Fuß pro Minute bei leichten Maschinen die gut segeln - sonst gut 2-3.000 Fuß pro Minute - in Kurven auch mehr - und ich hatte auch schon 5000 Fuß pro Minute sinken auf dem Vario....

 

Bei Flughöhen von Hubschraubern i.d.R zwischen 500 und 2000 Fuß kannst Du Dir ungefähr ausrechnen, wie viel Zeit bleibt 😉
Allerdings gewinnt man ein paar Sekunden, wenn man beim einleiten der Autorotation die Fahrt von z.B. 120 Knoten auf 75 Knoten reduziert - da ist die Sinkrate dann noch nicht voll entwickelt.
Man kann auch low level autorotieren- da je nach Fahrt und Reaktion - sogar noch ein klein wenig Höhe aufbauen beim Abbau der Geschwindigkeit - deshalb bin ich low level idR mit Speed unterwegs 😉 - ergibt ein paar mehr Möglichkeiten im Fall des Falles

 

Gruß Udo

 

Gruß Udo

 

Geschrieben (bearbeitet)
Am 3.12.2020 um 16:17 schrieb Flying Bull:

Du hast am Rotorblatt Bereiche, die das Rotorblatt antreiben (außen) - und welche, die das Blatt bremsen (innen).

...Hoi Udo,

 

Bist Du sicher, dass es nicht umgekehrt ist? Innen antreiben, aussen bremsen. Ref. Vektoren am Rotorblattprofil?

spacer.png

Gruess Andi

Bearbeitet von Andi Rotorchopf
Geschrieben

Hast ja recht - sagen wir mal, Antrieb im inneren Bereich und bremsen ganz innen und ganz außen 😉

 

Gruß Udo

Geschrieben

Vielen lieben Dank nochmals für eure ganzen hilfreichen Kommentare. 🙂

Ja, so habe ich es auch verstanden. Im ganz inneren Bereich (nahe der Blattwurzel) tritt ja der Stall-Effekt auf, dann kommt ein recht großer antreibender Bereich und im äußeren Sektor (also bei den Blattspitzen) wirkt die X-Kraft entgegen der Drehrichtung, also bremsend. 🙂 

 

Viele Grüße

Christin 

Geschrieben

Hoi Zäme,

 

Die obige Visualisierung gilt für eine senkrechte Autorotation.

Bei z.B. 50 kt. IAS verschieben sich die treibenden und bremsenden Gebiete am sich drehenden Rotorblatt.

spacer.png

 

So ist auch die Maximalgeschwindigkeit in der Autorotation tiefer als im angetriebenen Zustand. Die weisse Fläche

geht nach links über das rücklaufende Rotorblatt hinaus und die graue Fläche nimmt überhand. Die Stallregion geht auch nach links und an der Blattwurzel am rücklaufenden Rotorblatt beginnt der Bereich der Anströmung von hinten.

 

Zu beachten ist noch: Beim Hubschrauber ist noch bremsend: Widerstand des Hauptgetriebes (Reibung/Oelpumpe),

bei vielen Hubschraubern die Hydraulik (entweder am Hauptgetriebe angeflanscht oder mit Keilriemen an der Heckrotorwelle), und eben der Heckrotor selber mit seinem Widerstand (mechanisch/aerodynamisch), welche während der Autorotation mitlaufen.

Diese Widerstände treten beim Tragschrauber nicht auf, da ist nur der Widerstand des Nabenlagers, welcher recht klein ist.

 

Gruess Andi

 

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