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Der N-20 "Aiguillon" und der P-16


Kuno

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Da mich ja, bekanntermassne, die historischen Dinge, vor allem auch der schweizer Luftfahrt sehr interessieren, habe ich mich auch schon etwas mit den Schweizer Projekten zur Entwicklung eines eigenen «Düsenjägers» beschäftigt. Im Thema «Die Nurflügler werden entwickelt», verweist ein Beitragsschreiber auch auf den «Arbalete» (eigentlich gemeint ist der N-20 «Aiguillon») der damaligen Eidgenössischen Flugzeugwerke in Emmen – man kommt zum Schluss, dass die Entscheidung zur einstellung dieses Projekts ein «Skandal» gewesen sei.

Beim N-20 aus Emmen handelte es sich sicher um ein (auch heute noch) extrem spannendes Projekt. Wenn man bedenkt, dass das letzte Produkt dieser bundeseigenen Insitution zuvor noch der C-36 war (entwickelt Ende der 1930er, gebaut ab 1942), dann ersstaunt es doch sehr, dass man nur etwas mehr als zehn Jahre später mit einem topmodernen Düsenjet daher kommt. Dieser technologische Schritt war enorm....  

 

  • Nebst dem, dass diese Geschichte bisher noch nie detailliert und unter Berücksichtigung möglichst aller Gesichtspunkte aufgearbeitet wurde, muss man scgon auch noch ein paar weitere Aspekte in Betracht ziehen, bevor man laut «Skandal» ruft.
  • Die «Swiss Mamba» Triebwerke brachten viel zu wenig Leistung, um dem Flugzeug die geforderten Eigenschaften zu verleihen – dieses Problem konnte nicht gelöst werden
  • Gleich zwei eigene Kampfflugzeuge zu entwickeln, nebst dem N-20 lief ja auch noch das Projekt P-16, wäre für die Schweiz nur sehr schwer zu stemmen gewesen. Als der N-20 gestoppt wurde, war man der Meinung, dass der P-16 aus Altenrhein schneller/einfacher zu realiseren war.
  • Die Schweizer Projekte haben immer etwas von «eierlegender Wollmilchsau» - das führt meist dazu, dass das entwickelte Produkt dann zwar viel kann, aber nichts richtig...
  • Die Entwicklung eines topmodernen Kampfflugzeugs ist eines – die Fertigung, Serienbau, dann nochmal etwas ganz anderes. Bei einem Bedarf von nur etwa 100 Maschinen (so viele P-16 wurden bestellt) ist es durchaus fraglich, ob sich der ganze Aufwand lohnt.
  • Ein Verkauf der Flugzeuge ins Ausland wäre eventuell eine Option gewesen, um auf eine genügend grosse Stückzahl zu kommen – da gab es aber eine starke, bereits etablierte Konkurrenz.
  • Seitens der Luftwaffe stand man nicht unbedingt bedingungslos hitner den Eigenprodukten.
  • Der Hawker Hunter befand sich seit 1954 im Dienst, hatte sich ausgezeichnet bewährt, und konnte, ohne Entwicklungsrisiko «ab Stange» gekauft werden.

 

Allerdings – dass es auch für ein kleines Land möglich war (und immer noch ist), eine eigenständige Flugzeugindustrie mit Kampfflugzeugen hochzuziehen, hat man in Schweden mit SAAB mehr als zu genüge bewiesen. Auc SAAB produzierte im Zweiten Weltkrieg Flugzeuge, die nicht gerade topmodern waren... man setzte aber viel an Neuentwicklungen und nutzte (wie auch die Schweiz bei ihren Projekten) Forschungsresultate im Bereich Aerodynamik, die man aus Deutschland «erhalten hatte», um einen «Techologiesprung» zu vollziehen.

Bearbeitet von Kuno
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Nur so, zur Illustration :

 

https://de.wikipedia.org/wiki/Eidgenössisches_Flugzeugwerk_N-20

 

https://de.wikipedia.org/wiki/FFA_P-16

 

Sehen gut aus !

Der N-20 kam nie in die Luft.

Der P-16 wurde nach 2 Abstürzen aufgegeben.

Auf Basis der P-16 wurde das Geschäftsreiseflugzeug Saac-23 entwickelt das schlussendlich in den Learjet 23 mündete.

 

Dokumentation über die Entwicklung und Tests:

"Schweizer Kampfjets part1 N-20, P-16, Mirage3S"

https://www.youtube.com/watch?v=g2wtURpvV2U

 

Bearbeitet von guy
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Danke Kuno für diesen Input, beantwortet es doch gleich meine Frage, die ich noch in den Raum stellen wollte: gibt es irgendwo eine gescheite Dokumentation (schriftlich, wenn möglich) über den N-20, insbesondere auch mit den politischen Hintergründen? Offensichtlich leider nicht. Oder noch nicht? Böse Zungen behaupten, nach Abschluss deines Pilatus SB-2 Pelican Projekts sei dir aktuell etwas langweilig ?

 

Persönlich finde ich aus technischer Sicht ja das Swiss Mamba Triebwerk hochspannend, war es doch eines der ersten, wenn nicht sogar DAS erste "Mantelstrom"-Triebwerk der Welt das wirklich lief und geflogen ist (wenn auch nur unter dem Mosquito-Testträger...). Bin da neulich mal wieder im Verkehrshaus deutlich zu lange drum rumgeschlichen...Wer hats erfunden?!??

Bearbeitet von Lubeja
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vor 12 Stunden schrieb Kuno:

 

  • Gleich zwei eigene Kampfflugzeuge zu entwickeln, nebst dem N-20 lief ja auch noch das Projekt P-16, wäre für die Schweiz nur sehr schwer zu stemmen gewesen. Als der N-20 gestoppt wurde, war man der Meinung, dass der P-16 aus Altenrhein schneller/einfacher zu realiseren war.
  •  

Die Geschichte von P-16 und N-20 sind nachzulesen im Taschenbuch:

"Schweizerische Strahlflugzeuge und Strahltriebwerke" von George Bridel, im Verlag Verkehrshaus der Schweiz, erschienen 1975

ISBN 3 85954 902 2

 

Auf Seite 41 steht:

..."Anfang November (Anm. 1953) wurden vom Vorsteher des EMD die Flugversuche mit dem N-20.10 untersagt, obwohl die Konstrukteure die Verantwortung für den Erstflug des "Aiguillon" schriftlich bestätigten und die Belegschaft den Erstflug in der Freizeit und sogar mit eigener Finanzierung durchzuführen bereit waren"

 

Dieser Entscheid war wohl eher primär politisch bedingt.

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vor 9 Stunden schrieb guy:

 

Der N-20 kam nie in die Luft.

 

 

Diese Aussage ist nur teilweise richtig:

 

- mit dem N-20.10 Aiguillon wurde nur ein kurzer Starthüpfer ausgeführt

- der Gleiter N-20.1 absolvierte 69 Flüge

- die N-20.2 Arbalète (mit 4 Jet-Triebwerken) absolvierte 91 Flüge

 

" Die Beurteilung durch die Piloten war günstiger als erwartet. Hervorgehoben wurde die grosse Wendigkeit, die rasche und genaue Wirksamkeit der Steuerung bei kleinen und gut abgestimmten Steuerkräften. Die Arbalète wurde in den Flugeigenschaften als sehr ähnlich zum berühmten Akrobatikflugzeug Bücker Jungmeidster beurteilt, bei allerdings weit höheren Flugleistungen."

Quelle: Schweizerische Strahlflugzeuge und Strahltriebwerke, Seite 21

 

Die N-20.2 Arbalète fliegt übrigens seit einigen Jahren wieder als Modell im Mst 1:7 und 1:5

 

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8g8fu4ky.jpg

 

2igezqi4.jpg

 

 

 

 

Bearbeitet von beni
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6 hours ago, Lubeja said:

Danke Kuno für diesen Input, beantwortet es doch gleich meine Frage, die ich noch in den Raum stellen wollte: gibt es irgendwo eine gescheite Dokumentation (schriftlich, wenn möglich) über den N-20, insbesondere auch mit den politischen Hintergründen? Offensichtlich leider nicht. Oder noch nicht? Böse Zungen behaupten, nach Abschluss deines Pilatus SB-2 Pelican Projekts sei dir aktuell etwas langweilig ?

 

 

Das erwähnte keline Buch von Georg Bridel ist sehr empfehlenswert... und mit dem Namen des Autors könnte man dann auch gleich zum ALR "Piranha" überleiten ?

 

Die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg war "flugtechnologisch" extrem spannend, auch in der Schweiz. Ich würde gerne dazu noch ein anderes Buch empfehlen: Leonardi, Luc; P-16 Prototypes Suisses d'Avions à Réaction. N-20, Lear Jet, Piranha, Editions Secavia. Aber "abschliessend" ist auch dieses Buch nicht - ich glaube, mit einem einzigen Buch kann man dieses Thema gar nicht umfassend aufarbeiten. 

 

Man wirft bei solchen Projekten gerne "dem Bundesrat" oder der "Politik" vor, dass sie alles "vergeigt" haben. Rückblickend kann man das natürlich immer so darstellen, und tatsächlich scheitern ja zukunftsweisende Projekte in der Schweiz (sicher auch anderswo) gerne mal an der eigenen Mutlosigkeit, an Zänkereien, Neid und Missgunst... aber oft ist es halt nicht nur das alleine. Manchmal fehlt schlichtweg auch das Geld und man muss Prioritäten setzen - es läuft bei der aktuellen Flugzeugbeschaffung bestimmt nicht anders. 

 

Langweilig? Mir? Bestimmt nicht! Das "Projekt Pelican" ist zwar für mich abgeschlossen und ich wollte endlich wieder einmal etwas zum Thema "Fernerkundungseinheiten im Wüstenkrieg" bearbeiten. Allerdings bin ich tatsächlich bei der Recherche zum "Pelican" über etwas gestolpert, das noch viel skuriler anzuschauen war, als der "Pelican"... muss das aber vorerst noch hinten anstellen, weil ich aktuell in ein fliegerisches Thema aus der Zeit während des Ersten Weltkriegs involviert bin. Es hätte nur "etwas kleines" werden sollen, etwa 80 Seiten... jetzt steht es bereits bei über hundert Seiten Text und es wird noch mehr, und Fotos kommen auch noch dazu.

 

Aber zurück zu Arbalète und Aiguillon - die beiden Flugzeuge sind seit etwa einem Jahr endlich zusammen zu sehen. Arbalète wurde aus dem Verkehrshaus in Luzern entnommen und nach Dübendorf gebracht, dort hängt das gelbe Ding jetzt schön über dem Aiguillon, und man kann die beiden Flugzeuge vergleichen.  

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Bevor das Thema im Sand verläuft eine kleine Anektote aus der Entwicklung der N-20.

Am 10.7.1950 fand in Emmen eine Besprechung mit Prof. Karman statt. Und offensichtlich war man sich alles andere als einig ob es denn ein Nurflügler oder eine konventionelle Auslegung werden sollte.

Gruss

Stefan
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